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[Zum Zeugen gewandt:]

Haben Sie nach Ihrem Eintreffen in Katyn wahrgenommen, daß sich im Katyner Wald ein Grabhügel befand?

AHRENS: Kurz nachdem ich kam – das Gelände war verschneit – bin ich darauf hingewiesen worden von meinen Soldaten, daß sich an einer Stelle auf einer Art Hügel, den man nicht genau als solchen ansprechen konnte, ein Birkenkreuz befinden solle. Dieses Birkenkreuz habe ich gesehen. Ich habe dann im Verlauf des Jahres 1942 immer wieder von meinen Soldaten gehört, daß hier in unserem Wald Erschießungen stattgefunden haben sollten, hierauf zunächst aber nichts gegeben. Allerdings im Sommer 1942 ist in einem Befehl der Heeresgruppe des späteren Generals von Harsdorff auf diese Gespräche hingewiesen worden. Er sagte mir, er habe auch davon gehört.

DR. STAHMER: Hat sich diese Erzählung später als wahr erwiesen?

AHRENS: Sie hat sich als wahr erwiesen, und ich habe durch einen reinen Zufall auch festgestellt, daß hier tatsächlich eine Grabstelle war, und zwar im Winter 1943, ungefähr im Januar oder Februar, wo ich zufällig in diesem Wald einen Wolf sah und zunächst nicht glaubte, daß es sich um einen Wolf handeln konnte, dann aber den Spuren mit einem Fachmann nachging und hier Scharrstellen an diesem Hügel mit dem Birkenkreuz sah. Ich habe feststellen lassen, was es für Knochen sind. Die Ärzte sagten mir: Menschenknochen. Ich habe daraufhin dem Kriegsgräberfürsorgeoffizier von der Tatsache Meldung gemacht, da ich glaubte, daß es sich um ein Gefallenengrab handelte, von denen es mehrere in unserer unmittelbaren Umgebung gab.

DR. STAHMER: Wie kam es nun zu den Ausgrabungen?

AHRENS: Darüber bin ich im einzelnen nicht unterrichtet. Es kam eines Tages Professor Dr. Butz im Auftrage der Heeresgruppe zu mir und teilte mir mit, daß er in meinem Wäldchen Ausgrabungen auf Grund von Gerüchten vornehmen müsse und mich hierüber zu informieren hätte, daß das geschähe – die Ausgrabungen in meinem Walde.

DR. STAHMER: Hat Professor Butz Ihnen später Einzelheiten über das Ergebnis seiner Ausgrabungen erzählt?

AHRENS: Er hat mir Einzelheiten erzählt ab und zu, und zwar erinnere ich mich, daß er mir sagte, den schlüssigen Beweis zu haben über den Zeitpunkt der Erschießung. Er zeigte mir unter anderem Briefe, an die ich mich nicht mehr sehr genau erinnere. Erinnern tue ich mich aber an eine Art Tagebuch, das er mir herüberreichte, wo Daten auf Daten folgten mit einigen schriftlichen Bemerkungen, die ich nicht lesen konnte, weil sie polnisch geschrieben waren.

Er erklärte mir dazu, daß diese Aufzeichnungen von einem polnischen Offizier gemacht seien über die vergangenen Monate und daß zum Schluß – das Tagebuch endete mit dem Frühjahr 1940 – die Befürchtung in diesen Zeilen stand, daß ihnen etwas Schreckliches bevorstünde. Das ist nur dem Sinne nach wiedergegeben.

DR. STAHMER: Hat er Ihnen weitere Angaben über den Zeitpunkt, in dem nach seiner Annahme die Erschießungen stattgefunden haben, mitgeteilt?

AHRENS: Herr Professor Butz war nach den Beweisstücken, die er gefunden hatte, überzeugt, daß die Erschießungen im Frühjahr 1940 stattgefunden hatten und hat diese Überzeugung mehrfach in meiner Gegenwart zum Ausdruck gebracht, auch später noch, als Kommissionen die Grabstelle besichtigten und ich anschließend mein Haus zur Verfügung stellen mußte, um diese Kommissionen aufzunehmen. Ich persönlich hatte weder mit den Ausgrabungen noch mit den Kommissionen das geringste zu tun. Ich hatte nur das Haus zur Verfügung zu stellen als Hausherr mit den entsprechenden Pflichten.

DR. STAHMER: Es wird behauptet, daß im März 1943 auf Lastkraftwagen Leichen von außerhalb nach Katyn geschafft worden sind und in diesem Wäldchen beigesetzt wurden. Ist Ihnen davon etwas bekannt?

AHRENS: Davon ist mir nichts bekannt.

DR. STAHMER: Hätten Sie es wahrnehmen müssen?

AHRENS: Ich hätte es wahrnehmen müssen; mindestens wäre es mir aber von meinen Offizieren gemeldet worden, denn meine Offiziere waren dauernd auf dem Regimentsgefechtsstand, während ich als Regimentskommandeur natürlich sehr viel unterwegs war. Der Offizier, der seinerzeit dauernd da war, war der Oberleutnant Hodt, dessen Adresse mir gestern abend durch Brief bekanntgeworden ist.

DR. STAHMER: Wurden bei den Ausgrabungen russische Gefangene beschäftigt?

AHRENS: Soweit ich mich erinnere, ja.

DR. STAHMER: Können Sie angeben in welcher Zahl?

AHRENS: Ich kann das nicht genau angeben, denn ich habe mich um die Ausgrabungen nicht mehr gekümmert, weil dieser pestilenzartige Gestank um unser Haus in uns einen Ekel erregte, glaube aber, die Zahl schätzen zu können mit 40 bis 50 Leuten.

DR. STAHMER: Es ist die Behauptung aufgestellt, daß diese später erschossen worden seien, ist Ihnen darüber etwas bekannt?

AHRENS: Davon ist mir nichts bekannt und davon habe ich auch nie gehört.

DR. STAHMER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr, Herr Präsident.

FLOTTENRICHTER OTTO KRANZBÜHLER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN DÖNITZ: Herr Oberst! Haben Sie selbst einmal mit irgendwelchen Landeseinwohnern über die Beobachtungen des Jahres 1940 gesprochen?

AHRENS: Ja. Ich hatte Anfang 1943 bei meinem Regimentsstab ein russisches Ehepaar wohnen in unmittelbarer Nähe, 800 Meter von uns entfernt. Diese Leute waren Imker, ich bin persönlich auch Imker, und ich kam mit diesem Ehepaar in nähere Berührung. Als die Ausgrabungen stattgefunden hatten, ungefähr im Mai 1943, habe ich Ihnen gesagt, daß sie doch eigentlich wissen müßten, da sie unmittelbar neben dieser Grabstelle wohnten, wann diese Erschießungen stattgefunden hätten. Da haben diese Leute mir gesagt, daß es im Frühjahr 1940 gewesen sei und daß auf dem Bahnhof Gnesdowo in Eisenbahnwaggons von 50 Tonnen über 200 uniformierte Polen angekommen seien und dann mit Lastkraftwagen in das Wäldchen geschafft worden wären. Sie hätten viel Schießereien und auch Schreie gehört.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: War der Bevölkerung damals dieses Wäldchen nicht zugänglich?

AHRENS: Wir haben...

VORSITZENDER: Das ist eine Suggestivfrage. Ich glaube, Sie sollten keine Suggestivfragen stellen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: [zum Zeugen gewandt]

Wissen Sie etwas darüber, ob der Bevölkerung das Wäldchen zugänglich war?

AHRENS: Das Wäldchen war umzäunt und war nach Aussage von Einwohnern zur russischen Zeit für Zivilisten nicht betretbar. Die Reste des Zaunes waren noch vorhanden als ich da war, und zwar ist in meiner Skizze dieser Zaun angegeben mit einem schwarzen Strich.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Haben Sie sich beim Beziehen des Dnjepr-Schlößchens danach erkundigt, wem das Haus früher gehörte?

AHRENS: Ich habe mich danach erkundigt, weil mich das interessierte. Das Haus war recht eigentümlich gebaut. Es hatte eine Kinoanlage, es hatte einen eigenen Schießstand, und mich hat das schon interessiert. Ich habe darüber aber etwas Bestimmtes während meiner ganzen Zeit dort nicht erfahren können.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sind außer den Massengräbern in der Umgebung des Dnjepr- Schlößchens auch andere Gräber gefunden worden?

AHRENS: Es sind in unmittelbarer Nähe des Hauses – ich habe das in meiner Skizze durch einige Pünktchen angedeutet – weitere kleinere Gräber gefunden worden mit verwitterten Leichen, auseinandergefallenen Skeletten, und zwar Gräber mit sechs bis acht – oder auch einigen mehr – Skeletten, die von Männern und Frauen herstammten. Ich konnte das als Laie sehr gut erkennen, weil die meisten Gummischuhe anhatten, die voll erhalten waren, aber es fanden sich auch Handtaschenreste.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wie lange lagen diese Skelette dort in der Erde?

AHRENS: Das vermag ich nicht zu sagen, ich weiß nur, daß sie verwittert und auseinandergefallen waren. Die Knochen waren erhalten, nur die Skelette waren nicht mehr zusammenhängend.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Danke, das ist alles.

DR. HANS LATERNSER, VERTEIDIGER FÜR GENERALSTAB UND OBERKOMMANDO: Herr Präsident...

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Sie kennen doch die Verfügung des Gerichtshofs.

DR. LATERNSER: Jawohl.

VORSITZENDER: Nun, Sie haben kein Recht, diesem Zeugen hier Fragen vorzulegen.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich wollte gerade in diesem außergewöhnlichen Falle Sie bitten, mir die Befragung...

VORSITZENDER: Ich habe Ihnen eben gesagt, daß Sie ja die Verfügung des Gerichtshofs kennen. Der Gerichtshof wird Sie nicht anhören. Wir haben bereits mehrmals auf Grund Ihrer Einsprüche hierüber entschieden, und der Gerichtshof wird Sie nicht anhören.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Die Sache Katyn ist eine der schwersten Beschuldigungen, die gegen die Gruppe erhoben wird.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist sich vollständig im klaren über die Art der Beschuldigungen wegen Katyn. Der Gerichtshof hat nicht die Absicht, in diesem Fall Ausnahmen zu machen und wird Ihnen deshalb kein Gehör schenken. Wollen Sie sich bitte setzen?

DR. LATERNSER: Ich erkläre, Herr Präsident, daß ich mich dadurch in meiner Verteidigung außerordentlich beschränkt fühle.

VORSITZENDER: Wie Dr. Laternser genau weiß, hat er das Recht, vor der Kommission den Antrag auf Vorladung jedes Zeugen zu stellen, der hier gerufen wird und dessen Aussage für den Fall der Organisation, die Dr. Laternser vertritt, Bedeutung hat. Ich will nichts weiter hören.

DR. LATERNSER: Der Weg, auf den mich Herr Präsident verweisen, hat keine praktische Bedeutung. Ich kann nicht alle Zeugen, die hier erscheinen, vor die Kommission rufen lassen.

VORSITZENDER: Dr. Siemers! Sie vertreten den Angeklagten Dönitz, nicht wahr, oder Raeder?

DR. SIEMERS: Raeder.

VORSITZENDER: Falls die Fragen, die Sie stellen wollen, nicht besonders auf den Fall Raeder Bezug haben, ist der Gerichtshof nicht bereit, ein weiteres Verhör anzuhören. Die Fragen sind von Dr. Stahmer allgemein behandelt worden und auch von Dr. Kranzbühler. Falls Sie nicht Fragen stellen wollen, die sich besonders auf den Fall Raeder beziehen, wird Ihnen der Gerichtshof kein Gehör schenken.

DR. SIEMERS: Herr Präsident! Ich hatte lediglich angenommen, daß ich aus zwei Gründen Fragen stellen könnte. Einmal, weil das Gericht selbst erklärt hat, daß im Rahmen der Verschwörung alle Angeklagten beteiligt sind und zweitens, weil Großadmiral Raeder nach der Darstellung der Anklage auch als Mitglied der angeblich verbrecherischen Organisationen, Generalstab und OKW, angeklagt wird, und infolgedessen wollte ich lediglich zwei oder drei ergänzende Fragen stellen.

VORSITZENDER: Dr. Siemers! Falls Beschuldigungen erhoben würden, die den Fall gegen Raeder beeinflussen könnten, würde Ihnen der Gerichtshof gestatten, Fragen zu stellen. Aber es liegt kein Vorwurf vor, der den Angeklagten Raeder mit diesen Beschuldigungen über den Katyner Wald in irgendeine Verbindung bringt.

DR. SIEMERS: Ich bin dem Gericht für diese Feststellung dankbar.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich bitte, noch etwas fragen zu dürfen. Ich bitte, die Anklagebehörde zu fragen, wem der Fall Katyn zur Last gelegt werden soll?

VORSITZENDER: Ich habe nicht die Absicht, solche Fragen zu beantworten. Die Anklagebehörde kann jetzt, falls sie es wünscht, ihr Kreuzverhör beginnen.

OBERJUSTIZRAT L. N. SMIRNOW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Zeuge! Geben Sie mir bitte genau die Zeit an, wann Sie sich in dem Gebiet von Smolensk befanden?

AHRENS: Ich habe diese Frage schon beantwortet, von der zweiten Hälfte November 1941 ab.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, mir ferner zu sagen, wo Sie sich vor der zweiten Hälfte 1941 befanden.

Hatten Sie überhaupt irgendeine Beziehung zu Katyn oder Smolensk oder allgemein zu dieser Gegend? Waren Sie zum Beispiel im September oder Oktober 1941 persönlich dort?

AHRENS: Nein, ich war nicht dort.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das bedeutet also, daß Sie nicht wissen, und Sie wissen auch nicht, welche Ereignisse sich im September oder Oktober 1941 im Walde von Katyn abgespielt haben?

AHRENS: Ich war zu der Zeit nicht dort. Ich habe aber vorher erwähnt, daß ich...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Nein, nein, mich interessiert in diesem Fall nur die kurze Frage: Waren Sie persönlich dort? Konnten Sie persönlich sehen, was dort vor sich ging oder nicht?

VORSITZENDER: Er sagt, er war nicht dort.

AHRENS: Nein, das konnte ich nicht sehen.

VORSITZENDER: Er sagt doch, daß er im September oder Oktober 1941 nicht dagewesen ist.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich danke Ihnen, Herr Präsident.