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[Das Gericht vertagt sich bis

27. Juni 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertfünfundsechzigster Tag.

Donnerstag, 27. Juni 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Angeklagte Fritzsche im Zeugenstand.]

OBERSTLEUTNANT JAMES R. GIFFORD, GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Der Angeklagte Ribbentrop wird wegen Krankheit abwesend sein.

DR. FRITZ: Herr Präsident! Meine Hohen Richter! Zunächst eine ganz kurze Erläuterung.

Ich habe gestern mehrfach die Anklage erwähnt und beabsichtige dies auch bei der weiteren Vernehmung zu tun. Ich meine damit immer die Präsentation des Falles Fritzsche durch Captain Sprecher in der Vormittagssitzung vom 23. Januar 1946.

Herr Fritzsche! Sie hatten sich gestern zu Ihren Rundfunksendungen über die Propaganda der Alliierten geäußert. Dazu noch eine letzte Frage: Haben Sie auch versucht, die Front der Alliierten durch Ihre Propaganda aufzuspalten?

FRITZSCHE: Selbstverständlich habe ich das versucht. Ich habe alle ideologischen und alle praktisch politischen Gegensätze oder Differenzen zwischen den einzelnen der alliierten Nationen herausgearbeitet. Ich hielt das für ein erlaubtes Kriegsmittel. Damals wünschte ich eine Spaltung zwischen den Alliierten genau so sehr, wie ich etwa heute deren Einigung wünsche, da Deutschland ja doch das erste Opfer eines jeden Konflikts wäre.

DR. FRITZ: Nun sind Sie auch angeklagt als Helfer bei der Festigung der Nazi-Kontrolle in ganz Deutschland. Haben Sie gegen die Demokratie gehetzt?

FRITZSCHE: Ich habe niemals gehetzt gegen die Demokratie als solche. Ich habe polemisiert gegen die Demokratie der 36 Parteien. Die Demokratie, die vorher in Deutschland geherrscht hatte, die Demokratie, unter der selbst so starke Gruppen ohnmächtig blieben, wie etwa die zwei marxistischen Parteien. Die ausländische Demokratie habe ich kritisiert nur in zwei Punkten:

Erstens in den Elementen, die den Grundgedanken einer Demokratie einschränkten. Ich glaube, es ist überflüssig, vielleicht auch mißverständlich, wenn ich das heute aufzählen würde.

Zweitens kritisierte ich das Verlangen der ausländischen Demokratien, auch uns ihre Regierungsform aufzunötigen. Das erschien mir damals nach dem Stande meiner damaligen Kenntnisse und Informationen ungerechtfertigt.

DR. FRITZ: Hielten Sie also die Diktatur für die bessere Regierungsform?

FRITZSCHE: Ich möchte ausdrücklich erklären: Damals, unter den damaligen Umständen und nur für eine vorübergehende Zeit der Not, ja. Heute selbstverständlich nicht mehr. Nachdem die autoritäre Regierungsform geführt hat zu der Katastrophe eines Mordes an fünf Millionen, halte ich diese Regierungsform selbst in Notzeiten für falsch. Ich glaube, daß jede Art, selbst eine eingeschränkte Art von demokratischer Kontrolle, eine solche Katastrophe unmöglich gemacht hätte.

DR. FRITZ: Es wird Ihnen ferner vorgeworfen, daß Sie die Lehre von der Herrenrasse verbreiteten. Von der Anklage wird dieser Vorwurf indirekt gegen Sie erhoben. Wie steht es damit?

FRITZSCHE: Ich habe niemals die Theorie der Herrenrasse aufgestellt oder vertreten. Ich habe selbst diesen Begriff vermieden. Ich habe den Begriff ausdrücklich verboten für die deutsche Presse und für den deutschen Rundfunk, jeweils in der Zeit, als ich das eine oder das andere betreute. Ich glaube auch, daß der Begriff Herrenrasse eine größere Rolle gespielt hat in der antinational-sozialistischen Propaganda als in Deutschland selbst. Wer der Erfinder dieses Begriffes ist, weiß ich nicht. Öffentlich erwähnt wurde er meines Wissens nur von Männern, wie zum Beispiel Dr. Ley, die – und das muß ich offen und ausdrücklich erklären – in dieser Beziehung von niemandem ernst genommen wurden. Unausgesprochen hat dieser Begriff allerdings eine große Rolle gespielt bei der SS wegen ihrer Exklusivität in rassischer Hinsicht. Aber Menschen von Klugheit, von Takt, von Einsicht und einiger Weltkenntnis vermieden den Gebrauch dieses Wortes auf das allerpeinlichste.

DR. FRITZ: Herr Präsident! Ich biete dem Hohen Gericht bei dieser Gelegenheit ein Affidavit an des Dr. Scharping vom 17. Mai 1946. Dr. Scharping war bis zuletzt Regierungsrat im Propagandaministerium. Aus diesem Affidavit zitiere ich an dieser Stelle nur einen Satz von Seite 13. Ich zitiere:

»In diesem Zusammenhang ist auch zu erklären, daß Fritzsche sich stets gegen den Begriff der ›Herrenrasse‹ gewendet hat. Es wurde sogar die Anwendung dieses Wortes von ihm im Rundfunk ausdrücklich verboten«.