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[Oberjustizrat Smirnow schreibt das Wort nieder und übergibt das Papier dem Vorsitzenden.]

VORSITZENDER: Was Sie hier geschrieben haben ist: p-s-e-r-d-o. Meinen Sie »pseudo«, das »falsch« bedeutet?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, das ist richtig, »pseudo«.

VORSITZENDER: Nun, stellen Sie Ihre Frage nochmals, und zwar ganz kurz.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja.

[Zum Zeugen gewandt:]

Wurden den Mitgliedern der Kommission viele solcher Schädel mit dem sogenannten »pseudo callus« gezeigt? Bitte erklären Sie genau diesen Begriff des Professors Orsos.

MARKOV: Professor Orsos hat über »pseudo callus« bei einer allgemeinen Besprechung der Delegierten gesprochen; die Zusammenkunft fand am 30. April nachmittags in dem Gebäude statt, in dem sich das Feldlaboratorium von Butz in Smolensk befand. Professor Orsos verstand darunter eine Ablagerung und Aufschichtung von unlöslichen Salzen, Kalzium und anderen Salzen innerhalb der Schädeldecke. Professor Orsos behauptete, daß nach seinen Erfahrungen, die er in Ungarn gemacht hatte, solche Erscheinungen nur beobachtet wurden, wenn eine Leiche mindestens drei Jahre unter der Erde gelegen habe. Als Professor Orsos dies in der wissenschaftlichen Besprechung mitgeteilt hatte, hat sich niemand von den anderen Mitgliedern der Kommission geäußert, weder für noch gegen diese Feststellung. Ich gewann dadurch den Eindruck, daß der Begriff »pseudo callus« den anderen Delegierten ebenso unbekannt war wie mir. Bei derselben Besprechung führte uns Professor Orsos eine solche Erscheinung von »pseudo callus« an einem Schädel vor.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich bitte Sie, mir zu sagen: Unter welcher Nummer war die Leiche registriert, von der der Schädel für die Vorführung des Professors Orsos genommen wurde?

MARKOV: Die Nummer der Leiche, von der der Schädel genommen wurde, war Nummer 526, wie Sie auch in dem Buch, in dem diese Leiche verzeichnet ist, steht. Deshalb bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß diese Leiche schon vor unserer Ankunft in Katyn exhumiert war, da alle anderen Leichen, die wir am 30. April exhumiert haben, Nummern über 800 hatten. Es ist uns erklärt worden, daß, sobald eine Leiche exhumiert wird, ihr die entsprechende folgende Nummer zu geben ist.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Bitte sagen Sie mir, ob auch auf den Schädeln der von Ihnen und Ihren Kollegen sezierten Leichen Erscheinungen von »pseudo callus« zu entdecken waren?

MARKOV: In dem Schädel der Leiche, die ich seziert habe, befand sich anstatt des Gehirns eine breiartige Masse, aber Erscheinungen des sogenannten »pseudo callus« habe ich nicht bemerkt. Auch die anderen Delegierten haben nach den Erklärungen von Professor Orsos nicht gesagt, daß sie eine derartige Erscheinung an den von ihnen untersuchten Schädeln entdeckt hätten. Auch Butz und seine Mitarbeiter, die die Leichen schon vor unserem Eintreffen in Katyn untersucht hatten, haben nicht gemeldet, daß sie diese Erscheinungen bemerkt hätten. Als ich später in dem Buch, das die Deutschen herausgegeben haben, den Bericht von Butz sah, bemerkte ich, daß Butz sich auf die Erscheinungen des »pseudo callus« bezog, um seine Behauptung zu rechtfertigen, daß die Leichen drei Jahre in der Erde waren.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ihnen wurde demnach von 11000 Leichen nur ein Schädel vorgelegt, der die Erscheinung des »pseudo callus« aufwies?

MARKOV: Jawohl.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Beschreiben Sie bitte dem Gerichtshof in Einzelheiten den Zustand der Kleidung dieser Leichen.

MARKOV: Die Kleidung war im allgemeinen gut erhalten, sie war natürlich von der Feuchtigkeit der verwesenden Leichen durchtränkt. Als wir versuchten, den Leichen durch heftiges Zerren die Kleidung und die Stiefel abzunehmen, zerriß die Kleidung nicht, auch platzten die Stiefel nicht in den Nähten. Ich hatte sogar den Eindruck, daß man nach eingehender Reinigung die Kleider wieder ohne weiteres hätte verwerten können. In der Kleidung der Leichen, die ich sezierte, haben wir auch einige Papiere gefunden. Sie waren ebenfalls von der Leichenflüssigkeit durchtränkt. Einige Deutsche, die bei der Obduktion der Leichen anwesend waren, verlangten, ich sollte diese Papiere, vor allem deren Inhalt, beschreiben. Ich lehnte es jedoch ab, da ich der Auffassung war, daß das nicht Aufgabe eines Arztes sei. In Wahrheit habe ich schon am vorhergegangenen Tag bemerkt, daß man sich bemühte, mit Hilfe der Daten auf diesen Papieren bei uns den Eindruck entstehen zu lassen, als wären die Leichen schon drei Jahre unter der Erde gewesen. Deshalb wollte ich mich nur auf die objektive Beurteilung des Zustandes der Leichen beschränken. Einige andere Delegierte, die auch Leichen obduzierten, haben ebenfalls aus der Kleidung der Leichen Papiere entnommen. Jene Papiere, die ich in den Kleidungsstücken der von mir sezierten Leichen gefunden habe, wurden in einen Briefumschlag gesteckt, der dieselbe Nummer wie die Leiche, nämlich 827, hatte. Später habe ich in dem Buch, das die Deutschen herausgegeben haben, gesehen, daß einige der Delegierten den Inhalt der Papiere beschrieben haben, die sie in den Kleidungsstücken der Leichen gefunden haben.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Bitte beantworten Sie folgende Frage: Auf welche objektiven gerichtsmedizinischen Tatsachen stützt sich das Urteil der Kommission darüber, daß die Leichen mindestens drei Jahre unter der Erde gewesen sind?

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte die Frage noch einmal stellen? Ich habe die Frage nicht verstanden.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich habe gefragt, auf welche objektiven gerichtsmedizinischen Tatsachen die Schlußfolgerung in dem Protokoll der internationalen medizinischen Kommission gegründet ist, daß die Leichen nicht weniger als drei Jahre unter der Erde waren?

VORSITZENDER: Hat er gesagt, daß dies die von ihm gezogene Schlußfolgerung war? Nicht weniger als drei Jahre?

MR. BIDDLE: Das hat er nicht gesagt.

VORSITZENDER: Das hat er überhaupt nicht gesagt. Er hat niemals gesagt, er sei zu der Schlußfolgerung gekommen, daß die Leichen mindestens drei Jahre in der Erde waren.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Er hat diesen Schluß nicht gezogen. Aber Professor Markov hat zusammen mit anderen Mitgliedern der Kommission das gemeinsame Protokoll der Internationalen Kommission unterzeichnet.

VORSITZENDER: Ich weiß, gerade deshalb habe ich Sie gebeten, die Frage zu wiederholen. Die Frage, die uns übersetzt wurde, lautete: Woraufhin kamen Sie zu der Schlußfolgerung, daß die Leichen mindestens drei Jahre in der Erde waren? Das ist gerade das Gegenteil von dem, was er sagt. Wollen Sie jetzt die Frage nochmals stellen?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja, Herr Vorsitzender.