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[Zum Zeugen gewandt:]

Wen gab es außer Dr. Goebbels noch an einflußreichen Personen im Propagandaministerium?

VON SCHIRMEISTER: Nach dem Weggang von Staatssekretär Hahnke hat es nur einen einzigen Mann im Propagandaministerium gegeben, der wirklich Einfluß auf den Minister gehabt hat, nur einen einzigen Mann, zu dem Dr. Goebbels ein persönliches Verhältnis gehabt hat, das war sein späterer Staatssekretär, zunächst persönlicher erster Referent, Dr. Naumann.

DR. FRITZ: Hat sich Fritzsche öfter an Sie gewandt, um Näheres über die Ansichten des Ministers zu erfahren, weil der Minister den Angeklagten Fritzsche oben nicht informierte?

VON SCHIRMEISTER: Sogar sehr oft, denn Herr Fritzsche wußte ja, daß ich mit dem Minister auch in privaten Gesprächen oft zusammen war, und er beklagte sich immer wieder, daß er ja in der Luft hänge, daß er schwimme, ob ich ihm nicht zu diesem oder jenem die Ansicht des Ministers sagen könne. Ich habe ihm dann auch insofern helfen können, als ich ihm gelegentlich Privateinladungen zu Dr. Goebbels besorgte, in denen ich von den Nöten des Herrn Fritzsche offen sprach.

DR. FRITZ: Hat Goebbels den Rundfunk scharf unter seine eigene Kontrolle genommen?

VON SCHIRMEISTER: Der Rundfunk war für Dr. Goebbels während des Krieges das wichtigste Propagandainstrument, das es überhaupt gab. Er hat sich keine Abteilung so scharf selbst unter die Lupe genommen wie den Rundfunk. Er hat in von ihm geleiteten Sitzungen die kleinsten Details des künstlerischen Programms selber bestimmt...

DR. FRITZ: Das genügt, Herr Zeuge. War Fritzsche wirklich der leitende Mann des deutschen Rundfunks, als der er nach außen hin erschien?

VON SCHIRMEISTER: Auch das keineswegs. Der leitende Mann war Dr. Goebbels selbst. Außerdem saß Herr Fritzsche auch da zwischen zwei Stühlen, denn es kamen da von der anderen Seite die Ansprüche des Auswärtigen Amtes für den Auslandsrundfunk dazwischen.

DR. FRITZ: War Fritzsche dem Minister Goebbels in seinen Rundfunkreden etwa zu schlapp?

VON SCHIRMEISTER: Ich habe selbst im Auftrage des Ministers Herrn Fritzsche mehrfach Rügen erteilen müssen von dem Minister, weil seine Vorträge viel zu schlapp seien.

DR. FRITZ: Hat Goebbels ihn auch gelobt und wenn ja, in welcher Weise?

VON SCHIRMEISTER: Wenn der Minister, was häufig geschah, Herrn Fritzsche lobte...

VORSITZENDER: Es interessiert uns nicht, ob Goebbels ihn lobte.

DR. FRITZ: [zum Zeugen gewandt] Eine andere Frage: Hat der Angeklagte Fritzsche dem Minister auch widersprochen?

VON SCHIRMEISTER: Herr Fritzsche war einer der wenigen Männer im Propagandaministerium, die dem Minister widersprochen haben, sowohl in der Konferenz als auch in seiner Wohnung, immer ruhig und bestimmt und oft auch mit einer gewissen Wirkung.

DR. FRITZ: Herr Präsident! Ich erlaube mir, an dieser Stelle auf das bereits mehrfach erwähnte Dokument, Affidavit Scharping, das Fritzsche-Exhibit Nummer 2, zu verweisen, und zwar auf Seite 7 unten bis 8 oben meines Dokumentenbuches Nummer II. Ich darf vielleicht nur einen kurzen Satz wörtlich zitieren. Ich zitiere:

»In den sogenannten Ministerkonferenzen war es ausschließlich Fritzsche, der Goebbels in politischen Fra gen widersprach.«

Herr Zeuge! Wer war verantwortlich für die tatsächlich falschen oder übertriebenen Nachrichten in der deutschen Presse während der Sudetenkrise?

VON SCHIRMEISTER: Das war Alfred Ingemar Berndt, der Leiter der Abteilung. Er saß damals ganze Nächte mit Generalstabskarten, Adreßbüchern und Namensverzeichnissen und fabrizierte Greuelmeldungen aus dem Sudetenland. Herr Fritzsche hat das damals mit Sorge verfolgt. Er ist einmal zu mir gekommen und hat mich gefragt: »Wohin treiben wir, kommen wir nicht in einen Krieg? Wenn wir nur wüßten, was die oben eigentlich wollen und was hinter dem allen steht.«

DR. FRITZ: Im Anschluß hieran eine weitere Frage: Beriet Goebbels bei irgendwelchen politischen oder militärischen Aktionen, die durchgeführt wurden oder werden sollten, sich vorher mit dem Angeklagten Fritzsche?

VON SCHIRMEISTER: Nicht nur nicht mit Herrn Fritzsche, sondern mit überhaupt niemanden. Der Minister hat niemals derartige Beratungen geführt.

DR. FRITZ: Fritzsche behauptet, er habe von der Urheberschaft des Dr. Goebbels an den antisemitischen Ausschreitungen im November 1938 erst viel später Kenntnis bekommen, und zwar durch eine Bemerkung von Dr. Goebbels selbst. Das klingt nicht sehr glaubhaft, weil der Angeklagte Fritzsche doch immerhin ein enger Mitarbeiter von Dr. Goebbels war. Können Sie uns hierzu etwas erklären?

VON SCHIRMEISTER: Wir haben 1938 im Ministerium wohl alle nicht gewußt, daß Dr. Goebbels der Urheber war. Dr. Goebbels war in der fraglichen Nacht nicht in Berlin. Er war, soweit ich mich entsinne, kurz vorher beim Führer gewesen und war noch in Süddeutschland. Das Gespräch, das Sie eben erwähnen, hat erst mitten im Kriege stattgefunden, und zwar in Lanke, der einen Wohnung des Ministers, gelegentlich einer Einladung, bei der auch Herr Fritzsche zugegen war. Damals fragte den Minister irgend jemand direkt nach den Zusammenhängen der Ausschreitungen vom November 1938. Darauf erklärte Dr. Goebbels: »Die nationalsozialistische Wirtschaftsführung war zu der Auffassung gekommen, daß sich eine Eliminierung des Judentums aus der deutschen Wirtschaft nicht weiter durchführen lasse...«

DR. FRITZ: Herr Zeuge! Entschuldigen Sie, das genügt. Wir haben darüber heute schon gehört.

Hat sich Fritzsche in späterer Zeit – und zwar soll es im Juni 1944 gewesen sein – nochmals mit Ihnen unterhalten über seine generelle Einstellung zur Judenfrage?

VON SCHIRMEISTER: Ich habe Herrn Fritzsche im Mai oder Juni 1944 in seiner Wohnung darauf angesprochen, daß er mir damals, an diesem Ausschreitungstage, gesagt hatte: »Schirmeister, kann man das als anständiger Mensch eigentlich noch mitmachen?« Und da hat mir Herr Fritzsche denn gesagt: »Wissen Sie, ich bin allerdings immer Judengegner gewesen, aber nur in dem Sinne, wie es ein Teil der Juden ja selber auch war.« Er nannte eine jüdische Zeitung, ich glaube, die »C. V.-Zeitung«, die...

DR. FRITZ: Das genügt mir, Herr Zeuge. Wie kam es dann zu den antisemitischen Äußerungen Fritzsches in mehreren seiner Rundfunkansprachen?

VON SCHIRMEISTER: Die waren vom Minister befohlen. Wir hatten aus der englischen Presse gesehen, daß in England eine gewisse antisemitische Strömung im Anwachsen war. Durch ein Gesetz in England wurde das dann aus der englischen Presse abgestoppt. Der Minister wünschte nun einen gemeinsamen Nenner zu haben, gegen den im Ausland unsere Propaganda gerichtet werden könne. Dieser gemeinsame Nenner war der Jude. Um die Auslandspropaganda von innen her zu unterstützen, bekam Herr Fritzsche Anweisungen, nun auch im Inland in einigen seiner Vorträge dieses Thema anzuschneiden.

VORSITZENDER: Wie lange brauchen Sie noch, den Fall Fritzsche abzuschließen?

DR. FRITZ: Ich glaube, höchstens eine dreiviertel Stunde, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Gut, danach wird der Gerichtshof dann den Fall des Angeklagten Bormann bis morgen 13.00 Uhr fortsetzen.