HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

DR. STAHMER: Ich bitte, dann als weiteren Zeugen den Oberleutnant Reinhard von Eichborn aufrufen zu dürfen.

VORSITZENDER: Ja.

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Geben Sie bitte Ihren vollen Namen an.

ZEUGE REINHARD VON EICHBORN: Reinhard von Eichborn.

VORSITZENDER: Wollen Sie mir die Eidesformel nachsprechen: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. STAHMER: Herr Zeuge! Welchen Beruf haben Sie?

VON EICHBORN: Gerichtsassessor.

DR. STAHMER: Wurden Sie in diesem Kriege zur deutschen Wehrmacht einberufen?

VON EICHBORN: Ja, im August 1939.

DR. STAHMER: Zu welchem Truppenteil?

VON EICHBORN: Zu dem Heeresgruppen-Nachrichtenregiment 537.

DR. STAHMER: Welchen militärischen Rang bekleideten Sie dort?

VON EICHBORN: Bei Ausbruch des Krieges: Zugführer und Leutnant.

DR. STAHMER: Und zum Schluß?

VON EICHBORN: Oberleutnant.

DR. STAHMER: Waren Sie im Verlaufe des Krieges auf dem östlichen Kriegsschauplatz?

VON EICHBORN: Ja, seit Beginn.

DR. STAHMER: Bei Ihrem Regiment?

VON EICHBORN: Nein, von 1940 ab im Stabe der Heeresgruppe Mitte.

DR. STAHMER: Gab es außer diesem Regiment 537 noch ein Pionierbataillon 537?

VON EICHBORN: Im Bereich der Heeresgruppe Mitte war kein Pionierbataillon 537.

DR. STAHMER: Wann kamen Sie mit Ihrem Verbande in die Nähe von Katyn?

VON EICHBORN: Der Stab der Heeresgruppe Mitte verlegte etwa um den 20. September sein Quartier nach Smolensk beziehungsweise in die Gegend von Smolensk.

DR. STAHMER: Wo waren Sie vorher eingesetzt?

VON EICHBORN: Wie darf ich die Frage verstehen?

DR. STAHMER: Woher kamen Sie?

VON EICHBORN: Wir kamen aus Borrissow.

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Der Zeuge sagt am 20. September, gibt aber das Jahr nicht an.

DR. STAHMER: [zum Zeugen gewandt] In welchem Jahre am 20. September?

VON EICHBORN: Am 20. September 1941.

DR. STAHMER: War damals das Regiment 537 schon dort?

VON EICHBORN: Der Stab des Regiments 537 verlegte jedesmal mit dem Stabe der Heeresgruppe ungefähr zur gleichen Zeit an denselben Platz, wo das Hauptquartier der Heeresgruppe war. Vorkommandos des Regiments befanden sich zur Vorbereitung der Nachrichtenanlagen bereits früher dort.

DR. STAHMER: Wo war der Stab untergebracht?

VON EICHBORN: Der Stab des Heeresgruppen- Nachrichtenregiments 537 war untergebracht in dem sogenannten Dnjepr-Schlößchen.

DR. STAHMER: Und wo hatte sich das Vorkommando befunden?

VON EICHBORN: Das Vorkommando mag auch schon in diesem Gebäude gewesen sein, zumindest ein Teil des Vorkommandos, um dieses Gebäude für den Regimentsstab zu sichern.

DR. STAHMER: Wissen Sie, wer dieses Vorkommando geführt hat?

VON EICHBORN: Der Führer dieses Vorkommandos war der Leutnant Hodt.

DR. STAHMER: Wann ist dieses Vorkommando nach Katyn gekommen?

VON EICHBORN: Smolensk fiel etwa um den 17. Juli 1941. Da die Heeresgruppe ihr Quartier unmittelbar in den Raum von Smolensk legen wollte, beschlagnahmte sie, nachdem sie ein entsprechendes Quartier ausgesucht hatte, gleich nach der Einnahme von Smolensk diesen Raum. Das Vorkommando kam um dieselbe Zeit, als dieser Raum beschlagnahmt wurde, also etwa in der zweiten Hälfte des Juli 1941, in diesen Raum.

DR. STAHMER: Also von Juli 1941 bis 20. September 1941 war das Vorkommando dort?

VON EICHBORN: Jawohl.

DR. STAHMER: Vom 20. September 1941 ab auch der ganze Stab?

VON EICHBORN: Ja. Es kann sein, daß ein Teil des Stabes später kam, aber die Masse kam um den 20. September.

VORSITZENDER: Sprechen Sie jetzt von dem Stab der Heeresgruppe oder von dem Stab des Nachrichtenregiments?

VON EICHBORN: Ich rede von beiden Stäben, denn der Umzug von so großen Stäben und der Heeresgruppe ging natürlich nicht innerhalb eines Tages; er umfaßte immer etwa zwei bis drei Tage. Das Regiment mußte, da es für die Aufgaben der Sicherstellung der Nachrichtenverbindung eingesetzt war, so lange einen Teil im alten Quartier zurücklassen, bis der ganze Stab umgezogen war.

DR. STAHMER: Wo war das Vorkommando untergebracht?

VON EICHBORN: Das Vorkommando war zumindest mit Teilen im Dnjepr-Schlößchen untergebracht. Andere Teile waren in der Nähe der Stellen, wo nachher die einzelnen Kompanien Quartier bezogen. Das war alles aus Gründen, um diese Quartiere für das Regiment freizuhalten, bis die Masse umgezogen war.

DR. STAHMER: Und der Regimentsstab 537?

VON EICHBORN: Im Dnjepr-Schlößchen.

DR. STAHMER: Können Sie die Namen der Offiziere angeben, die zum Regimentsstab gehörten?

VON EICHBORN: Zu dieser Zeit war es der Oberstleutnant Bedenck als Regimentskommandeur; Leutnant Rex als Adjutant; Leutnant Hodt als Ordonnanzoffizier und ein Hauptmann Schäfer als Fernsprech- Sachbearbeiter. Es kann sein, daß auch noch ein oder zwei andere da waren, aber an deren Namen kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern.

DR. STAHMER: Über die Aufgaben des Regimentsstabes hat der Vorzeuge schon erzählt. Wie wurde die Tätigkeit des Regimentsstabes kontrolliert?

VON EICHBORN: Das Regiment, das aus zehn bis zwölf Kompanien bestand, mußte jeden Abend eine genaue Meldung machen, zu welchen Aufgaben die einzelnen Kompanien eingesetzt waren. Das war notwendig, damit wir wußten, welche Kräfte notfalls zur Übernahme neuer Aufgaben zur Verfügung standen.

DR. STAHMER: Wie weit entfernt waren Sie von dem Dnjepr-Schlößchen untergebracht?

VON EICHBORN: Etwa vier bis fünf Kilometer. Genau kann ich die Entfernung nicht angeben, da ich sie immer im Kraftwagen gefahren bin. Aber es dürften etwa vier bis fünf Kilometer sein.

DR. STAHMER: Sind Sie häufig in das Dnjepr- Schlößchen gekommen?

VON EICHBORN: Außerdienstlich verhältnismäßig oft, da ich aus dem Regiment hervorgegangen war und den größten Teil seiner Offiziere kannte und mit ihnen befreundet war.

DR. STAHMER: Können Sie Angaben machen über die Art und den Umfang des Verkehrs zu diesem Dnjepr-Schlößchen?

VON EICHBORN: Bei der Beurteilung des Umfangs dieses Verkehrs muß man unterscheiden zwischen Personen und Sachen. Ein personeller Verkehr war sehr stark, weil das Regiment sehr zentralistisch geführt werden mußte, um seinen Aufgaben gewachsen zu sein. Es kamen deshalb eine Unmenge von Meldern. Auch die einzelnen Kompanieführer kamen häufig zum Regimentsstab.

Andererseits war auch ein verhältnismäßig starker Kraftwagenverkehr von Personenwagen und Lastwagen vorhanden, weil das Regiment sich dort häuslich ausbaute und nunmehr, nachdem wir länger dort blieben, dann auch in dem Haus allerlei bauliche Veränderungen vornahmen.

DR. STAHMER: Haben Sie etwas darüber gehört, ob etwa 25 bis 45 Kilometer westlich von Smolensk drei russische Lager mit gefangenen polnischen Offizieren sich befunden haben, die in deutsche Hand gefallen sein sollen?

VON EICHBORN: Von derartigen polnischen Offizierslagern oder polnischen Gefangenenlagern ist mir nie etwas bekanntgeworden.

DR. STAHMER: Ist Ihrer Heeresgruppe die Gefangennahme solcher polnischer Offiziere gemeldet worden?

VON EICHBORN: Nein, das wäre mir aufgefallen, da die Gefangenenzahlen, insbesondere die Gefangenenzahl von Offizieren laufend in den Abendmeldungen der Armeen, die diese Gefangenen machten, mir vorgelegt wurden. Wir waren verantwortlich für die nachrichtenmäßige Aufnahme dieser Meldungen, und wir sahen sie deshalb jeden Abend.

DR. STAHMER: Sie haben eine solche Meldung nicht bekommen?

VON EICHBORN: Ich habe eine solche Meldung weder gesehen von einer Armee, die sie erstattet hätte, noch von der Heeresgruppe, die diese Meldung in ihrer Abendmeldung an das OKH hätte weitergeben müssen.

DR. STAHMER: Hätte denn eine solche Meldung auch von wo anders her und an eine andere Stelle gehen können?

VON EICHBORN: Der Befehlsweg im Heer war sehr streng, und die Stäbe wachten darüber mit Genauigkeit, daß er eingehalten wurde. Es wurde von den Armeen jedenfalls immer genau verlangt, die Angaben zu machen, die sie nach den Formblättern zu erfüllen hatten; darunter fielen insbesondere die Angaben über Gefangene.

Es ist also ganz ausgeschlossen, daß, wenn eine derartige Anzahl von Offizieren in die Hände einer Armee gefallen wäre, daß sie das nicht gemeldet hätte auf dem hierzu befohlenen Wege.

DR. STAHMER: Sie sagten vorhin schon, Sie haben in besonders engem persönlichem Verhältnis zu den Offizieren des Regiments gestanden. Haben Sie nun etwas davon erfahren, daß unter Oberst Bedenck oder unter Oberst Ahrens durch Anregung des Regiments 537 zu irgendeiner Zeit polnische kriegsgefangene Offiziere im Katyner Wald erschossen wurden?

VON EICHBORN: Ich kannte die Offiziere des Regiments fast alle, da ich selbst über ein Jahr im Regiment gewesen bin und mit einer größeren Anzahl der Offiziere so stand, daß sie mir alles, auch Außerdienstliches aus dem Regiment erzählten. Es ist völlig ausgeschlossen, daß mir eine so wichtige Sache nicht zu Ohren gekommen wäre. Es ist auch auf Grund der ganzen charakterlichen Erziehung im Regiment ausgeschlossen, daß nicht sofort einer zu mir gekommen wäre, um mir das zu erzählen.

DR. STAHMER: Sind Ihnen alle Einsatzbefehle für das Regiment 537 dienstlich bekanntgeworden?

VON EICHBORN: Die Einsatzbefehle des Heeresgruppen-Nachrichtenregiments teilten sich in zwei Arten: Die, die die einzige Funkkompanie angingen, und die anderen, die die neun Fernsprechkompanien angingen. Da ich Fernsprech-Sachbearbeiter war, ist es natürlich, daß ich diese Befehle entwarf und meinem Vorgesetzten, dem General Oberhäuser, vorlegte. Jeder Befehl, der herausging, war deshalb entweder von mir entworfen oder ich hatte ihn vorher gesehen.

DR. STAHMER: Ist über Ihre Dienststelle zu irgendeiner Zeit ein Befehl durchgegeben worden, polnische Kriegsgefangene zu erschießen?

VON EICHBORN: Ein derartiger Befehl ist weder von unserer Dienststelle gegeben worden noch von einer anderen Stelle an das Regiment. Wir haben weder eine Meldung dieser Art bekommen noch auf irgendeinem anderen Wege etwas über derartige Dinge erfahren.

DR. STAHMER: Ein solcher Befehl, wenn er auf dem Dienstwege kam, konnte auch nur über Sie laufen?

VON EICHBORN: Dieser Befehl hätte hervorgerufen, daß eine sehr starke Anzahl des Regiments von den eigentlichen Aufgaben, denen der Sicherstellung der Nachrichtenverbindungen, abgezogen worden wäre; da wir sehr knapp an Nachrichtenkräften waren, mußten wir fast über jeden einzelnen Mann des Regiments Bescheid wissen. Es ist ganz ausgeschlossen, daß es möglich gewesen wäre, für eine derartige Aufgabe Kräfte des Regiments abzuziehen, ohne daß wir es gewußt hätten.

DR. STAHMER: Ich habe keine weitere Frage.

VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Für wen treten Sie auf?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Für den Großadmiral Dönitz.

VORSITZENDER: Im Zusammenhang mit diesem Vergehen ist gegen Großadmiral Dönitz überhaupt keine Beschuldigung erhoben worden.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Die Ausgrabungen und die dazugehörige Propaganda sind geschehen in einem Zeitpunkt, in dem Großadmiral Dönitz Oberbefehlshaber der Kriegsmarine war. Die Anklage behauptet, er sei damals Mitglied des Kabinetts gewesen und habe teilgehabt an allen Regierungshandlungen. Ich muß ihn daher als mitbelastet ansehen in allen Fragen, die mit dem Fall Katyn in Zusammenhang stehen.

VORSITZENDER: Das würde bedeuten, daß wir ein Verhör von jedem anzuhören hätten, der in Verbindung zur Regierung stand. Der Gerichtshof hat bereits mit Bezug auf Admiral Raeder erklärt, daß sein Fall mit dieser Sache nicht im Zusammenhang stand. Nur wenn die Angelegenheit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Sache eines Angeklagten steht, ist es dem Verteidiger desselben gestattet, neben dem Verteidiger, der den Zeugen gerufen hat, denselben zu verhören. Wenn Sie dem Verteidiger, der den Zeugen gerufen hat, Vorschläge machen wollen, können Sie das tun. Aber es ist Ihnen nicht gestattet...

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Aber ich bitte, zwei oder drei Fragen zu gestatten?

VORSITZENDER: Wenn Sie besondere Fragen zu stellen haben, so können Sie Dr. Stahmer vorschlagen, diese Fragen zu stellen.

Dr. Kranzbühler! Falls Sie Fragen vorbringen wollen, können Sie sie Dr. Stahmer sagen, und er wird sie dem Zeugen stellen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Ich habe nicht ganz verstanden: Soll ich die Fragen dem Herrn Dr. Stahmer vorschlagen, oder... ?

VORSITZENDER: Wenn Sie es nicht mündlich tun können, so können Sie es schriftlich tun. Sie können es auch später tun. Aber ich glaube wirklich nicht, daß hier eine solch schwierige Frage vorhanden sein kann, die Sie Dr. Stahmer nicht ohne weiteres vorlegen können.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie können auch von Dr. Stahmer gestellt werden. Ich dachte nur, ich würde Zeit sparen, wenn ich sie selbst stelle.

VORSITZENDER: Ich sagte Ihnen, wenn Sie irgendwelche Fragen stellen wollen, so muß dies durch Dr. Stahmer geschehen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Danke.

VORSITZENDER: In der Zwischenzeit setzt der Gerichtshof das Kreuzverhör fort. Fragen, die Sie vorlegen wollen, können im Rückverhör gestellt werden.

Will die Anklagebehörde den Zeugen im Kreuzverhör vernehmen?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Zeuge! Mich interessiert Ihre genaue Dienststellung. Sie waren Fernschreib-Sachbearbeiter beim Stab der Heeresgruppe Mitte und nicht Funk-Sachbearbeiter?

VON EICHBORN: Nein, der Herr Anklagevertreter irrt. Ich war der Fernsprech-Sachbearbeiter der Heeresgruppe Mitte, nicht der Funk-Sachbearbeiter.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Genau das habe ich Sie auch gefragt. Wahrscheinlich war die Übersetzung nicht korrekt. Sie waren also Fernsprech-Sachbearbeiter. Ist das richtig?

VON EICHBORN: Ja, Sie haben recht.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Waren das chiffrierte oder gewöhnliche Telegramme?

VON EICHBORN: Die Aufgabe eines Fernsprech- Sachbearbeiters bei einer Heeresgruppe bestand in der Sicherstellung der Nachrichtenverbindungen auf dem Fernsprech...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Mich interessieren nicht die Aufgaben im allgemeinen Sinne. Mich interessiert, ob es sich um chiffrierte, geheime Telegramme oder um gewöhnliche Telegramme des Heeres handelte, um die laufende Heerespost, die nicht geheim war?

VON EICHBORN: Es gab zweierlei Telegramme, offene und geheime.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Gingen auch die geheimen Telegramme über Sie?

VON EICHBORN: Beide gingen über mich.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Folglich gingen alle Mitteilungen zwischen der Wehrmacht, zwischen den Wehrmachtseinheiten und den obersten Polizeibehörden über Sie. Ist das richtig?

VON EICHBORN: Der Fernsprech-Sachbearbeiter bekam die wichtigsten Telegramme, insbesondere die geheimen, vorgelegt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das heißt also, ich stelle Ihnen noch einmal direkt die Frage: Der Schriftwechsel zwischen den Polizeibehörden und den Wehrmachtseinheiten ist also über Sie gegangen? Ist das richtig?

VON EICHBORN: Ich muß sie dahin einschränken, daß nicht der Schriftwechsel über den Fernsprech- Sachbearbeiter ging, sondern daß ihm nur die wichtigen geheimen Fernschreiben vorgelegt wurden, nicht der ganze Schriftwechsel, der ja auch brieflich und auf dem Kurierwege ging.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Das ist klar. Ist Ihnen in diesem Falle auch bekannt, daß sich im September und Oktober 1941 besondere Truppeneinheiten in Smolensk befanden, die in enger Zusammenarbeit mit dem Heere die Aufgabe hatten, die sogenannte Säuberung von Kriegsgefangenenlagern und die Vernichtung von Kriegsgefangenen durchzuführen?

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich muß dieser Befragung des Zeugen auf das entschiedenste widersprechen. Diese Befragung kann nur das Ziel haben, die Verbindung zwischen Generalstab und OKW und etwaigen Kommandos des SD festzustellen. Sie stellen also eine Belastung des Generalstabs und OKW dar, und wenn mir, Herr Präsident, als Verteidiger des Generalstabs und OKW nicht gestattet wird, Fragen zu stellen, dann muß aus Gründen gleicher Behandlung die Ordnung auch für die Anklagebehörde gelten.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender! Gestatten Sie mir, daß ich eine kurze Erklärung gebe?

VORSITZENDER: Oberst Smirnow! Die Frage ist zulässig.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wie bitte?

VORSITZENDER: Ich sagte, die Frage ist zulässig, Sie können die Frage stellen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Zeuge! Ich möchte die folgende Frage an Sie richten: Da über Sie der ganze geheime Schriftwechsel ging, das heißt die geheimen Fernschreiben, sind Sie da unter diesem Fernschreiben auch auf Meldungen der sogenannten ersten Einsatzgruppe »B« gestoßen? Es war das sogenannte erste Kommando. Und weiter auf Meldungen des Sonderkommandos, das sich in geeigneter Weise auf bessere Zeit vorbereitete und sich seinerzeit in Smolensk befand? Oder des Sonderkommandos »Moskau«, das die Massentötungen in Moskau durchführen sollte? Beide Kommandos befanden sich in Smolensk.

VON EICHBORN: Solche Mitteilungen sind mir nicht in die Hände gekommen. Ich kann das dem Herrn Anklagevertreter auch voll erklären. Wenn im Bereich der Heeresgruppe »Mitte« irgendwelche derartigen Kommandos eingesetzt waren, dann hatten derartige Kommandos eigene Funkstellen. Es kam erst im späteren Verlauf des Rußlandfeldzuges dazu, daß diese Stellen auch Fernschreibverbindungen hatten, dann stützten sie sich auf das Fernschreibnetz der Heeresgruppe. Das geschah aber erst später.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Es gingen also im September und Oktober 1941 keine Fernschreiben dieser Sondereinheiten, die nach den Bestimmungen der höheren Polizeibehörden beauftragt waren, gemeinsam mit den Militäreinheiten Sonderaktionen durchzuführen, durch Ihre Hände?

VON EICHBORN: Das ist richtig. Es gab nämlich damals keine Fernsehreibverbindungen und Stellen für solche Sonderkommandos, wenn sie überhaupt schon im Raume waren.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender! Dieses Dokument wurde dem Gerichtshof bereits mit dem Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission unter USSR-3 vorgelegt. Wenn der Hohe Gerichtshof es gestattet, so halte ich es für richtig, dem Gerichtshof und der Verteidigung die Photokopie einer Anlage zu dem Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission vorzulegen.

Wenn sich die Herren Richter der Seite 2 dieses Dokuments zuwenden wollen, so ergibt sich daraus, daß sich das Sonderkommando »Moskau« und die Einsatzgruppe »B« in Smolensk befanden. Auf Seite 1 heißt es, daß diese Einheiten zusammen mit Einheiten der Wehrmacht beauftragt waren, Massentötungen in den Lagern durchzuführen. Wenn der Gerichtshof es gestattet, so werde ich dieses Dokument sogleich vorlegen.

VORSITZENDER: Oberst Smirnow! Das ist eine Angelegenheit der Argumentation. Wir werden natürlich alles, was von der Sowjetregierung veröffentlicht ist, von Amts wegen zur Kenntnis nehmen. Wenn ich Sie recht verstehe, so sagen Sie, daß dieses Dokument ein Teil der Mitteilungen der Sowjetregierung oder des sowjetischen Berichts ist?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Jawohl, Herr Vorsitzender. Aber ich möchte ein deutsches Originaldokument, ein Geheimdokument vorlegen, in dem gesagt wird, daß in der Gegend von Smolensk zwei sehr große Sonderkommandos abgestellt und beauftragt waren, Massentötungen in den Lagern durchzuführen, bei welcher Tätigkeit sie sich den Wehrmachtseinheiten angliedern und mit ihnen zusammenarbeiten sollten.

VORSITZENDER: Oberst Smirnow! Ist das Dokument, das Sie uns soeben übergeben haben, ein Teil des Berichts USSR-3?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Jawohl, Herr Vorsitzender, es ist ein Teil des Berichts USSR-3, unter dem Titel »Besondere Anweisungen der Hitler-Regierung über die Vernichtung von Kriegsgefangenen«. Ich bitte den Hohen Gerichtshof, ein Originaldokument vorlegen zu dürfen, obgleich das gesamte Dokument USSR-3 bereits vorgelegt wurde. Es sagt, daß diese Sondereinheiten in Smolensk waren, um Massentötungen gemeinsam mit Wehrmachtseinheiten in den Lagern durchzuführen.

VORSITZENDER: Ja, Oberst Smirnow, dieses Dokument wurde – wenn der Gerichtshof recht unterrichtet ist – bereits als Beweisstück eingereicht.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Danke, Herr Vorsitzender.