[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]
Der Gerichtshof will jetzt Dr. Bergold hören, um den Fall des Angeklagten Bormann zu beenden. Der Gerichtshof nimmt auch an, daß der Verteidiger des Angeklagten von Neurath verschiedene Dokumente vorlegen will.
Dr. von Lüdinghausen! Haben Sie Dokumente für Neurath?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ja.
VORSITZENDER: Wollen Sie sie jetzt bitte vorlegen?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Ich habe hier zwei Arten von Dokumenten: Das eine sind die Dokumente, die ich bereits in meinem Vortrag anläßlich der Beweisaufnahme angeboten habe und auf die ich die Aufmerksamkeit des Gerichts hingewiesen habe. Sie befinden sich bereits sämtlich in den dem Gericht vorgelegten Dokumentenbüchern, so daß ich glaube, mich damit begnügen zu können, diese Akten hier dem Generalsekretariat überreichen zu können.
VORSITZENDER: Dr. von Lüdinghausen! Sie haben sie schon als Beweismittel angeboten, und sie haben auch Nummern, nicht wahr?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Jawohl.
VORSITZENDER: Gut.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Dann habe ich hier noch eine Reihe von Dokumenten – es werden zwölf oder fünfzehn sein –, die ebenfalls bereits in Übersetzung in meinen Dokumentenbüchern enthalten sind. Diese Dokumente habe ich aber noch nicht in meinem Vortrag neulich erwähnt und das Gericht noch nicht gebeten, von ihnen Kenntnis zu nehmen. Wenn ich kurz referieren darf, welche Dokumente das sind: Ein Brief von Neurath an Hitler vom 19. Juni 1933, eine Abschrift des Protokolls über die Zurückziehung der Interalliierten Militärkommission im Januar 1926, eine Rede...
VORSITZENDER: Wollen Sie bitte die Beweisstücknummern angeben, die sie erhalten haben müssen, wenn Sie sie anbieten.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ja.
VORSITZENDER: Das erste ist ein Brief von Hitler vom 19. Juni 1933. Welche Nummer erhält dieses Schreiben?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Nummer 12.
Nummer 32: Protokoll über die Zurückziehung der Interalliierten Militärkommission,
Nummer 50: eine Rede des Premierministers MacDonald vom 16. März 1933,
Nummer 51: ein Aufsatz von Neurath über den Völkerbund in der Zeitschrift »Der Völkerbund« vom 11. Mai 1933,
Nummer 52: die Rede Hitlers vom 17. Mai 1933, die sogenannte Friedensrede,
Nummer 53: eine Erklärung des Deutschen Botschafters Nadolny in Genf vom 19. Mai 1933,
Nummer 54: eine Erklärung des amerikanischen Vertreters in der Abrüstungskonferenz, Norman Davies, vom 22. Mai 1933,
Nummer 55: eine Erklärung des Deutschen Botschafters Nadolny in der Abrüstungskonferenz vom 27. Mai 1935,
Nummer 81: eine Rede des damaligen Ministers Benesch vom 2. Juli 1934,
Nummer 82: ein Auszug aus der Rede des Marschalls Pétain vom 22. Juli 1934,
Nummer 83: das Kommuniqué der Reichsregierung vom 26. Juli 1934,
Nummer 85: das Kommuniqué der Reichsregierung vom 10. September 1934,
Nummer 86: eine Rede des Herrn von Neurath vom 17. September 1934,
Nummer 88: Auszüge aus der Rede des Marschalls Smuts vom 12. November 1934,
Nummer 119: eine Erklärung des Parlamentssekretärs der englischen Admiralität, Shakespeare, im englischen Unterhaus vom 20. Juli 1936.
Das sind die Dokumente, die ich noch nicht zitiert hatte, die aber bereits in meinen Dokumentenbüchern enthalten sind.
Herr Präsident! Darf ich die Gelegenheit benützen, noch folgenden Antrag vorzubringen, und zwar geht dieser Antrag dahin: Das Gericht...
VORSITZENDER: Dr. Lüdinghausen! Sind diese Dokumente schon übersetzt oder nicht?
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Sie sind alle schon in den überreichten Dokumentenbüchern übersetzt drin.
Herr Präsident! Darf ich hieran anschließend noch einen Antrag an das Gericht stellen, und zwar geht dieser Antrag dahin, das Gericht möchte mir gestatten, den Angeklagten von Neurath noch einmal auf den Zeugenstuhl zu rufen, und zwar aus folgendem Grund: Wie erinnerlich, wurde dem Angeklagten im Laufe des Kreuzverhörs von dem Herrn Anklagevertreter Sir David Maxwell-Fyfe das Dokument 3859-PS vorgelegt, welches die Photokopie eines Schreibens des Angeklagten vom 31. August 1940 an den Chef der Reichskanzlei, Lammers, nebst zwei Anlagen darstellt, in denen der Angeklagte Lammers bittet, die beiden Anlagen Hitler vorzulegen und ihm bei diesem die Möglichkeit einer persönlichen Rücksprache beziehungsweise eines Vortrags über die behandelte Frage einer angeblichen Germanisierung zu erwirken. Die beiden Anlagen dieses Schreibens an Lammers sind Berichte und Vorschläge über diese zukünftige Gestaltung des Protektoratsgebietes und befassen sich mit der Assimilierung beziehungsweise einer eventuellen Germanisierung des tschechischen Volkes. Das Gericht wird sich erinnern, daß die Vorlegung dieses immerhin ziemlich umfangreichen Dokuments – allein in der Photokopie enthält es ungefähr 30 oder 40 Bogen, wenn nicht mehr – den Angeklagten überraschte und er sich im Moment nicht so weit der Dinge erinnern konnte, um sofort positive und erschöpfende Auskunft über diese Dokumente zu geben. Er hat aber trotzdem bereits im Kreuzverhör nach einem ganz flüchtigen Blick in diese Berichte Zweifel geäußert, daß diese Berichte, wie sie hier in Photokopien vorgelegt wurden, tatsächlich identisch gewesen sind mit denjenigen Berichten, die nach seiner Anweisung dem Schreiben von ihm an Lammers zur Vorlegung bei Hitler beigefügt worden sind. Eine genaue Prüfung dieser Photokopien war ja im Laufe des Kreuzverhörs nicht möglich, und auch ich selbst konnte naturgemäß, da ich die Dokumente auch nicht kannte, zu diesen Dokumenten keine Stellung nehmen. Bei der offensichtlichen Übermüdung und Erschöpfung Herrn von Neuraths nach dem Kreuzverhör war es mir auch nicht möglich, noch am gleichen Tage eine Prüfung und eine Besprechung mit ihm abzuhalten. Es war dies erst am nächsten Tage möglich.
VORSITZENDER: Jawohl, Dr. von Lüdinghausen, der Angeklagte darf nochmals gerufen und über diese beiden Dokumente befragt werden. Natürlich ist das nur ein Ausnahmefall, der diesmal zugelassen wird, denn durch das Rückverhör ist dem Anwalt die Möglichkeit gegeben, solche Sachen zu erläutern.
DR. VON LÜDINGHAUSEN: Jawohl.
VORSITZENDER: Sie dürfen ihn rufen.