[Zum Zeugen gewandt:]
Es ist Absatz 39 Ihrer Erklärung:
»Dr. Goebbels hatte einmal den Versuch gemacht, mich zur vorherigen Vorlage meiner Texte zu veranlassen. Ich hatte das abgelehnt mit dem Hinweis, daß ich nur unmittelbar vor der Sendung eine knappe freie Niederschrift zu diktieren pflegte, also halbfrei spräche. Er verzichtete daraufhin auf die Vorlage unter der Bedingung, daß ich auf Wunsch wenigstens bestimmte Themen behandeln würde.«
Ist das richtig?
FRITZSCHE: Jawohl.
GENERAL RUDENKO: Das deutet auf jenes Vertrauen hin, das Ihnen Goebbels erwies, nicht wahr?
FRITZSCHE: Er schenkte mir zweifellos großes Vertrauen, und ich habe das nicht bestritten.
GENERAL RUDENKO: Gut. Fahren wir fort. Im gleichen Dokument, das ich soeben erwähnt habe, also in Ihrer Erklärung vom 7. Januar 1946, finden wir im Absatz 35 folgende Äußerung. Ich glaube, es ist von Ihnen persönlich als Antwort auf die Fragen Ihres Verteidigers niedergeschrieben worden. Sie schreiben dort:
»Auf dem Rundfunkgebiet selbst wurde ich in immer stärkerem Maße zur einzigen Autorität im Ministerium...«
Entspricht das den Tatsachen?
FRITZSCHE: Ich hatte den Schluß der Frage nicht gehört, aber diese Stelle ist richtig zitiert. Ich habe sie geschrieben.
GENERAL RUDENKO: Entspricht es der Wirklichkeit?
FRITZSCHE: Jawohl.
GENERAL RUDENKO: Sie geben also zu, daß Sie nach Goebbels im deutschen Propagandaapparat die wichtigste Stellung einnahmen?
FRITZSCHE: Nein, das liegt in meiner vorherigen Antwort ja nicht drin.
GENERAL RUDENKO: Das frage ich Sie jetzt.
FRITZSCHE: Ich gebe zu, daß ich eine überaus einflußreiche Stellung hatte im deutschen Rundfunk, dessen Leiter ich war. Wenn Sie jetzt neu fragen, wer die zweite Stelle im Gesamtapparat der Propaganda hatte nach Dr. Goebbels, dann antworte ich: Dr. Dietrich, der Staatssekretär, oder der Staatssekretär Dr. Naumann.
GENERAL RUDENKO: Entschuldigen Sie. Ich sagte nicht, die »zweite Stelle«, ich sagte, die »einflußreichste Stelle«. Wollen Sie sich dagegen wenden?
FRITZSCHE: Gegen den Gebrauch des Wortes »einflußreichste« habe ich nichts einzuwenden. Dies ändert aber nichts an meiner Antwort.
GENERAL RUDENKO: Also gut, »einflußreich« ist noch stärker ausgedrückt, sehr gut. Fahren wir fort. In der gleichen Erklärung vom 7. Januar 1946 erklären Sie im Absatz 15:
»Während der ganzen Periode von 1933 bis 1945 war es die Aufgabe der ›Abteilung deutsche Presse‹, die gesamte inländische Presse zu überwachen und sie mit Richtlinien zu versehen...
Mehr als 2300 deutsche Tageszeitungen waren dieser Kontrolle unterworfen.«
Sodann:
»In Durchführung des an mich von Dr. Goebbels ergangenen Auftrages erfaßte ich in meinem Arbeitsgebiet das gesamte Nachrichtenwesen für die deutsche Presse und den deutschen Rundfunk...«
Ist das richtig?
FRITZSCHE: Ich weiß nicht, ob der letzte Satz gerade richtig zitiert ist, aber die ersten Sätze habe ich voll wiedererkannt. Es ist mein Affidavit 3469-PS, das entspricht wortwörtlich der Wahrheit.
GENERAL RUDENKO: Ganz richtig. Sagen Sie mir nun folgendes: Sie haben in der Abteilung »Deutsche Presse«, welcher Sie vorstanden, den »Schnelldienst« eingerichtet, der provokatorisches Material an die »Deutsche Presse« lieferte. Geben Sie das zu?
FRITZSCHE: Wenn Sie bereit sind: den Ausdruck »provokatorisch« zu streichen und ihn zu ersetzen durch das Wort »mit Propagandamaterial«, dann gebe ich das zu.
GENERAL RUDENKO: Gut. Der Gerichtshof wird es zu würdigen wissen. Wir wollen uns hierüber nicht streiten.
Nunmehr die letzte Frage zu dieser Gruppe: Wurden Ihre Rundfunkvorträge unter dem Titel »Hans Fritzsche spricht« als amtliche Regierungsmitteilungen aufgefaßt?
FRITZSCHE: Ich habe den Sachverhalt gestern schon erklärt: An sich waren es private Arbeiten, aber die öffentlich hörbaren privaten Arbeiten eines Ministerialdirektors im Propagandaministerium und Leiter des deutschen Rundfunks werden selbstverständlich dann als offiziös, nicht als offiziell, als offiziös gewertet, und auf diese Tatsache mußte ich Rücksicht nehmen und habe ich Rücksicht genommen.
GENERAL RUDENKO: Gut. Ich möchte nun nochmals auf die Aussage Ferdinand Schörners, die ich dem Gerichtshof bereits als Beweisstück USSR-472 vorgelegt habe, zurückkommen. Ich will den zweiten Auszug zitieren. Haben Sie ihn gefunden, Angeklagter Fritzsche?
FRITZSCHE: Jawohl.
GENERAL RUDENKO: Ich zitiere:...
VORSITZENDER: General Rudenko! Der Gerichtshof möchte gern das ganze Dokument sehen. Auf jeden Fall die Fragen, worauf diese Antworten gegeben wurden.
GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Das ganze Dokument ist Ihnen vorgelegt worden.
VORSITZENDER: Ich verstehe. Sie meinen, daß die Teile, die wir hier auf englisch haben, nur die Teile sind, die ins Englische übersetzt wurden?
GENERAL RUDENKO: Ganz richtig. Ich möchte nun den Auszug Nummer 2 verlesen:
»Es ist mir bekannt, daß Fritzsche ein angesehener Mitarbeiter des Propagandaministeriums war und sich in den nationalsozialistischen Kreisen, sowohl im deut schen Volk einer großen Berühmtheit und Liebe erfreute. Seine große Beliebtheit erwarb er durch seine kriegspolitischen Wochenberichte über die internationale Lage, die er im Rundfunk hielt. Ich hatte oft seine Vorträge wie in Friedenszeiten so auch während des Krieges zu hören bekommen. Seine Vorträge, die mit einer fanatischen Treue zu dem Führer und Nationalsozialismus durchdrungen waren, habe ich als Richtlinien der Partei und Regierungsführung aufgenommen.«
Stimmen Sie dieser Bewertung zu?
FRITZSCHE: Ich habe keine Einwendungen gegen dieses Zitat zu erheben und erkläre darüber hinaus...
VORSITZENDER: General Rudenko! Ist dieses Dokument beschworen?
GENERAL RUDENKO: Dieses Dokument ist entsprechend dem in der Sowjetunion üblichen Prozeßverfahren rechtskräftig gemacht worden.
VORSITZENDER: Wo wurde das Protokoll aufgenommen?
GENERAL RUDENKO: In Moskau.
VORSITZENDER: War der Mann, der die Erklärung abgegeben hat, frei oder im Gefängnis?
GENERAL RUDENKO: Zu jener Zeit war er Kriegsgefangener.
VORSITZENDER: Hat der Mann, der diese Aussagen gemacht hat, dieselben unterzeichnet?
GENERAL RUDENKO: Natürlich, es wurde von ihm unterschrieben.
VORSITZENDER: Fahren Sie bitte fort.
GENERAL RUDENKO: Danke schön. Somit haben Sie...
FRITZSCHE: Ich darf hinzufügen, daß es mir sogar bekannt ist, daß an entlegenen Frontabschnitten – zum Beispiel bei deutschen Kolonien im Auslande – meine Rundfunkansprachen als politischer Kompaß genommen wurden.
GENERAL RUDENKO: Ich verstehe. Ich möchte Ihnen nun ein weiteres Dokument vorlegen und Sie damit bekannt machen.
Herr Vorsitzender! Ich lege nun als Beweisstück USSR-471 die Aussage von Hans Voß vor.