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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie haben gestern ausgesagt, Herr Zeuge, daß die Sachverständigen sich darauf beschränkt hätten, eine Leiche zu obduzieren. In dem Bericht steht nun folgendes; ich zitiere:

»Von den Mitgliedern der Kommission wurden persönlich neun Leichen obduziert und zahlreiche, besonders ausgewählte Fälle einer Leichenschau unterzogen.«

Ist das richtig?

MARKOV: Das ist richtig. Die Mitglieder der Kommission, die geprüfte Mediziner waren, haben mit Ausnahme von Professor Naville jeder eine Leiche obduziert, während Hajek zwei Leichen obduzierte.

DR. STAHMER: Hier kommt es nicht auf die Obduktion an, sondern auf die Leichenschau.

MARKOV: Die Leichen wurden bloß oberflächlich besichtigt während einer schnellen Leichenschau, die wir am ersten Tag durchführten.

Dabei sind die Leichen nicht einzeln obduziert worden, sondern nur angeschaut, so, wie sie gerade nebeneinander lagen.

DR. STAHMER: Ich frage Sie nun: Was versteht man in der medizinischen Wissenschaft unter dem Begriff »Leichenschau«?

MARKOV: Wir unterscheiden zwischen einer äußerlichen Schau, bei weither die Leiche entkleidet und von außen genau untersucht werden muß, und einer inneren Untersuchung, wobei die inneren Organe der Leiche untersucht werden.

Das ist an den Hunderten von Leichen, die dort waren, nicht vorgenommen worden, weil dies auch physisch nicht möglich war. Wir waren dort nur einen Vormittag, so daß ich der Ansicht bin, daß eine gerichtsmedizinische Untersuchung dieser Leichen im eigentlichen Sinn dieses Wortes nicht vorgenommen wurde.

DR. STAHMER: Sie haben vorhin über den Baumbestand gesprochen, der sich auf diesen Massengräbern befunden hat und haben gesagt, daß ein Sachverständiger Ihnen an einem Baumstamm eine Erklärung über das Alter gegeben habe. In dem Protokoll heißt es darüber, ich zitiere:

»Nach dem eigenen Augenschein der Kommissionsmitglieder und der Aussage des als Sachverständigen zugezogenen Forstmeisters von Herff handelt es sich um we nigstens fünfjährige, im Schatten großer Bäume schlecht entwickelte Kiefern-Pflanzen, die vor drei Jahren an diese Stelle gepflanzt wurden.«

Ich frage Sie nun: Ist es richtig, daß Sie eine örtliche Besichtigung vorgenommen und sich an Ort und Stelle davon überzeugt haben, ob die Angaben des Forstsachverständigen zutreffen?

MARKOV: Unsere persönlichen Eindrücke und meine persönliche Überzeugung in dieser Frage bezieht sich nur darauf, daß im Katyner Wald tatsächlich Lichtungen vorhanden waren, wo junge Bäume wuchsen. Es ist Tatsache, daß ein Sachverständiger, ein deutscher Forstmeister, uns den Querschnitt eines Bäumchens zeigte und uns auf die Wachstumsringe aufmerksam machte.

Ich halte mich nicht für kompetent, um die Schlußfolgerungen, die im Protokoll enthalten sind, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen. Aus diesem Grunde ist es notwendig geworden, einen Sachverständigen im Forstwesen hinzuzuziehen, weil Mediziner in dieser Frage nicht kompetent waren. Die Schlußfolgerung über das Alter der Bäume ist daher ausschließlich die Feststellung eines deutschen Sachverständigen auf diesem Gebiete.

DR. STAHMER: Aber hatten Sie nach dem örtlichen Augenschein Zweifel, ob diese Angaben richtig sind?

MARKOV: Nachdem der deutsche Sachverständige seine Schlußfolgerungen bekanntgegeben hatte, hat bei der Zusammenkunft der Delegierten niemand, weder ich noch ein anderer Delegierter, sich zu der Frage geäußert, ob die Schlußfolgerungen des Forstmeisters richtig seien oder nicht. Sie wurden in das Protokoll in der Form aufgenommen, in der der Forstmeister seine Angaben gemacht hat.

DR. STAHMER: Nach Ihrem Obduktionsprotokoll war die Leiche des von Ihnen obduzierten polnischen Offiziers bekleidet. Sie haben auch die Bekleidung im einzelnen beschrieben. Handelte es sich um eine Sommer- oder um eine Winterkleidung?

MARKOV: Es war eine Winterkleidung, Wintermantel und ein Wollschal um den Hals.

DR. STAHMER: In dem Protokoll heißt es ferner, und ich zitiere:

»Ferner fanden sich polnische Zigaretten und Streichholzschachteln bei den Toten. In einigen Fällen auch Tabakdosen und Zigarettenspitzen mit der Gravierung ›Kosielsk‹.«

Ich frage Sie nun: Haben Sie diese Gegenstände gesehen?

MARKOV: Solche Tabaksdosen mit der Gravierung »Kosielsk« haben wir tatsächlich gesehen. Sie befanden sich in einer Vitrine. die uns in dem Landhaus, nicht weit vom Katyner Wald, gezeigt worden waren. Ich erinnere mich deshalb, weil Butz tatsächlich unsere Aufmerksamkeit auf sie lenkte.

DR. STAHMER: In Ihrem Obduktionsprotokoll, Herr Zeuge, findet sich folgender Vermerk, und ich zitiere:

»In den Kleidern findet man Dokumente. Sie wurden im Umschlag Nr. 827 aufbewahrt.«

Ich frage Sie nun: Wie haben Sie diese Dokumente entdeckt? Haben Sie sie selbst aus der Tasche entnommen?

MARKOV: Diese Papiere befanden sich in den Taschen des Mantels und des Uniformrockes. Soviel ich mich erinnere, waren sie von einem deutschen Helfer aus der Tasche entfernt worden, der die Leiche vor meinen Augen entkleidete.

DR. STAHMER: Waren die Dokumente damals schon in diesem Umschlage?

MARKOV: Sie waren damals noch nicht in dem Umschlag; aber, nachdem sie aus den Taschen genommen wurden, wurden sie in einen Umschlag getan, der die Nummer der Leiche bekam. Uns wurde erklärt, daß das die übliche Art des Verfahrens wäre.

DR. STAHMER: Um welche Dokumente handelte es sich?

MARKOV: Ich habe diese Dokumente, wie ich bereits gesagt habe, nicht untersucht und habe mich geweigert, sie zu untersuchen. Aber nach ihrem Format waren es Ausweispapiere. Man sah einzelne Buchstaben, ob man aber das Geschriebene lesen konnte, kann ich nicht sagen, da ich gar nicht den Versuch gemacht habe, diese Papiere zu entziffern.

DR. STAHMER: In dem Protokoll findet sich folgende Angabe, ich zitiere:

»Die bei den Leichen vorgefundenen Dokumente (Tagebücher, Briefschaften, Zeitungen) stammen aus der Zeit vom Herbst 1939 bis März und April 1940. Das letzte bisher festgestellte Datum ist das einer russischen Zeitung vom 22. April 1940.«

Ich frage Sie nun:

Ist diese Angabe richtig? Entspricht sie Ihren Feststellungen?

MARKOV: Solche Briefe und Zeitungen waren tatsächlich in den Vitrinen vorhanden und wurden uns gezeigt. Einige solcher Papiere wurden von den Kommissionsmitgliedern, die die Leichen obduzierten, gefunden; und, wenn ich mich richtig entsinne, haben diese Kommissionsmitglieder ihren Inhalt im Gegensatz zu meinen Feststellungen beschrieben; ich habe das nicht getan.

DR. STAHMER: Sie haben vorhin bei Ihrer Vernehmung angegeben, es seien nur wenig wissenschaftliche Angaben in dem Protokoll enthalten und man habe wohl absichtlich sich solcher Angaben enthalten. Ich zitiere jetzt aus dem Protokoll folgendes:

»Es finden sich verschiedene Grade und Formen der Verwesung, die durch die Lagerung der Leichen innerhalb der Grube und zueinander bedingt sind. Neben der Mumifizierung an der Oberfläche und an den Rändern der Leichenmasse, findet sich feuchte Maceration in den mittleren Teilen der Leichenmasse. Die Verklebung und Verlötung der benachbarten Leichen durch eingedickte Leichensäfte, insbesondere die durch die Pressung bedingten korrespondierenden Deformationen weisen entschieden auf primäre Lagerung hin.

Es fehlen gänzlich an den Leichen Insekten und Insektenreste, die aus der Zeit der Einscharrung stammen könnten. Hieraus ergibt sich, daß die Erschießungen und die Einscharrungen in einer kalten, insektenfreien Jahreszeit geschehen sein müssen.«

Ich frage Sie nun: Sind diese Angaben richtig? Entsprechen sie Ihren Wahrnehmungen?

MARKOV: Ich habe gesagt, daß in diesem Protokoll wenig über den Zustand der Leichen gesagt worden ist. Tatsächlich, wie dies aus dem Zitat ersichtlich ist, das ich im Sinne hatte, handelt es sich nur um allgemeine Sätze über die verschiedenen Verwesungsstadien der Leichen. Eine konkrete und genaue Beschreibung des Zustandes der Leichen ist nicht gegeben.

Was die Frage der Insekten und ihrer Larven anbetrifft, so steht die Behauptung des kollektiven Protokolls, daß solche an den Leichen nicht gefunden wurden, im absoluten Widerspruch zu den Feststellungen des Professors Palmieri, die in seinem Protokoll über die Sektion der Leiche, die er selbst durchgeführt hat, niedergeschrieben sind. In diesem Protokoll, das in demselben deutschen Weißbuch veröffentlicht worden ist, steht im Gegenteil, daß Reste von Insekten und ihren Larven im Mund der Leichen gefunden worden sind.

DR. STAHMER: Sie haben vorhin gesprochen von den wissenschaftlichen Untersuchungen an Schädeln, die Professor Orsos vorgenommen hat. Darüber findet sich in dem Protokoll folgendes, ich zitiere:

»Eine größere Reihe von Schädeln wurde auf Veränderungen hin untersucht, die nach Erfahrungen von Professor Orsos zur Bestimmung der Zeit des Todes von großer Wichtigkeit sind. Es handelt sich hierbei um eine kalktuffartige, mehrschichtige Inkrustration an der Oberfläche des schon lehmartig homogenisierten Gehirnbreies. Solche Erscheinungen sind bei Leichen, welche weniger als 3 Jahre im Grabe gelegen haben, nicht zu beobachten. Ein derartiger Zustand fand sich unter anderem in einer sehr ausgeprägten Form im Schädel der Leiche Nr. 526, die an der Oberfläche eines großen Massengrabes geborgen wurde.«

Ich frage Sie nun: Ist es richtig, daß nicht nur, wie es hier steht, in dem Schädel einer Leiche, sondern auch an anderen Leichen nach dem Vortrag von Professor Orsos ein derartiger Zustand festgestellt ist?

MARKOV: Auf diese Frage antworte ich kategorisch, daß uns nur ein einziger Schädel gezeigt worden ist, und zwar der Schädel, von dem im Protokoll die Rede ist, Schädel Nummer 526. Mir ist nicht bekannt, daß Untersuchungen an mehreren Schädeln vorgenommen wurden, wie es aus dem Protokoll hervorzugehen scheint. Ich bin der Ansicht, daß Professor Orsos keine Möglichkeit hatte, dies zu tun, das heißt, viele Leichen im Katyner Wald zu untersuchen, da er zusammen mit uns angekommen ist und Katyn auch zusammen mit uns verließ. Demzufolge war er im Katyner Wald genau so lange wie ich und alle anderen Kommissionsmitglieder.

DR. STAHMER: Ich zitiere schließlich aus dem zusammenfassenden Gutachten den Schluß, in dem es heißt:

»Aus den Zeugenaussagen, den bei den Leichen aufgefundenen Briefschaften, Tagebüchern, Zeitungen und so weiter ergibt sich, daß die Erschießungen in den Monaten März und April 1940 stattgefunden haben. Hiermit stehen in völliger Übereinstimmung die im Protokoll geschilderten Befunde an den Massengräbern und den einzelnen Leichen der polnischen Offiziere.«

Ich frage Sie nun: Ist diese tatsächliche Feststellung richtig?

VORSITZENDER: Ich habe diese Feststellung nicht ganz verstanden. Als Sie sie verlasen, da klang es wie: »Aus den Zeugenaussagen, Briefen und so weiter...«

DR. STAHMER: »Hiermit stehen in vollständiger Übereinstimmung die im Protokoll geschilderten Befunde an den Massengräbern und den einzelnen Leichen der polnischen Offiziere.«

Das ist der Schluß des Protokolls.

VORSITZENDER: Es heißt nicht, daß die nachfolgenden Personen alle damit übereingestimmt haben, sondern daß die folgenden Tatsachen völlig übereinstimmen. Ist das richtig?

DR. STAHMER: Nein, deshalb meine Frage: »Wird diese Feststellung von Ihnen gebilligt?«

VORSITZENDER: Ja, ich weiß, aber Sie haben die folgenden Worte verlesen: »Die Folgenden stimmen völlig überein...« Ich möchte wissen, ob das heißt, daß die folgenden Personen völlig übereinstimmen oder ob die folgenden Tatsachen völlig übereinstimmen.

DR. STAHMER: Es sind hier bestimmte Tatsachen festgestellt, ein zusammenfassendes Gutachten, das von sämtlichen Mitgliedern der Kommission unterzeichnet ist. Es handelt sich also um eine wissenschaftliche Begründung mit der tatsächlichen Feststellung.

VORSITZENDER: Bitte hören Sie zu, was ich Ihnen aus meinen Notizen vorlese: »Aus den Zeugenaussagen, aus Briefen und anderen Dokumenten ergibt sich, daß die Erschießungen in den Monaten März und April 1940 stattgefunden haben. Die Folgenden sind in völliger Übereinstimmung.«

Was ich Sie frage ist...