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[Zum Zeugen gewandt:]

Sagen Sie mir, Zeuge, wer war der Bürgermeister von Smolensk?

BAZILEVSKY: Rechtsanwalt Menschagin.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wie waren die Beziehungen Menschagins zur deutschen Verwaltung, insbesondere zur Stadtkommandantur?

BAZILEVSKY: Sehr gute Beziehungen. Diese Beziehungen wurden von Tag zu Tag enger.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Kann man sagen, daß Menschagin bei der deutschen Verwaltung eine Vertrauensstellung einnahm und daß die Deutschen ihm sogar geheime Mitteilungen machten?

BAZILEVSKY: Unbedingt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ist Ihnen bekannt, daß sich in der Nähe von Smolensk polnische Kriegsgefangene befanden?

BAZILEVSKY: Das ist mir wohl bekannt.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wissen Sie, womit diese Kriegsgefangenen beschäftigt waren?

VORSITZENDER: Oberst Smirnow! Ich weiß nicht, was Sie damit beweisen wollen. Sie wissen es wahrscheinlich. Können Sie aber nicht etwas mehr zur Sache kommen?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Der Zeuge sagt, es wäre ihm bekannt, daß es in Smolensk polnische Kriegsgefangene gab, und ich möchte ihn mit Ihrer Erlaubnis fragen, womit diese Kriegsgefangenen beschäftigt waren und wann das geschah.

[Zum Zeugen gewandt:]

Zeuge, ich bitte Sie, mir auf diese Frage zu antworten.

VORSITZENDER: Gut, fahren Sie fort.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Was haben die polnischen Kriegsgefangenen bei Smolensk gemacht, und zu welcher Zeit waren sie dort beschäftigt?

BAZILEVSKY: Im Frühjahr 1941 und zu Anfang des Sommers arbeiteten sie an der Wiederherstellung der Straßen Moskau-Minsk und Smolensk-Witebsk.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Was ist Ihnen über das weitere Schicksal der polnischen Kriegsgefangenen bekannt?

BAZILEVSKY: Auf Grund der Stellung, die ich einnahm, ist mir über das Schicksal der polnischen Kriegsgefangenen verschiedenes schon früher bekannt geworden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, dies dem Gerichtshof mitzuteilen.

BAZILEVSKY: Angesichts des Umstandes, daß im Lager für russische Kriegsgefangene, das unter dem Namen »Dulag 126« bekannt war, ein sehr strenges Regime herrschte, bei welchem täglich Hunderte von Kriegsgefangenen starben, bemühte ich mich, alle diejenigen, für die man einen Grund zur Befreiung finden konnte, wenn möglich aus diesem Lager zu befreien. Ich erhielt bald die Nachricht, daß sich der in Smolensk bekannte Pädagoge G. D. Schiglinsky im Lager befand. Ich wandte mich an Menschagin und bat ihn, bei der Kommandantur von Smolensk, und zwar bei Herrn von Schwetz, vorstellig zu werden und um die Befreiung Schiglinskys aus dem Lager zu ersuchen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Um keine Zeit zu verschwenden, bitte ich Sie, sich nicht in Einzelheiten zu verlieren. Berichten Sie dem Gerichtshof über Ihre Unterredung mit Menschagin. Was hat er Ihnen gesagt?

BAZILEVSKY: Auf meine Bitte antwortete Menschagin, nun wir werden einen retten, Hunderte aber werden trotzdem sterben. Ich bestand aber darauf. Nach einigem Zögern willigte Menschagin ein, mit diesem Ansuchen zur deutschen Kommandantur zu gehen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht können Sie sich noch kürzer fassen und nun erzählen, was Menschagin gesagt hat, als er von der deutschen Kommandantur zurückkam.

BAZILEVSKY: Nach zwei Tagen teilte er mir mit, daß er wegen meiner Bitte in eine sehr heikle Lage geraten wäre. Von Schwetz hätte die Bitte abgewiesen, indem er auf eine Weisung aus Berlin verwies, wonach ein sehr hartes Regime gegen Kriegsgefangene durchgeführt werden solle.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Was hat er Ihnen über die kriegsgefangenen Polen gesagt?

BAZILEVSKY: Über die polnischen Kriegsgefangenen hat er mir gesagt, daß die Russen im Lager wenigstens von selbst sterben würden, während man die polnischen Kriegsgefangenen zu vernichten vorgeschlagen hätte.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Welche Unterhaltung fand weiterhin zwischen Ihnen statt?

BAZILEVSKY: Darauf erwiderte ich mit Nachdruck: Wieso, wie soll man diese Äußerung verstehen? Menschagin antwortete, man müsse dies wörtlich verstehen. Er wandte sich an mich mit der Weisung und der Bitte, unter keinen Umständen irgend jemandem davon Mitteilung zu machen, da es ein großes Geheimnis sei.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wann hat die Unterhaltung zwischen Ihnen und Menschagin genau stattgefunden? In welchem Monat, in welchem Abschnitt des Monats?

BAZILEVSKY: Diese Unterredung fand Anfang September statt. Das genaue Datum weiß ich nicht mehr.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Aber Sie wissen, daß sie Anfang September stattfand?

BAZILEVSKY: Jawohl.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Sind Sie in Ihren späteren Unterredungen mit Menschagin einmal auf diese Frage über das Schicksal der kriegsgefangenen Polen zurückgekommen?

BAZILEVSKY: Ja.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Wann war es?

BAZILEVSKY: Ungefähr zwei Wochen später, das heißt gegen Ende September. Ende September konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und stellte ihm die Frage, was nun mit den kriegsgefangenen Polen geschehen sei.

Zuerst zögerte Menschagin, dann sagte er: Mit ihnen ist es schon zu Ende.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Hat er irgend etwas darüber gesagt, wo sie vernichtet wurden?

BAZILEVSKY: Ja, er sagte, daß sie – nach dem, was von Schwetz ihm gesagt habe – in der Nähe von Smolensk erschossen worden seien.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Den genauen Ort hat er aber nicht genannt?

BAZILEVSKY: Mir hat er die Stelle nicht mitgeteilt.

OBER JUSTIZRAT SMIRNOW: Sagen Sie mir folgendes: Haben Sie Ihrerseits irgend jemandem von der Tötung der polnischen Kriegsgefangenen durch die Hitleristen in der Nähe von Smolensk erzählt?

BAZILEVSKY: Ich sprach darüber zu Professor Efimow, der im selben Hause wohnte wie ich, außerdem sprach ich darüber ein paar Tage später auch mit dem Sanitätsarzt der Stadt, Dr. Nikolsky. Es erwies sich aber, daß Nikolsky bereits aus anderen Quellen über dieses Verbrechen unterrichtet war.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Hat Ihnen Menschagin gesagt, warum diese Erschießungen stattgefunden hätten?

BAZILEVSKY: Ja. Als er mir mitteilte, daß den Kriegsgefangenen ein Ende gemacht worden sei, hat er nochmals auf die Notwendigkeit hingewiesen, es streng geheimzuhalten, um große Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Er fing auch an, mir die Gründe zu erklären, warum die Deutschen mit den polnischen Kriegsgefangenen in dieser Weise verfahren seien. Er sagte, daß es ein Teil des allgemeinen Systems in der Behandlung von kriegsgefangenen Polen wäre.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Haben Sie von irgendeinem Angestellten der deutschen Kommandantur etwas über die Vernichtung der Polen gehört?

BAZILEVSKY: Ja. Etwa zwei oder drei Tage später.

VORSITZENDER: Sie sprechen beide zu schnell, und Sie legen beide keine genügend langen Pausen ein. Sie stellen Ihre Fragen, während die Antworten noch durchgegeben werden. Sie müssen länger pausieren und langsamer sprechen.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Jawohl, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Bitte fahren Sie fort, aber etwas langsamer.

BAZILEVSKY: Wo bin ich stehengeblieben?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich hatte Sie gefragt, ob Sie von irgendeinem Angestellten der deutschen Kommandantur von der Vernichtung der Polen gehört hätten.

BAZILEVSKY: Ungefähr zwei oder drei Tage später, als ich Menschagins Büro betrat, habe ich dort den Dolmetscher, den Sonderführer der 7. Abteilung der deutschen Kommandatur getroffen, der die russische Verwaltung leitete. Er sprach gerade mit Menschagin über die Polen. Er war ein Balte.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Vielleicht sagen Sie mir kurz, was er sagte.

BAZILEVSKY: Als ich eintrat, sprach er gerade davon, daß die Polen eine unnütze Nation seien, deren Vernichtung als Düngemittel und zur Vergrößerung des deutschen Lebensraumes dienen könne.

VORSITZENDER: Sie tun nun gerade das, worüber ich eben sprach. Sie stellen Ihre Fragen, ehe noch die Übersetzung fertig durchgegeben ist.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte um Entschuldigung, Herr Vorsitzender, ich werde langsamer sprechen.