HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Zum Zeugen gewandt:]

Hatten Sie nicht als ein erfahrener Spezialist im journalistischen Nachrichtenwesen das Gefühl, daß da, wo Rauch ist, auch Feuer sein muß. Glaubten Sie nicht, daß wenigstens etwas wahr sein muß von den feindlichen Meldungen über Mordtaten im deutschen Machtbereich?

FRITZSCHE: Dieses Gefühl hatte ich gerade als Nachrichtenfachmann nicht. Ich habe immer wieder gedacht, aber auch immer wieder öffentlich erinnert an eine Falschmeldung aus dem ersten Weltkrieg und bitte um die Erlaubnis, diese kurz erwähnen zu dürfen, weil sie mit zu den Grundlagen der Propaganda gehört, die ich betrieb.

VORSITZENDER: Nein. Ich habe bereits erklärt, daß wir voraussetzen, daß verschiedene Irrtümer vorgekommen sind. Wir wollen nicht auf die Einzelheiten eingehen.

DR. FRITZ: Ich gehe dann zu einer anderen Frage über.

[Zum Zeugen gewandt:]

Aber Sie wußten doch sicher, daß die Juden aus dem Reich transportiert wurden. Sie bemerkten doch sicher, daß sie aus dem Straßenbild verschwanden?

FRITZSCHE: Jawohl, das bemerkte ich, obwohl dieser Vorgang sich ganz allmählich abspielte. Darüber hinaus hörte ich einmal, wie Dr. Goebbels auf der Ministerkonferenz sagte, er habe als Gauleiter von Berlin die Forderung gestellt nach Abtransport der Juden.

DR. FRITZ: Wohin wurden die Juden denn dann nach Ihrer Ansicht gebracht, und was sagte man Ihnen darüber?

FRITZSCHE: Dr. Goebbels sagte mir, sie kämen in Reservate in Polen. Niemals ist die Behauptung oder auch die Vermutung aufgetaucht, daß sie in Konzentrationslager kämen oder gar ermordet würden.

DR. FRITZ: Erkundigten Sie sich nach solchen Reservaten, in die die Juden angeblich gebracht wurden?

FRITZSCHE: Natürlich tat ich das. Ich erfuhr einiges, zum Beispiel von einem früheren Mitarbeiter, der dann übergetreten war in die Verwaltung des Generalgouvernements und eine Art Oberlandrat wurde im Bezirk Biala-Podlaska. Er sagte, dieser sein Bezirk sei Judenbezirk geworden. Er schilderte mir mehrfach die Ankunft und Unterbringung von Transporten, sprach auch von den Schwierigkeiten und von dem Einsatz der Juden als Handwerker oder auf Plantagen. Seine ganze Schilderung war vom Geiste der Menschlichkeit getragen und sagte, bei ihm hätten es die Juden besser als sie es im Reich hätten.

DR. FRITZ: Wie hieß Ihr Gewährsmann?

FRITZSCHE: Oberregierungsrat Hubert Kühl.

DR. FRITZ: Hörten Sie auch Ungünstiges über die deportierten Juden?

FRITZSCHE: Ja. Der Sturmbannführer Radke im Stabe des Reichsführers-SS berichtete, vielleicht im Winter 1942, die Sterblichkeit der Juden in den östlichen Ghettos sei anormal hoch durch die Umstellung der Lebensverhältnisse von geistiger auf Handarbeit, und es habe sogar einzelne Fälle von Fleckfieber gegeben.

Mir berichtete außerdem Dr. Tauber, der Leiter des Judenreferats der Abteilung »Propaganda«, im Jahre 1941, es sei, wenn ich mich recht erinnere, bei der Besetzung von Lemberg und Kowno zu Judenpogromen gekommen, und zwar durch die einheimische Bevölkerung. Er versicherte mir gleichzeitig, von deutscher Seite sei hiergegen eingeschritten worden. Trotzdem haben mich schon die Hinweise auf solche Dinge zu härtester Kritik veranlaßt, obwohl diese Dinge heute ja beinahe gering erscheinen gegen das, was wir jetzt wissen. Diese Kritik habe ich geübt gegenüber Vorgesetzten, insbesondere gegenüber Dr. Goebbels, gegenüber Mitarbeitern und gegenüber Angehörigen der Gestapo und Partei. Ich habe immer wieder hingewiesen auf die rechtliche, politische und moralische Notwendigkeit des Schutzes der uns nun einmal anvertrauten Juden.

DR. FRITZ: Haben Sie sonst etwas von dem Schicksal der Juden gehört?

FRITZSCHE: Es wandten sich mehrfach Juden an mich oder Verwandte oder Freunde von Juden wegen irgendwelcher Benachteiligungen und Verhaftungen. Das taten auch Nichtjuden in großer Zahl, da mein Name nun einmal in der Öffentlichkeit bekannt war. Ich habe solche Bitten ausnahmslos zu den meinen gemacht und zu helfen versucht; es war dies durch zahlreiche verschiedene Stellen, wie das Reichssicherheitshauptamt, die Personalabteilung meines Ministeriums, einzelne Gauleiter, einzelne Minister und so weiter.

DR. FRITZ: Warum wandten Sie sich an so viele verschiedene Stellen?

FRITZSCHE: Weil es sich um sehr viele Bitten handelte, und weil mein Name bei allzuhäufigem Gebrauch an ein- und derselben Stelle schnell verbraucht gewesen wäre.

DR. FRITZ: Haben Sie manchmal solche Bitten auch abgelehnt?

FRITZSCHE: Nein, in keinem einzigen Fall, und ich möchte das besonders betonen, weil ein an mich in diesem Gerichtsgefängnis gerichteter Brief nicht mir ausgehändigt, sondern in der Presse veröffentlicht wurde, ein Brief, in dem eine Frau behauptet, ich hätte ein Gnadengesuch abgelehnt. Ich erinnere mich dieses Falles genau und möchte nur ganz kurz betonen, daß ich in diesem Falle den Reichsjustizminister noch ausdrücklich aufgesucht habe...

VORSITZENDER: Es genügt, wenn er sagt, daß er es nicht abgelehnt habe. Wir wollen uns auch nicht nur einen Augenblick mit jemandem beschäftigen, der ihm geschrieben hat.

Wie lange brauchen Sie noch, Dr. Fritz?

DR. FRITZ: Ich glaube, daß ich morgen vormittag fertig werde mit dem gesamten Fall Fritzsche.

Herr Präsident! Ich habe gehört, daß heute nachmittag keine öffentliche Sitzung sein soll...

VORSITZENDER: Ja.

DR. FRITZ:... sonst wäre ich wahrscheinlich heute mit dem ganzen Fall Fritzsche fertiggeworden. So hoffe ich, morgen den Angeklagten als Zeugen in eigener Sache fertigzuvernehmen und den Zeugen von Schirmeister. Ich hoffe dann mit allem morgen mittag fertig zu sein.

VORSITZENDER: Das hofft der Gerichtshof auch. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, wünschen wir nicht, daß Sie in so weitgehender Weise auf Einzelheiten eingehen. Nach Ansicht des Gerichtshofs sind Sie bereits auf zu viele Einzelheiten eingegangen, und wir möchten, daß Sie den Fall mehr allgemein behandeln.