[Das Gericht vertagt sich bis
1. Juli 1946, 10.00 Uhr.]
Einhundertachtundsechzigster Tag.
Montag, 1. Juli 1946.
Vormittagssitzung.
VORSITZENDER: Ich habe folgendes bekanntzugeben:
Der Gerichtshof verfügt, daß alles Beweismaterial, das den Kommissionen vorgelegt wird und das die Verteidiger oder die Anklagevertreter benutzen wollen, durch diese als Beweismittel angeboten werden muß. Diese Beweismittel werden dann ein Teil des Protokolls werden, gegen den Einspruch erhoben werden kann.
Die Verteidiger für die Organisationen sollten damit beginnen, ihre Dokumentenbücher so schnell wie möglich zusammenzustellen und die Gesuche um Anfertigung der Übersetzungen einreichen.
Das ist alles.
Dr. Stahmer!
DR. STAHMER: Über die Vorgänge in Katyn enthält die Anklageschrift nur die Bemerkung: »Im September 1941 wurden 11000 kriegsgefangene polnische Offiziere im Katyner Wald in der Nähe von Smolensk getötet.«
Einzelheiten wurden durch die Russische Anklagevertretung erst in der Sitzung vom 14. Februar 1946 vorgetragen. Es wurde damals dem Gericht überreicht das Dokument USSR-54. Dieses Dokument ist ein amtlicher Bericht der Außerordentlichen Staatskommission, die mit der Untersuchung des Falles Katyn amtlich beauftragt war. Die Kommission kommt nach Vernehmung der Zeugen...
VORSITZENDER: Dr. Stahmer! Der Gerichtshof ist mit dem Dokument wohlvertraut und wünscht, daß Sie nur Ihre Beweismittel vorbringen. Das ist alles.
DR. STAHMER: Ich wollte nur hinzufügen, es handelt sich hier ja nach diesen Dokumenten um zwei Vorwürfe: Einmal, daß die Zeit der Erschießung jener polnischen Gefangenen in den Herbst 1941 fällt, die zweite Behauptung ist die, daß die Tötung ausgeführt wurde von einer deutschen Militärbehörde, die sich unter dem Decknamen »Stab des Baubataillons 537« verborgen hielt.
VORSITZENDER: Das steht doch alles im Dokument, nicht wahr? Ich sagte Ihnen eben, daß wir das Dokument kennen; wir wollen nur, daß Sie nur Ihre Beweismittel vorbringen.
DR. STAHMER: Dann werde ich als meinen ersten Gegenzeugen... Als Gegenbeweiszeugen rufe ich dann zunächst den Oberst Friedrich Ahrens auf den Zeugenstand.
DR. SIEMERS: Herr Präsident! Ich habe eine Bitte vor Eröffnung der Beweisaufnahme über Katyn. Das Gericht hat beschlossen, daß drei Zeugen gehört werden dürfen und hatte angedeutet, daß im Interesse der Gleichheit auch die Anklage nur drei Zeugen bringen darf durch persönliche Vernehmung oder durch Affidavit. Im Interesse dieses gleichen Grundsatzes wäre ich dankbar, wenn die Sowjetdelegation, ebenso wie die Verteidigung, vor Beginn der Beweisaufnahme die Namen ihrer Zeugen angeben würde. Die Verteidigung hat die Namen der Zeugen bereits vor Wochen angegeben. Ich habe leider bisher vermißt, daß die Sowjetische Delegation im Interesse der Gleichheit der Behandlung der Verteidigung und der Anklage die Namen der Zeugen bisher nicht genannt hat.
VORSITZENDER: General Rudenko! Wollen Sie mir die Namen der Zeugen jetzt nennen?
GENERAL RUDENKO: Jawohl, Herr Vorsitzender.
Wir meldeten heute dem Generalsekretär des Gerichtshofs, daß die Sowjetische Anklagebehörde drei Zeugen zu rufen beabsichtigt: Professor Prosorowsky, Leiter der gerichtsmedizinischen Sachverständigenkommission, weiter den bulgarischen Staatsangehörigen Markov, Professor für Gerichtsmedizin an der Universität Sofia, der damals Mitglied der von den Deutschen zusammengestellten sogenannten Internationalen Kommission war und Professor Bazilevsky, der während der Zeit der deutschen Besatzung stellvertretender Bürgermeister von Smolensk war.