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[Zum Zeugen gewandt:]

Nun hat aber die Anklage ein Zitat aus einer Ihrer Rundfunkreden gebracht, um diese Behauptung zu belegen.

FRITZSCHE: Das Zitat ist richtig, aber ich bitte es nur genau zu lesen. In ihm wird der Begriff »Herrenrasse« abgelehnt für das jüdische und für das deutsche Volk. Das Zitat ist nicht mißzuverstehen.

DR. FRITZ: Herr Präsident! Es steht in der Anklagerede von Captain Sprecher im englischen Text auf Seite 32/31 des Protokolls.

[Zum Zeugen gewandt:]

Aber nun haben Sie nicht nur Inlands-, sondern auch Auslandspropaganda betrieben. Wie war der Unterschied?

FRITZSCHE: In meinen Rundfunkvorträgen bestand kein Unterschied. Vor dem Ausbruch des Krieges habe ich die Vorträge für das In- und die für das Ausland leicht differenziert, einfach weil das Publikum ein verschiedenes war und ich ein verschiedenes Niveau von Vorkenntnissen voraussetzen mußte. Im Kriege wurden meine im Reichsdeutschen Rundfunk gehaltenen Vorträge einfach auch gegeben über die Kurzwellensender. In- und Ausland konnten das für Aus- oder Inland Gesagte gegenseitig kontrollieren. Im übrigen habe ich in den zwölf Jahren, in denen ich im deutschen Rundfunk sprach, niemals Übersetzungen meiner Vorträge geduldet, da dann immer eine Verschiebung von Nuancen herauskam. Aufsätze ließen sich übersetzen, vielleicht auch offizielle Reden, aber nicht die doch etwas leichten und halb improvisierten Plaudereien.

DR. FRITZ: Haben Ihre Auslandssendungen internationale Kritik gefunden?

FRITZSCHE: Ja, sehr häufig. Im Kriege gab es manchmal, beinahe täglich, eine Stimme aus irgendeinem Land, und diese Kritiken ließ ich sammeln. Ich bat, sie zu beantragen als Dokument, der Antrag wurde abgelehnt. Meines Wissens ist mir in diesen Kritiken der Vorwurf der Kriegshetze nicht gemacht worden.

DR. FRITZ: Nun sind Sie nicht nur als Sprecher propagandistisch tätig gewesen, sondern auch als Organisator. Man wirft Ihnen vor, daß Sie geholfen hätten, ein wichtiges Instrument für die behauptete Verschwörung zu schaffen. Die Anklage sagt hierzu, Sie hätten 13 Jahre lang Hilfe geleistet bei Schaffung der Propagandamittel, die die Verschwörung zum Zuschlagen benutzte.

Haben Sie die Presseorganisationen des nationalsozialistischen Staates geschaffen?

FRITZSCHE: Nein, diese Organisation habe ich nicht geschaffen. Ich war auch nicht beteiligt an ihrer Schaffung. Der Schöpfer war Dr. Goebbels, Dr. Dietrich und der Reichsleiter Amann. Als ich im Winter 1938 Leiter der sogenannten Abteilung Deutsche Presse wurde, habe ich versucht, die Fesseln zu erleichtern, die der deutschen Presse angelegt worden waren. Ich habe das auf dem materiellen und personellen Gebiet versucht. Ich habe zum Beispiel Hunderte von 1933 oder 1934 entlassene Schriftleiter anderer Parteien wieder in die Presse hereingeholt. Heute werden diese mir gram sein. Damals meinte ich es gut. Ich habe dann weiter außer den offiziellen Pressekonferenzen, die außerordentlich scharf kontrolliert wurden, auch in ihren Protokollen von meinen Vorgesetzten, sogenannte Nachkonferenzen geschaffen, in denen ich mit den Vertretern der 50, 60 wichtigsten Zeitungen freier alle Möglichkeiten ihrer Arbeit besprach. Ich habe dort das oft angewandte Schlagwort geprägt: »Ihr könnt alles an Kritik in den deutschen Zeitungen schreiben, dann, wenn Ihr diese Kritik nicht fett in die Überschrift setzt, sondern wenn Ihr sie elegant formuliert im Text unterbringt.« Von dieser Möglichkeit haben viele, viele deutsche Journalisten der vergangenen zwölf Jahre Gebrauch gemacht. Ich wäre froh, wenn diese Arbeit, die eine versteckte Arbeit war, heute irgendwie im Interesse dieser Menschen gewürdigt würde, die zum Teil nur im persönlichen Zutrauen zu mir in ihren Beruf als Journalist zurückgekehrt sind. Selbstverständlich muß ich hinzufügen, daß die Möglichkeit, diese Kritik zu üben, irgendwie begrenzt war und nicht unbegrenzt zur Verfügung stand.

DR. FRITZ: Herr Präsident! Ich biete dem Gericht bei dieser Gelegenheit mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein Dokument als Fritzsche-Exhibit Nummer 4 an. Es handelt sich hierbei um einen Auszug aus einem Briefe des deutschen Generalleutnants Dittmar, der die militärische Lage häufig im deutschen Rundfunk während des Krieges kommentiert hat und der sich in englischer Gefangenschaft befindet. Der bekannte englische Rundfunkkommentator Mr. Lidell-Hart hat dem britischen Generalstaatsanwalt einen Auszug aus einem Briefe geschickt, und ich möchte dieses Memorandum, das mir zugeleitet wurde, kurz zitieren. Darf ich die Stelle zitieren?

VORSITZENDER: Bitte.

DR. FRITZ: Dittmar schreibt:

»Die Möglichkeit, die kritische Haltung in seinen Rundfunkkommentaren beizubehalten, ist hauptsächlich ermöglicht durch die stillschweigende Billigung und durch die Protektion Hans Fritzsches, des Leiters des politischen Rundfunks. Er glaubt, daß Fritzsche ein heimlicher Opponent des Regimes gewesen ist und froh über die Chance war, einen Kommentator gefunden zu haben, der in diskreter Weise Gedanken zum Ausdruck brachte, die seinen eigenen ähnelten, und die insgeheim dahin führen würden, das Vertrauen zum Regime zu vermindern.«

Ferner im Anschluß an dieses Zitat ein weiteres Zitat aus dem Affidavit von Dr. Scharping, das ich bereits als Fritzsche-Exhibit Nummer 2 überreicht habe. Es ist Seite 11 dieses Affidavits. Ich zitiere:

»Die Rundfunkleute und Journalisten kannten Fritzsches Toleranz ganz genau. Es ist wiederholt vorgekommen, daß Fritzsche bei seinen Konferenzen zum Beispiel ein Exemplar des ›Völkischen Beobachters‹ in der Hand hatte und einen judenfeindlichen Aufsatz ironisierte. Ich erinnere mich, daß er einmal etwa mit folgenden Worten seiner Kritik Ausdruck gab: ›Eine Berliner Zeitung‹ – er hielt dann für alle sichtbar den ›Völkischen Beobachter‹ hoch in der Hand – ›hat wieder einmal in einem Leitartikel mehr als zwei Böcke auf einmal geschossen. Vielleicht gelingt es dem Herrn Verfasser noch, den richtigen Ton zu treffen.‹

Mit solchen ironischen Bemerkungen hatte Fritzsche stets den Beifall seiner Zuhörer; aber es war nicht ungefährlich für ihn, denn Goebbels las täglich die Protokolle dieser Pressekonferenzen nach.«

Herr Fritzsche! Im Anschluß an die Äußerung des Generalleutnants Dittmar eine Frage: Fühlten Sie sich als ein Gegner des Systems, oder wie kommt Generalleutnant Dittmar zu dieser Aussage?

FRITZSCHE: Ich war kein Gegner des Systems; es wäre lächerlich und unwürdig, heute das behaupten zu wollen. Aber ich war ein scharfer Gegner aller Mißbräuche des Systems, die ich überhaupt nur zu erkennen vermochte. Der Mißbrauch, der mir am erkennbarsten war, weil er auf meinem Arbeitsgebiete lag, war die Schönfärberei der Nachrichten im Kriege. Das Ziel meiner ganzen Nachrichtenpolitik war ein Realismus; und das meint General Dittmar offenbar in dem hier verlesenen Teil seiner Aussage.

Ich begegnete General Dittmar im Dezember 1942 oder Januar 1943, also in dem Augenblick, als die 6. Armee in Stalingrad schon eingeschlossen war, als diese Tatsache aber offiziell dem deutschen Volke noch verheimlicht wurde, und ich habe mit General Dittmar zusammen, entgegen dem Verbot, die Tatsache der Einschließung der 6. Armee in Stalingrad öffentlich mitgeteilt. Es gab damals eine große Sensation.

Ich habe in den darauffolgenden Monaten und Jahren General Dittmar mit seiner realistischen Darstellung der militärischen Lage immer verteidigt gegen alle Angriffe, insbesondere gegen die Angriffe der Partei, aber auch gegen die Angriffe des Auswärtigen Amtes, das immer wieder darauf verwies, diese nüchternen Darstellungen Dittmars wirkten auf die Verbündeten Deutschlands schlecht.

Im Rahmen dieses Kampfes für eine realistische Nachrichtengebung habe ich später – und ich bitte um die Erlaubnis, das kurz erwähnen zu dürfen – einen geradezu verzweifelten Kampf geführt gegen die verantwortungslose Propaganda, die mit Wunderwaffen geführt wurde. Ein Jahr erst, nachdem Dr. Goebbels das erstemal von Wunderwaffen, die kämen, gesprochen hatte, habe ich eine neue Waffenart überhaupt zum erstenmal erwähnt. Hier hat Speer einen SS- Standartenführer Berg erwähnt, der im Rahmen des Propagandaministeriums eine geheime Propaganda getrieben hätte für die Wunderwaffen. Dies ist der Verfasser eines vielbeachteten Aufsatzes aus dem »Reich« mit der sensationellen und vielversprechenden Überschrift »Wir Geheimnisträger«. Gegen solche Dinge mußte ich ankämpfen. Ein anderes besonders markantes Beispiel: Auch ein Angehöriger der SS, Hernau, schrieb in dem Augenblick der gelungenen Invasion einen Aufsatz, in welchem er es so darlegte, als sei die Räumung Frankreichs ein ganz besonders geheimnisvoller Trick der deutschen Kriegführung, der nun die Möglichkeit schaffe zu einem besonders scharfen Gegenschlag. Diesen Aufsatz habe ich in meinem Bereich verboten, und ich mußte immer wieder auftreten gegen die unter der Decke verbreiteten unverantwortlichen Gerüchte über geheimnisvolle Waffen. Ich habe das auch öffentlich getan, und ich habe auch im Rundfunk gegen diese Propaganda deutlich Stellung genommen.

Auf der anderen Seite darf ich aber auch darauf hinweisen: Mir sind immer von meinen Vorgesetzten in jedem Augenblick des Krieges einzelne begründete Versprechungen gemacht worden, erstens auf irgendeine gerade jetzt vorbereitete militärische Offensive, zum Beispiel ein Vorstoß aus Ostpreußen nach Süden, ein Vorstoß aus Oberschlesien an die Weichsel, ein Vorstoß aus dem Elsaß nach Norden und so weiter. Hand in Hand mit diesen bis ins einzelnste begründeten Zusagen gingen dann die gestern schon andeutungsweise erwähnten politischen Versprechungen, also die von Dr. Goebbels gegebenen Schilderungen, daß außenpolitische Verhandlungen mit dem Gegner auf der einen oder anderen Seite im Gange seien.

DR. FRITZ: Eine weitere Frage: Wer leitete die Pressepolitik?

FRITZSCHE: Die Pressepolitik leitete Reichspressechef Dr. Dietrich. Er gab seine Anweisungen sehr spezialisiert, meistens in einem genau festgelegten Wortlaut, der sogenannten »Tagesparole des Reichspressechefs«. Meist gab er sogar noch die Kommentare im Wortlaut, die etwa auf der Pressekonferenz angefügt werden sollten.

Dr. Dietrich hielt sich meistens im Führerhauptquartier auf und erhielt die Weisungen von Hitler unmittelbar. Vertreter Dr. Dietrichs waren Sündermann und Lorenz.

Der zweite für die deutsche Pressepolitik bestimmende Faktor war der Reichsleiter Amann, der an der Spitze der Organisation der Verleger stand.

Der dritte Faktor war Dr. Goebbels als Reichspropagandaminister. Ihm unterstanden formell sowohl Dietrich wie Amann. Tatsächlich waren ihm beide gleichgestellt, und ich mußte immer zwischen diesen drei Instanzen lavieren, ausgleichen oder koordinieren.

DR. FRITZ: Haben Sie die Organisation des journalistischen Nachrichtenwesens geschaffen?

FRITZSCHE: Jawohl, diese Organisation habe ich geschaffen. Sie stammt im Prinzip von mir. Ich darf verweisen auf mein Affidavit 3469-PS, und zwar Punkt 17. Ich betreute das journalistische Nachrichtenwesen etwa von 1934 bis 1938. Ich war noch stolz darauf, daß am Anfang des Krieges sogar der Gegner das gute Funktionieren dieses Nachrichtenapparates anerkannte. Ich war allerdings zu dieser Zeit nicht mehr der Leiter dieses sogenannten Referats »Nachrichtenwesen«. Ich habe diese Organisation als ein Fachmann mitten im Frieden geschaffen, ohne auch nur irgendwie an ihre Kriegsverwendungsmöglichkeit zu denken. Die Schlußfolgerung der Anklage, daß ich auch den Inhalt der Nachrichtendienste bestimmt hätte, ist nicht richtig.

DR. FRITZ: Von der Anklage ist gesagt worden, daß das Propagandaministerium die märchenreichste Lügenfabrik aller Zeiten gewesen sei. Was sagen Sie dazu?

FRITZSCHE: Zunächst für mich persönlich möchte ich folgendes ganz klarstellen: Ich erkläre unter meinem Eid, ich habe in wirklich ernsthaften Fragen der Politik und der Kriegführung nicht eine einzige Fälschung begangen und nicht eine einzige Lüge bewußt ausgesprochen. Wie oft ich selbst das Opfer einer Fälschung oder einer Lüge geworden bin, das vermag ich nach den Enthüllungen dieses Prozesses nicht zu sagen. Das gleiche gilt, soweit ich das weiß, für alle meine Mitarbeiter. Dabei möchte ich durchaus nicht leugnen, daß ich und meine Mitarbeiter eine Tendenz walten ließen bei der Auswahl von Meldungen und Zitaten.

Es ist ja der Fluch der Propaganda in einem Kriege, daß sie eben nur mit Schwarzweißmalerei arbeitet und nur wenige große Geister erheben sich darüber. Ich glaube, daß diese Schwarzweißmalerei ein Luxus ist, den man sich auch nicht mehr leisten darf.

Zu diesem Thema Propagandaministerium als solchem muß ich sagen: Ich kann nur urteilen über das Zwölftel, also die eine Abteilung, der ich jeweils vorstand. Aber nach meiner Kenntnis ist es ein Irrtum zu glauben, daß dort im Propagandaministerium tausend kleine Lügen ausgedacht worden wären. Im einzelnen wurde ganz sauber und ehrlich gearbeitet; technisch sogar vollkommen. Hätten wir in tausend kleinen Dingen gelogen, dann wäre der Gegner leichter mit uns fertiggeworden, als er tatsächlich mit uns fertiggeworden ist. Aber entscheidend für einen solchen Aufklärungsapparat ist ja nicht die Einzelheit, sondern entscheidend ist die letzte und tiefste Grundlage, auf der eine Propaganda aufgebaut ist. Entscheidend ist der Glaube an die Sauberkeit der Staatsführung, auf die sich irgendwie jeder Journalist verlassen muß, und diese Grundlage ist erschüttert durch das, was heute bekanntgeworden ist von Massenmord, von sinnlosen Greueln, und sie ist erschüttert durch den Zweifel an die Ehrlichkeit des Friedensbekenntnisses Hitlers, dessen Tatsachen im einzelnen ich nicht zu beurteilen vermag.

DR. FRITZ: Es ist in diesem Prozeß darauf hingewiesen worden, daß es keine völkerrechtlichen Bestimmungen gibt über die Gebräuche der Propaganda im Krieg und Frieden.

FRITZSCHE: Mir ist sehr wohl bekannt, daß das Völkerrecht der Propaganda, besonders der Propaganda im Kriege, keine Grenze zieht. Es ist mir auch sehr wohl bekannt, daß nur in ganz wenigen Einzelverträgen zwischen Staaten Bestimmungen über den Gebrauch der Propaganda enthalten waren, zum Beispiel in dem Vertrag Deutschland-Polen und in dem Vertrag Deutschland-Sowjetunion. Aber ich habe mein ganzes Leben lang als Journalist betont: Das Fehlen internationaler Bestimmungen über Propaganda ist kein Freibrief für Lüge. Ich habe immer die moralische Verantwortung des Journalisten und des Nachrichtenmannes betont. Ich habe das lange vor dem Kriege auch in einer internationalen Diskussion mit Radio Luxemburg schon getan, auf die einzugehen hier zu weit führen würde. Wenn ich im Mai des vorigen Jahres den Tod nicht suchte, dann ist mit ein Grund hierfür mein Wunsch, ich wollte Rechenschaft ablegen, wo in diesem System der reine Idealismus und der Opfermut von Millionen war und wo die Lüge herrschte oder die Brutalität, die auch vor einem Verbrechen nicht zurückschreckte.

DR. FRITZ: Nennen Sie Beispiele, in denen Sie sich betrogen fühlten.

FRITZSCHE: Es ist in diesem Prozeß die Nachricht besprochen worden, die am Anfang des Polenkrieges stand, die Nachricht von dem Überfall auf den Sender Gleiwitz. Ich habe damals an die Richtigkeit der amtlichen deutschen Nachrichten fest geglaubt. Über diesen Fall brauche ich nichts zu sagen. Dann ist mir im Dezember erst des vorigen Jahres hier im Gefängnis in Nürnberg aus einem Gespräch mit dem Großadmiral Raeder klargeworden, daß es tatsächlich ein deutsches U-Boot war, das die »Athenia« versenkte. Bis dahin hatte ich fest an die Richtigkeit der amtlichen deutschen Mitteilung geglaubt, daß ein deutsches U- Boot nicht in der Nähe des Versenkungsortes gewesen war. Ich habe meinen Rechtsanwalt gebeten, einmal die schärfsten Stellen, die ich zu dem Fall »Athenia« gesagt habe, herauszusuchen und in mein Dokumentenbuch aufzunehmen, also Dinge, die eigentlich gegen mich sprechen, aber die auf der anderen Seite doch klarlegen, wie ich nicht ganz allein auf der Grundlage der amtlichen deutschen Nachrichten arbeitete und argumentierte, sondern wie ich auch die Nachrichten sammelte, die die amtliche deutsche Lesart unterstützten, also zum Beispiel die zunächst nicht öffentlich bekanntgegebene und deshalb zu Verdacht anregende Tatsache, daß das Wrack der »Athenia« einen Tag nach der Katastrophe durch Schüsse britischer Zerstörer versenkt wurde, ein Vorgang, der im Interesse der Schiffahrt selbstverständlich ist, der mir damals aber Anlaß zu neuem Mißtrauen zu sein schien. Ebenso habe ich amerikanische Nachrichten zum gleichen Gegenstand verwendet. Aber die eindrucksvollste Falschnachricht, der ich zum Opfer fiel, ist doch eine Nachricht, die in den letzten Tagen des Krieges ausgegeben wurde, und die ich schildern muß im Interesse der Klarstellung der Dinge:

In den Tagen, als Berlin umschlossen war von den russischen Armeen, wurde den Berlinern mitgeteilt, daß eine Entsatzarmee, die Armee Wenk, auf dem Marsche nach Berlin sei, daß an der Westfront nicht mehr gekämpft würde; es wurde die Nachricht ausgegeben, Ribbentrop habe sich an die Westfront begeben und dort einen Vertrag abgeschlossen, und es wurden dann Flugblätter gedruckt in dem umschlossenen Berlin, etwa mit dem Text: »Soldaten der Armee Wenk, wir Berliner wissen, daß Ihr schon bis Potsdam gekommen seid, beeilt Euch, kommt schnell, helft uns.« Diese Flugblätter wurden gedruckt zu einem Zeitpunkt, als die Armee Wenk nicht mehr existierte und schon gefangengenommen war. Diese Flugblätter wurden scheinbar versehentlich über Berlin abgeworfen und sollten den Einwohnern Berlins neuen Mut in diesen Tagen geben. Das geschah in den Tagen, in denen Hitler nach der Aussage Speers seiner engeren Umgebung bereits gesagt hatte, es lohne sich nicht mehr, für den Rest des deutschen Volkes irgend etwas zu tun.

DR. FRITZ: Herr Präsident! Die von dem Angeklagten Fritzsche erwähnten zwei Rundfunkansprachen, die sich mit dem »Athenia«-Fall beschäftigen, sind in dem Dokument Fritzsche-Exhibit Nummer 1 enthalten, welches ich bereits gestern überreicht habe. Ich verweise nur auf den Inhalt dieser Rundfunkansprache.