[Das Gericht vertagt sich bis 14.05 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
[Der Zeuge von Eichborn im Zeugenstand.]
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender! Ich habe keine weiteren Fragen an diesen Zeugen.
VORSITZENDER: Dr. Stahmer.
DR. STAHMER: Herr Zeuge! Wissen Sie, wem dieses Dnjepr-Schlößchen vor der Besetzung durch deutsche Truppen gehört hat, wer dort gewohnt hat?
VON EICHBORN: Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es fiel uns auf, daß das Schlößchen erstaunlich gut eingerichtet war, es war sehr gut ausgebaut, enthielt zwei Badezimmer, einen Schießstand und ein Kino. Wir haben daraus gewisse Rückschlüsse gezogen, nachdem die Ereignisse bekanntgeworden waren, aber über den Vorbesitzer weiß ich nichts.
DR. STAHMER: Von dem Herrn russischen Anklagevertreter ist Ihnen eine Urkunde vom 29. Oktober 1941 vorgehalten worden, Richtlinien für die in den Stalags und Dulags abzustellenden Kommandos des Chefs der Sipo. Im Zusammenhang mit dieser Urkunde frage ich Sie: Hatten Sie Gelegenheit, persönlich die Einstellung Ihres Oberbefehlshabers der Heeresgruppe Mitte, Feldmarschall Kluge, zur Erschießung von Kriegsgefangenen festzustellen?
VON EICHBORN: Durch einen Zufall bin ich Ohrenzeuge geworden eines Gespräches der Oberbefehlshaber Bock und Kluge. Dieses Gespräch fand statt etwa drei oder vier Wochen vor Beginn des Rußlandfeldzuges, eine genaue Zeit kann ich nicht angeben. Damals war der Feldmarschall von Bock Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, und der Feldmarschall von Kluge war Oberbefehlshaber der 4. Armee. Die Heeresgruppe saß in Posen, die 4. Armee in Warschau. Ich wurde eines Tages zum Adjutanten des Herrn Feldmarschalls von Bock gerufen, es war dies Oberstleutnant Graf Hardenberg. Er gab mir den Auftrag...
VORSITZENDER: Diese Einzelheiten sind völlig unerheblich, nicht wahr? Alles, was Sie ihn fragen wollen, ist doch nur, welche Haltung Kluge einnahm. Das ist alles.
DR. STAHMER: Die Antwort kommt nicht durch. Ich verstehe nicht, Herr Präsident, was Sie sagten.
VORSITZENDER: Ich sagte, daß alle diese Einzelheiten unerheblich seien.
DR. STAHMER: Es kommt noch nichts durch. Ja, jetzt, Herr Präsident.
VORSITZENDER: Ich sagte, daß alle diese Einzelheiten über den Ort, an welchem von Kluge irgendeinen anderen Armeebefehlshaber getroffen hat, völlig unwichtig sind. Alles, was Sie ihn fragen wollen, ist: Wie war die Haltung Kluges zu den Morden an den Gefangenen? Ist das nicht alles?
DR. STAHMER: Jawohl.
Herr Zeuge! Beantworten Sie die Frage ganz kurz. Geben Sie nur wieder, was Herr von Kluge gesagt hat.
VON EICHBORN: Herr von Kluge hat Herrn von Bock in einem Telephongespräch gesagt, daß der Befehl, der die Erschießung gewisser Gefangener vorsah, unmöglich sei und mit Rücksicht auf die Disziplin der Truppe nicht durchzuführen wäre. Herr von Bock teilte diesen Standpunkt, und beide Herren sprachen eine halbe Stunde über die Maßnahmen, die sie dagegen ergreifen wollten.
DR. STAHMER: Nach der Behauptung der Anklagebehörde solle die Erschießung dieser 11000 polnischen Offiziere anscheinend im September 1941 vorgenommen sein. Ich frage Sie nun, halten Sie es nach den örtlichen Verhältnissen für möglich, daß solche Massenerschießungen und Bestattungen unmittelbar beim Regimentsquartier stattfanden, und zwar ohne daß Sie das erfahren hätten?
VON EICHBORN: Die Vorbereitungen für das Umziehen der Heeresgruppe nach Smolensk waren sehr intensiv. Wir hatten eine Menge von Nachrichtentruppen dafür eingesetzt, um das gut auszubauen. Das ganze Gelände wurde laufend von diesen Truppen zur Auslegung von Kabeln und von Leitungen begangen. Es ist ausgeschlossen, daß irgend etwas Derartiges gerade in diesem Raum passiert ist, ohne daß es zur Kenntnis des Regiments und damit zu meiner Kenntnis gekommen wäre.
DR. STAHMER: Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen.
VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.