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[Zum Zeugen gewandt:]

Nennen Sie Beispiele von Unwahrheiten, die Sie kannten und die Sie nicht für Lügen hielten.

FRITZSCHE: Ein Beispiel ist die sogenannte »V-Aktion«. Ein Oberst Britton hatte im britischen Rundfunk diese »V-Aktion«, die Victory-Aktion verkündet. Ich stellte mich an dem gleichen Abend vor das deutsche Mikrophon und sagte scheinbar harmlos: »Wir werden eine ›V‹-Aktion durchführen, das ›V‹ heißt ›Victoria‹.«

Darauf behauptete Oberst Britton, ich hätte ihm das »V« gestohlen. Ich behauptete, das sei nicht der Fall, es sei mir zuerst eingefallen.

DR. FRITZ: Wenn Sie nur mit der Wahrheit zu operieren glaubten, warum dann Ihre scharfe Sprache, warum dann das Abhörverbot ausländischer Sender?

FRITZSCHE: Ich habe schon in meinem Affidavit betont, daß nach meiner Ansicht die Schärfe meiner Sprache immer etwas zurückblieb hinter der Schärfe der Sprache meiner Gegner. Das Verbot zum Abhören ausländischer Sender ist ausgesprochen gegen meinen Willen erlassen worden. Für mich war dieses Verbot nur lästig bei meinen Diskussionen mit meinen ausländischen Gegnern in den verschiedenen Ländern, denn bei dieser Art des Abhörverbotes blieb mein Gegner sozusagen im Halbschatten, ich durfte ihn nicht offiziell ansprechen, wußte aber auf der anderen Seite, daß eben doch viele meiner Hörer auch ihn gehört hatten. Ich darf hier erwähnen, daß ich immer eingetreten bin für eine milde Beurteilung der Vergehen gegen dieses Rundfunkabhörverbot. Mehrfach wurde ich von Justizbehörden als Sachverständiger gefragt. Ich darf auch betonen, daß ich, insbesondere nach Stalingrad, einen eigenen Abhördienst einrichtete, einen Abhördienst des russischen Rundfunks, um die Namen der in Stalingrad gefangengenommenen deutschen Soldaten, die der russische Rundfunk nannte, den Angehörigen mitzuteilen, weil es mir grausam erschien, Angehörige von einer solchen Nachrichtenquelle über das Schicksal ihrer Angehörigen abzuhalten. Im übrigen aber bestand ja in Fragen Rundfunkabhörverbot nur eine Alternative; das war nämlich: entweder Einziehung aller Rundfunkapparate und Stilllegung auch des ganzen deutschen Rundfunks – das forderte mehrfach die Partei –, oder Abhörverbot, und da erschien mir das Verbot zum Abhören ausländischer Sender das kleinere Übel.

Im übrigen herrschte schließlich Krieg, und der Gegner war nicht allzu wählerisch in seinen Mitteln. Ich möchte nur ein Beispiel erwähnen: Das war der Sender Gustav Siegfried 2, der im Anfang seiner Arbeit Hörer in Deutschland warb mit Schilderungen, die ich nicht näher charakterisieren möchte, die mich aber dazu veranlaßten, die Aufnahme dieses Senders in meiner eigenen Abhörstation zu verbieten.

DR. FRITZ: Ihnen ist der Vorwurf gemacht, Sie hätten aufgereizt zu einer Politik der rücksichtslosen Ausbeutung der besetzten Gebiete. Bekennen Sie sich zu einer solchen Politik?

FRITZSCHE: Nein. Das Ziel meiner gesamten Propagandaarbeit in Europa war ja, und mußte ja sein, die Gewinnung der Völker Europas für die deutsche Sache. Alles andere wäre einfach unlogisch gewesen. Alle Rundfunksendungen in allen europäischen Sprachen, die unter meiner Leitung gemacht wurden, hatten jahrelang nur ein einziges Ziel, eben die Gewinnung der freiwilligen Mitarbeit, vor allem der besetzten Gebiete für den Kampf des Reiches.

DR. FRITZ: Waren Sie der Ansicht, daß die deutsche Verwaltung in den besetzten Gebieten diesen Weg der Werbung einer freiwilligen Mitarbeit ging?

FRITZSCHE: Zu Anfang bestimmt, mit einer einzigen Ausnahme, das war Koch in der Ukraine. Sonst haben nach meiner Kenntnis alle Verwaltungen besetzter Gebiete diese Kollaboration gesucht, teils mehr, teils weniger geschickt. Ich sah dann die gigantischen Anstrengungen, die die Alliierten machten zur Störung dieser deutschen Kollaborationspolitik, die ja für sie sehr gefährlich war. Ich sah diese Anstrengungen der Alliierten zunächst mit dem Mittel der Propaganda. Diese allein hätte nicht gewirkt. Aber ich sah diese Anstrengungen dann mit dem anderen Mittel, nämlich dem Mittel der Attentate und der Sabotage. Hier hatten diese Bemühungen einen großen Erfolg. Attentate schufen immer Repressalien, und Repressalien schufen neue Attentate. Ich hoffe, nicht mißverstanden zu werden, und es ist nicht zynisch gemeint, wenn ich folgendes sage: Ich als Propagandist betrachtete zum Beispiel den Mord an Heydrich als einen kleinen Erfolg, die von den Deutschen durchgeführte Zerstörung von Lidice aber als einen ganz großen Erfolg der Alliierten. Ich war also immer, und mußte sein, ein Gegner von Repressalien aller Art.

DR. FRITZ: Waren Ihnen denn die Repressalien bekannt? Wie haben Sie sie in Ihrer Propaganda behandelt?

FRITZSCHE: Das eben erwähnte Lidice habe ich erst nach Monaten erfahren, weil ich zu dieser Zeit an der Ostfront stand. Ich erfuhr, und das ist bezeichnend, nur die Zerstörung der Häuser von Lidice und die Vertreibung der Einwohner. Ich erfuhr erst hier im Gerichtssaal von der Tötung einzelner Einwohner. Von den Geiseln erfuhr ich die Einbehaltung, aber ich erfuhr nicht die Tötung. Die Tötung von Geiseln wurde auch immer nur in den besetzten Gebieten veröffentlicht; und wenn einmal irgendwo Erschießungen vorkamen, dann wurde mir berichtet, es seien zum Tode verurteilte Attentäter oder Verschwörer. Auch der »Nacht-und-Nebel«-Erlaß war mir unbekannt, dagegen erfuhr ich häufig von Geldstrafen, die Städten oder Landschaften auferlegt wurden. In unserer Propaganda haben wir immer auf die Anlässe solcher Repressalien hingewiesen.

DR. FRITZ: Und wie haben Sie die Arbeit der deutschen Verwaltungen in Ihrer Propaganda geschildert?

FRITZSCHE: Ich habe immer hingewiesen auf die Aufbauarbeit, die trotz aller Schwierigkeiten und trotz aller Widerstände in den verschiedenen besetzten Gebieten geleistet wurde, vor allem und weit an der Spitze die Arbeit zur Intensivierung der Landwirtschaft, dann die Erhöhung der industriellen Produktion, dann habe ich hinweisen lassen auf die Versorgung besetzter Gebiete mit Lebensmitteln, oft, wie ich ausdrücklich betonen möchte, aus knappen deutschen Beständen. Ich habe berichten lassen von der Schaffung von Schulen, und ich habe zum Teil sehr eindrucksvolle Berichte bekommen und verarbeiten lassen, zum Beispiel über die Versorgung von Städten, wie beispielsweise von Paris, trotz der Attentate, die von feindlicher Seite gegen Eisenbahnlinien oder sonstige Möglichkeiten dieser Versorgung unternommen wurden. Solche Meldungen ließ ich sammeln in ständigen Rubriken, ließ Vorträge und ganze Vortragsreihen halten; es gab ja sehr viele solcher Meldungen. Auch das muß ich betonen, es hat meines Wissens in keinem deutschbesetzen Gebiet eine Säuglingssterblichkeit von 80 Prozent gegeben; in keinem Falle gab es brachliegende Äcker; und es entspricht einfach nicht den Tatsachen, wenn hier einmal von der Anklage behauptet worden ist, in einem Moment allerdings der Erregung, Deutschland und die Deutschen hätten satt und glücklich gelebt in diesem Krieg, während die besetzten Gebiete gehungert hätten. Das ist nicht wahr.

DR. FRITZ: Was war Ihnen über Mißstände in besetzten Gebieten bekannt?

FRITZSCHE: Vor allem die mangelnde Heranziehung der Bevölkerung zur eigenen Verwaltung und das Fehlen entscheidender politischer Konzessionen in den Ländern, die sich selbst verwalteten. Ich habe unmittelbar nach dem Frankreichfeldzug von mir aus immer wieder die Forderung nach Aufstellung einer Magna Charta Europensis gemacht, einer Aufstellung der Grundrechte der europäischen Völker. Manches Memorandum ist hierüber von mir angefertigt worden, von Dr. Goebbels aufgenommen, zu Hitler gebracht worden, und als ich im Herbst 1942 mich entschloß, in das Propagandaministerium zurückzukehren, war eines der Versprechen, die mir Dr. Goebbels gab, auch das Versprechen, daß endlich nunmehr diese Magna Charta Europensis verkündet werden würde.

DR. FRITZ: Herr Präsident! Ich möchte bei dieser Gelegenheit aus dem Dokument Fritzsche-Exhibit Nummer 2, aus Affidavit Scharping, eine dritte Stelle zitieren, von Seite 13 des Affidavits; ich zitiere:

»Nach der Besetzung verschiedener europäischer Länder hat Fritzsche für die Nachrichtengebung Richtlinien etwa in dem Sinne herausgegeben, daß die Völker Europas auf einer gleichberechtigten Grundlage mit Deutschland sich zu einem Staatsbund zusammenschließen sollten. Er trug mir auf, in diesem Sinne die Vortragsreihen auszuarbeiten, bei denen dieser Gesichtspunkt die entscheidende Rolle spielen sollte und der zugleich den Ressorts Anregungen für einen gesunden Aufbau in den besetzten Gebieten geben sollte.«