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[Der Angeklagte verläßt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wir wollen nun eine Pause einschalten.

[Pause von 10 Minuten.]

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich habe die Angelegenheit untersucht, und es scheint mir eine Frage der Argumentation und nicht des Kreuzverhörs zu sein. Aber ich möchte Euer Lordschaft, da diese Sache nun einmal aufgeworfen ist, darauf aufmerksam machen, daß eine von Hauptmann Hochwald für General Eèer abgegebene Bestätigung vorliegt. Diese bestätigt, daß das unterbreitete Beweisstück die Photokopie eines Originaldokuments ist, das in den Archiven des Reichsprotektors in Prag gefunden wurde. Wir können daher aus der Bestätigung und dem Beweisstück schließen, daß die Abschrift des Briefes an Dr. Lammers sowie die zwei Denkschriften im Büro des Reichsprotektors abgelegt und gefunden worden sind. Dies ist alles, was ich in dieser Angelegenheit zu sagen habe.

VORSITZENDER: Lassen Sie den Angeklagten wieder in den Zeugenstand kommen... O nein, er braucht nicht zurückzukommen. Dr. Bergold, – Dr. Bergold.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Da Dr. Bergold im Moment nicht da ist, möchte ich fragen, ob ich die drei ausstehenden Urkunden in meiner Sache vorlegen darf?

VORSITZENDER: Ja, Dr. Kranzbühler.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich biete als Beweismittel Dönitz 100 an, die eidesstattliche Erklärung des amerikanischen Flottenchefs Admiral Nimitz, über den amerikanischen U-Bootkrieg gegen Japan. Dem Gericht ist bereits bekannt, was ich damit beweisen will. Ich brauche jetzt nichts vorzulesen, weil ich in meinem Plädoyer darauf zurückkommen muß.

VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Der Gerichtshof möchte gerne, daß Sie das Dokument verlesen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich habe den Originaltext auf englisch, Herr Präsident, ich muß also auf englisch lesen.

[Flottenrichter Kranzbühler liest das Dokument in englischer Sprache.]

»Auf Wunsch des Internationalen Militärgerichtshofs wurden heute am 11. Mai 1940 dem Großadmiral Chester W. Nimitz...«

VORSITZENDER: Sie müssen ein falsches Datum angegeben haben. 1946, nicht wahr?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ja, 11. Mai 1946.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER:

»... dem Großadmiral Chester W. Nimitz von Korvettenkapitän d. R. Joseph L. Broderick in der internationalen Rechtsabteilung des Büros des Judge Advokat General im Marineministerium in Washington D. C. die folgenden Fragen vorgelegt und die Aussage des Zeugen wortgetreu aufgezeichnet.

Admiral Nimitz wurde ordnungsgemäß von Korvettenkapitän Broderick vereidigt und folgendermaßen vernommen:

Frage: Wie heißen Sie, welches ist Ihr Rang und gegenwärtige Stellung?

Antwort: Chester W. Nimitz, Großadmiral der Flotte der Vereinigten Staaten von Amerika, Operationschef der Flotte der Vereinigten Staaten.

Frage: Welche Stellungen hatten Sie in der Marine der Vereinigten Staaten vom Dezember 1941 bis Mai 1945?

Antwort: Oberkommandierender der Flotte im Pazifik.

Frage: Haben die Vereinigten Staaten in ihrem Seekrieg gegen Japan bestimmte Gewässer zum Operationsgebiet erklärt, Blockadegebiet, Gefahrengebiet, beschränktem Gebiet oder ähnlichem?

Antwort: Ja. Im Interesse der Operationsleitung gegen Japan wurde das Gebiet des Pazifischen Ozeans zum Operationsgebiet erklärt.

Frage: Bejahendenfalls, war es in solchen Gebieten üblich, daß Unterseeboote Handelsschiffe mit Ausnahme der eigenen und der alliierten ohne Warnung angriffen?

Antwort: Ja, mit Ausnahme von Lazarettschiffen und anderen Fahrzeugen, die unter ›Sicherheitsgeleit‹ für humanitäre Zwecke fuhren.

Frage: Hatten Sie dahingehende Befehle?

Antwort: Der Chef der Marineleitung hat am 7. Dezember 1941 uneingeschränkten U-Bootskrieg gegen Japan angeordnet.

Frage: War es für U-Boote üblich, japanische Handelsschiffe nach Ausbruch des Krieges ohne Warnung anzugreifen außerhalb des angekündigten Operationsgebietes oder ähnlichen Gebieten?

Antwort: Die Antwort auf diese Frage bezieht sich auf Dinge außerhalb der Grenzen meiner Befehlsgewalt während des Krieges, deshalb kann ich darauf nicht antworten.

Frage: Hatten Sie dahingehende Befehle?

Antwort: Die Antwort auf diese Frage bezieht sich auf Dinge außerhalb der Grenzen meiner Befehlsgewalt während des Krieges, deshalb gebe ich darauf keine Antwort.

Frage: Falls der Angriff ohne vorherige Warnung nicht von Anfang des Krieges an ausgeführt wurde, wurde er zu einem späteren Datum eingeführt? An welchem Datum?

Antwort: Dieser Zustand bestand vom 7. Dezember 1941 ab in der zum Operationsgebiet erklärten Zone.

Frage: Entsprach dieser Brauch den ausgegebenen Befehlen?

Antwort: Ja.

Frage: Haben die U.S.-Marinebehörden erfahren, daß japanische Handelsschiffe Befehl hatten, alle gesichteten U-Boote den japanischen Streitkräften durch Radio zu melden? Bejahendenfalls, wann wurde dies bekannt?

Antwort: Während des Krieges haben die U.S.-Marinebehörden erfahren, daß japanische Handelsschiffe tatsächlich durch Radio den japanischen Streitkräften jede Information bezüglich Sichtung von U.S.-Unterseebooten übermittelten.

Frage: Haben die U.S.-Unterseeboote daraufhin den Befehl erhalten, japanische Handelsschiffe ohne Warnung anzugreifen, falls dieser Befehl nicht schon vorher bestand? Bejahendenfalls, wann?

Antwort: Der Befehl bestand vom 7. Dezember 1941 an.

Frage: Haben die U.S.-Marinebehörden erfahren, daß japanische Handelsschiffe den Befehl hatten, alle U.S.- Unterseeboote auf jede mögliche, zweckentsprechende Weise anzugreifen, zum Beispiel durch Rammen, Geschützfeuer oder Wasserbomben? Bejahendenfalls, wann wurde dies bekannt?

Antwort: Japanische Handelsschiffe waren gewöhnlich bewaffnet und haben immer, wenn es möglich war, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln angegriffen.

Frage: Haben die U.S.-Unterseeboote daraufhin den Befehl erhalten, japanische Handelsschiffe ohne Warnung anzugreifen? Falls dieser Befehl nicht schon vorher bestand? Bejahendenfalls, wann?

Antwort: Der Befehl bestand vom 7. Dezember 1941 an.

Frage: War es durch Befehl oder durch allgemeine Praxis den U.S.-Unterseebooten verboten, Rettungsmaßnahmen von Passagieren und Mannschaften von ohne Warnung versenkten Schiffen auszuführen, falls dadurch die Sicherheit des eigenen Bootes gefährdet wurde?

Antwort: Im allgemeinen haben die U.S.-Unterseeboote feindliche Überlebende nicht gerettet, wenn es für das Unterseeboot eine ungewöhnliche, zusätzliche Gefahr bedeutete oder das Unterseeboot dadurch an der weiteren Durchführung seiner Aufgabe gehindert wurde. U.S.-Unterseeboote waren durch geringe Unterbringungsmöglichkeiten von Passagieren sowohl als auch durch den bekannten verzweifelten und selbstmörderischen Charakter des Feindes in ihren Rettungsmaßnahmen beschränkt. Aus diesem Grunde war es gefährlich, viele Überlebende aufzulesen. Häufig wurden Überlebenden Gummiboote und/oder Vorräte gegeben. Fast immer sind die Überlebenden nicht freiwillig an Bord der Unterseeboote gegangen, und es war nötig, sie gewaltsam zu Gefangenen zu machen.

Frage: Falls ein solcher Befehl oder Brauch nicht be stand, haben die U.S.-Unterseeboote tatsächlich in den obenerwähnten Fällen Rettungsmaßnahmen durchgeführt?

Antwort: In zahlreichen Fällen wurden feindliche Überlebende durch U.S.-Unterseeboote gerettet.

Frage: Bedeutet in der Antwort auf die obige Frage die Bezeichnung ›Handelsschiff‹ jedes andere Schiff als Kriegsschiff?

Antwort: Nein. Unter ›Handelsschiff‹ verstehe ich alle Arten von Schiffen, welche nicht Kampfschiffe waren. In diesem Sinne umfaßt es Fischerboote und so weiter.

Frage: Bejahendenfalls, welche Art von Schiffen?

Antwort: Die letzte Antwort beantwortet diese Frage.

Frage: Ist irgendein Befehl der U.S.-Marinebehörden, welcher in dem obigen Fragebogen erwähnt ist und sich auf die Taktik von U.S.-Unterseebooten gegenüber japanischen Handelsschiffen bezieht, auf Vergeltungsmaßnahmen gegründet? Bejahendenfalls, welche Befehle?

Antwort: Der uneingeschränkte Unterseeboot- und Luftkrieg, der am 7. Dezember 1941 befohlen wurde, ergab sich aus der Erkenntnis japanischer Methoden, die sich an diesem Tage offenbarten. Keine weiteren Befehle an die U.S.-Unterseeboote hinsichtlich der Taktik gegenüber japanischen Handelsschiffen waren während des ganzen Krieges auf Vergeltungsmaßnahmen gegründet, obgleich spezielle Fälle von Grausamkeiten japanischer Unterseeboote gegenüber Überlebenden von U.S.-Handelsschiffen eine solche Maßnahme gerechtfertigt hätten.

Frage: Wurde dieser Befehl oder wurden diese Befehle der Japanischen Regierung als Vergeltungsmaßnahmen angekündigt?

Antwort: Diese Frage ist nicht klar. Ich gebe deshalb darauf keine Antwort.

Frage: Auf Grund welcher japanischer Taktik wurde die Vergeltungsmaßnahme als gerechtfertigt betrachtet?

Antwort: Der uneingeschränkte Unterseeboot- und Luftkrieg, der am 7. Dezember 1941 von dem Chef der Marineleitung befohlen wurde, war durch die japanischen Angriffe an diesem Tag auf Stützpunkte der Vereinigten Staaten und auf bewaffnete sowie auf unbewaffnete Schiffe auf Staatsangehörige ohne Warnung oder Kriegserklärung gerechtfertigt.

Die obige Niederschrift meiner Aussage wurde von mir heute durchgelesen und ist in jeder Beziehung genau und wahr. – gezeichnet Chester W. Nimitz, Großadmiral, U. S. Marine.«

Dieses Dokument bekommt die Nummer Dönitz 100.

Als nächstes Dokument überreiche ich ein Gutachten des ehemaligen Marinerichters Jäckel über die Rechtsprechung der Marinegerichte zum Schutze der Landeseinwohner vor Übergriffen von Marinesoldaten. Das Dokument ist vom Gerichtshof genehmigt und liegt in Übersetzung vor. Ich brauche es somit nicht zu verlesen.

VORSITZENDER: Wollen Sie uns die Nummer des Dokuments geben?

DR. KRANZBÜHLER: Dönitz 49, Herr Vorsitzender.

Ich hatte vor einigen Wochen den Antrag gestellt, Herr Vorsitzender, Auszüge aus den Protokollen eines Kriegsverbrechergerichts in Oslo zuzulassen. Diese Protokolle waren verwertet worden von der Anklage, und zwar im Kreuzverhör von Großadmiral Dönitz. Sie hatten damals keine Nummern bekommen. Ich habe aus diesen Protokollen einige Auszüge gemacht, die beweisen sollen, daß es sich bei dem Motor-Torpedoboot Nummer 345, dessen Besatzung auf Grund des Kommandobefehls erschossen wurde, um ein Boot mit Sabotageaufträgen handelte; und daß von der Behandlung der Gefangenen das Oberkommando der Marine und damit Admiral Dönitz keine Kenntnis erhalten hat, daß vielmehr diese Frage unmittelbar erledigt worden ist durch Gespräche zwischen dem Gauleiter Terboven und dem Führerhauptquartier.

Ich bitte, das Dokument als Beweismittel zuzulassen, da es von der Anklage verwertet worden ist. Es würde die Nummer Dönitz 107 erhalten.

OBERST H. J. PHILLIMORE, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Ich weiß nicht, Euer Lordschaft, ob der Gerichtshof die von der Anklagebehörde auf diesen Antrag abgegebene Antwort vor sich hat.

VORSITZENDER: Ja, wir haben sie uns eben angesehen.

OBERST PHILLIMORE: Allgemein gesprochen stellen wir folgendes fest: Wir sind bereit, das ganze Verfahren vorlegen zu lassen; aber wir gestatten nicht, daß Auszüge vorgelegt werden. Ich meine damit Auszüge aus den eidesstattlichen Versicherungen und dem Zeugenbeweismaterial, einem Material also, das die Punkte des Verteidigers des Angeklagten Dönitz unterstützen soll. Auf der anderen Seite ist ein gegenteiliger Aussagenkomplex über all diese Punkte vorhanden. Das ist der Grund, Euer Lordschaft...

VORSITZENDER: Würde es nicht Übersetzungsarbeit ersparen, wenn Sie jene Teile vorlegen würden, auf die Sie sich stützen?

OBERST PHILLIMORE: Wenn das praktischer ist, Euer Lordschaft, können wir es tun.

VORSITZENDER: Ich weiß nicht, wie lang das Dokument ist. Es kann sehr lang sein.

OBERST PHILLIMORE: Die ganze Verhandlung ist sehr lang; sie dauerte vier Tage.

VORSITZENDER: Dann können Sie die Teile heraussuchen, auf die Sie sich stützen, und Dr. Kranzbühler kann sie vorlegen...

OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Es ist in der Antwort darauf hingewiesen worden, daß das Dokument, das gegen den Angeklagten Zeugnis ablegte, eine eidesstattliche Erklärung des Kriegsgerichtsrates darstellte, der darin die Wirkung des vom Gerichtshof angenommenen Beweismaterials auseinandersetzt.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof versteht dies, aber er glaubt, daß es wünschenswert wäre, daß Sie die Auszüge, auf die sowohl Sie als auch der Verteidiger sich stützen, vorlegen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Darf ich dieses Dokument vorlegen, Herr Vorsitzender?

VORSITZENDER: Welche Nummer bitte?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Dönitz 107, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Und es enthält Auszüge aus jener Verhandlung, nicht wahr?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ja, Auszüge.

VORSITZENDER: Die Anklagebehörde wird ihre Auszüge vorlegen, und wir werden über beide beraten.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich habe dann noch eine Frage zu den Urkunden über den eben behandelten Fall Katyn.

Von dem Zeugen Professor Markov ist das Gutachten des italienischen Professors Palmieri erwähnt worden, das sich in dem Deutschen Weißbuch befindet. Ich möchte gerne dieses Gutachten auch als Beweismittel einreichen, und zwar weil dort nicht von »Insekten« die Rede ist, die bei den Leichen gefunden worden seien, wie Professor Markov behauptete, sondern von »Larven«. Der Unterschied scheint mir darin zu liegen, daß »Insekten« im Sommer fliegen, während »Larven« im Winter sich verkriechen. Kann ich dieses Dokument einreichen, Herr Präsident?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender! Ich möchte nur eine Tatsache feststellen. In dem Protokoll des Professors Palmieri wird darauf hingewiesen, daß die »Larven« sich im Hals der Leiche befanden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemals »Insekten« im Halse einer Leiche sein könnten. Infolgedessen glaube ich, daß es nicht zweckdienlich ist, dieses Dokument vorzulegen.

VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Beziehen Sie sich auf ein besonderes Dokument, das im Weißbuch erwähnt ist? Ist das richtig?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Jawohl, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Und meinen Sie das ganze Dokument?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das Dokument ist von der Länge etwa einer Seite, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Dann können Sie es vorlegen, wenn es übersetzt ist.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sehr wohl, Herr Präsident.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender! Es handelt sich um ein Dokument, das ein Protokoll über die Sezierung einer Leiche ist, die von Professor Palmieri vorgenommen worden ist. Es ist kein Bericht, sondern das Protokoll einer von Professor Palmieri persönlich durchgeführten Obduktion.

VORSITZENDER: Ist es in dem Ergebnisbericht erwähnt oder nicht?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Es ist in demselben Umfang dem gemeinsamen Protokoll zugrunde gelegt, wie das Protokoll des Professors Markov. Es ist also ein Obduktionsbefund über die Leiche, die der Professor Palmieri seziert hat.

VORSITZENDER: Ja, gut.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Ich habe noch ein weiteres Dokument zum Falle Katyn, das mir vor wenigen Tagen aus polnischer Quelle zugegangen ist. Es ist eine Schrift, die auf englisch geschrieben und 1946 in London erschienen ist; sie nennt sich »Report on the Massacre of Polish Officers in the Katyn Wood«. In dem Dokument sind auch polnische Quellen verwertet, und ich würde es dem Gerichtshof gerne als Beweismittel anbieten.

Ich möchte jedoch, bevor ich bestimmte Beweisthemen stelle, bitten, daß das Gericht dieses Dokument erst einmal prüft, weil man zweifelhaft sein kann, ob es als Beweismittel verwertbar ist.

VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Dieses Dokument ist nur für den privaten Vertrieb gedruckt, der Name der Druckerei ist nicht genannt, und es ist vollkommen anonym.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Jawohl, das waren die Zweifel, die ich selbst hatte, Herr Präsident. Ich habe es vorgelegt, weil ich bei der Bedeutung dieses Falles annehme, daß das Gericht trotzdem von dem Inhalt Kenntnis nehmen möchte.

VORSITZENDER: Nein, der Gerichtshof glaubt, es wäre nicht angebracht, von einem solchen Dokument Kenntnis zu nehmen.

GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Ich möchte nur eine Bemerkung machen, denn im wesentlichen hat der Gerichtshof seinen Beschluß schon erklärt. Die Erklärung des Verteidigers darüber, daß er dieses Dokument von der Polnischen Delegation erhalten hat, setzt mich in größtes Erstaunen. Ich möchte gerne wissen, von welcher Polnischen Delegation das Dokument erhalten wurde; denn die Polnische Delegation, die hier vertreten ist, konnte ein Dokument dieser Art, ein faschistisches Propagandablatt, keineswegs vorgelegt haben.

VORSITZENDER: Ich glaube, General Rudenko muß Herrn Dr. Kranzbühler mißverstanden haben.

DR. SAUTER: Herr Präsident! Es sind mir seinerzeit noch vier Fragebogen für den Angeklagten Funk genehmigt worden. Bei der Beweisführung für den Angeklagten konnte ich die noch nicht vorlegen, weil sie noch nicht übersetzt waren. Inzwischen sind die Übersetzungen eingetroffen und dem Gerichtshof vorgelegt worden. Ich bitte, sie jetzt eben kurz vortragen zu dürfen.

Das eine, das heißt Dokumentenbuch Walter Funk, Supplement Nummer 2, bekommt die Exhibit-Nummer 16. Es ist das eine sehr ausführliche Zeugenvernehmung des Zeugen Landfried, der im Ministerium des Angeklagten Funk als Staatssekretär tätig war. Dieser Zeuge – ich brauche wohl das Protokoll nicht im einzelnen zu verlesen – beschäftigt sich zunächst in der ersten Frage mit der Wirtschaftspolitik des Angeklagten Funk, die er in den besetzten Gebieten ausgeübt hat, genau so, wie es der Angeklagte Funk auch dargestellt hat. Ebenso in der zweiten Frage mit den Anweisungen, die der Angeklagte Funk an den Militärbefehlshaber und an die Reichskommissare der besetzten Gebiete gegeben hat.

In Frage 4 behandelt der Zeuge die Frage der Ausplünderung der besetzten Gebiete. Er bestätigt, daß der Angeklagte Funk sich gegen eine solche Ausplünderung immer eingesetzt, die schwarzen Märkte bekämpft hat, daß er die Herabsetzung der Valutenkurse ablehnte, daß er sich bemühte, die Währung in den besetzten Gebieten aufrechtzuerhalten.

In der Antwort zu Frage 5 schildert der Zeuge im einzelnen, wie der Angeklagte Funk sich bemühte, eine finanzielle Überbelastung der besetzten Gebiete zu verhindern, insbesondere die Besatzungskosten möglichst herabzudrücken.

Dann, in den weiteren Fragen im zweiten Teil, namentlich in der Antwort zur Frage 11, erörtert der Zeuge die Tätigkeit des Angeklagten Funk im Wirtschaftsministerium hinsichtlich der deutschen Vorbereitung für einen Kriegsfall.

Dann in Antwort 12 untersucht der Zeuge die Stellung des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft. Er kommt da auch zu dem Ergebnis, daß das praktisch nur auf dem Papier stand. Ich möchte aber diese detaillierten Angaben nicht hier vortragen, um Ihre Zeit nicht allzusehr in Anspruch zu nehmen. Es sind ja in der Hauptsache Wiederholungen bereits früherer Ausführungen.

In den letzten zwei Fragen Nummer 14 und Nummer 15 schildert dann dieser Zeuge Landfried, der, wie gesagt, Jahre hindurch der Stellvertreter des Angeklagten war, seine Einstellung zur Frage des Terrors, seinen prinzipiellen Standpunkt hinsichtlich der Verwendung von Fremdarbeitern und dergleichen. Ich bitte, von diesem sehr ausführlichen Zeugnis Kenntnis zu nehmen und sich damit zu begnügen, daß ich nur diese kurzen Ausführungen vortrage. Der nächste Fragebogen stammt von dem Zeugen Emil Puhl. Es ist das derselbe Zeuge, der hier vernommen worden ist über andere Fragen, nämlich über die Frage der Goldzähne und so weiter. Dieses ist der Fragebogen und die Antwort des Zeugen Emil Puhl, Dokumentenbuch Funk, Supplement Nummer 3, Exhibit 17.

VORSITZENDER: Dr. Sauter. Wurde dieser Fragebogen zugelassen?

DR. SAUTER: Jawohl, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Er hat seine Aussage gemacht. Wir lassen im allgemeinen keine Fragebogen bei Zeugen zu, die Aussagen hier gemacht haben.

DR. SAUTER: Herr Präsident! Die Sache war folgendermaßen: Ich hatte bereits im Dezember diesen Fragebogen beantragt und hatte wiederholt den Fragebogen moniert. Er ist dann nicht eingetroffen, und erst zwei Tage im Kreuzverhör ist dann plötzlich dieser Zeuge Emil Puhl über etwas ganz anderes von der Staatsanwaltschaft befragt worden, nämlich über die Frage mit dem Golddepot der SS, mit den Goldzähnen. Also diese Vernehmung auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft hat sich nicht bezogen auf den Fragebogen, der, glaube ich, von Ihnen im Februar bewilligt war.

VORSITZENDER: Dr. Sauter! Ich meine folgendes: Angenommen, der Gerichtshof wird gebeten, einen Fragebogen zuzulassen und er genehmigt diesen Fragebogen, und nachher wird der Zeuge noch gerufen, um auszusagen. Wenn der Zeuge gerufen wird, um auszusagen, dann sollte er über alles, was in dieser Verhandlung erheblich ist, befragt werden. Der Gerichtshof möchte nicht einerseits seine Aussage und andererseits seinen Fragebogen lesen. Besteht in diesem Falle irgendein Einwand, Herr Dodd, gegen seine Annahme?

MR. DODD: Nein, ich habe keinen Einwand, Herr Vorsitzender. Der Fall war so, daß es zugelassen worden war, ehe Puhl gerufen wurde. Er wurde zum Kreuzverhör hierher gerufen, ich kann mich jedoch im Augenblick nicht entsinnen, ob sich der Verteidiger über die darin behandelten Angelegenheiten erkundigt hat. Jedenfalls haben wir keinen Einwand. Es mag für den Gerichtshof unangenehm sein, wir bedauern das.

DR. SAUTER: Es sind, Herr Präsident, dem Zeugen Puhl bei seiner Vernehmung in dem französischen Lager auch die Kreuzverhörfragen vorgelegt und von ihm beantwortet worden, die die Staatsanwaltschaft beantragt hatte. Er ist also nicht bloß über meine Behauptungen vernommen worden, sondern auch über die Kreuzverhörfragen der Staatsanwaltschaft. Ich erlaube mir also dann, dieses Dokument, den Fragebogen des Zeugen Emil Puhl, zu überreichen; es ist das Dokumentenbuch Nummer 3, Supplement Nummer 3 und bekommt die Exhibit-Nummer 17.

Dieser Zeuge Puhl, der Vizepräsident der Reichsbank war, hat sich in diesem Fragebogen lediglich ausgesprochen über ganz andere Dinge, als er hier vernommen wurde, nämlich über die Vorbereitungen, die der Reichsbankpräsident Funk für den Kriegsfall gemacht hat; das ist die Frage 1 über seine Behandlung der Clearingschulden, das ist die Frage 2 über die Frage der Aufwertung der dänischen Währung...

VORSITZENDER: Ich glaube, daß Sie das Verhör hier nicht zu verlesen brauchen, aber der Gerichtshof wird es in diesem Falle zulassen.

DR. SAUTER: Danke sehr, Herr Präsident. Ich wollte nur kurz den Inhalt skizzieren, den diese Aussage hat.

Dann überreiche ich eine weitere Zeugenaussage, die auch vom Gerichtshof genehmigt worden war. Es ist das die Zeugenaussage eines Zeugen Heinz Kallus. Es ist im Dokumentenbuch Walter Funk, Supplement Nummer 4 zu finden und bekommt die Exhibit-Nummer Funk 18. Ich übergebe auch diese Zeugenaussage dem Herrn Generalsekretär und bitte, zum Zwecke der Zeitersparnis von dem Inhalt Kenntnis nehmen zu wollen. Als vierte und letzte Urkunde kommt dann eine eidesstattliche Versicherung des Herrn Messersmith, eine Ergänzung zu einer früheren Eingabe, die Ihnen bereits vorliegt; es ist dies ganz kurz, nur ein Satz. Es ist in dem Dokumentenbuch Walter Funk, Supplement Nummer 5 und bekommt die Exhibit- Nummer 19. Ich übergebe auch diese Urkunde. Damit bin ich am Ende meines Vortrags, Herr Präsident. Danke sehr.

DR. THOMA: Herr Präsident! Ich möchte dem Gericht die Zeugenaussage Dr. Beil aushändigen. Ich habe diese Zeugenaussage bis jetzt nur in englischer Sprache bekommen. Ich habe sie bei der Übersetzungsabteilung wieder geholt, damit ich sie als Exhibit Nummer 50 einreichen kann. Ich habe dazu noch eine Bitte. Diese Aussage enthält wichtige Fragen über die Haltung des Ostministeriums in Sachen des Arbeitseinsatzes und ist derart wichtig, daß ich bitten möchte, sie verlesen zu lassen. Da ich der englischen Sprache nicht ganz mächtig bin, bitte ich, daß ein Dolmetscher diesen Fragebogen verlesen darf.

VORSITZENDER: Dr. Thoma! Ist dieses Dokument vorher als Beweismittel angeboten worden? Dieser Fragebogen wurde doch vom Gerichtshof zugelassen, nicht wahr?

DR. THOMA: Ja, er wurde schon zugelassen von dem Gerichtshof.

VORSITZENDER: Ist es wirklich notwendig, es zu verlesen, könnten Sie es nicht in der Beweisaufnahme vorlegen, und der Gerichtshof könnte es dann prüfen.

DR. THOMA: Ich überlasse dies natürlich dem Gericht, ich möchte nur hinweisen, daß es sehr wichtige, entscheidende Aussagen sind für die Frage des Arbeitseinsatzes im Ostministerium. Aber ich stelle die Frage zur Entscheidung des Gerichts.

VORSITZENDER: Können Sie es zusammenfassen?

DR. THOMA: Herr Präsident! Ich habe nur eine englische Übersetzung bekommen, und ich möchte nicht versuchen, etwas damit anzufangen. Aber ich glaube, es sind nur zwei Seiten; der Dolmetscher hat das sofort vorgelesen.

VORSITZENDER: Lassen Sie es dann durch den Dolmetscher verlesen.