[Pause von 10 Minuten.]
DR. NELTE: Herr Präsident, meine Herren Richter!
Der Angeklagte Keitel ist von der Anklagebehörde beschuldigt, an den Deportationen zum Zweck des Arbeitseinsatzes beteiligt gewesen zu sein. Keitel hat hierzu ausgesagt, daß er zuständigkeitsgemäß mit der Beschaffung, Anwerbung, Aushebung der Menschen in den besetzten Gebieten nicht befaßt war, ebensowenig mit der Zuweisung der auf diese Weise beschafften Arbeitskräfte für die Kriegswirtschaft. Der Angeklagte Sauckel hat dies als Zeuge am 27. Mai 1946 bestätigt.
Herr Präsident, die nachfolgenden Ausführungen bitte ich ohne Vortrag zur Kenntnis zu nehmen. Herr Kollege Dr. Servatius wird gemäß unserer Vereinbarung den Zusammenhang zwischen Wehrmacht-Ersatzwirtschaft und Arbeiterbeschaffung durch den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz darlegen.
Der Mitangeklagte Sauckel hat hierzu ausgesagt:
Frage: Sie wollen damit sagen, daß das OKW und der Angeklagte Keitel für die Frage der Beschaffung, Anwerbung und Aushebung der Arbeitskräfte im besetzten Gebiet keinerlei zuständige Funktionen hatte?
Antwort: Er hatte für diese Frage keinerlei zuständige Funktion. Ich bin mit Feldmarschall Keitel dadurch in Verbindung gekommen, daß der Führer mich des öfteren beauftragte, den Feldmarschall Keitel zu bitten, die Vermittlung seiner Aufträge an die Heeresgruppen telephonisch oder durch Weisungen weiterzugeben.
Frage (auszugsweise): Hatte das OKW und insbesondere Keitel als Chef OKW eine zuständige Funktion für die Frage des Arbeitseinsatzes in der Heimat?
Antwort: Nein; denn der Einsatz der Arbeiter erfolgte ja in den Wirtschaftszweigen, für die sie angefordert waren. Sie hatten mit dem OKW nichts zu tun.
Im Kreuzverhör durch den General Alexandrow sind nun Urkunden vorgelegt worden, die nach Ansicht der Anklagebehörde die Beteiligung Keitels und des OKW beweisen sollen. In diesem Zusammenhang muß geprüft werden, ob und in welcher Weise das OKW und Keitel an dem Arbeitsgebiet des Angeklagten Sauckel als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz (GBA) mitbeteiligt waren.
Das von der Anklagebehörde vorgelegte Dokument USSR-365 enthält die grundlegenden Bestimmungen über Arbeitsgebiete und Vollmachten des GBA, den Erlaß vom 21. März 1942 über die Einsetzung Sauckels als GBA, die Anordnung Görings als Beauftragten für den Vierjahresplan vom 27. März 1942, das Programm für den Arbeitseinsatz, die Aufgabe und die Lösung, wie sie Sauckel sich dachte.
Diese Urkunden bringen die Beziehungen und die Berührungspunkte des GBA mit vielen Dienststellen zum Ausdruck. Diese Beziehungen und Berührungspunkte sind qualitativ verschieden.
Klar ist die Zuständigkeit und der Befehlsweg im Arbeitsgebiet des GBA: Er ist das Organ des Vierjahresplanes (Ziffer 3, Anordnung vom 27. März 1942) und er unterstand deshalb Reichsmarschall Göring und Hitler, der mit dem Vierjahresplan identisch war. Die Beziehungen und Berührungspunkte des OKW's beziehungsweise Keitels zum GBA und seinem Arbeitsbereich waren nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (Aussagen Keitel, Sauckel und die Urkunden) folgende:
Dem Angeklagten Keitel unterstand als Chef des Stabes des Oberkommandos der Wehrmacht das Ersatzwesen für die gesamte Wehrmacht. Die Ausfälle an der Front wurden von jedem einzelnen Wehrmachtsteil dem OKW gemeldet und gleichzeitig auf Grund dieser Anforderungen legte Keitel dem Führer die Auflage vor, nach welcher seitens der Wehrkreiskommandos durch ihre Ersatzinspektionen zu bestimmten Terminen für die einzelnen Wehrmachtsteile Ersatz für die Truppe zu stellen war.
Die Ersatzinspektionen zogen daraufhin den Rekrutenjahrgang ein oder darüber hinaus bisher unabkömmlich (u. k.) gestellte Wehrpflichtige. Mit fortschreitendem Krieg ergab sich fast regelmäßig, daß zum Beispiel das Rüstungsministerium (für die u. k.-Gestellten der Rüstungsindustrie), das Landwirtschaftsministerium (für die u. k.-Gestellten der Landwirtschaft), das Verkehrsministerium (für die bei der Eisenbahn u. k.-Gestellten) und so weiter, den Anforderungen der Ersatzbehörden größte Schwierigkeiten machten und Vorstellungen erhoben.
Sie machten geltend, daß die Aufgaben der einzelnen Ressorts darunter bedenklich leiden müßten, wenn die u. k.-Gestellten ohne weiteres herausgezogen würden. Die zuständigen Minister verlangen, daß vor der Freigabe der u. k.-Gestellten neue Arbeitskräfte als Ausgleich für die Abgabe beschafft werden müßten.
Infolgedessen gelangte die Sache über die Arbeitsämter an den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz (GBA), dessen Aufgabe es war, die für den in der Heimat erforderlichen Arbeitseinsatz notwendigen Arbeitskräfte zu beschaffen. Der Angeklagte Sauckel als GBA, dem selbst als Sonderbeauftragten eine eigene selbständige Organisation für die Anwerbung, Beschaffung und eventuelle Aushebung der Arbeitskräfte nicht zur Verfügung stand, war dadurch gezwungen, sich zur Durchführung seiner Aufgabe mit den zuständigen Behörden in den besetzten Gebieten in Verbindung zu setzen.
a) In den besetzten Gebieten der Zivilverwaltung (Holland, Norwegen, Osten) waren es die Reichskommissare, die Sauckel Hilfe leisten mußten.
b) In den Militärbefehlshaber-Gebieten (Frankreich, Belgien, auf dem Balkan) war es der Generalquartiermeister des Heeres.
c) In Italien war es in oberster Instanz der dort akkreditierte Botschafter Rahn.
Dies ergibt sich aus der Anordnung vom 27. März 1942.
Der GBA Sauckel wandte sich, bevor er in den einzelnen Gebieten zur Erfüllung seiner Aufgaben tätig wurde, regelmäßig an Hitler, dem er über den Vierjahresplan unterstellt war, um durch dessen Anweisungen an die örtlich zuständigen Stellen den erforderlichen Rückhalt zu erhalten. Es geschah dies in der Weise, daß den örtlichen Stellen der Befehl übermittelt wurde, Sauckel die von diesem für erforderlich gehaltene Unterstützung bei der Durchführung seiner Aufgabe zu gewähren. Der Angeklagte Keitel war bei solchen Besprechungen zwischen Hitler und Sauckel nicht zugegen. Der Angeklagte Keitel hatte für diese Fragen keine Zuständigkeit und kein Ressort. Es mußte aber jemand den örtlichen Dienststellen Kenntnis von den Befehlen Hitlers geben. Die Folge war, daß Hitler, der keine Ressortschwierigkeiten kannte, dem Nächstbesten sagte, er möge bei den örtlichen Dienststellen Sauckel avisieren und auf den Wunsch Hitlers hinweisen, daß man ihm die erforderliche Hilfe gewähre. Diese »Nächstbesten« waren entweder Keitel für die Militärverwaltung der besetzten Gebiete oder Dr. Lammers für die zivilverwalteten Gebiete.
Das war die Berührung, die zwischen Keitel und Sauckel in dieser Angelegenheit bestand. Wie im einzelnen die Anwerbung oder sonstige Beschaffung der Arbeitskräfte vor sich ging, gehörte nicht zum Bereich des OKW. Dieses erhielt darüber auch keine Berichte. Das Interesse des OKW war ausschließlich darauf beschränkt, daß die erforderlichen Soldaten durch Einziehung seitens der Ersatzbehörden bereitgestellt wurden. Insbesondere hatte das OKW und der Angeklagte Keitel mit dem Arbeitseinsatz der vom GBA beschafften Arbeitskräfte in der Kriegswirtschaft nichts zu tun, vielmehr war dies lediglich die Sache der Arbeitsämter, bei denen die Bedarfsträger der Wirtschaft die für erforderlich gehaltenen Ersatzarbeitskräfte anforderten.
1. Der Name Keitel steht am Anfang der Tätigkeit Sauckels, wie die Anklagebehörde vorgetragen hat, da Keitel den Führererlaß über den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz (Dokument USSR-365) mit unterzeichnet hat. Aus dem mehrfachen Hinweis der Anklagebehörde auf diesen Umstand muß der Schluß gezogen werden, daß sie in dieser Mitzeichnung durch den Angeklagten Keitel offenbar den Beginn einer Kausalreihe sieht, an deren Ende so furchtbare Vorkommnisse stehen, wie sie hier vorgetragen worden sind.
Hierzu nehme ich Bezug auf die an anderer Stelle dargelegte Bedeutung der Mitzeichnung solcher Führererlasse durch Keitel als Chef OKW. Diese Tatsache, die strafrechtlich nicht als kausal angesehen werden kann, ist auch mangels Vorstellbarkeit der daraus im weiteren Verlauf entstandenen Ereignisse nicht schuldhaft.
2. Steht der Führererlaß vom März 1942 am juristischen Beginn des Amtes GBA, so ist auch der erste Schritt für die Betätigung dieses Amtsträgers mit dem Namen Keitel als Chef OKW verbunden, da diesem das Mannschafts-Ersatzwesen unterstand und er bei den unterstellten Wehr-Ersatzdienststellen für die Ausfälle an der Front Ersatz anforderte. Auch hier gilt das gleiche wie zu 1., da weder eine zurechenbare Kausalreihe noch eine Schuld strafrechtlich vorliegt.
3. Durch die Menschenmangellage wurde zwischen der militärischen Mannschaftsanforderung und der Arbeiter-Ersatzanforderung der Wirtschaft eine rein tatsächliche Verbindung hergestellt, ohne daß Keitel dadurch zum GBA in eine zuständigkeitsgemäße oder befehlsgemäße Berührung kam.
Sauckel hat die Einlassung Keitels bestätigt, daß das OKW mit der Anwerbung, Aushebung oder sonstigen Beschaffung der Arbeitskräfte nichts zu tun hatte, ebensowenig mit dem Einsatz der beschafften Arbeiter in der deutschen Wirtschaft (deutsches Protokoll vom 29. Mai 1946).
Ich muß jedoch auf einige Dokumente eingehen, die die Französische Anklagebehörde zur positiven Belastung des OKW und Keitels wegen aktiver Teilnahme an den Deportationen vorgelegt hat. Es sind dies die Dokumente 1292-PS, 3819-PS, F-814 und F-824. Das erste Dokument ist eine Aktennotiz des Chefs der Reichskanzlei, Dr. Lammers, über eine Konferenz bei Hitler, in der die Frage der Arbeiterbeschaffung für das Jahr 1944 besprochen wurde. An dieser Besprechung hat der Angeklagte Keitel teilgenommen. Im Anschluß an diese Aktennotiz ist ein Schreiben des Angeklagten Sauckel vom 5. Januar 1944 wiedergegeben, in dem dieser das Ergebnis der Besprechung vom 4. Januar zusammenfaßt und einen Führererlaß in Vorschlag bringt.
Ich zitiere daraus folgende Stellen:
»5.) Der Führer wies darauf hin, daß es notwendig sei, alle deutschen Dienststellen in den besetzten Gebieten und in den verbündeten Ländern von der Notwendigkeit der Hereinnahme ausländischer Arbeitskräfte zu überzeugen, um den GBA bei der Durchführung der erforderlichen organisatorischen, propagandistischen und po lizeilichen Maßnahmen einmütig unterstützen zu können.«
Ich zitiere weiter aus dem vorletzten Absatz:
»Folgende Stellen würden m. E. in erster Linie den Erlaß zu erhalten haben...«
Und nun kommt zu Ziffer 3.
»Der Chef OKW, Generalfeldmarschall Keitel zur Unterrichtung der Militärbefehlshaber in Frankreich und Belgien, des Militärbefehlshabers Süd-Ost, des Bevollmächtigten Generals bei der faschistisch-republikanischen Regierung Italiens, die Chefs der Heeresgruppen im Osten...«
Dieses Dokument beweist demnach:
a) daß Feldmarschall Keitel wohl an einer Besprechung teilgenommen hat, jedoch ohne zu dem Problem der Arbeiterbeschaffung Stellung zu nehmen,
b) daß der Führerbefehl dem Feldmarschall Keitel zum Zweck der Unterrichtung für die Militärbefehlshaber zur Kenntnis gebracht werden sollte.
Damit wird das bestätigt, was in dem nicht verlesenen Teil meines Vortrags der Angeklagte Keitel als seinen Berührungspunkt in dieser Frage zugegeben hat. Das zweite und dritte Dokument bezieht sich auf eine Besprechung in der Reichskanzlei am 11. Juli 1944, an der Feldmarschall Keitel nicht teilgenommen hat.
Nun hat der französische Anklagevertreter vorgetragen, daß das Fernschreiben eine Anordnung des Feldmarschalls Keitel an die Militärbefehlshaber sei, die Beschlüsse der Besprechung vom 11. Juli durchzuführen.
Herr Herzog hat hierbei gesagt, der Befehl Keitels datiere vom 15. Juli 1944. Eine kurze Prüfung des Dokuments – eine Photokopie – ergibt, daß es sich hier um ein Fernschreiben vom 9. Juli handelt, das eine Einladung des Chefs der Reichskanzlei, Dr. Lammers, zu einer Besprechung am 11. Juli enthält, die Keitel den Militärbefehlshabern übermittelte.
Das ist also ein Irrtum gewesen. Damit entfällt auch die Schlußfolgerung, die die Anklagebehörde auf Grund dieses Dokuments gezogen hat. Aber dieses Dokument ist noch aus einem anderen Grunde interessant. Es heißt darin wörtlich:
»Für die Stellungnahme der Militärbefehlshaber oder ihrer Vertreter gelten folgende Richtlinien:
... Ich verweise auf meine Richtlinien für die Mitwirkung der Wehrmacht bei der Aufbringung von Arbeitskräften aus Frankreich (OKW/West/ku (Verw. 1 u. 2 West) Nr. 05210/44 geh.).«
Der Angeklagte Keitel hat mich gebeten, das Gericht aus folgendem Grunde auf diese Ausdrucksweise aufmerksam zu machen. Es sind hier zahllose Dokumente mit der Unterschrift »Keitel« vorgelegt worden. Entsprechend der schon erläuterten Stellung Keitels, die jede Befehlsbefugnis ausschloß, hat er niemals die Ich-Form bei seinen Mitteilungen oder Befehlsübermittlungen gebraucht. Es ist außer diesem Dokument nur noch ein Fernschreiben von der Anklagebehörde vorgelegt worden, in welchem die Ich-Form vorkommt. In Anbetracht der vielen Urkunden, die diese Einlassung Keitels bestätigten, wird man ihm glauben müssen, daß es sich hier um die Übermittlung eines Führerbefehls handelt, wie auch die ganze Diktion einem Führerbefehl entspricht.
Demgemäß hat auch General Warlimont – Dokument 3819-PS – in der Besprechung vom 11. Juli sich ausdrücklich auf einen »kürzlich erlassenen Führerbefehl«, den er inhaltlich genau so wiedergibt wie im Fernschreiben, mit der Unterschrift »Keitel«, bezogen. Wichtig und diese Beweisführung des Angeklagten Keitel bestätigend ist auch noch das neu vorgelegte Dokument F-824, RF-1515. Es ist dies ein Schreiben des Oberbefehlshabers West von Rundstedt vom 25. Juli 1944, der inzwischen Vorgesetzter der Militärbefehlshaber Frankreich und Belgien geworden war.
Hierin wird gesagt, daß
»auf Befehl des Führers die Forderungen des GBA von Speer durchzuführen seien«,
ferner Anordnungen bei Räumung des Kampfgebietes über Werbung von Flüchtlingen als Arbeitskräfte getroffen werden, und schließlich Meldung an das OKW über getroffene Maßnahmen befohlen wird.
Die Bezugnahme auf den Führerbefehl kurz nach dem 11. Juli 1944 zeigt ebenso wie die Äußerung Warlimonts, daß es keine Richtlinien Keitels oder des OKW gibt. Damit kann auch hier als bewiesen angesehen werden, daß Keitel selbst oder das OKW sich nicht an den Maßnahmen zur Anwerbung und Aushebung von Arbeitskräften beteiligt hat. Das OKW war die Stelle zur Übermittlung der Befehle, die Hitler als Vorgesetzter Sauckels den Militärbefehlshabern zukommen lassen wollte; es hatte keine Zuständigkeit und keine rechtliche Verantwortung.
Es ist in diesem Komplex auch nicht so wie auf den Gebieten, die in den ministeriellen Bereich Keitels, des OKW, fallen; denn in diesem Bereich bestand wenigstens eine Sachbearbeiterfunktion, die die Möglichkeit in sich schloß, Bedenken geltend zu machen.
Auf dem Gebiete der Arbeiterbeschaffung und des Arbeitseinsatzes sind die Berührungspunkte mit der Tätigkeit Sauckels folgende:
a) Keitel hat den Führererlaß vom 21. März 1942 über die Einsetzung des GBA mit unterzeichnet.
b) Er hat die Befehle Hitlers, die Tätigkeit des GBA zu unterstützen, auf Grund besonderer Weisungen an die Befehlshaber der besetzten Gebiete weitergegeben.
Nun hat die Französische Anklagebehörde in der Sitzung vom 2. Februar 1946 zur Frage der Deportation der Juden im Rahmen der Verantwortlichkeit des Angeklagten Keitel folgendes ausgeführt:
»Ich werde nachher über den Befehl der Deportation der Juden sprechen und werde beweisen, daß dieser Befehl aus einer gemeinsamen Aktion hervorging, der Militärverwaltung, der diplomatischen Verwaltung und der Sicherheitspolizei im Fall Frankreich.
Daraus geht hervor, daß:
1. der Chef des Oberkommandos« und so weiter, »der Reichsaußenminister und
3. der Chef der Sicherheitspolizei und das Reichssicherheitshauptamt (RSHA), daß die drei Personen notwendigerweise auf dem laufenden waren und notwendigerweise mit dieser Aktion einverstanden waren; denn es ist klar, daß sie durch ihre Dienste wissen mußten, daß ähnliche Maßnahmen, die sich mit wichtigen Sachen beschäftigen, getroffen wurden und daß auch die Beschlußfassungen jedesmal gemeinsam getroffen wurden zwischen den Staffeln von drei verschiedenen Verwaltungen.
Diese drei Personen sind also verantwortlich und schuldig.«
Wenn Sie die sehr eingehende Behandlung dieses Anklagepunktes nachprüfen, werden Sie feststellen, daß das Oberkommando der Wehrmacht nicht erwähnt und daß keine Urkunde vorgelegt ist, die vom OKW oder von dem Angeklagten Keitel stammt. Aus dem Affidavit Keitel, Dokumentenbuch 2, ergibt sich, daß der Militärbefehlshaber Frankreich, der mehrfach erwähnt ist, nicht dem OKW unterstand. Die Anklagebehörde hat nun bei der Behandlung dieser Frage die Zusammenarbeit der »Armee«, wie Herr Faure sagt, mit dem Auswärtigen Amt und der Polizei zu beweisen versucht, – diese Zusammenarbeit auf die obersten Stellen, also bei der »Armee« auf das OKW und damit auf Keitel übertragen zu können. Diese Beweisführung ist irrig. Um das klar zu machen, muß ich darauf hinweisen, daß in Frankreich ein Militärbefehlshaber war. Dieser Militärbefehlshaber war Träger der zivilen und militärischen Gewalt, er vertrat die fehlende Staatsgewalt, er hatte also neben militärischen Aufgaben polizeiliche und politische Funktionen. Die Militärbefehlshaber waren vom OKH eingesetzt und empfingen von diesem ihre Befehle. Es bestanden, wie sich hieraus ergibt, keine unmittelbaren Beziehungen zum OKW in dieser Frage. Da der Angeklagte Keitel als Chef OKW dem OKH nicht übergeordnet war, besteht auch kein unmittelbares Unter- beziehungsweise Überordnungsverhältnis.
Es ist leider richtig, was Herr Faure hier vorgetragen hat:
»In Frankreich zeigte sich eine Vielzahl von Ressorts mit voneinander abweichenden, ja sich widersprechenden Tendenzen, die ineinander übergriffen oder sich überschnitten in ihrer Zuständigkeit.«
In der Tat hat das OKW und der Angeklagte Keitel mit der Judenfrage in Frankreich, mit den Deportationen nach Auschwitz und anderen Lagern nichts zu tun; es bestand weder eine befehlsgebende noch eine kontrollierende Zuständigkeit und deshalb auch keine Verantwortung. Es ist für die von allen Anklagebehörden vertretene Auffassung der presumtiven Beteiligung des Angeklagten Keitel bezeichnend, daß man den Buchstaben »K«, der auf dem Telegramm vom 13. Mai 1942 im Dokument RF-1215 stand, in »Keitel« ergänzte.
Dankenswerterweise hat der französische Anklagevertreter dies berichtigt und den Irrtum klargestellt.