[Zum Gerichtshof gewandt:]
Herr Vorsitzender! Es ist das Dokument USSR- 496.
[Zum Zeugen gewandt:]
Angeklagter Fritzsche! Liegt Ihnen das Dokument vor? Es ist Auszug Nummer 4.
FRITZSCHE: Nein, ich habe es noch nicht vor mir...
Ja, ich habe es gefunden. Es ist Seite 4.
GENERAL RUDENKO: Gut. Richtig, es ist Auszug 4. Ich werde einen kurzen Absatz aus dieser Rede zitieren:
»Die Tatsache, daß deutsche Soldaten ihre Pflicht tun mußten, weil die Engländer die norwegische Neutralität verletzten, endete nicht in einer Kriegshandlung, sondern mit einer Tat des Friedens. Niemand wurde verletzt, kein Haus wurde zerstört, das tägliche Leben nahm seinen Fortgang.«
Das war eine Lüge. Geben Sie das zu, oder wollen Sie es abstreiten?
FRITZSCHE: Nein, das war keine Lüge...
GENERAL RUDENKO: Es war keine Lüge?
FRITZSCHE:... denn ich war gerade selbst in Norwegen gewesen und hatte es gesehen. Und es wird auch hier alles klar, dann, wenn Sie den nächsten Absatz zu lesen gestatten, der heißt nämlich...
Der nächste Satz heißt...
GENERAL RUDENKO: Einen Augenblick, Sie werden es später verlesen...
VORSITZENDER: Aber, General Rudenko, Sie müssen den Mann das erklären lassen. Er will den nächsten Satz verlesen, um damit diesen Satz zu erklären.
GENERAL RUDENKO: Nun gut.
FRITZSCHE: Der nächste Satz heißt:
»Selbst da, wo norwegische Truppen Widerstand leisteten, aufgestachelt von der irregeführten früheren Norwegischen Regierung... wurde die Zivilbevölkerung kaum davon berührt, denn die Norweger kämpften außerhalb der Städte und Dörfer, usw....«
GENERAL RUDENKO: Gut. Nun werde ich Ihnen aber ein anderes Dokument vorlegen, nämlich den »Regierungsbericht der Norwegischen Regierung«.
[Zum Gerichtshof gewandt:]
Herr Vorsitzender! In meinem Dokumentenbuch ist ein Fehler unterlaufen, die Nummer lautet darin USSR-78. Es ist aber das Dokument 1800-PS, das von der Französischen Anklagevertretung unter RF-72 vorgelegt wurde.
[Zum Zeugen gewandt:]
Hören Sie jetzt zu, Angeklagter Fritzsche, wie wahrheitsgetreu Sie die Lage in Norwegen geschildert haben. Hören Sie zu, was der amtliche Bericht der Norwegischen Regierung darüber berichtet. Ich zitiere:
»Der deutsche Überfall auf Norwegen am 9. April 1940 zog Norwegen zum erstenmal seit 126 Jahren in einen Krieg hinein. Für zwei Monate wütete der Krieg im ganzen Lande und brachte Zerstörungen im Werte von ungefähr 250 Millionen Kronen. Über 40000 Häuser wurden beschädigt oder zerstört und gegen tausend Menschen aus der Zivilbevölkerung wurden getötet.«
So war die Lage in Wirklichkeit. Geben Sie zu, daß Ihre Rede vom 2. Mai 1940, wie üblich, voller Lügen war?
FRITZSCHE: Nein, das gebe ich nicht zu, sondern ich stelle fest, daß Sie, Herr Ankläger, bei der Vorlage dieses Auszuges nicht berücksichtigt haben, daß ich einleitend davon berichtete, ich wolle das schildern, was ich selbst gesehen hätte, nämlich eine Fahrt ins Gulbranstal, wie ich mich jetzt erinnere, die bis kurz vor Atta ging. Es widerspricht also meiner Schilderung durchaus nicht, wenn nach der Feststellung der Norwegischen Regierung dann insgesamt bei dieser Aktion dieser Schaden und dieser Verlust eingetreten ist.
GENERAL RUDENKO: Ich glaube, daß das norwegische Volk und die Norwegische Regierung wohl genügend den Druck der faschistischen Besatzungstruppen am eigenen Leibe verspürt haben. Der norwegische Regierungsbericht zeigt das, was wirklich vorgefallen ist und nicht das, was Sie im Sinne Ihrer Propaganda zu beleuchten versuchten. Dieses Dokument ist laut Paragraph 21 des Statutes vorgelegt und ich habe keine Absicht, mit Ihnen darüber zu argumentieren. Der Gerichtshof wird dies zur Kenntnis nehmen.
Ich habe an Sie noch einige Fragen im Zusammenhang mit der hier bereits öfter erwähnten Tatsache, das heißt im Zusammenhang mit dem »Athenia«-Fall zu stellen. Ich werde Sie nicht im einzelnen über diese Dinge befragen, da sie bereits mit genügender Ausführlichkeit behandelt worden sind. Ich frage Sie nur, ob Sie zugeben, daß die faschistische Propaganda die Öffentlichkeit über den »Athenia«-Fall in verleumderischer und lügnerischer Art fälschlich informierte?
FRITZSCHE: Ob das die faschistische Propaganda getan hat in Italien, das weiß ich nicht. Die nationalsozialistische Propaganda hat es getan im guten Glauben, wie ich deutlich geschildert habe.
GENERAL RUDENKO: Ich spreche nun schon fast eine Stunde davon, was hier geschah und was festgestellt wurde: Geben Sie zu, daß es eine verleumderische Rede war, oder bestreiten Sie es immer noch?
FRITZSCHE: Nein, ich habe das schon zugegeben und habe auch deutlich geschildert, wie es zu diesen Äußerungen kam.
GENERAL RUDENKO: Schön. In dieser Frage interessiert mich nur Ihre persönliche Rolle. Warum waren Sie es gerade, der so aktiv in dieser Frage hervorgetreten ist, und warum waren Sie der erste, der diese Verleumdungen verbreitete?
FRITZSCHE: Ich glaube nicht, daß ich als erster die Sache vor die Öffentlichkeit gebracht habe, aber Tatsache ist, daß ich sehr häufig über den Fall »Athenia« sprach, und zwar auf der Grundlage der amtlichen Informationen, denen ich Glauben schenkte, und ich sprach darüber, weil ich nun einmal derjenige war, der zu Beginn des Krieges abends im Rundfunk sprach.
GENERAL RUDENKO: Wollen Sie behaupten, daß die erste Bekanntmachung über die »Athenia« im »Völkischen Beobachter« im Oktober 1939 erschien?
FRITZSCHE: Das habe ich nie behauptet.
GENERAL RUDENKO: Schön. Dann möchte ich Sie daran erinnern, daß Sie die Frage »Athenia« bereits im September 1939 behandelten; ist das richtig?
FRITZSCHE: Natürlich, die Frage »Athenia...«
GENERAL RUDENKO: Also haben Sie noch vor dem Artikel im »Völkischen Beobachter« davon gesprochen?
FRITZSCHE: Viele Wochen vorher schon.
GENERAL RUDENKO: Sie waren also der erste, der diese lügnerischen Behauptungen verbreitete?
FRITZSCHE: Nein, das kann ich nicht bestätigen, sondern...
GENERAL RUDENKO: Na, schön. Nun noch eine letzte Frage in diesem Zusammenhang: Sie werden doch nicht abstreiten, daß Sie auch im Jahre 1940 damit fortfuhren, diese Version zu verbreiten. Ich wiederhole, sie werden doch nicht abstreiten, daß Sie auch noch im Jahre 1940 diese Verleumdung weiterverbreiteten?
FRITZSCHE: Es ist die Eigenart jeder Propaganda, daß sie gute Dinge, wirksame Dinge, nach Möglichkeit oft und lange wiederholt. Ich habe schon erklärt, daß ich erst im Dezember 1945 hier im Gefängnis von Großadmiral Raeder erfuhr, daß doch ein deutsches U-Boot die »Athenia« versenkt hatte.
GENERAL RUDENKO: Schön. Ich gehe jetzt zu einer Gruppe von Fragen über, die sich auf Ihre Teilnahme an der Durchführung der Propaganda bei der Vorbereitung des Angriffs gegen die Sowjetunion beziehen. Sie behaupten, daß Sie von einer Vorbereitung des Angriffs auf die Sowjetunion bis zum 22. Juni 1941, 5.00 Uhr morgens, nichts gewußt haben, das heißt bis zum Zeitpunkt, als die deutschen Truppen bereits in das Gebiet der USSR eingedrungen waren und Sie zu Ribbentrop ins Auswärtige Amt zu einer Pressekonferenz gerufen wurden. Habe ich Ihre Aussage richtig verstanden?
FRITZSCHE: Nein, schon einige Stunden vorher, also am Abend des vorangegangenen Tages, hatte Dr. Goebbels einige Abteilungsleiter des Ministeriums in seinem Hause in Wannsee versammelt, teilte ihnen diese Tatsachen mit und verbot ihnen das Weggehen und das Telephonieren. Das war das erste wirkliche Wissen davon.
GENERAL RUDENKO: Schön. Sie behaupten ebenfalls, daß Sie von den aggressiven Zielen Deutschlands gegen die Sowjetunion erst auf Grund Ihrer persönlichen Beobachtungen im Jahre 1942 erfuhren; ist das richtig?
FRITZSCHE: Ich weiß nicht, was Sie hiermit meinen. Ich habe heute früh klarzustellen versucht, daß ich einen Zweifel in der Richtigkeit einiger amtlicher deutscher Begründungen für diesen Angriff zuerst in der Gefangenschaft hatte. Ich habe das heute klargemacht. Ein Zweites habe ich früher in Verhören in Moskau auch betont, und das ist die Tatsache, daß ich 1942, vielleicht auch schon 1941, nach dem Ausbruch des Krieges mit der Sowjetunion bemerkte, daß schon eine geraume Zeit vor dem 22. Juni Vorbereitungen aller Art getroffen gewesen sein mußten.
GENERAL RUDENKO: Ich möchte Ihnen einen Absatz aus Ihrer Aussage in Erinnerung bringen. Es ist Dokument 3469-PS, das Sie hier völlig bestätigten. Ich zitiere einen kurzen Absatz aus Paragraph 42:
»Im Anfang 1942, als ich Soldat im östlichen Kriegsschauplatz war, sah ich die ausgedehnten Vorbereitungen, die für die Besetzung und Verwaltung der Gebiete, die sich bis nach der Krim erstreckten, gemacht worden waren, und ich kam aus meinen persönlichen Beobachtungen zu dem Schluß, daß der Krieg gegen die Sowjetunion schon lange vor seinem Ausbruch geplant gewesen war.«
Ist diese Ihre Aussage richtig?
FRITZSCHE: Jawohl.
GENERAL RUDENKO: In diesem Zusammenhang habe ich keine weiteren Fragen. Ich möchte Ihnen aber noch zwei Dokumente über die Durchführung von Propagandamaßnahmen im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Angriffs auf die Sowjetunion und mit dem Angriff selbst in Erinnerung bringen. Ich denke dabei an das Protokoll einer Besprechung bei Hitler am 16. Juli 1941.