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[Zum Gerichtshof gewandt:]

Herr Vorsitzender! Es ist das Dokument L-221, welches dem Gerichtshof bereits vorliegt.

[Zum Zeugen gewandt:]

Es wird Ihnen gleich vorgelegt. Ich zitiere zwei Absätze auf der ersten Seite:

»Wesentlich sei es nun, daß wir unsere Zielsetzung nicht vor der ganzen Welt bekanntgäben; dies sei auch nicht notwendig, sondern die Hauptsache sei, daß wir selbst wüßten, was wir wollten. Keinesfalls solle durch überflüssige Erklärungen unser eigener Weg erschwert werden. Derartige Erklärungen seien überflüssig, denn soweit unsere Macht reiche, könnten wir alles tun, und was außerhalb unserer Macht liege, könnten wir ohnehin nicht tun.«

Und weiter:

»Die Motivierung unserer Schritte vor der Welt müsse sich also nach taktischen Gesichtspunkten richten. Wir müßten hier genau so vorgehen, wie in den Fällen Norwegen, Dänemark, Holland und Belgien. Auch in diesen Fällen hätten wir nichts über unsere Absichten gesagt, und wir würden dies auch weiterhin klugerweise nicht tun.«

Haben Sie von solchen Richtlinien Hitlers gewußt?

FRITZSCHE: Nein, eine solche Weisung war mir nicht bekannt, aber die Tatsache, daß solche Äußerungen und Weisungen in diesem Prozeß vorgebracht wurden, war ja der Anlaß dazu, daß, wie ich sagte, ich jetzt einige Voraussetzungen unserer Propaganda als erschüttert ansehe.

GENERAL RUDENKO: Gut. Sie kannten also auch die Weisungen für die Propaganda im Falle »Barbarossa« nicht, Weisungen, die vom OKW herausgegeben und vom Angeklagten Jodl unterschrieben waren?

FRITZSCHE: Das kann ich so nicht sagen; wenn ich sie sehen darf, könnte ich es bestätigen. Der Fall »Barbarossa« als solcher war mir niemals ein Begriff, bis hier im Prozeß.

GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Es ist das Dokument C-26; es liegt dem Gerichtshof bereits vor. Ich möchte mich darauf nur im Zusammenhang mit den Propagandafragen beziehen. Es ist die Nummer USSR-477 oder C-26, Herr Vorsitzender.

[Zum Zeugen gewandt:]

Ich werde nur einen Absatz zitieren. Ich verlese:

»Propagandatendenzen, die auf den Zerfall der Sowjetunion in Einzelstaaten gerichtet sind, dürfen zunächst nicht zur Anwendung gebracht werden. Die deutsche Propaganda muß sich zwar in den verschiedenen Gebietsteilen der Sowjetunion der jeweils am meisten gebräuchlichen Sprache bedienen; dies darf aber nicht dazu führen, daß durch die Art der einzelnen Propagandatexte frühzeitig der Schluß auf eine beabsichtigte Zerreißung der Sowjetunion gezogen werden kann.«

Kannten Sie diese Weisungen?

FRITZSCHE: Ich kannte weder das Dokument noch den Inhalt der Weisung, die Sie eben vorgelesen haben.

GENERAL RUDENKO: Ja, aber ich hoffe, daß Sie nicht ableugnen wollen, daß die Propaganda gerade in diesem Sinne durchgeführt wurde?

FRITZSCHE: Nein. Soweit ich die Propaganda beobachten konnte, die in der Sowjetunion betrieben wurde, hatte sie eigentlich eine umgekehrte Tendenz. Sie versuchte, die Nationalitäten zur Selbständigkeit heranzuziehen, also Ukraine, Weißrußland, Baltikum und so weiter.

GENERAL RUDENKO: Schön. Nun möchte ich Sie jetzt fragen, wann Sie zum erstenmal den Angeklagten Rosenberg getroffen und wann Sie von ihm über die Aufgaben der deutschen Propaganda im Osten informiert wurden?

FRITZSCHE: Es war mir zweifelhaft, ob ich überhaupt vor dem Prozeß schon einmal mit Herrn Rosenberg gesprochen habe. Aber ich glaube doch, daß ich ihm auf gesellschaftlichem Boden schon begegnet bin. Irgendein sachliches oder gar dienstliches Gespräch habe ich mit ihm in meinem ganzen Leben nicht geführt.

GENERAL RUDENKO: Gut. Es wird Ihnen gleich das Dokument 1039-PS vorgelegt werden. Es ist ein Bericht Rosenbergs über die vorbereitende Arbeit über den Fragenkomplex des osteuropäischen Raumes. Dieses Dokument ist dem Angeklagten Rosenberg bereits vorgehalten worden, und er hat es nicht abgestritten, sondern dessen Richtigkeit bestätigt. Ich möchte, daß Sie sich das zweite Zitat, das angestrichen ist, ansehen. Ich werde es nicht vollständig verlesen, um dieses Kreuzverhör nicht zu verlängern.

In diesem Bericht lesen wir, ich zitiere:

»Neben diesen Unterhandlungen« –

von denen früher die Rede war –

»habe ich die verantwortlichen Vertreter der gesamten Propaganda empfangen, und zwar Ministerialdirektor Fritzsche, Gesandter Schmidt, Reichsintendant des Rundfunks Glasmeier, Dr. Grothe OKW und andere. Ohne auf Einzelheiten politischer Zielsetzung einzugehen, habe ich die Genannten vertraulich von der notwendigen Haltung unterrichtet, mit der Bitte, ohne jegliche Äußerungen doch die ganze Terminologie der Presse entsprechend abzustimmen.

In meiner Dienststelle sind die längst vorher präparierten Arbeiten zur substantiellen Bearbeitung der Ostfragen erschienen, die ich den Vertretern der Propaganda übergeben habe.«

Hat der Angeklagte Rosenberg diese Ereignisse von 1941, die noch vor dem Angriff auf die Sowjetunion stattfanden, genau beschrieben?

FRITZSCHE: Nein, ich erinnere mich nicht, irgendwann einmal von Rosenberg empfangen worden zu sein. Keinesfalls habe ich von Rosenberg oder irgendeinem seiner Mitarbeiter vor dem 22. Juni etwa eine Mitteilung über den beabsichtigten Angriff auf die Sowjetunion erhalten. Dagegen – das klärt vielleicht die Dinge – erinnere ich mich, daß ein Mitarbeiter Rosenbergs öfters bei mir oder meinem Mitarbeiter erschien, der Name fällt mir auch noch ein, es war der Leiter einer Pressegruppe, er war vorher Schriftleiter beim »Völkischen Beobachter«, Major Kranz. Der ist öfter bei mir oder bei meinen Mitarbeitern erschienen und hat irgendwelche Wünsche Rosenbergs in Fragen Pressepropaganda geäußert – keinesfalls aber vor dem 22. Juni über diese Frage.

GENERAL RUDENKO: Also, was Sie betrifft, ist dieser Bericht des Angeklagten Rosenberg unwahr?

FRITZSCHE: Unwahrheit wäre in diesem Falle zu viel gesagt. Es kann sein, daß diese ganze Unterrichtung, von der er spricht, sich auf eine spätere Zeit bezieht. Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht das ganze Dokument gelesen habe, und es kann außerdem sein, daß Rosenberg es in diesem Bericht nicht so genau genommen hat mit dem Empfang von verantwortlichen Vertretern der gesamten Propaganda.

GENERAL RUDENKO: Gut. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Fragen an Sie stellen. Zuerst möchte ich mich auf die schriftliche Aussage von Hans Voß beziehen. Es ist das Dokument USSR-471, das Sie bereits in Händen haben, Auszug Nummer 3. Haben Sie die Stelle gefunden?

FRITZSCHE: Ja, ich habe sie.

GENERAL RUDENKO: Ich verlese. Folgendes hat Admiral Voß bezeugt:

»Nach der Niederlage der deutschen Truppen bei Stalingrad und nach dem Beginn der Gesamtoffensive der Sowjettruppen an der ganzen Ostfront, bemühten sich Goebbels und Fritzsche, die deutsche Propaganda so aufzuziehen, um Hitler besonders aktiv mitzuhelfen, die Lage an der Front zu meistern. Die Propaganda lief darauf hinaus, daß es den Deutschen gelingen würde, sich längere Zeit zu halten. Man versuchte, der deutschen Bevölkerung Angst einzujagen, indem man verleumderische Meldungen über die Greueltaten der russischen Soldaten und über die Absichten der Sowjetunion, das deutsche Volk auszurotten, verbreitete.

Während der letzten Kriegsperiode versuchte die durch Goebbels und Fritzsche geführte Propaganda noch einmal, Hitler einen Dienst zu erweisen und den Widerstand gegenüber den Sowjettruppen zu organisieren.«

Ist das richtig?

FRITZSCHE: Das ist nicht nur nicht richtig, sondern Unsinn.

GENERAL RUDENKO: Sie haben sich schon mehrmals solcher Terminologien bedient; offenbar kommt hier Ihr Beruf zum Vorschein. Nun gut, ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen darüber zu streiten. Ich möchte Sie jetzt bitten, sich Ihre eigene Aussage vom 12. September 1945 anzusehen. Es ist das Dokument USSR-474, dritter Auszug. Haben Sie die Stelle gefunden? Ich möchte Ihre Erklärungen über diese Frage zitieren.

FRITZSCHE: Das Ganze sind nicht meine Aussagen, aber welche Stelle meinen Sie, Herr Ankläger?

GENERAL RUDENKO: Ich meine den Auszug Nummer 3, der unterstrichen ist. Er beginnt mit folgenden Worten: »Da wir einen Vertrag mit der Sowjetunion hatten...«

FRITZSCHE: Jawohl, ja.

GENERAL RUDENKO: Lesen Sie bitte mit:

»Da wir einen Vertrag mit der Sowjetunion hatten, wurde der bewaffnete Überfall auf die SU von Deutschland im geheimen vorbereitet. Deshalb haben wir während der Vorbereitung zum Kriege gegen die SU keine propagandistische Arbeit geleistet. Im Zusammenhang damit begannen die deutschen Propagandabehörden, sich erst nach dem Anfang der Kriegshandlungen an der Ostfront aktiv antisowjetisch zu betätigen.

Es ist dabei hinzuweisen, daß die Hauptaufgabe, die von Goebbels dem gesamten Propagandaapparat gestellt wurde, darin bestand, die Eroberungspolitik Deutschlands gegen die SU zu rechtfertigen.

Daraus ausgehend, habe ich als Chef der deutschen Presse und des Rundfunkwesens eine groß aufgezogene antisowjetische Propagandaaktion eingeleitet, indem wir die Öffentlichkeit zu überzeugen versuchten, daß in diesem Kriege nicht Deutschland, sondern die SU die Schuld trage.

Es ist jedoch zu erwähnen, daß wir keine Unterlagen hatten, um die Sowjetunion in der Vorbereitung eines bewaffneten Überfalls auf Deutschland zu beschuldigen.

In meinen Rundfunkreden habe ich mich besonders bemüht, den Völkern Europas und der deutschen Bevölkerung die Angst vor den Greueln des Bolschewismus einzuprägen. Dabei habe ich behauptet, daß nur das faschistische Deutschland ein Staudamm für europäische Länder gegen die anglo-amerikanische ›Plutokratie‹ und den ›roten Imperialismus‹ sei.«

Geben Sie das zu?

FRITZSCHE: Hier sind tatsächliche Aussagen, die ich gemacht habe, wiederum verarbeitet. Wenn ich darf, will ich die tatsächlichen Unterlagen in den einzelnen Punkten kurz nennen. Es ist richtig, daß ich zum Ausdruck gebracht habe in Moskau, daß der Krieg gegen die Sowjetunion keine propagandistische Vorarbeit kannte, deshalb, weil er ja sehr plötzlich und überraschend kam. Weiter, es ist richtig, daß es nach dem Angriff auf die Sowjetunion die Hauptaufgabe der deutschen Propaganda gewesen ist, die Notwendigkeit dieses Angriffs zu rechtfertigen: immer wieder also zu betonen, wir wären nur einem sowjetischen Angriff zuvorgekommen. Weiter ist es richtig, daß ich gesagt habe, die nächste Aufgabe der Propaganda war es, beinahe dasselbe darzulegen, daß nicht Deutschland, sondern Rußland die Schuld an diesem Kriege trage. Leider ist ausgelassen in diesem Protokoll das wichtigste Argument, das ich anführte, nämlich die Feststellung: ich und mit mir Millionen Deutscher glaubten die amtlichen Angaben der Deutschen Regierung deshalb, weil es uns einfach unsinnig und wahnsinnig erschienen wäre, wenn jemand während eines noch unerledigten Krieges im Westen mutwillig und freiwillig noch einen Krieg im Osten dazu riskiert. Ich fahre fort: Es ist auch richtig, daß die Unterlagen in dem Weißbuch, das damals das Auswärtige Amt herausgab, verhältnismäßig knapp waren; und weiter ist es richtig, daß die deutsche Propaganda Europa Angst einjagen wollte vor dem Bolschewismus; und es ist schließlich richtig, daß die deutsche Propaganda immer wieder betonte, Deutschland sei der einzige Staudamm vor der sowjetischen Weltrevolution.

GENERAL RUDENKO: Sehr gut. Ich möchte jetzt, daß Sie Ihre Aufmerksamkeit dem Auszug Nummer 4 zuwenden. Es ist dasselbe Dokument, das Ihnen vorliegt. Es handelt sich um die Propaganda, die den Widerstandswillen im deutschen Volk aufrechterhalten sollte, trotzdem die deutsche Niederlage bereits für jeden klar war. Ich möchte diesen kurzen Absatz zitieren, es ist Dokument USSR-474, Auszug Nummer 4. Ich zitiere:

»Angefangen vom Jahre 1943 bemühte ich mich mittels Rundfunk in der deutschen Propaganda zu behaupten, daß Deutschland über solche Waffe verfüge, von der unsere Gegner erschüttert werden. Dabei habe ich erdachte Angaben über die Arbeit der deutschen Kriegsindustrie, welche ich vom Reichsminister für Rüstungsindustrie, Speer, bezog, verwertet.«

Ist das richtig?

FRITZSCHE: Der eine Teil ist falsch, der andere Teil, der richtig ist, ist falsch ausgedrückt. Mit dem letzten anzufangen: Es ist richtig, daß mir Angaben von seiten des Rüstungsministeriums zukamen, die mir große Hoffnungen machten auf den Fortschritt, zum Beispiel Zahlenangaben über monatliche Flugzeugproduktion, Zahlenangaben über neue, besonders wirkungsvolle Jagdflugzeuge. Ich habe inzwischen durch unmittelbare Befragung von Speer festgestellt, daß die Zahlen, die ich erhielt, damals samt und sonders richtig waren und daß die Flugzeuge entweder nur falsch eingesetzt wurden, zum Beispiel für die Ardennenoffensive, statt für den Schutz der Heimat, oder daß sie nicht zum Einsatz kommen konnten wegen Benzinmangel. Die erste Hälfte aber...

GENERAL RUDENKO: Das geht zu sehr in Einzelheiten, Angeklagter Fritzsche, Sie geben sich mit Einzelheiten ab, die hier bereits erörtert wurden und die in keinem Zusammenhang mit Ihnen stehen.

Ich möchte Ihnen die Aussage des Angeklagten Speer vorlegen, der vom Sowjetankläger hier in Nürnberg am 14. November 1945 verhört worden ist. Dieses Dokument lege ich dem Gericht unter USSR-492 vor.

Ich möchte lediglich den Teil des Dokuments zitieren, der sich mit den Propagandamaßnahmen dieser Zeit befaßt.

Ich zitiere:

»Im September 1944 schrieb ich Dr. Goebbels einen Brief«

Dann lassen wir etwas aus:

»In diesem Brief warnte ich Goebbels, daß er eine fal sche Propaganda über neue Waffen mache; denn dadurch werden nur falsche Hoffnungen unter der deutschen Bevölkerung erweckt.

Dies war eine geheime Propaganda, die von Dr. Goebbels geführt wurde mit dem Ziel, Hoffnungen unter der deutschen Bevölkerung für einen erfolgreichen Ausgang des Krieges zu verbreiten.«

Entspricht dies den Tatsachen?

FRITZSCHE: Nur zum Teil. Richtig ist, daß Dr. Goebbels persönlich über ein Jahr vor Einsatz der ersten V-Waffe eine Propaganda dafür getrieben hat. Auf der anderen Seite hat Speer inzwischen ja in seiner Aussage hier selbst erklärt, daß er nunmehr die eigentliche Quelle der Wunderwaffenpropaganda kenne, nämlich den Standartenführer Schwarz van Berk. Dr. Goebbels hat – damit darf ich schließen – in den letzten Monaten des Jahres 1944 ebenfalls versucht, diese »Wunderwaffenpropaganda« einzudämmen, die er einst selbst geweckt hatte.

GENERAL RUDENKO: Nun möchte ich Ihnen Ihre persönliche Rolle in dieser von Ihnen persönlich durchgeführten Propaganda in Erinnerung bringen. Sie wollten durch das Popularisieren einer neuen Waffengattung dem deutschen Volke die Hoffnung auf einen erfolgreichen Widerstand gegen die alliierten Armeen einprägen. Ich lege Ihnen das Dokument USSR-496 vor. Sie haben es bereits vor sich. Es ist Ihre Rundfunkrede vom 1. Juli 1944.

VORSITZENDER: Herr General! Werden Sie bald fertig, oder sollen wir uns jetzt vertagen?

GENERAL RUDENKO: Ich glaube, Herr Vorsitzender, es wäre besser, eine Pause einzulegen, ich werde noch ungefähr eine halbe Stunde benötigen.