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VORSITZENDER: Dr. Nelte! Haben Sie irgendwelche Dokumente zum Beweis anzubieten?

DR. NELTE: Herr Präsident! Ich hatte mit Schreiben vom 1. Juli 1946 drei Affidavits eingereicht, nachdem ich sie der Anklagebehörde vorher vorgelegt hatte Diese drei Dokumente, die die Bezeichnung K-23, K-24 und K-25 führen sollen, bitte ich entgegenzunehmen, nachdem die Anklagebehörde, wie mir Sir David mitgeteilt hat, gegen die Vorlage Einwendungen nicht zu erheben hat.

VORSITZENDER: Sind sie noch in der Übersetzung, oder sind sie bereits übersetzt?

DR. NELTE: Nein. Sie sind noch in der Übersetzung, ich habe nur das Original dem Gericht eingereicht.

VORSITZENDER: Sehr gut, dann werden wir sie als Beweismittel annehmen und sie in Erwägung ziehen.

DR. NELTE: Vielen Dank.

VORSITZENDER: Dr. Kauffmann?

DR. KURT KAUFFMANN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN KALTENBRUNNER: Herr Präsident! Ich habe einige Fragebogen, die mir das Gericht bewilligt hat. Die Originale habe ich hier mit Nummern versehen und mochte sie jetzt überreichen. Von der Übersetzungsabteilung habe ich gehört, daß die Exemplare dem Gericht noch nicht vorliegen, aber ich nehme an, daß sie in den nächsten Tagen noch dem Gericht vorgelegt werden.

VORSITZENDER: Ja.

DR. KAUFFMANN: Ich möchte ganz kurz mit wenigen Sätzen sagen, was der Inhalt dieser Dokumente ist, wenn das Gericht es wünscht. Es sind also drei Dokumente, sie betreffen denselben Sachverhalt, nämlich die Aussage des Präsidenten des Genfer Roten Kreuzes, Professor Burckhardt, ferner die Aussage von Dr. Bachmann, das war ein Delegierter des Roten Kreuzes, und die Aussage von Dr. Meyer, der ebenfalls ein Bevollmächtigter des Roten Kreuzes war.

Und in diesen Dokumenten beschäftigen sich diese genannten Zeugen mit den Unterredungen im März und April 1945, die sie mit dem Angeklagten Kaltenbrunner geführt hatten, ferner damit, daß aus diesen Besprechungen heraus Abmachungen zustande gekommen sind und diese Abmachungen dazu führten, daß Tausende von französischen, belgischen und holländischen Kindern, Frauen und so weiter in ihre Heimat überführt werden konnten, daß Kriegsgefangene entlassen wurden, daß Häftlinge aus Konzentrationslagern zurückkehren durften, daß Kaltenbrunner auch erlaubt hatte, das jüdische Lager Theresienstadt zu besuchen und andere Lager mit Medikamenten, Verpflegung und so weiter auszustatten. Das alles ist in diesen drei Dokumenten niedergelegt im einzelnen.

VORSITZENDER: Welche Nummern wollen Sie ihnen geben?

DR. KAUFFMANN: Von Professor Burckhardt, Kaltenbrunner Nummer 3; von Dr. Meyer und Dr. Bachmann, Kaltenbrunner Nummer 4 und Nummer 5.

VORSITZENDER: Ja.

DR. KAUFFMANN: Ein weiteres Dokument ist der Fragebogen des früheren Gauleiters von Oberösterreich, Eigruber, Kaltenbrunner Nummer 6. Auch hierauf darf ich nur Bezug nehmen. Unter anderem sagt dieser Zeuge, daß das Konzentrationslager Mauthausen nicht von Kaltenbrunner errichtet worden sei, wie die Anklage behauptet hatte, und daß er für das Leben und den ganzen Aufenthalt der Häftlinge in den Lagern nicht verantwortlich sei. Das wird im einzelnen hier auseinandergesetzt, daraus will ich nichts verlesen.

Das nächste Dokument ist der Fragebogen des Freiherrn von Eberstein, Kaltenbrunner Nummer 7. Auch hieraus verlese ich nichts. Vielleicht darf ich mit einem Satz nur festhalten, daß dieser Zeuge bekundet, er wisse, daß die Konzentrationslager Dachau und zwei Nebenlager nicht, wie die Anklage behauptet hatte, ausgerottet werden sollten in den letzten Monaten oder Wochen des Krieges, sondern daß ein solcher Plan ausschließlich gefaßt worden war von dem Münchener Gauleiter Gießler.

Ein weiterer Fragebogen betrifft die Aussage des Zeugen Wanneck, Kaltenbrunner Nummer 8.

Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichts besonders auf dieses Dokument lenken. Es ist ein umfangreiches Dokument, ich verlese nichts daraus, aber ich glaube, sagen zu können, daß dieser Mann besonders gut die Person des Angeklagten kennt und seine gesamte sachliche Arbeit im Verlaufe von vielen Jahren. Dieser Zeuge war jahrelang selbst eine maßgebliche Person im Auslandsnachrichtendienst. Er kennt die Einstellung Kaltenbrunners zur Frage der Exekutive. Er bestätigt, daß Kaltenbrunner mit Himmler damals vereinbart hatte, er, Himmler, solle exekutiv tätig sein und er, Kaltenbrunner, in der Hauptsache auf dem Gebiet des gesamten Nachrichtendienstes.

Schließlich, Herr Präsident, habe ich zwei Dokumente, über die noch nicht gesprochen worden ist. Das Gericht müßte zunächst über die Erheblichkeit dieser Dokumente entscheiden und darüber, ob ich berechtigt bin, diese Dokumente vorzulegen. Es sind zwei kleine Briefe, die ich bekommen habe. Der eine Brief ist ein Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Dachau vom 4. April 1946. Das Gericht wird sich vielleicht daran erinnern, daß im Laufe des Beweisverfahrens der Anklage wiederholt davon gesprochen war, die Bevölkerung der Umgebung habe Kenntnis von den Mißständen und so weiter gehabt. Und dieser Mann, der jetzt von der amerikanischen Behörde eingesetzt ist, bestätigt seine Erfahrungen. Sie bedeuten nach meiner Auffassung eine Widerlegung der These der Anklage.

Unmittelbar damit zusammen hängt ein Brief des bekannten Pfarrers Niemöller vom 17. April 1946, der auch in Dachau war.

MR. DODD: Herr Präsident! Wäre es nicht besser, wenn wir zu der ersten eidesstattlichen Erklärung gehört würden, bevor die eidesstattliche Erklärung von Niemöller behandelt wird?

Wir haben gegen das Dokument des Bürgermeisters von Dachau Einspruch erhoben, weil es nichts weiter als ein Brief ist. Wir hatten nicht die Gelegenheit, Gegenfragen vorzulegen oder ihn überhaupt zu befragen. Diese Briefe laufen ein. Wenn wir alle Briefe vorlegen würden, die einlaufen... wir haben tatsächlich ganze Stoße davon. Wir erheben nicht gerne aus rein technischen Gründen Einspruch, wenn es sich um etwas handelt, was dem Gerichtshof wirklich nützlich ist. Andererseits sind wir nicht der Ansicht, daß wir uns die Möglichkeit nehmen sollten, die ganze Geschichte durch irgendwelche Gegenfragen zu klären.

VORSITZENDER: Das bezieht sich auf Schwalber?

MR. DODD: Ja, Herr Präsident.

DR. KAUFFMANN: Ich habe nicht verstanden, Herr Präsident, was Sie soeben gesagt haben.

VORSITZENDER: Was Herr Dodd gesagt hat war, daß gegen das Dokument von Schwalber Einspruch erhoben wird, weil man keine Gelegenheit hatte, ihm irgendwelche Fragen vorzulegen, weder als Zeugen noch durch einen Gegenfragebogen. Deshalb wurden Einwendungen gegen die Vorlage des Dokuments in seiner gegenwärtigen Form gemacht.

DR. KAUFFMANN: Ja. Ja. Ich weiß, daß es etwas problematisch ist, aber das Gericht hat ja die Möglichkeit, die Beweiskraft des Dokuments zu würdigen nach freiem Ermessen. Vielleicht darf ich dem Gericht diese beiden kurzen Dokumente einmal vorlegen. Die Anklage kennt, soviel ich weiß, diese beiden Dokumente, denn sie befanden sich in der Übersetzungsabteilung, und vor einiger Zeit wurde mir von einem Vertreter der Anklage gesagt, gegen diese Papiere würden wahrscheinlich Bedenken erhoben werden. Deshalb habe ich auch soeben gesagt, es müsse erst vom Gericht über die Erheblichkeit der Dokumente entschieden werden.

VORSITZENDER: Gut, Dr. Kauffmann, der beste Weg wird sein, daß der Gerichtshof das Dokument liest und in Erwägung zieht. Wir werden das tun.

DR. KAUFFMANN: Sehr wohl, Herr Präsident, danke schön.

MR. DODD: Ich möchte auch andeuten, daß unsere Stellungnahme zu dem Schreiben Niemöllers dieselbe ist.

VORSITZENDER: Sie erheben also Einspruch gegen beide, auch gegen Niemöllers Schreiben?

MR. DODD: Jawohl, aus denselben Gründen.

VORSITZENDER: Ja, sehr gut.

DR. OTTO PANNENBECKER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRICK: Herr Präsident! Es steht noch die Antwort auf den Fragebogen von Messersmith aus. Die Antwort ist inzwischen eingegangen und auch bereits übersetzt, ich glaube allerdings, daß sie dem Gericht noch nicht vorliegt.

VORSITZENDER: Können Sie es zum Beweis vorlegen und ihm eine Nummer geben?

DR. PANNENBECKER: Das wollte ich auch tun. Ich rechnete aber nicht damit, daß es heute sein würde, deshalb habe ich die Nummer nicht im Kopf, und ich weiß nicht, welche Exhibit-Nummer es ist. Ich bitte also, die Nummer nachholen zu dürfen.

Ich habe es hier, ich reiche es dann ein als Frick- Exhibit Nummer 14. Es ist die Antwort auf einen Fragebogen. Die Antwort hält sich in dem Rahmen der Antworten, die Messersmith auch gegenüber den Fragebogen anderer Angeklagter gegeben hat. Ich werde im Plädoyer auf die Fragen im einzelnen Bezug nehmen und brauche sie nicht zu verlesen.

Sodann steht noch aus eine Antwort im Fragebogen von Konrad. Ich bitte, diese Antwort einreichen zu dürfen, sobald sie vorliegt.

VORSITZENDER: Das ist schon genehmigt worden, nicht wahr? Und es liegt jetzt dem Zeugen vor?

DR. PANNENBECKER: Jawohl.

VORSITZENDER: Sehr gut.

DR. PANNENBECKER: Danke schön.

VORSITZENDER: Dr. Servatius.

DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL, VERTEIDIGER FÜR DAS KORPS DER POLITISCHEN LEITER: Herr Präsident! Es sind noch einige Fragebogen nachzuholen. Als Exhibit Nummer 15 übergebe ich den Fragebogen Darré.

VORSITZENDER: Wessen Fragebogen war das?

DR. SERVATIUS: Darré, der Minister für Ernährung und Landwirtschaft, Darré. Dieser Fragebogen befaßt sich mit Dingen, die schon zum Teil hier Gegenstand der Verhandlung gewesen sind. Ich mochte auf wenige Gesichtspunkte hinweisen, nämlich auf die Frage, wie war die Einstellung Sauckels allgemein, besonders gegenüber, Himmler, gegenüber Himmlers Auffassung, und er betont, daß hier ein schroffer Gegensatz zwischen Himmler und Sauckel war. Er erwähnt dann einen Fall, den er selbst auch gesehen hat, und zwar in einem Werk, das Sauckel unmittelbar in Thüringen unterstand, und sagt, daß dort die Freiheit der Arbeiter so groß war, daß diese sich tagsüber noch bei den Bauern verdingten und daß man also des Guten zuviel tat. Er spricht weiter von einem Zusammenstoß, den Sauckel mit Himmler in Gegenwart des Führers hatte über die Fragen der Behandlung und sagt, daß Sauckel Himmler gegenüber erklärt habe: Ich unterstehe ausschließlich dem Führer, geschäftsmäßig dem Reichsmarschall und habe Ihnen gegenüber mich nicht zu rechtfertigen!

Dann ist ein Fragebogen des Arbeitsministers Seldte genehmigt, den ich als Exhibit Nummer 16 überreiche. Es sind wenige Punkte, die ich herausheben mochte. Der Zeuge nimmt Stellung zu den Funktionen Sauckels und zu den Funktionen von Dr. Ley und sagt, daß Sauckel die staatlichen Funktionen hatte, Ley die menschlich-sozialen Funktionen, wie soziale Beaufsichtigung und Betreuung. Dann befaßt er sich noch mit den Inspektionen und Kontrollen und sagt, daß die Ämter Gewerbeaufsicht, Unfallversicherung, Gesundheitswesen schon früher bestanden hätten und weiter gearbeitet hätten unter der Verantwortung des Arbeitsministeriums.

Es folgt dann der Fragebogen des Dr. med. Voß, den ich als Exhibit Sauckel Nummer 17 überreiche. Ich will es im Original nachreichen, ich kann es im Moment hier nicht finden. Dieser Arzt war Lagerarzt und äußerte sich über die Zustände der Lager, über die Besonderheiten nach Luftangriffen und über die Betreuungstätigkeit durch die Arbeitsfront. Er befaßt sich nicht nur mit den Lagern, die er betreut hat, sondern weiß auch allgemein über die Zustände anderer Lager Bescheid. Seine Aussage steht im Widerspruch zu dem, was hier Dr. Jäger gesagt hat.

In gleicher Weise ist im nächsten Dokument, das ich als Exhibit Nummer 18 vorlege, von Dr. Ludwig Scharmann für ein anderes Gebiet ausgesagt. Der Zeuge gibt im großen und ganzen die gleichen Auskünfte für seinen Bereich, in dem er tätig war und steht ebenfalls in schroffem Widerspruch zu dem, was hier der Zeuge Dr. Jäger gesagt hat.

Damit sind die mir genehmigten Fragebogen vorgetragen.

Ich habe nun noch eine Reihe von Dokumenten beantragt, über die aber noch nicht entschieden ist. Es handelt sich in der Hauptsache um Gesetze und andere Bestimmungen, die ich noch zusätzlich überreichen mochte.

VORSITZENDER: Dr. Servatius! Der Gerichtshof möchte, daß Sie sie jetzt vorlegen, denn der Gerichtshof wünscht die Beweismittel der Verteidigung endgültig jetzt und heute abzuschließen.

DR. SERVATIUS: Es ist ein Erlaß Sauckels über die Heimbeförderung erkrankter und pflegebedürftiger ausländischer Arbeitskräfte. Es ergibt sich daraus, daß die erkrankten Arbeiter zurücktransportiert wurden und daß Angestellte des Roten Kreuzes ihnen mitgegeben werden mußten. Das Gesetz selbst befindet sich in der amtlichen Sammlung, die bereits übergeben ist. Die Exhibit-Nummer werde ich dann noch feststellen. In dem Zusatzdokumentenbuch wird es dann Nummer 99.

Dann ein Dokument Nummer 100 aus dem Reichsarbeitsblatt 1943, das auch bereits als Exhibit übergeben ist. Es betrifft die Überprüfung der sanitären Maßnahmen in den Lagern und befaßt sich mit den Vorwürfen, die bezüglich dieser Unterbringung gemacht worden sind.

Dokument 101 ist ein Merkblatt für beurlaubte französische Kriegsgefangene bezüglich des erleichterten Statuts der sogenannten Überführung in das zivile Arbeitsverhältnis. Ich werde es auch noch überreichen und dem Exhibit dann eine Nummer geben: Es ist zunächst Dokument Nummer 101.

Es folgen dann als Dokumente 102 und 103 zwei Gesetze, die in der amtlichen Sammlung des Reichsgesetzblattes enthalten sind, nämlich die deutschen Bestimmungen über die Arbeitspflicht. Das ist die »Notdienstverordnung«, die ich als Dokument Nummer 102 überreichen werde, und die »Dienstpflichtverordnung«, die als Dokument Nummer 103 im Nachtrag aufgenommen wird.

Ich fand in dem Dokument 4006-PS einige für mich wesentliche Bestimmungen. Ich höre aber, daß sie von der Staatsanwaltschaft vorgetragen werden sollen; ich kann daher darauf verzichten.

Dann ist mir noch eine eidesstattliche Versicherung zugegangen eines Grafen Spreti, der von Anbeginn des Ostfeldzuges an als Werber im Osten tätig war. Sie befaßt sich mit den Verhältnissen und sagt vor allen Dingen, daß durch Sauckels Tätigkeit eine grundsätzliche Wandlung in der Gesamtauffassung eintrat. Sie ist kurz, und ich halte sie doch von besonderer Bedeutung, weil wir bis jetzt noch keinen Werber in der Sache gehört haben.

Dann hätte ich vor, als Dokument Nummer 109 eine Liste einzureichen, die...

OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Bezüglich dieser eidesstattlichen Erklärung wurde mir gesagt, sie solle, da sie die Anklage überhaupt nicht gesehen hat, mit demselben Vorbehalt angenommen werden, wie es in den vorhergehenden Fällen gemacht worden ist.

VORSITZENDER: Ja, sicherlich. War die eidesstattliche Erklärung, von der Sie sprechen, die des Grafen von Spreti?

DR. SERVATIUS: Jawohl.

OBERST PHILLIMORE: Ja. Euer Lordschaft.

DR. SERVATIUS: Als Dokument 109 wollte ich eine Liste aller Anordnungen Sauckels einreichen, damit man einen Überblick hat über die große Sorgfalt, die er allen möglichen Dingen zugewandt hat, also nur die Titel.

VORSITZENDER: Sehr gut. Sie haben der eidesstattlichen Erklärung des Grafen von Spreti keine Nummer gegeben.

DR. SERVATIUS: Sie bekommt in meinem Dokumentenbuch die Nummer 108; ich werde ihr dann noch eine Exhibit-Nummer geben in Zusammenhang mit den anderen Dokumenten.

Als Dokument Nummer 110, 111 und 112...

VORSITZENDER: Dr. Servatius! Geben Sie uns jetzt nicht die Beweisstücknummern?

DR. SERVATIUS: Ich kann es jetzt nicht, weil ich die Originale jetzt nicht hier habe und es zum Teil amtliche Sammlungen sind, die bereits übergeben wurden.

VORSITZENDER: Aber sehen Sie, im Fall des Angeklagten Sauckel wie in den Fällen aller anderen Angeklagten sollten die Beweisstücke, die für ihn eingereicht werden, mit fortlaufenden Nummern versehen sein. Diese fortlaufenden Nummern sollten vom Anwalt, der die Dokumente als Beweismittel anbietet, selbst bestimmt werden. Es hängt nicht davon ab, ob er die Originale vor sich hat.

DR. SERVATIUS: Dann kann ich eine Exhibit-Nummer geben; für das Dokument 108 gebe ich die Exhibit-Nummer 18.

VORSITZENDER: Welches ist es?

DR. SERVATIUS: Exhibit Nummer 18.

VORSITZENDER: Es wäre vielleicht am passendsten, wenn Sie Ihre Beweisstücke sorgfältig durchgehen und dem Generalsekretär eine genaue Liste der Nummern Ihrer Beweisstücke geben würden.

DR. SERVATIUS: Jawohl. In dem Anhang sind dann vorgesehen als Dokumente 110, 111, 112, drei Gesetze, die sich mit der Stellung des Reichsverteidigungskommissars befassen. Dieser ist erwähnt worden in Zusammenhang mit dem Arbeitseinsatz, und zwar ist der Reichsverteidigungskommissar der Gauleiter, der ja hier in der Sache Speer erwähnt wurde in Zusammenhang mit der Rüstungsindustrie. Es sind lediglich die gesetzlichen Unterlagen, damit sie zur Hand sind.

Ich habe dann noch nach der Verhandlung in der Sache Speer eine eidesstattliche Versicherung der Zeugen Hildebrand und Stothfang mir geben lassen, die hier vernommen worden sind, und zwar zu der Frage, inwieweit Sauckel die Anordnungen Speers zu befolgen hatte und wie das Verhältnis der beiden Dienststellen zueinander war. Die Staatsanwaltschaft hat noch nicht dazu Stellung genommen, und ich glaube, es ist zweckmäßig, wenn sie zunächst...

MR. DODD: Wir werden diese eidesstattliche Erklärung gern vorlegen lassen. Wir haben keinen Einwand dagegen. Wenn sie nämlich nicht von Dr. Servatius vorgelegt worden wäre, beabsichtigten wir selbst, sie anzubieten.

VORSITZENDER: Sehr gut. Natürlich hält es der Gerichtshof für regelwidrig, daß ein Zeuge, der hier hergerufen worden ist und Aussagen gemacht hat, der auch im Kreuzverhör und im Rückverhör vernommen worden ist, der auch von jedem anderen interessierten Verteidiger kreuzverhört wurde, noch weitere Aussagen machen dürfen soll; aber, wenn Sie beide damit einverstanden sind, werden wir dies hier als einen besonderen Fall zulassen.

MR. DODD: Ich glaube, Herr Präsident, selbstverständlich anerkenne ich die Stellungnahme des Gerichtshofs zur Frage, ob von solchen Personen, die bereits vor dem Gerichtshof erschienen sind, eidesstattliche Erklärungen eingereicht werden dürfen. Was hier geschehen ist, war aber das, daß einige ziemlich wichtige Dinge nicht behandelt worden sind, als der Zeuge hier war. Ich glaube, der Gerichtshof wird sie sehr nützlich empfinden für die Aufklärung der Lage bezüglich Sauckel und Speer hinsichtlich ihrer relativen und individuellen Verantwortlichkeit für dieses Sklavenarbeiterprogramm. Sonst würde ich überhaupt nicht darauf drängen. Ich glaube, der Gerichtshof wird es nützlich finden.

DR. HANS FLÄCHSNER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SPEER: Herr Präsident! Ich würde keine formalen Einwendungen gegen die Zulassung eines solchen Affidavits erheben, wenn ich nicht im vorliegenden Falle der Überzeugung wäre, daß mit der Zulassung eines solchen Affidavits ein Fragenkomplex im vorliegenden Falle angeschnitten wird, der weitere Erörterungen erforderlich machen würde. Ich kenne das Affidavit im Wortlaut erst seit heute morgen und habe mich davon überzeugt, daß mindestens weitere Nachprüfungen des Inhalts erforderlich werden. Ich glaube deshalb, daß, wenn die Verhandlung möglichst abgekürzt werden soll, man von der allgemeinen Regel auch im vorliegenden Fall nicht abgehen sollte, wonach Affidavits von Zeugen, die bereits hier vor Gericht erschienen sind, nicht mehr zugelassen werden. Besonders im vorliegenden Fall, wo ja durch Hinweis auf die Veröffentlichung, auf die sich das Affidavit bezieht, wenn diese Veröffentlichungen vorgelegt werden, der Fall ganz klargestellt werden kann. Es ist also das Affidavit gar nicht notwendig.

VORSITZENDER: Wollen Sie auf diesen Einspruch antworten?

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Dieses Affidavit ist tatsächlich eine Ergänzung der Bestimmungen aus dem Dokument 4006, das die Anklage vorlegen will. Ich wußte aber nicht, daß dies geschehen würde. Es handelt sich hier praktisch um eine Frage, die aufgerollt worden ist durch die Vernehmung Speers, nämlich um die Bedeutung des Ministeriums Speer gegenüber der Dienststelle Sauckels; wer von den beiden war die mächtigere, welche hatte zu befehlen und welche hatte zu gehorchen. Das wird sich aus den Dokumenten ergeben.

VORSITZENDER: Ja, aber Sie und die Anklagebehörde hatten doch Gelegenheit, Speer, als er Zeuge war, im Kreuzverhör zu vernehmen, und Sie hätten damals klären können, was Sie klären wollten.

DR. SERVATIUS: Ja, nur waren mir die Verhältnisse nicht bekannt damals.

MR. DODD: Herr Präsident! Ich mochte nicht weiter darauf drängen, und sollte der Gerichtshof irgendwelche Zweifel haben, so will ich nicht auf meiner Stellung beharren. Ich glaubte, es würde von Nutzen sein, aber es ist wirklich nicht wichtig, und sollten irgendwelche Fragen darüber bestehen, so lassen wir es lieber.

VORSITZENDER: Gut. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß es regelwidrig ist, neues Beweismaterial durch eidesstattliche Erklärungen von einer Person beizubringen, die bereits als Zeuge gerufen worden war. Angesichts des Einspruchs des Anwalts für den Angeklagten Speer kann der Gerichtshof das Beweismaterial nicht annehmen.

DR. SERVATIUS: Ich ziehe es dann zurück.

Damit habe ich mein Beweismaterial vorgetragen. Es steht noch aus der zugelassene Fragebogen des Zeugen Letsch und der Fragebogen des Zeugen Bichenbach. Ich habe keine Hoffnung, sie noch zu bekommen.

VORSITZENDER: Dr. Steinbauer?

DR. GUSTAV STEINBAUER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SEYSS-INQUART: Dr. Steinbauer für den Angeklagten Dr. Seyß-Inquart.

Herr Präsident! Ich habe vorerst vier Urkunden vorzulegen, die mir im Wege des Generalsekretariats zugekommen sind, die vom Gericht genehmigt wurden und auch der Staatsanwaltschaft bekannt, leider aber noch nicht vollständig übersetzt sind.

Das erste Dokument sind Fragen und Antworten des Direktors Dirk Hannema, Direktor des Boymans Museums in Rotterdam, über die Frage der angeblichen Plünderung von Kunstschätzen. Ich gebe diesem Dokument die Nummer 108, und lege das englische und niederländische Original vor.

Die nächste Urkunde ist eine Nummer der Zeitung »Nieuwe Rotterdamsche Courant« vom 17. Mai 1942 im Original und einer deutschen Übersetzung mit einer Warnung hinsichtlich der Geiselerschießungen. Ich lege dieses Dokument unter der Nummer 109 im Original vor.

Das nächste Dokument ist ebenfalls eine Nummer dieser Zeitung vom 10. August 1942 und beinhaltet ebenfalls eine Bekanntmachung über Geiselerschießungen. Hier möchte ich nur aufmerksam machen, daß diese Bekanntmachung über Befehl des Wehrmachtbefehlshabers General Christiansen erfolgt und vom Höheren SS- und Polizeiführer Rauter unterfertigt ist. Ich gebe ihr die Nummer 110.

Als nächstes Dokument, das mir erst gestern auf dem Wege des Generalsekretariats zugekommen ist, und zwar in einer Kopie, lege ich den Fragebogen des Generals der Kavallerie von Kleffel vor. Derselbe war in der Zeit vom 27. März 1945 bis 8. April 1945 stellvertretender Oberbefehlshaber der 25. Armee in Holland. Er bestätigt, daß der Reichskommissar Seyß-Inquart in einem Brief an den Führer um die Einstellung der Kämpfe zur Vermeidung einer schweren Schädigung des Landes und zur Vermeidung einer Hungerkatastrophe ersuchte. Ich gebe diesem Dokument die Nummer 111 meines Dokumentenbuches. Diese Urkunde wurde vom Gericht zugelassen, und ich bitte, sie auch als Beweisstück anzunehmen.

Heute wurden mir durch das Generalsekretariat zwei Affidavits zugestellt. Das eine stammt von dem ehemaligen Kommandeur des Verteidigungsbereiches Scheveningen, namens Erwin Tzschoppe. Derselbe gibt eine eidesstattliche Erklärung ab über das Verhalten des Angeklagten hinsichtlich der Räumung des Küstenabschnitts. Ich konnte mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit dieses Dokument und das folgende noch nicht der Staatsanwaltschaft übergeben. Ich habe aber von beiden Dokumenten die Staatsanwaltschaft bereits benachrichtigt. Das zweite Dokument ist ebenfalls eine...

VORSITZENDER: Dr. Steinbauer! Diese Dokumente sind, wenn ich richtig verstehe, der Anklagebehörde noch nicht gezeigt worden.

DR. STEINBAUER: Nein.

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Sie sind vom Gerichtshof noch nicht genehmigt worden, und eine Frage, die sich ergibt, ist: Sind sie sehr umfangreich? Ich finde nämlich, daß die Übersetzungsabteilung mit sehr langen Dokumenten überladen ist.

DR. STEINBAUER: Es ist ein kurzes Dokument, das mir aber wichtig erscheint, weil es darstellt, wie sich der Angeklagte in dieser schwierigen Situation der holländischen Bevölkerung angenommen hat.

VORSITZENDER: Wenn es kurz ist und wenn Sie es der Anklagebehörde vorlegen wollen, kann es übersetzt und vorbehaltlich eines Einspruches zugelassen werden.

DR. STEINBAUER: Ja. Danke. Das gleiche gilt von dem nächsten Dokument, das mir heute zugekommen ist. Es ist dies ein Affidavit von Adalbert Joppich. Dieser war der Präsident des Deutschen Obergerichts in den Niederlanden. Er gibt eine ganz kurze Erklärung ab über die Stellung des Angeklagten in Rechtsfragen gegenüber der holländischen Zivilbevölkerung. Ich würde bitten, auch dieses Dokument als Beweisinstrument zuzulassen, und zwar mit dem gleichen Vorgang, daß ich es nämlich der Staatsanwaltschaft in Abschrift respektive Übersetzung vorlege.

VORSITZENDER: Welche Nummern haben Sie gegeben?

DR. STEINBAUER: Die erste... Die Urkunde Tzschoppe würde Nummer 112 und die von Adalbert Joppich Nummer 113 erhalten.

Ausständig sind nur noch die vom Gericht zugelassenen Affidavits Bolle, Dr. Reuter, Voelkers und Lindhorst-Homan. Das Generalsekretariat und ich sind bemüht, diese Affidavits herbeizuschaffen. Bis jetzt konnte aber nur der Aufenthaltsort Bolles festgestellt werden.

Zum Schluß möchte ich bitten, noch zwei kurze Beweisanträge zuzulassen, die ich schriftlich gestellt habe. Der erste betrifft die Beischaffung der Mitgliedskarte zur NSDAP des Angeklagten, die ihm anläßlich seiner Verhaftung abgenommen wurde und die sich bei seinen persönlichen Dokumenten in Gerichtsgewahrsam befinden muß. Ich habe schon vor einigen Monaten darum gebeten; die Sache ist aber beiderseits außer Evidenz geraten.

VORSITZENDER: Sicherlich; Sie wollen doch nicht sagen, daß sie sich in Gewahrsam des Gerichtshofs befindet. Sie meinen wohl, daß sie sich in Gewahrsam der Militärbehörden befindet?

DR. STEINBAUER: Jawohl, der Gefangenenverwaltung.

VORSITZENDER: Gut. Dann kann sie zweifellos wieder beschafft werden. Was war das andere Dokument?

DR. STEINBAUER: Ja, Herr Präsident, dann wurde im Kreuzverhör...

OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Ich möchte nicht die Zeit Eurer Lordschaft in Anspruch nehmen, aber um die Mitgliedskarte hätte man doch schon vor Monaten ansuchen können. Es liegt dies auf gleicher Linie mit den Dokumenten, die der Verteidiger soeben eingereicht hat. Wir haben sie nicht gesehen. Ich weiß nicht, was die Mitgliedskarte beweisen soll, aber es wird viel Mühe machen, sie zu beschaffen, genau wie diese Dokumente der Übersetzungsabteilung viel Arbeit verursachen.

VORSITZENDER: Warum ist die Mitgliedskarte wichtig? Vermutlich weiß er, wann er Mitglied wurde. Welche Erheblichkeit hat diese Mitgliedskarte?

DR. STEINBAUER: Ja. Sie ist deshalb wichtig, weil nach dem Kriegsverbrechergesetz, das jetzt in Österreich erschienen ist, alle Mitglieder, die eine Mitgliedsnummer über 6500000 haben, nicht als sogenannte »alte Kämpfer«, oder »illegal« erscheinen. Seyß-Inquart hat hier im Zeugenstand erklärt...

VORSITZENDER: Das hat doch nichts mit diesem Gerichtshof zu tun. Es mag dies in anderen Prozessen und vor einem anderen Gerichtshof erheblich sein, aber nicht vor diesem Gerichtshof.

DR. STEINBAUER: Ja. Nur insofern, als die Anklagebehörde behauptet hat, daß er schon seit dem Jahre 1931 Mitglied der NSDAP war. Ich meine, ich will aber durchaus keine Schwierigkeiten machen, ich dachte mir nur, daß sich die Mitgliedskarte vielleicht bei den Habseligkeiten, die dem Gefangenen abgenommen wurden, befindet und daß man nachschauen könnte.

VORSITZENDER: Ja. Aber verneint er denn, seit 1931 ein Mitglied gewesen zu sein?

DR. STEINBAUER: Ja. Er behauptet, erst am 13. März 1938 formales Mitglied geworden zu sein.

VORSITZENDER: O ja, formal, ich erinnere mich. Aber er war schon viel länger Mitglied der österreichischen Nationalsozialistischen Partei, wenn ich mich recht erinnere.

MR. DODD: Wir geben ohne weiteres zu, Herr Präsident, daß die Mitgliedskarte zeigt, daß er ein Mitglied wurde und, soweit die Karte eine Rolle spielt, zu diesem Datum. Ich bin sicher, daß die Karte das zeigen wird, und wenn es dem Verteidiger behilflich ist, stimmen wir gerne zu.

VORSITZENDER: Sehr gut.

DR. STEINBAUER: Das letzte Beweismittel, um das ich bitte, wäre folgendes: Im Kreuzverhör wurde eine Urkunde vorgelegt, wo eine achtzehnjährige Schreiberin der Polizei, namens Hildegard Kunze, bestätigt, daß mein Klient die Sterilisierung holländischer Juden verursacht habe.

Seyß-Inquart behauptet hierzu, nie an die Polizei direkt geschrieben zu haben, wohl aber in drei persönlichen Briefen an Himmler direkt Proteste gegen die Behandlung der Juden gerichtet und in einem dieser Schreiben auch über die Sterilisierung gesprochen zu haben. Das dürfte den Anlaß dazu gegeben haben, daß diese Zeugin das erwähnt. Vermutlich ist sie dadurch zu ihrer Kenntnis gekommen, daß Himmler das Original oder Abschriften dieser Briefe an das Sicherheitshauptamt weitergegeben hat. Mein Klient hat mich gebeten, ich möge in dieser wichtigen Frage den Versuch machen, die Herbeischaffung dieser Briefe, die er an Himmler geschrieben hat, zu beantragen zur Widerlegung der belastenden Aussage der Zeugin Hildegard Kunze. Ich verhehle nicht, daß es schwierig sein dürfte, diese Briefe unter den vielen Dokumenten des Sicherheitshauptamtes zu finden.

VORSITZENDER: Haben Sie dazu einen schriftlichen Antrag gestellt?

DR. STEINBAUER: Ich habe den Antrag schriftlich gestellt.

VORSITZENDER: Nennt er die Daten, wann die Briefe geschrieben worden sind?

DR. STEINBAUER: Jawohl, alles, was ich feststellen konnte über die Zeit und den Adressaten, habe ich in dem Antrag festgehalten.

VORSITZENDER: Gut. Der Gerichtshof wird die Angelegenheit in Erwägung ziehen, aber Sie verstehen, daß eine solche Sache mit großer Arbeit verbunden ist.

DR. STEINBAUER: Herr Präsident! Ich verschließe mich durchaus nicht den Schwierigkeiten, die mit meinem Antrag verbunden sind. Sonst habe ich keine weiteren Beweisanträge zu stellen.

VORSITZENDER: Wir werden die Sitzung jetzt unterbrechen.