[Das Gericht vertagt sich bis 14.10 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
VORSITZENDER: Dr. Pannenbecker!
DR. OTTO PANNENBECKER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRICK: Herr Präsident, meine Herren Richter!
Die von der Amerikanischen Delegation durch Dr. Kempner vorgetragene Anklage hat dem Angeklagten Frack zur Last gelegt strafbare Handlungen nach Artikel 6, Buchstaben a, b und c des Statuts. Ich möchte zunächst eingehen auf das Problem, ob Artikel 6 des Statuts mit seiner Aufzählung strafbarer Tatbestände anzusehen ist als die maßgebliche Norm des materiellen Strafrechts, aus der sich in einer für das Gericht verbindlichen und nicht nachprüfbaren Weise ergeben würde, welche Handlungen als strafbar anzusehen sind, oder ob Artikel 6 des Statuts eine prozeßrechtliche Regelung trifft über die Zuständigkeit dieses Gerichtshofs für bestimmte Tatbestände.
VORSITZENDER: Mit Rücksicht auf die Dolmetscher ist es vielleicht besser, wenn wir ohne Pause bis zur Vertagung um 4.00 Uhr weiterarbeiten, da es bereits 2.30 Uhr ist.
DR. PANNENBECKER: Die letztere Auffassung ist im Sachvortrag der Anklage berührt worden durch den Hinweis von Sir Hartley Shawcross, daß Artikel 6 des Statuts im Verfahren des internationalen Strafrechts eine Lücke ausfülle, daß aber das materielle Strafrecht, das auf die Angeklagten anzuwenden ist, schon vorher normiert worden sei durch positive Gesetze. Entsprechend ist auch Teil II des Statuts, der mit dem Artikel 6 anfängt, überschrieben: »Zuständigkeit und allgemeine Grundsätze«, und es läßt sich daraus herleiten, daß Artikel 6 eine Regelung geben will über die prozessuale Zuständigkeit dieses Gerichtshofs für bestimmte Gruppen von Verbrechen.
Die Ausführungen von Sir Hartley Shawcross richteten sich gegen den Einwand, daß es unzulässig sei und einem grundlegenden Rechtsprinzip widerspreche, jemanden zu bestrafen für eine Tat, die noch nicht verboten war zur Zeit ihrer Begehung, ein Einwand, der zur Grundlage hat die Auffassung, daß das Statut neues materielles Strafrecht geschaffen habe mit rückwirkender Kraft.
Es ist zu prüfen, ob das Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen ein so wichtiges Rechtsprinzip ist, daß es nicht verletzt werden sollte.
Ich brauche vor diesem Gericht nicht die Gründe darzulegen, aus denen dieses Rechtsprinzip allgemeine Anerkennung gefunden hat in allen Kulturstaaten als Voraussetzung und als ein grundlegendes Gebot der Gerechtigkeit.
Die Anklage hat demgegenüber in ihrem Vortrag den Angeklagten vorgehalten, daß sie selbst sich fortlaufend hinweggesetzt hätten über Recht und Gerechtigkeit, und sie hat daraus die Folgerung gezogen, daß die Angeklagten dieses Prozesses sich auf ein solches Rechtsprinzip nicht berufen könnten.
Ich glaube jedoch nicht, daß ein solches Argument entscheidend sein kann in diesem Gerichtsverfahren.
Die Anklage hat die noch weitergehende Frage verneint, ob es nicht richtig gewesen wäre, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und den Angeklagten dieses Prozesses überhaupt keine Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen in einem geordneten gerichtlichen Verfahren.
Eine solche Haltung, einfach die Macht des Siegers anzuwenden auf die Angeklagten, ist aber bewußt nicht eingenommen worden von den Signatarmächten aus Gründen, die die Anklagevertretung im einzelnen vorgetragen hat.
Sir Hartley Shawcross hat im Gegenteil an das Gericht appelliert mit der Bitte, in diesem Verfahren anzuwenden... ich zitiere:
»die unbestrittenen Grundsätze des internationalen Gebrauches«.
Wenn aber in solcher Weise verfahren werden soll, dann muß auch eine Prüfung nach den gleichen Rechtsprinzipien erfolgen hinsichtlich der Frage, ob die den Angeklagten zur Last gelegten Handlungen als Verbrechen anzusehen sind, für die eine Bestrafung möglich ist nach den anerkannten Grundsätzen des internationalen Gebrauches. Es bedeutet kein Argument nach diesen Grundsätzen, wenn die Anwendung eines so fundamentalen Rechtsgrundsatzes, wie es das Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen ist, in seiner Anwendung abhängig gemacht werden soll davon, ob die Angeklagten selbst sich um Recht und Gerechtigkeit gekümmert haben oder nicht. Die Entscheidung der Signatarmächte, auf Grund wohl erwogener Überlegungen das Verhalten der Angeklagten einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen in einem geordneten Gerichtsverfahren und unter Beachtung aller Rechtsprinzipien des internationalen Gebrauches, bedeutet also nicht nur die Einhaltung eines gerichtlichen Verfahrens, ausgestattet mit allen Sicherungen einer fairen Verhandlung; dieser Entschluß der Signatarmächte bedeutet auch die Beachtung der fundamentalen Prinzipien einer materiellen Rechtsgarantie, und zu diesen Prinzipien gehört das Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Anordnung einer rückwirkenden Geltung von Strafgesetzen, als sie durch die nationalsozialistische Regierung angeordnet wurde für bestimmte Einzelfälle, auf die Dr. Stahmer bereits zurückgekommen ist, Entsetzen erregt hat in der ganzen Kulturwelt. Damals ist die Verletzung eines solchen Rechtsprinzips allgemein verurteilt worden als ein bedenklicher Kulturrückschritt.
Ich bitte ferner das Gericht, sich daran zu erinnern, daß die Besatzungsmächte als eine der ersten Maßnahmen zur Befreiung vom nationalsozialistischen Rechtsmißbrauch die Gesetze für kraftlos erklärt haben, die Gesetze, die eine Rückwirkung auf dem Gebiete des materiellen Strafrechts angeordnet hatten.
Ich glaube, daß bei dieser Sachlage wesentliche Gründe dafür sprechen, Artikel 6 des Statuts entsprechend seiner Überschrift anzusehen als eine Regelung über die Zuständigkeit dieses Gerichtshofs, zumal die Signatarmächte schon in so eindringlicher Weise sich eingesetzt haben für eine strikte und ausnahmslose Wiederbeachtung des Verbots der Rückwirkung von Strafgesetzen.
Bei einer solchen Auslegung, daß Artikel 6 die Zuständigkeit dieses Gerichts bestimmt, wäre es Sache des Gerichts, in eigener Prüfung nicht nur zu entscheiden, ob der zur Anklage gestellte Sachverhalt erwiesen ist, sondern auch die Rechtsfrage zu klären, ob für die Tatbestände der Anklage in jedem Falle ein Gesetz des materiellen Strafrechts besteht, das eine Bestrafung ermöglicht.
Ein solches Zurückgehen auf die Bestimmungen des materiellen Strafrechts, das zur Zeit der Tat galt, bedeutet nicht, daß es unmöglich wäre, die Angeklagten zur Rechenschaft zu ziehen vor diesem Gerichtshof für Straftaten, die unter allen Umständen strafwürdig sind. Aber es ergeben sich dadurch eine Reihe von Einschränkungen, die jedoch nach Auffassung der Verteidigung besser hingenommen werden, als daß ein so wesentliches Prinzip einer gerechten Behandlung verletzt wird, wie es das Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen ist.
Ich vertrete also die Auffassung, daß es durchaus möglich ist und mit der Notwendigkeit einer gerechten Sühne für Kriegsverbrecher nicht im Widerspruch steht, Artikel 6 des Statuts entsprechend seiner Überschrift auszulegen als eine Regelung über die prozessuale Zuständigkeit dieses Gerichtshofs, nicht aber als neues materielles Strafgesetz.
Die nächsten Ausführungen befassen sich dann mit der »conspiracy«, die jedoch Dr. Stahmer soweit behandelt hat, daß ich diese Seiten überschlagen kann. Ich fahre dann auf Seite 7 mit der Zusammenfassung fort.
Von dieser Auslegung des Statuts ausgehend, bedarf auch einer Erörterung die Konstruktion der Anklage hinsichtlich der von ihr behaupteten Verschwörung.
Dieser Konstruktion liegt zugrunde die Rechtsauffassung des anglo-amerikanischen Rechts, die die Verantwortlichkeit einer Mehrheit von Personen anders festlegt, und zwar in einem weitergehenden Maße als das deutsche Strafrecht, das die Rechtsnorm enthält, denen die Angeklagten zur Zeit ihrer Tat unterworfen waren.
Auch nach den Bestimmungen des deutschen Strafrechts kann jemand zur Verantwortung gezogen werden für Straftaten anderer, wenn er teilgenommen hat an einem gemeinsamen Plan, den andere später ausgeführt haben.
Aber das deutsche Strafrecht legt entscheidendes Gewicht auf die Feststellung, in welchem Umfang die späteren Ausführungshandlungen sich decken mit dem gemeinsamen Plan: Da bei den schweren Verbrechen, die vor diesem Gericht zur Anklage stehen, die Feststellung der Schuldform des Vorsatzes Voraussetzung ist für eine Strafbarkeit, so können spätere Ausführungshandlungen anderer einem Angeklagten auch nur zur Last gelegt werden in dem Umfange, in dem sie entsprochen haben den Abmachungen, denen der Angeklagte vorsätzlich zugestimmt hat. Ein Angeklagter, der teilgenommen hat an bestimmten Plänen, kann nicht verantwortlich gemacht werden für später weitergehende Pläne oder für Ausführungshandlungen, die über die ursprünglichen Pläne ohne seine Mitwirkung weit hinausgehen.
Für spätere Pläne und Ausführungshandlungen läßt sich also nach deutschem Recht eine Verantwortlichkeit nur begründen, wenn dem Angeklagten, der an diesen späteren Plänen und Handlungen nicht selbst beteiligt ist, nachgewiesen wird, daß er diese Art der Entwicklung und Ausführung bei seiner ursprünglichen Beteiligung erkannt und gebilligt, sie mit anderen Worten vorsätzlich gefördert hat.
Um auf das Beispiel der Anklage zurückzukommen:
Wer sich beteiligt an dem Plan für einen Bankdiebstahl, ist verantwortlich, wenn dieser Plan zur Ausführung kommt, auch wenn er an der Ausführung selbst nicht teilnimmt.
Aber der Betreffende haftet nicht auch wegen vorsätzlichen Mordes, wenn die Ausführenden später ohne seine Mitwirkung die Tötung des Wächters besprechen oder ohne Verabredung einer der Täter den Wächter erschießt, der ihn bei der Tat überrascht.
Wegen vorsätzlichen Mordes kann nicht verurteilt werden jemand, der an einem Mordplan nicht beteiligt worden ist, es sei denn, daß ihm nachgewiesen wird, daß er bei seiner Teilnahme an dem Plan eines Bankdiebstahls eine solche Tötung des Wächters schon mit in Rechnung gestellt und trotzdem den Bankdiebstahl gebilligt hat – dann würde auch er den Mord vorsätzlich gefördert haben. Eine Haftung für sogenannte Exzesse des unmittelbaren Täters oder für eine weitere nicht vorgesehene Entwicklung ursprünglich nicht so weitgehender Pläne gibt es also nicht nach den Bestimmungen des deutschen materiellen Strafrechts, so daß eine weitergehende Auslegung entsprechend dem Begriff der »conspiracy« des anglo-amerikanischen Rechts, der für die Angeklagten zur Zeit ihrer Tat nicht galt, verletzen würde den Grundsatz der verbotenen Rückwirkung von Strafgesetzen.
Das Statut zwingt nicht zu der Auslegung, daß ein Angeklagter auch für solche Ausführungshandlungen haftet, die über seine Beteiligung an gemeinschaftlichen Plänen hinausgehen. Die Formulierung des Statuts »in Ausführung eines gemeinschaftlichen Planes« widerspricht nicht einer Auslegung, daß das Statut eine Haftung normiere für Ausführungshandlungen, die sich gehalten haben im Rahmen des besprochenen Planes. In einem solchen Umfange entspricht die Annahme einer Haftung für die Handlungen anderer einem Gebot der Gerechtigkeit, darüber hinaus würde sie wesentliche Rechtsprinzipien verletzen.
Die Verteidigung vertritt deshalb die Auffassung, daß bei Handlungen anderer, für die ein Angeklagter haften soll, nicht verzichtet werden darf auf den Nachweis, daß diese Handlungen in der Art ihrer Ausführung dem Vorsatz des Angeklagten entsprochen haben.
Um ein Beispiel anzuführen:
Die Beteiligung eines Angeklagten an der Aufrüstung entgegen den Bestimmungen des Versailler Vertrags rechtfertigt noch nicht die Annahme, daß dieser Angeklagte auch den Angriffskrieg gewollt hat, den andere später geplant haben in weiterer Ausgestaltung des Planes der Wehrhaftmachung des deutschen Volkes.
Ich möchte mich nun den einzelnen Gruppen von Verbrechen zuwenden, die dem Angeklagten Frick zur Last gelegt werden, und zwar als erstes die Behauptung der Anklage, daß der Angeklagte sich beteiligt habe an der Planung und Vorbereitung von Angriffskriegen. Hinsichtlich des Problems, ob der Angriffskrieg ein kriminelles Delikt ist nach der Rechtsauffassung der in Frage kommenden Zeitepoche, nehme ich zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen von Professor Jahrreiss, denen ich mich für den Angeklagten Frick voll und ganz anschließe.
Auf Grund dieser überzeugenden Ausführungen besteht nur eine Möglichkeit, die Mitwirkung bei einem Angriffskrieg zu bestrafen als ein kriminelles Delikt, das von einzelnen Personen begangen werden kann, wenn nämlich entgegen den Ausführungen von Sir Hartley Shawcross das Statut angewandt wird als eine Norm des materiellen Strafrechts, das mit rückwirkender Kraft und erstmalig den Angriffskrieg formuliert hat als ein kriminelles Delikt einzelner Personen. Von der anderen Auffassung aus, die Artikel 6 des Statuts als eine prozeßrechtliche Regelung ansieht über die Zuständigkeit dieses Gerichtshofs, ist nach Auffassung der Verteidigung die Folgerung zwingend, daß zwar das Gericht für zuständig erklärt worden ist zur Entscheidung über Verbrechen gegen den Frieden, daß insoweit aber nicht eine kriminelle Schuld der einzelnen Angeklagten bewiesen ist, weil dafür eine Voraussetzung fehlt, nämlich die Möglichkeit festzustellen, daß die Angeklagten gegen eine Norm des allgemein gültigen, internationalen Gebrauchs verstoßen haben oder eine Norm des nationalen Rechts, das zur Zeit ihrer Tat den Angriffskrieg gekennzeichnet und als ein Verbrechen für strafbar erklärt hat, dessen sich ein einzelner schuldig machen könne.
Die Staatsmänner haben es nun einmal versäumt, in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen entsprechende Bestimmungen von allgemeiner Geltung aufzustellen, durch die hätte klargestellt werden können, daß jeder einzelne mit einem Strick um den Hals herumläuft, der nach dem ersten furchtbaren Völkermorden einen zweiten Weltkrieg organisieren würde.
Die Ausführungen der Anklage, daß derartige Bestimmungen des internationalen Rechts notwendig sind, erscheinen absolut überzeugend, aber es kann nichts darüber hinwegtäuschen, daß solche Bestimmungen von den damaligen Staatsmännern trotzdem nicht rechtzeitig geschaffen worden sind.
Nachträglich und zugeschnitten auf einen Spezialfall kann eine fehlende Rechtsform nicht ersetzt werden durch eine Verfahrensordnung oder den Urteilsspruch eines Gerichts, dessen Aufgabe die Anwendung des allgemeinen Rechts ist, nicht aber seine Schöpfung für einen einmaligen Spezialfall.
Ich habe mich nun den tatsächlichen Behauptungen der Anklage zuzuwenden hinsichtlich einer Teilnahme des Angeklagten Frick an der Planung und Vorbereitung von Angriffskriegen.
Eine solche Tätigkeit sieht die Anklage schon in der frühesten Mitarbeit Fricks für die Partei, die er fortsetzte bis zum Jahre 1933, um Hitler zur Macht zu bringen.
In gleicher Weise wertet die Anklage die spätere Tätigkeit Fricks nach der Übernahme der Regierung durch Hitler, als er mitwirkte, die Macht der Partei und ihre Führung zu festigen durch innerpolitische Maßnahmen, speziell durch seine Beteiligung an den gesetzlichen Maßnahmen, durch die eine Wehrmacht geschaffen wurde und schließlich seine Mitwirkung bei Maßnahmen, durch die direkte Vorbereitungen getroffen wurden für den Fall eines Krieges.
Ausgehend von der Auffassung, daß nur eine vorsätzliche Beteiligung des Angeklagten an der Vorbereitung des Angriffskrieges strafrechtlich von Bedeutung ist, habe ich nun einzugehen auf die Frage, ob die Anklage den Nachweis geführt hat, daß Frick seine Mitwirkung bei der Förderung der Partei und ihrer Ziele erkannt und gewollt hat als Kriegsvorbereitung, ob er also den Krieg selbst gefördert hat.
In diesem Zusammenhang hat die Anklage die Behauptung aufgestellt, daß Hitler und seine Partei von Anfang an offenkundig das Ziel verfolgt hätten, eine Änderung der außenpolitischen Situation Deutschlands durch einen Krieg herbeizuführen.
Auf Grund dieser Behauptung hat die Anklage ausgeführt, daß es keines speziellen Beweises bedürfe, daß jeder Angeklagte mit der Förderung Hitlers und seiner Partei auch bewußt mitgewirkt habe an der Vorbereitung von Angriffskriegen.
Zum Nachweis dafür, daß Hitler mit seiner Partei von Anfang an den Angriffskrieg geplant habe, bezieht sich die Anklage auf das Parteiprogramm, das als eines der Ziele der Partei die Beseitigung des Versailler Vertrags nennt.
Mit keinem Wort ist aber im Parteiprogramm gesagt, daß ein solches Ziel mit der Gewalt der Waffen erreicht werden sollte. Aus dem Parteiprogramm läßt sich aber, wie unter anderem auch die Vernehmung des Angeklagten von Neurath ergeben hat, nicht beweisen eine von Anfang an bestehende Absicht des Angriffskrieges. Nichts anderes ergibt sich aus sonstigen offiziellen Verlautbarungen der Partei aus der Zeit vor dem Regierungsantritt Hitlers. Da die Partei auf Grund ihrer offiziellen Verlautbarungen die Absicht nicht erkennen ließ, Revisionen des Versailler Vertrags zu erzwingen mit Gewalt der Waffen, ist sie deshalb auch vor dem Jahre 1933 schon außerhalb des Reichsgebiets zugelassen worden, wie beispielsweise im Jahre 1930 in Danzig mit Zustimmung des damaligen Hohen Völkerbundkommissars und des polnischen Generalresidenten. Seit der Zeit seines Regierungsantritts am 30. Januar 1933 hat sodann Hitler als verantwortlicher Regierungschef eine ganz eindeutige Haltung eingenommen hinsichtlich seiner außenpolitischen Wege und Ziele, und zwar gleicherweise in offiziellen Reden und Gesprächen wie in privaten Unterhaltungen.
Immer gleichbleibend und bei jeder sich bietenden Gelegenheit hat er seit seinem Regierungsantritt seinen unbedingten Willen zum Frieden betont und seinen Abscheu vor dem Kriege, und er hat diese Haltung stets mit überzeugenden Gründen verteidigt. Immer wieder hat er erklärt, daß er bestimmte Revisionen des Versailler Vertrags nur mit friedlichen Mitteln zu erreichen gewillt sei.
Ich brauche die entsprechenden Zitate aus den Reden Hitlers nicht zu wiederholen, die bereits von der Anklage verlesen worden sind zum Beweise, in welcher Weise Hitler die Welt und das Volk, das er regiert hat, mit seinen Friedensreden getäuscht hat. Die Welt, das deutsche Volk eingeschlossen, hat die Erklärungen Hitlers ernst genommen, die er als verantwortlicher Regierungschef immer wieder abgab.
Warnende Stimmen, die schon früh überzeugt waren, daß Hitler den Krieg wollte, sind demgegenüber in der ganzen Welt in einer hoffnungslosen Minderheit geblieben.
Auf diesen Glauben der Welt, die die Friedensbeteuerungen Hitlers ernst nahm, hat auch die Anklage wiederholt hingewiesen, und der beste Beweis für die Friedenstäuschung auch der fremden Staatsmänner, die ebenfalls das Parteiprogramm kannten, ist wohl die Tatsache, daß diese Staatsmänner die Rüstung so sehr vernachlässigt haben gegen den Angriffskrieg Hitlers, an den in Deutschland und in der Welt ernstlich niemand glauben wollte, der nicht unmittelbar in die geheimen Pläne Hitlers eingeweiht war.
Mit dem Parteiprogramm und mit einzelnen wilden Reden, die vor dem Jahre 1933 in der Zeit der parlamentarischen Opposition gehalten wurden, läßt sich also nicht beweisen eine kontinuierliche Vorbereitung des Angriffskrieges seit den zwanziger Jahren, angeblich erkennbar für jeden, der das Parteiprogramm in die Hand nahm.
Die Anklage behauptet nun weiter: Wenn die Kriegsabsichten nicht erst allgemein erkennbar gewesen seien, so habe doch für den Angeklagten Frick die Absicht Hitlers, den Angriffskrieg vorzubereiten, klar sein müssen auf Grund der Aufgaben, die er seit dem 30. Januar 1933 in seiner Eigenschaft als Reichsminister des Innern zu erfüllen hatte.
Diese Tätigkeit schloß in sich Maßnahmen zur Festigung der innerpolitischen Macht Hitlers und seiner Partei, und die Anklage hat in diesem Zusammenhang hingewiesen auf die Mitwirkung Fricks bei den gesetzlichen Anordnungen, durch die im Parlament und im Lande die Opposition gegen das Regierungssystem Hitlers zerschlagen wurde, ferner die gesetzlichen Maßnahmen, durch die eine echte Selbstverwaltung beseitigt wurde in den Städten und Gemeinden; gesetzliche und verwaltungsmäßige Anordnungen, durch die die Gegner des nationalsozialistischen Systems von der Teilnahme an den Staatsgeschäften und dem wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen wurden.
Die Anklage hat darauf hingewiesen, daß ohne diese Maßnahmen Hitler einen neuen Krieg nicht hätte führen können. Für dessen erfolgversprechenden Beginn sei die vollständige Zerschlagung der Opposition im Lande eine notwendige Voraussetzung gewesen, besonders die Aufrichtung einer absoluten Diktatur Hitlers. Aber bei allen diesen Maßnahmen, die ich genannt habe, fehlt doch eine unmittelbare Verbindung zur Vorbereitung eines Krieges. Diese Maßnahmen hatten auch Sinn und Bedeutung ohne Verbindung mit einem späteren Krieg, als Aktion einer nationalsozialistischen Innenpolitik, und es ist nicht erwiesen, daß darüber hinaus der Angeklagte Frick über weitergehende Pläne Hitlers unterrichtet war, nämlich nach einer Festigung der Macht im Innern außenpolitische Ziele der Partei nicht mit friedlichen Mitteln zu verfolgen, sondern durch einen Krieg zu erzwingen.
Mit der rückschauenden Feststellung, daß die Festigung der innerpolitischen Macht für Hitler eine Voraussetzung war für seine später bekanntgewordenen Kriegsabsichten, ist also nichts gewonnen, wenn nicht der Nachweis hinzukommt, daß Hitler die innerpolitische Macht von Anfang an nur als eine Vorstufe zur Führung von Kriegen erstrebt und Frick dies erkannt hat, als er sich an den ihm zur Last gelegten innerpolitischen Maßnahmen beteiligte. Sonst unterliegen sie als rein innerpolitische Maßnahmen nicht einer Gerichtsbarkeit durch dieses Gericht entsprechend den Bestimmungen des Statuts.
Ein derartiger Nachweis fehlt aber, und es ist viel eher anzunehmen, daß Frick als ein typischer Beamter der Innenpolitik seine Maßnahmen angesehen hat als durchaus selbständige Aktionen, die nichts zu tun haben sollten mit außenpolitischen Gewaltlösungen.
Eine andere Beurteilung der Sachlage ergibt sich auch nicht aus den Maßnahmen, die unmittelbar die Wiederaufrüstung Deutschlands betrafen, also die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht und die Besetzung der entmilitarisierten Zone des Rheinlandes.
In seiner Eigenschaft als Reichsminister des Innern hat Frick die Verordnungen der zivilen Verwaltung erlassen zur Erfassung der Wehrpflichtigen und daher auch das Wehrgesetz selbst mit unterzeichnet.
Aber auch diese Maßnahmen waren nicht aus sich heraus als Vorbereitung eines Angriffskrieges zu erkennen. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Übernahme der Wehrhoheit über das entmilitarisierte Gebiet im Westen sind von Hitler selbst vor seinen Mitarbeitern und vor der Weltöffentlichkeit mit Argumenten begründet worden, deren Berechtigung damals weitgehend anerkannt worden ist; und auch zahlreiche ausländische Staatsmänner haben, nachdem der erste Schreck vorüber war, den wohlbegründeten Friedensbeteuerungen Hitlers noch geglaubt und die Auffassung vertreten, daß für kriegerische Absichten Hitlers kein Grund zu ernster Sorge gegeben sei.
Gewiß hat Hitler selbst am 23. November 1939 vor den Oberbefehlshabern erklärt – Dokument 789-PS, Exhibit Nummer US-23 –, daß er die Wehrmacht geschaffen habe, um mit ihr Krieg zu führen.
Aber diese Absicht hat Hitler vorher geschickt durch eine andere Begründung verdeckt, die ihm damals noch geglaubt wurde im Inlande und im Auslande und wie die Beweisaufnahme ergeben hat, auch von den Mitarbeitern im eigenen Kabinett, die nicht in seine geheimen Pläne eingeweiht waren.
So kommt es, daß mehrere der Angeklagten sich darauf berufen haben, daß sie zwar die Wiederherstellung einer deutschen Wehrmacht billigten, auch gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrags, daß sie aber nicht den Krieg wollten und ihre Mitwirkung auch nicht angesehen haben als eine Beteiligung an der Planung von Angriffskriegen.
Hinsichtlich des Angeklagten Frick ist nach Auffassung der Verteidigung der Beweis nicht geführt, daß Hitler ihn von seinen Kriegsplänen unterrichtet hat, und deshalb kann auch seine Mitwirkung bei den Maßnahmen zur Wiederherstellung einer deutschen Wehrmacht ihm nicht zur Last gelegt werden als vorsätzliche Mitwirkung bei der Planung von Angriffskriegen. Ähnlich liegt die Situation bei der Tätigkeit des Angeklagten, die zivile Verwaltung generell einzurichten für den Fall eines möglichen Krieges, eine Aufgabe, die dem Angeklagten unter der Bezeichnung »Generalbevollmächtigter für die Reichsverwaltung« übertragen wurde durch das zweite Reichsverteidigungsgesetz vom 4. September 1938.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß durch dieses zweite Reichsverteidigungsgesetz vom 4. September 1938 die Position des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung erst geschaffen wurde, die also in dem ersten Reichsverteidigungsgesetz vom 21. Mai 1935 noch nicht enthalten war.
Zwar gab es schon lange Zeit vorher, und zwar schon vor dem Jahre 1933, Besprechungen von Ministerialreferenten über das Thema »Reichsverteidigung«, die seit dem Jahre 1933 unter dem Namen »Reichsverteidigungsausschuß« in unregelmäßigen Zeitabschnitten zusammenkamen, wie sich aus Dokumenten ergibt, die die Anklage vorgelegt hat. Diese Besprechungen hatten nichts zu tun mit einer Verabredung zum Angriffskrieg, sie behandelten im allgemeinen Fragen der Reichsverteidigung, wie sie auch in anderen Ländern üblich sind. Durch das erste Reichsverteidigungsgesetz vom 21. Mai 1935 ist sodann die Organisation der Reichsverteidigung straffer zusammengefaßt worden, insbesondere durch die Bestellung eines Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft, und der Angeklagte Schacht hat bereits bei seiner Vernehmung im einzelnen dargelegt, daß diese Position nicht der Vorbereitung eines Angriffskrieges dienen sollte nach den Aufgaben und Anweisungen, wie sie im ersten Reichsverteidigungsgesetz sich finden, sondern der Einrichtung der Wirtschaft auf die Verteidigung für den Fall eines möglichen Angriffskrieges durch andere Staaten.
Nicht anders steht es mit der Position des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung, wie sie durch das zweite Reichsverteidigungsgesetz vom 4. September 1938 geschaffen wurde, die dem Angeklagten Frick übertragen war auf Grund seiner Stellung als Reichsminister des Innern.
Diese Position bedeutet die zusammenfassende Einrichtung der gesamten zivilen Verwaltung für Zwecke der Reichsverteidigung. Mag nun auch Hitler selbst nach den Urkunden, die vor diesem Gericht vorgelegt worden sind – zu der Zeit, als er das zweite Reichsverteidigungsgesetz veranlaßte –, bereits den Krieg gewollt haben, so ist doch für die Verteidigung des Angeklagten erheblich, ob Frick zu der damaligen Zeit die aggressiven Absichten Hitlers erkennen konnte aus dem Gesetz selbst und seinen Vorarbeiten oder aus sonstigen Unterlagen oder Informationen, die ihm damals mitgeteilt wurden.
Das Gesetz selbst läßt nicht die Absicht Hitlers erkennen, es als Instrument der Vorbereitung des Angriffskrieges zu verwenden auf den Gebieten des zivilen Lebens.
Die Art der Aufgaben, die dem Angeklagten Frick gestellt worden sind in seiner Eigenschaft als Generalbevollmächtigter für die Reichsverwaltung, betrafen lediglich eine Konzentrierung der inneren Verwaltung Deutschlands für den Fall irgendeines möglichen Krieges oder einer Kriegsdrohung, und nichts anderes ergibt sich auch aus dem nachträglich vorgelegten Dokument 3787-PS, US-782.
Die Ausdrucksweise des Gesetzes ist so, daß immer nur die Rede ist von einer Verteidigung des Reiches im Falle eines Krieges. Das Gesetz spricht vom »Verteidigungszustand« und nennt den Fall einer »überraschenden Bedrohung des Reichsgebietes«, bei dessen Eintritt bestimmte Maßnahmen getroffen werden müßten.
Dagegen läßt das Gesetz nicht durch irgendeinen Hinweis erkennen, entsprechend dem wiederholt erörterten Grundsatz Hitlers, der strikte auch gegenüber seinen nächsten Mitarbeitern durchgeführt wurde, niemand von seinen Plänen mehr wissen zu lassen, als der Betreffende für seine eigenen Arbeiten wissen mußte. Diesem Grundsatz entsprechend ist nicht anzunehmen und keinesfalls bewiesen, daß bei dem Auftrag für dieses Gesetz an das Innenministerium irgend etwas anderes mitgeteilt worden ist als die Notwendigkeit, gegen eine überraschende Bedrohung des Reichsgebiets durch den möglichen Angriff anderer Staaten Vorsorge zu treffen durch eine für diesen Fall vorgesehene Konzentrierung der Kräfte der inneren Verwaltung des Landes.
Ich brauche nicht eingehend darzulegen, daß eine solche Maßnahme nicht als vorsätzliche Vorbereitung eines Angriffskrieges gewertet werden kann, wenn sie den zuständigen Stellen der inneren Verwaltung als notwendig erklärt worden ist für die Verteidigung des Reiches gegen den drohenden Angriff eines anderen Staates, den Hitler sehr geschickt allen denen vorzutäuschen verstand, die seine geheimen Pläne nicht zu erkennen brauchten, die trotzdem seine Rüstung und die von ihm befohlene Einrichtung des Staates auf den Kriegsfall verstehen sollten.
Ich habe mich nun kurz zu befassen mit einigen weiteren Dokumenten, die die Tätigkeit des Angeklagten Frick als Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung zum Gegenstand haben.
Frick hat in einer Rede vom 7. März 1940 sich über diese Stellung ausgesprochen – Dokument 2608-PS, Exhibit Nummer US-714 – und erklärt, daß die planmäßige Vorbereitung der Verwaltung für den möglichen Fall eines Krieges schon während des Friedens erfolgt sei durch die Bestellung eines Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung.
Diese Rede bestätigt also nur, was sich schon aus dem Text des Gesetzes ergibt. Genau so verhält es sich mit dem Dokument 2986-PS, Exhibit Nummer US-409, einem Affidavit des Angeklagten, das das gleiche besagt.
Die Position des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung läßt sich deshalb auch nicht zusammen mit der Bestellung eines Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft und der Stellung des Chefs OKW nach diesem Gesetz bezeichnen als die eines »Triumvirats« für die Regierungsbefugnisse in Deutschland. Von einer Regierung durch ein solches Triumvirat ist inner- und außerhalb Deutschlands niemals etwas bekanntgeworden, und auch der Zeuge Lammers hat auf die absolut untergeordneten Aufgaben hingewiesen, die durch diese Personen im Wege von Verordnungen erledigt worden sind, Aufgaben, die mit der Vorbereitung eines Angriffskrieges nichts zu tun hatten.
Ein anderes Tätigkeitsgebiet des Angeklagten wird von der Anklage ebenfalls gewertet als Teilnahme an der Vorbereitung zum Angriffskriege, nämlich die Arbeit Fricks für den Verein für das Deutschtum im Auslande.
Ich verweise auf die Dokumente Frick-Exhibit Nummer 4, Dokument 14 und 3258-PS, das letztere vorgelegt als GB-262. Beide Dokumente ergeben, daß Frick den genannten Verein als einen Zusammenschluß zur Pflege kultureller Beziehungen der Deutschen im Auslande unterstützt und dessen kulturelle Bestrebungen gefördert hat. Die Dokumente ergeben aber nicht, daß Frick irgendeine Tätigkeit entfaltet hat zur Förderung der Ziele einer sogenannten »Fünften Kolonne« im Auslande. Ein weiteres Dokument, aus dem die Anklage eine Billigung der Politik des Angriffskrieges durch Frick entnommen hat, ist das Affidavit von Messersmith, 2385-PS, Exhibit Nummer US-68. Dieses Affidavit ist von mehreren Angeklagten als fehlerhaft bezeichnet worden, und insbesondere der Angeklagte Schacht hat bei seiner Vernehmung den Beweis geführt, daß es in wesentlichen Punkten überhaupt nicht richtig sein kann.
Die Anklage hat den Zeugen nicht zum Kreuzverhör stellen können. Gegen eine Verwertung des Affidavits erhebe ich für Frick Einspruch, zumal eine zusätzliche aufklärende Befragung des Zeugen durch schriftliche Fragebogen nur zu dem Ergebnis geführt hat, daß der Zeuge mit allgemeinen Redewendungen eine konkrete Beantwortung der ihm gestellten Fragen umgangen hat. Die Beantwortung des Fragebogens zeigt deutlich genug, daß Messersmith konkrete Angaben gar nicht machen kann und offenbar in seinem Affidavit sich über sein Erinnerungsvermögen selbst erheblich getäuscht hat.
Ich glaube nicht, daß sein in wesentlichen Punkten widerlegtes Affidavit für ein gerichtliches Urteil verwertet werden kann. Zu dem Thema, ob der Angeklagte Frick sich an einer bewußten Vorbereitung des Angriffskrieges beteiligt habe, hat die Anklage weiter vorgelegt das Dokument D-44, Exhibit Nummer US- 428. Aus diesem Dokument ergibt sich, daß das Reichsministerium des Innern im Jahre 1933 eine Anweisung gegeben haben soll, amtliche Veröffentlichungen nicht in einer Form abzufassen, die dem Ausland Gelegenheit geben könnte, einen Verstoß gegen den Versailler Vertrag aus den Veröffentlichungen zu entnehmen. Das Dokument läßt nicht erkennen, ob mit den Weisungen tatsächlich Vertragsverletzungen verdeckt werden sollten oder ob es sich darum handelte, nur den Anschein von Vertragsverletzungen zu vermeiden. Ähnlich liegt das Problem bei dem Dokument 1850-PS, Exhibit Nummer US-742.
Es handelt sich dabei um die Niederschrift über eine Besprechung zwischen der Führung der SA und dem Reichswehrminister, der der SA im Jahre 1933 den Vorschlag machte, Haushaltmittel des Reiches zur militärischen Ausbildung der SA durch das Reichsministerium des Innern festsetzen zu lassen. Das Dokument läßt nicht erkennen, wie sich das Reichsministerium des Innern zu diesem Vorschlag verhalten hat, und wenn es ihn angenommen hätte, würde dies wiederum nicht mehr beweisen, als daß das Reichsministerium des Innern die Wiederherstellung einer deutschen Wehrmacht gefördert hat, eine Tatsache, die ohnehin bewiesen ist.
Alle diese Dokumente erbringen also nicht den Beweis, daß der Angeklagte Frick die Maßnahmen als Vorbereitung zum Angriffskrieg erkannt hat, die Hitler als notwendig für die Verteidigung des Reiches anordnete.
Während des Krieges im Jahre 1941, wenige Tage vor dem Beginn des Krieges mit der Sowjetunion, hat allerdings eine Besprechung stattgefunden zwischen dem Angeklagten Rosenberg und Vertretern von Ministerien über Maßnahmen bei einer möglichen Besetzung von Gebieten der Sowjetunion. Es ergibt sich dies aus dem Dokument 1039-PS, Exhibit Nummer US-146, dem Bericht Rosenbergs über diese Verhandlungen, in dem es heißt, daß Verhandlungen stattgefunden haben mit »Reichsminister Frick (Staatssekretär Stuckart)«. Diese Einklammerung besagt, daß das Reichsministerium des Innern bei diesen Verhandlungen vertreten war durch den Staatssekretär Stuckart, also Frick persönlich an den Verhandlungen nicht teilgenommen hat.
Da die Verhandlungen nur wenige Tage vor dem Beginn des Krieges im Osten stattfanden, ist durch das Dokument nicht erwiesen, daß Frick selbst von den Verhandlungen noch vor dem Beginn des Krieges Kenntnis erhalten hat, der sodann ja von Hitler, wie allgemein bekannt ist, proklamiert wurde als eine notwendige Maßnahme der Verteidigung gegen einen unmittelbar bevorstehenden Angriff der Sowjetunion. Wie sehr Hitler seine wirklichen Angriffsabsichten geheim hielt und überhaupt das wahre Ziel aller seiner politischen Maßnahmen, den Krieg, zu verdecken verstand durch Jahre hindurch mit tausend überzeugenden Gründen, mit denen er die Einzelmaßnahmen seiner Angriffspolitik rechtfertigte, ist durch zahlreiche Beweise in diesem Prozeß geklärt worden.
Es gab einen sehr engen Kreis von Mitarbeitern, die Hitler über seine Kriegspläne unterrichtete, aber dieser Kreis war nicht ausgewählt nach der Stellung des Betreffenden im Kabinett oder nach seiner Position in der Parteihierarchie, sondern ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, ob der Betreffende mit Rücksicht auf seine eigenen Arbeiten im Rahmen der Vorbereitungen des Krieges den aggressiven Charakter der allgemeinen Politik Hitlers kennen mußte oder sogar seine detaillierten Angriffspläne. Das Dokument 386-PS – Exhibit Nummer US-25 – ergibt, mit welcher Konsequenz das Prinzip der Geheimhaltung gewahrt worden ist, selbst gegenüber älteren Mitgliedern der Partei und den Verwaltern wichtiger Ressorts im Reichskabinett.
Wer, wie der Minister des Innern, im Rahmen der Kriegsvorbereitungen nur Maßnahmen durchzuführen hatte, die als Aufgaben einer reinen Defensive die gleichen sein konnten, wurde in Beachtung des Hitlerschen Prinzips über seine Angriffsabsichten nicht unterrichtet.
Aus diesem Grunde ist die Anwesenheit des Angeklagten Frick auch bei keiner einzigen dieser geheimen Konferenzen verzeichnet, in denen Hitler seine außenpolitischen Pläne und seine Kriegsziele einem Kreise ausgewählter Männer bekanntgab. Insbesondere die Ausschaltung des Reichskabinetts als Gremium für die Bekanntgabe solcher Pläne hat Hitler in dem soeben erwähnten Dokument 386-PS ausdrücklich betont und begründet. In einer anderen Niederschrift über eine ähnliche Konferenz – Dokument L-79, Exhibit US-27 – ist der weitere Grundsatz niedergelegt, daß niemand etwas von den Kriegsplänen erfahren darf, der nicht für seine Arbeit direkt diese Pläne kennen muß.
Nicht nur bei den Besprechungen Hitlers über seine Angriffspolitik, die vor Beginn des Krieges stattfanden, fehlt der Name Fricks auf der Liste der Anwesenden. Das gleiche gilt auch bei den zahlreichen Konferenzen über die weiteren Kriegsziele und Angriffsabsichten Hitlers, die während des Krieges abgehalten wurden. Auch über die späteren Angriffe ist Frick nicht unterrichtet oder in ihre Bearbeitung eingeschaltet worden, wie sich aus den Vorträgen Hitlers über seine Pläne und den jeweiligen Listen der Anwesenden ergibt, die zum Teil hier vorgelegt worden sind.
Frick, ein reiner Fachmann der inneren Verwaltung, der für militärische und außenpolitische Fragen nicht als kompetent galt, war gut genug für die Einrichtung der zivilen Verwaltung für den Fall irgendeines möglichen Krieges, ihn gingen nach der Auffassung Hitlers seine außenpolitischen und seine militärischen Pläne nichts an.
Die Anklage behauptet jedoch weiter, daß nach der Eroberung fremder Gebiete und nach ihrer Besetzung der Angeklagte Frick die Verwaltungspolitik in diesen Gebieten bestimmt habe und für diese verantwortlich sei, und die Anklage wertet diese Tätigkeit des Angeklagten gemäß Artikel 6, Buchstaben a des Statuts, als »Beteiligung an der Durchführung von Angriffskriegen«.
Nach den Darlegungen der Anklage soll Frick über die besetzten Gebiete ein »over-all control« ausgeübt haben, insbesondere in seiner Eigenschaft als Chef der »Zentralstelle« für die besetzten Gebiete.
Auf Grund der gleichen Funktion soll er verantwortlich sein für alle Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in den besetzten und eingegliederten Gebieten vor und während des Krieges begangen worden sind bis zu seiner Abberufung als Reichsminister des Innern am 20. August 1943.
Es ist eine Frage der Rechtsauslegung, ob die Betätigung in der Verwaltung von besetzten Gebieten gemäß Artikel 6 Buchstaben a des Statuts zu werten ist als »Durchführung von Angriffskriegen«, oder ob eine Strafbarkeit nur in Betracht kommt unter dem Gesichtspunkt von Verbrechen gegen das Kriegsrecht oder gegen die Humanität. Für die Entscheidung dieser Frage scheint mir wesentlich, daß es nicht zu den Aufgaben der Beamten einer zivilen Verwaltung gehört, nachdem die Kriegshandlungen abgeschlossen sind, zu prüfen, ob eine rechtmäßige oder eine unrechtmäßige Besetzung vorliegt nach den Normen des Völkerrechts. Eine solche Prüfungspflicht würde für das Ressort der zivilen Verwaltung, auch für den Verwaltungschef, eine Überspannung bedeuten, dessen Tätigkeit nicht als rechtswidrig bezeichnet werden kann mit der Begründung, daß das von ihm verwaltete Gebiet vor kurzer oder sogar vor langer Zeit entgegen den Bestimmungen des Völkerrechts annektiert worden sei. Eine solche Prüfungspflicht gibt es nicht in der Praxis der zivilen Verwaltung.
Das Statut zwingt auch nicht zu einer derartigen Auslegung, da unter einer Durchführung von Angriffskriegen bei ungezwungener Auslegung die Kriegshandlungen selbst zu verstehen sind, nicht aber die spätere zivile Verwaltung eroberter Gebiete. Durch eine solche Auslegung würde nicht unmöglich gemacht werden die Bestrafung von Verbrechen, die sich in der Verwaltung der besetzten Gebiete ereignet haben. Diese Verbrechen unterliegen als Verbrechen gegen die Humanität oder gegen das Kriegsrecht ohnehin einer Bestrafung nach dem Statut.
Es ist nun anschließend zu erörtern, für welche Gebiete im einzelnen der Angeklagte Frick eine Verantwortlichkeit trägt. Es sind dies zunächst die Gebiete, die staatsrechtlich eingegliedert worden sind in den Staatsverband des Deutschen Reiches und die deshalb »eingegliederte Gebiete« genannt wurden. Diese Gebiete kamen mit der staatsrechtlichen Einordnung in das Reich unter dessen Verwaltung, aber auch nur insoweit, also unter die Autorität des Reichsministers des Innern, so daß für die innere Verwaltung dieser Gebiete der Angeklagte Frick bis zum 20. August 1943 die staatsrechtliche Verantwortung eines Ministers trägt. Im Osten handelte es sich dabei im wesentlichen um die Gebiete Westpreußen – Posen – Danzig, also die sogenannten eingegliederten Ostgebiete, die bis zum Versailler Vertrag zum Staatsverband des Deutschen Reiches gehört hatten. Im Osten erfuhr die gleiche staatsrechtliche Behandlung das Gebiet von Memel, im Westen das Gebiet von Eupen- Malmedy und im Südosten das Sudetenland. Ferner wurde in den Staatsverband des Deutschen Reiches aufgenommen das Land Österreich.
Für alle diese Gebiete ist Frick beteiligt an den Gesetzen und Verwaltungsmaßnahmen, durch die die Eingliederung herbeigeführt wurde. Er trägt für die innere Verwaltung dieser Gebiete die übliche Verantwortung eines Innenministers bis zu seiner Verabschiedung im August 1943.
Für das Gebiet von Böhmen und Mähren bestand dagegen eine eigene Protektoratsregierung, die in dem Erlaß über die Errichtung des Protektorats – Dokument 2119-PS – als autonom bezeichnet ist und entsprechend auch durch das Reichsministerium des Innern nicht kontrolliert wurde. In ähnlicher Weise bestand eine vom Reichsministerium des Innern nicht abhängige Verwaltung in den polnischen Gebieten, die unter der Bezeichnung »Generalgouvernement« zusammengefaßt und einem »Generalgouverneur« unterstellt worden sind. Im Gegensatz zu den sogenannten »eingegliederten Ostgebieten« hatte das Reichsministerium des Innern keinerlei Weisungsrecht oder Verwaltungsbefugnisse für das Generalgouvernement – Dokument 3079-PS –, welches den Erlaß Hitlers enthält über die Verwaltung der besetzten polnischen Gebiete. Dasselbe ergibt sich aus zahlreichen anderen Dokumenten, unter anderem dem Dokument USSR-223, dem Tagebuch von Frank, in dem dieser erklärt, daß in seinem Gebiet keinerlei Reichszentralen hineinzuregieren befugt seien.
Das gleiche gilt für alle anderen besetzten Gebiete, für die unter irgendeiner Rechtsform eine besondere Verwaltung bestellt worden ist.
Diese eigenen Verwaltungen waren jeweils nicht abhängig von den entsprechenden Ressortministerien im Reich, sondern sie unterstanden dem jeweiligen Verwaltungschef des betreffenden Gebiets, der seinerseits direkt Hitler untergeordnet war.
Dies gilt für die besetzten sowjetrussischen Gebiete, deren Verwaltung im ganzen einem Reichsminister für die besetzten Ostgebiete unterstand. Dasselbe trifft zu für Norwegen, für das ein Reichskommissar bestellt war. Für die Niederlande war in ähnlicher Weise ein Reichskommissar bestellt, der ebenfalls vom Reichsministerium des Innern unabhängig und Hitler direkt unterstellt war.
In Luxemburg, dem Elsaß und in Lothringen gab es ebenfalls vom Reichsministerium des Innern nicht abhängige Chefs der Zivilverwaltungen, während in Belgien und Nordfrankreich eine Militärverwaltung bestand, die ebenfalls vom Reichsministerium des Innern nicht abhängig war.
In gleicher Weise waren die Verwaltungschefs der Gebiete, die im Südosten Europas besetzt waren, vom Reichsministerium des Innern absolut unabhängig.
Für einen Teil der besetzten Gebiete findet sich nun in dem jeweiligen Dekret über die Schaffung einer eigenen zivilen Verwaltung die Bestimmung, daß der Reichsminister des Innern zur Zentralstelle bestimmt werde, und aus dieser Formulierung hat die Anklage eine Verantwortlichkeit des Angeklagten Frick für die Verwaltung aller Gebiete hergeleitet, wie in der Anklageschrift ausgeführt ist.
Die tatsächlichen Aufgaben der Zentralstelle ergaben sich aus der Verordnung über die Errichtung einer Zentralstelle für Norwegen, Dokument 3082-PS oder Nummer 24 im Dokumentenbuch Frick. Eine weitere Erläuterung der Aufgaben hat der Zeuge Dr. Lammers gegeben. Damals hatte die Zentralstelle in erster Linie die Aufgabe, den Chefs der Zivilverwaltungen in den besetzten Gebieten auf eine entsprechende Anforderung hin Personal zur Verfügung zu stellen. Wenn also für irgendein Gebiet ein ziviler Beamter benötigt wurde, wandte sich die Verwaltung des betreffenden Gebietes an die Zentralstelle im Reichsministerium des Innern, die dann irgendeinen Beamten aus dem Reich dem Chef der Zivilverwaltung zur Verfügung stellte. Dazu war das Reichsministerium des Innern besonders geeignet, da es über zahlreiche Beamte der inneren Verwaltung in Deutschland verfügte.
Aber die Abgabe eines Beamten aus dem eigenen Ressort an eine andere Dienststelle, die von diesem Zeitpunkt an allein den Beamten mit ihren Weisungen versieht, begründet nicht eine Verantwortlichkeit für die weitere Tätigkeit dieses Beamten in seinem neuen Ressort, dem das Reichsministerium des Innern keinerlei Weisungen geben konnte. Ein Beispiel: Wenn der Justizminister einen seiner Beamten dem Außenminister überläßt, so trägt für die weitere Tätigkeit dieses Beamten natürlich nur der Außenminister die Verantwortung. Diese Tätigkeit der Zentralstelle rechtfertigt also nicht die Annahme einer Verantwortlichkeit für die Verwaltung der besetzten Gebiete durch Frick.
Die Anforderung von Beamten für die besetzten Gebiete war im Reichsministerium des Innern zusammengefaßt, und das ist, wie die Vernehmung des Zeugen Lammers ergeben hat, – ich zitiere aus dem eben genannten Dokument 3082-PS:
die »... einheitliche, auf die Bedürfnisse Norwegens abzustimmende Zusammenarbeit der Obersten Reichsbehörden untereinander und mit dem Reichskommissar«. –
Entsprechend hat auch die Beweisaufnahme der Angeklagten Rosenberg, Frank, Seyß-Inquart, die als Chefs der Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten fungiert haben, in keinem Falle eine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit dem Angeklagten Frick ergeben, in seiner Eigenschaft als Reichsminister des Innern oder als Leiter der Zentralstelle in diesem Ministerium.
Nun hat die Anklage auf mehrere Dokumente verwiesen, um zu beweisen, daß der Angeklagte Frick eine umfassende Kontrolle ausgeübt habe über alle besetzten Gebiete. Aus den Dokumenten ergibt sich jedoch tatsächlich keine weitergehende Verwaltungstätigkeit, als ich sie soeben dargelegt habe. Das Dokument 3304-PS beweist eine Verwaltungstätigkeit für die eingegliederten Ostgebiete. Das deckt sich mit meinem Sachvortrag, daß die eingegliederten Ostgebiete in ihrer inneren Verwaltung dem Reichsministerium des Innern unterstellt waren auf Grund ihrer staatsrechtlichen Eingliederung in den Staatsverband des Deutschen Reiches. Dieses Dokument bezieht sich aber nicht auf die Verwaltung der besetzten Ostgebiete, also des Generalgouvernements oder der besetzten sowjetrussischen Gebiete.
Das weiter vorgelegte Dokument 1039-PS, Exhibit Nummer US-146, beweist die Abgabe von Verwaltungsbeamten aus dem Ressort des Reichsministeriums des Innern an den Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, also die typische Aufgabe der Zentralstelle, auf die ich bereits eingegangen bin.
Weiter hat die Anklage Urkunden vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß das Reichsministerium des Innern mitgewirkt hat bei der Verleihung der Staatsangehörigkeit. Auch dieser Umstand beweist aber nicht eine Verwaltungsbefugnis des Angeklagten Frick für die besetzten Gebiete, sondern wiederum eine typische Tätigkeit eines Innenministers, dessen Ressort generell zuständig ist für die Regelung der deutschen Staatsangehörigkeit, auch wenn diese sich auf Personen bezieht, die außerhalb des Reichsgebietes leben. Auch aus dieser Tätigkeit des Innenministers läßt sich also eine umfassende Verwaltungspolitik und generelle Verantwortung des Angeklagten Frick für die Verwaltung der besetzten Gebiete nicht beweisen.
Frick hatte insbesondere in den besetzten Gebieten, die nicht in das Reichsgebiet eingegliedert waren, keinerlei Befugnisse oder Zuständigkeit im Aufgabenkreis der Polizei.
Für die besetzten Gebiete sind die polizeilichen Aufgaben von Hitler direkt auf Himmler übertragen worden, vergleiche das Dokument 1997-PS, Exhibit Nummer US-319, den Erlaß Hitlers über die polizeiliche Sicherung der Ostgebiete, die unmittelbar auf Himmler übertragen wurde.
Das gleiche ergibt sich aus dem Dokument 447-PS, Exhibit Nummer US-135, einer Weisung des OKW vom 13. März 1941, in der es heißt, daß der Reichsführer-SS in den besetzten Ostgebieten Sonderaufgaben erhält, hinsichtlich deren Ausführung er selbständig handelt und in eigener Verantwortung. Nicht anders steht es auch mit den polizeilichen Aufgaben in den anderen besetzten Gebieten, die jeweils entweder dem Reichsführer-SS Himmler übertragen waren oder SS- und Polizeiführern, die disziplinär wiederum nur Himmler unterstanden, in manchen Fällen aber sachlich eingeordnet waren in den Dienstbereich des in Frage kommenden Chefs der Zivilverwaltung, zum Beispiel des Generalgouverneurs in Polen, vergleiche den im Dokumentenbuch Frick unter Nummer 25 aufgenommenen Auszug aus dem Tagebuch Franks, auch USSR-223. In keinem Fall unterstanden also die polizeilichen Aufgaben in den besetzten Gebieten dem Angeklagten Frick.
Für Verbrechen gegen das Kriegsrecht und gegen die Humanität in den besetzten Gebieten ist deshalb eine Verantwortlichkeit des Angeklagten Frick nicht gegeben, da er in diesen Gebieten Verbrechen weder befehlen noch verhindern konnte.
Für das Gebiet des Deutschen Reiches habe ich nun einzugehen auf die von der Anklage behauptete Verantwortlichkeit des Angeklagten Frick für alle Maßnahmen der Polizei, einschließlich der Gestapo, sowie der Einrichtung und Verwaltung der Konzentrationslager. Ich darf zunächst auf die Dokumente meines Beweisvortrages Bezug nehmen, aus denen sich ergibt, daß die Polizei einschließlich der Politischen Polizei im Jahre 1933 noch eine Angelegenheit der einzelnen Länder innerhalb des Reiches war, also Preußens, Bayerns und so weiter.
Entsprechend sind in Preußen die Geheime Staatspolizei und die Konzentrationslager durch Göring in seiner Eigenschaft als preußischer Minister des Innern eingerichtet und verwaltet worden. Die Aufgaben der Politischen Polizei gingen sodann durch ein preußisches Gesetz vom 30. November 1933 auf das Amt des preußischen Ministerpräsidenten über, das ebenfalls von Göring verwaltet wurde, so daß Frick bei der Vereinigung der Ämter des Reichs- und preußischen Innenministers im Frühjahr 1934 die Aufgaben der Politischen Polizei nicht übernahm, diese vielmehr bei Göring als dem Ministerpräsidenten verblieben. Eine ähnliche Regelung bestand in den anderen Ländern, in denen nach und nach Himmler zum speziellen Beauftragten für die Politische Polizei bestellt wurde.
Der Reichsminister des Innern hatte während dieser Zeit nur das Recht der sogenannten »Reichsaufsicht« über die Länder, von dem Frick Gebrauch gemacht hat durch den Erlaß von allgemeinen Weisungen und Rechtsverordnungen; und hier war der einzige Punkt, an dem Frick als Minister des Reiches einen Einfluß ausüben konnte auf die Angelegenheiten der Politischen Polizei und der Konzentrationslager.
Frick hat diese Möglichkeit benutzt, um im Sinne seiner durch den Zeugen Gisevius bestätigten Grundhaltung Willkürmaßnahmen der Politischen Polizei zu verhindern und abzustellen, soweit dies unter den damaligen Verhältnissen in seinen Kräften stand. Er hat versucht, durch den Erlaß von Rechts- und Verfahrensbestimmungen die willkürliche Praxis der Politischen Polizei der Länder einzuengen.
Ich verweise auf das Dokument 779-PS, das ich als Frick-Exhibit Nummer 6 vorgelegt habe. Es handelt sich dabei um einen Erlaß vom 12. April 1934, der entsprechende einengende Bestimmungen enthält unter der bezeichnenden Präambel, ich zitiere:
»Um den bei der Verhängung der Schutzhaft aufgetretenen Mißbräuchen abzuhelfen...«
Es folgen dann Anweisungen an die Regierungen der Länder, die die Anordnung der Schutzhaft in zahlreichen Fällen verbieten, in denen sie bisher mißbräuchlich von der Gestapo angeordnet worden war. In diesem Kampf Fricks gegen Willkürmaßnahmen der Politischen Polizei der Länder hatte diese allerdings den längeren Atem, da sie unter der Leitung von Göring und Himmler stand, denen der »Bürokrat« Frick – wie Hitler ihn verächtlich nannte – an Einfluß in Partei und Staat nicht annähernd gleichkam.
Die Politische Polizei der Länder hat deshalb vielfach in der Praxis die Rechtsverordnungen Fricks nicht beachtet. Aber Frick hat dem nicht tatenlos zugesehen, solange er glauben konnte, durch seine Intervention die wilde Praxis der Politischen Polizei der Länder in geordnete und von Rechtsvorschriften geleitete Bahnen zu lenken. Ich verweise auf das Dokument 775-PS, Frick-Exhibit Nummer 9, ein Memorandum Fricks an Hitler, das klar und deutlich die Dinge bei ihrem Namen nennt, von Rechtsunsicherheit, Unruhe und Verbitterung spricht und Einzelfälle einer mißbräuchlichen Handhabung des Rechts der Schutzhaft durch die Politische Polizei der Länder scharf rügt. Ich schalte hier ein: Das gleiche Dokument beweist auch, daß der Angeklagte sich im Kirchenkampf eindeutig auf die Seite der Kirche gestellt hat, wie dies außerdem durch das Dokument Neurath Exhibit Nummer 1 bestätigt ist.
Der Zeuge Gisevius hat in seiner Aussage auf ein weiteres Memorandum hingewiesen, das er selbst für Frick entworfen hat, als einen weiteren Versuch, durch eine scharfe Kritik und Vorschläge einer Rechtskontrolle der willkürlichen Praxis der Politischen Polizei der Länder Einhalt zu gebieten. Alle diese Versuche haben aber keinen Erfolg gehabt, weil der politische Einfluß Fricks zu gering war, und er sich gegenüber Göring und Himmler nicht durchsetzen konnte, und – was Frick selbst damals noch nicht erkennen konnte – weil die Praxis von Göring und Himmler wesentlich dem entsprach, was Hitler in Wirklichkeit selbst wollte.
Die von der Anklage vorgelegten Dokumente zeigen also in Verbindung mit den von der Verteidigung angebotenen Beweismitteln, daß Frick auf dem Gebiete der Politischen Polizei und der Anordnung der Schutzhaft eine gewisse Zuständigkeit hatte zu einer Zeit, als die Polizei noch zu den Aufgaben der Einzelstaaten gehörte. Diese Beweismittel zeigen auch, daß die Zuständigkeit Fricks während dieser Zeit nur eine sehr beschränkte war, und sie zeigen weiter, daß Frick im Rahmen seiner Zuständigkeit ausschließlich tätig geworden ist, um gegen Terror und Willkür der Gestapo einzuschreiten durch allgemeine Weisungen und durch mehrfache Beschwerden in Einzelfällen, so daß nicht der Schluß gerechtfertigt ist, daß Frick sich an den Terror- und Gewaltmaßnahmen der Gestapo in irgendeiner Weise positiv beteiligt hat.
An einem späteren Zeitpunkt hat sich die rechtliche Situation geändert. Durch den Erlaß Hitlers vom 17. Juni 1936 – Dokument 2073-PS, im Dokumentenbuch Frick Nummer 35 – wurden die Aufgaben der Polizei für das gesamte Reichsgebiet zusammengefaßt und einheitlich an Himmler übertragen, dessen Behörde formell eingegliedert wurde in das Reichsministerium des Innern unter der Bezeichnung »Reichsführer- SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern«.
Die Frage ist nun, ob der Angeklagte Frick in seiner Eigenschaft als Reichsminister des Innern durch diese Neuregelung irgendeine Befehlsgewalt oder ein praktisch durchsetzbares Weisungsrecht erhalten hat über die Politische Polizei, ihre Ämter und ihre Beamten. Als Himmler auf seinen eigenen Wunsch, den er auf Grund seines Einflusses bei Hitler durchsetzen konnte, zum Polizeichef für das ganze Reich ernannt wurde, gab es in Deutschland kein eigenes Polizei- oder Sicherheitsministerium. Darauf ist es zurückzuführen, daß die einheitliche Leitung der Polizei in der Person Himmlers formell in das Reichsministerium des Innern eingegliedert wurde.
Himmler sollte aber mehr sein als ein Abteilungsleiter im Innenministerium. Für ihn und seine Zwecke wurde deshalb eine für das deutsche Verwaltungsrecht völlig neuartige Position geschaffen: Das gesamte Aufgabengebiet der Polizei wurde von den übrigen Sachgebieten des Innenministeriums abgetrennt und Himmler gesondert unterstellt unter einer neugeschaffenen Amtsbezeichnung, die als eine staatliche Dienststelle die Worte »Reichsführer-SS« enthielt, also Himmler die Möglichkeit gab, staatlich-polizeiliche Aufgaben unter einer Amtsbezeichnung durchzuführen, die ihn als Reichsführer der SS und damit als eine oberste Parteidienststelle kennzeichnete und in dieser Eigenschaft unabhängig erscheinen ließ von irgendwelchen Anweisungen eines staatlichen Ministers.
Um auch in der beamtenmäßigen Einordnung die Unabhängigkeit seines Amtes noch besonders zu betonen, erhielt Himmler weiter von Anfang an das Recht, wie ein Reichsminister die Angelegenheiten der Polizei im Kabinett selbständig und in eigener Verantwortung zu vertreten, wie sich dies aus dem Erlaß über seine Ernennung – 2073-PS – ergibt.
Dieser Erlaß ist geradezu ein Musterbeispiel einer Überschneidung von Kompetenzen, die Hitler in seinem Regierungssystem so bevorzugte.
Himmler war in das Innenministerium eingegliedert und als Beamter des Innenministeriums formell gebunden an Weisungen des Ministers. Aber er war auch selbständiger Polizeichef mit dem Recht, im Kabinett in eigener Verantwortung die Angelegenheiten der Polizei zu vertreten und also dort Frick auszuschalten. Außerdem konnte er seine Anordnungen gleichzeitig mit der Autorität eines Reichsführer-SS versehen, in die Frick überhaupt nicht hineinzureden befugt war.
Bei der tatsächlichen Auswirkung dieser verwickelten Regelung kam der überragende Einfluß Himmlers auf Hitler noch verstärkend hinzu.
Frick hat noch wiederholt versucht, gemäß seiner Überzeugung zur Sicherung eines geordneten Staatsapparates sich einzuschalten durch allgemeine Weisungen, durch die Willkürakte der Politischen Polizei verhindert werden sollten.
Noch durch einen Erlaß vom 25. Januar 1938 hat er versucht, die Zulässigkeit der Schutzhaft einzuschränken, und er hat sie verboten für eine Reihe von Fällen einer mißbräuchlichen Anwendung.
Ich verweise auf das Dokument 1723-PS, Exhibit Nummer US-206, von dem sich ein Auszug im Dokumentenbuch Frick als Nummer 36 findet. Er verbot die Schutzhaft als Ersatz oder neben einer gerichtlichen Bestrafung, verbot ihre Anordnung durch mittlere oder untere Instanzen der Polizei; er ordnete die obligatorische vorherige Anhörung des Beschuldigten an, er verfügte eine regelmäßige Überprüfung der Fortdauer der Haftgründe, und er verbot grundsätzlich die Anordnung der Haft gegen Ausländer, gegen die die Polizei bei staatsgefährdendem Verhalten nur das Recht einer Ausweisung aus dem Reichsgebiet haben würde.
Die Einwendung liegt nahe, daß die Praxis der Gestapo sich um alle diese Weisungen Fricks nicht gekümmert hat, und Himmler und seine Unterführer eine absolute Herrschaft des Terrors und der Gewalt aufrechterhalten hätten.
Das ist zutreffend und durch den Zeugen Gisevius in Einzelheiten bestätigt worden.
Aber es kommt mir für die Verteidigung Fricks auf etwas anderes an: zu zeigen, daß Frick selbst derartige Willkürakte mißbilligt und versucht hat, was in seinen Kräften stand, um derartigen Willkürakten entgegenzutreten.
Schließlich verbot Hitler ihm aber auch dies. Er ließ ihm durch Lammers mitteilen – wie dieser als Zeuge bestätigt hat –, daß er sich um die Angelegenheiten der Polizei nicht kümmern solle, das mache Himmler besser allein, die Polizei sei bei Himmler gut aufgehoben.
So hat Himmler am Ende die Polizei vollständig in der Hand gehabt, und er hat dies auch äußerlich dadurch zum Ausdruck gebracht, daß er mit Einverständnis Hitlers nach einiger Zeit den Zusatz »im Reichsministerium des Innern« in seiner Dienstbezeichnung nicht mehr geführt hat, sondern sich nur noch »Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei« nannte, wie sich ebenfalls aus der Aussage des Zeugen Lammers ergibt.
Ich glaube, daß bei dieser Sachlage das Problem einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten Frick für die Politische Polizei und deren Maßnahmen der Willkür nicht mit der Tatsache entschieden ist, daß die gesamte Polizei seit dem Jahre 1936 formell eingegliedert war in das Reichsministerium des Innern, da erwiesen ist, daß Frick selbst sich an Akten der Willkür nicht beteiligt hat, er im Gegenteil immer wieder versucht hat, gegen eine solche Praxis der Willkür einzuschreiten mit seinen Kräften, die jedoch der Persönlichkeit und dem Einfluß Himmlers bei Hitler in keiner Weise gewachsen waren.
Für eine gerechte Beurteilung bitte ich, es auf die tatsächlichen Befehls- und Machtverhältnisse abzustellen und nicht auf das rein äußerliche Indiz einer formellen Eingliederung der fraglichen Aufgaben in das Reichsministerium des Innern.
Ich schalte hier folgendes ein:
Die Anklage hat in ihrem Vortrag vom 3. Juli 1946 noch das Dokument D-181, GB-528, vorgelegt und dazu erklärt, daß dieses Dokument beweise, daß die Politische Polizei nicht nur formell in das Innenministerium eingegliedert gewesen sei, sondern daß Frick die tatsächliche Verantwortung für die Maßnahmen der Polizei trage. Tatsächlich ergibt das Dokument jedoch nur, daß Frick als Innenminister eingeschaltet war in das Verfahren bei der Sterilisierung von sogenannten Erbkranken. Das Dokument hat mit irgendwelchen Maßnahmen der Polizei nichts zu tun und erst recht nichts mit Maßnahmen der Politischen Polizei. Es gibt auch keinerlei Aufschluß über die Position Himmlers im Innenministerium.
Ich fahre dann in meinem Plädoyer fort:
In diesem Zusammenhang habe ich noch kurz auf den Hinweis der Anklage einzugehen, daß der Erlaß Hitlers über die Einsetzung Himmlers zum Chef der Deutschen Polizei – das Dokument 2073-PS – von Frick selbst mitunterzeichnet ist.
Ich glaube, daß das Verhältnis zwischen Frick und Himmler und die unterschiedlichen Beziehungen beider zu Hitler genügend geklärt sind, um den Schluß zu rechtfertigen, daß die Einsetzung Himmlers allein einer Abmachung entsprach zwischen Hitler und Himmler, gegen die ein Widerspruch Fricks aussichtslos war. Es handelt sich um das gleiche Problem, das so viele Angeklagte betrifft, nämlich das der formellen Mitzeichnung eines Befehls, der von Hitler angeordnet war und vom Chef eines Ressorts formell mitunterzeichnet wurde, obwohl der Ressortchef auf den Befehl keinen Einfluß hatte und ihn auch nicht hätte verhindern können, zumal der Befehl ohne Mitzeichnung des Ministers als Führererlaß staatsrechtlich voll wirksam gewesen wäre.
Ich habe nun auf einige Dokumente einzugehen, die die Anklage als eine aktive Tätigkeit des Angeklagten Frick gewertet hat im Aufgabengebiet der Politischen Polizei.
Das Dokument 3304-PS, auf das die Anklage in diesem Zusammenhang hingewiesen hat, habe ich schon behandelt. Es betrifft eine Verordnung über die Zuweisung eines höheren Polizeiführers an den Reichsstatthalter in den Ostgebieten, die dem Staatsverband des Deutschen Reiches eingegliedert waren, behandelt also den verwaltungsmäßigen Aufbau der Behörde des Reichsstatthalters in einem Teil des Reiches. Die genannte Verordnung fällt deshalb in den Rahmen der allgemeinen Zuständigkeit des Innenministeriums und beweist insofern nicht eine speziell polizeiliche Tätigkeit. Mit irgendwelchen Willkürakten der Gestapo hat diese Verordnung außerdem nichts zu tun.
Auf der gleichen Linie liegt der Erlaß vom 20. September 1936 – Dokument 2245-PS – über die Einsetzung von Polizeireferenten bei den preußischen Provinzverwaltungen, die ebenfalls als Behörden der inneren allgemeinen Reichsverwaltung dem Reichsministerium des Innern unterstanden. Die Zuweisung eines Polizeireferenten zur Behörde der allgemeinen Verwaltung in der Provinz ist eine Maßnahme der inneren Reichsverwaltung. Auch diese Maßnahme hatte mit Willkürakten der Gestapo keinen Zusammenhang, und sie beweist insbesondere auch nicht die Ausführung irgendwelcher Weisungen des Angeklagten an die Gestapo.
Nicht anders verhält es sich mit den Dokumenten, die die Anklage gewertet hat als eine Beteiligung des Angeklagten an der Errichtung und Verwaltung der Konzentrationslager oder als eine Billigung der Methoden des Terrors durch die Gestapo.
Im Vortrag vom 22. November 1945 hat die Anklage auf das Dokument 2533-PS Bezug genommen als Beweis für eine Billigung dieser Einrichtungen durch den Angeklagten Frick.
Ich brauche auf den Inhalt des Dokuments nicht näher einzugehen. Es handelt sich nämlich um einen Aufsatz des Angeklagten Frank in der Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht, als dessen Urheber irrtümlich Frick von der Anklage genannt ist. Ein anderes Dokument hat nicht genügenden Beweiswert, daß es für ein gerichtliches Urteil nach Auffassung der Verteidigung verwertet werden könnte. Ich meine das Dokument 2513-PS, Exhibit Nummer 235, das einen Auszug enthält aus einer Rede, die Frick im Jahre 1927 gehalten haben soll; aber der Auszug aus dieser Rede ist entnommen aus einer sozialdemokratischen Provinzzeitung, einer kleinen und für Frick gegnerischen Zeitung, deren Berichterstatter also kein authentisches Exemplar der Rede zur Verfügung hatte. Wir wissen alle, welche Irrtümer und Mißverständnisse sich vielfach in solchen Kurzberichten finden, deren Fassung vom Redner selbst nicht überprüft werden kann.
Eine verläßliche Quelle ist dieses Dokument also nicht, nach welchem Frick gesagt haben soll, daß die Geschichte nicht nur mit dem Stimmzettel, sondern mit Blut und Eisen geschrieben werde.
Die Anklage bezieht sich weiter auf Verhandlungen über eine Enteignung von Land zur Erweiterung des Geländes des Konzentrationslagers Auschwitz (1643-PS, US-173). Für Enteignungen ist zuständig die allgemeine innere Verwaltung, und aus diesem Grunde ist zu den Verhandlungen ein Beamter aus dem Innenministerium zugezogen worden, der jedoch erklärt hat – Blatt 2 der englischen Übersetzung des Dokuments –, daß er nicht befugt sei, über das Eigentum an den Grundstücken zu verfügen. Auch aus diesem Dokument läßt sich also nicht entnehmen irgendeine politisch-polizeiliche Tätigkeit des Angeklagten oder eine Billigung der Praxis der Konzentrationslager.
Die Anklage hat in diesem Zusammenhang schließlich darauf hingewiesen, daß der Angeklagte Frick die Konzentrationslager Oranienburg und Dachau selbst besucht habe. Der Angeklagte bestreitet nicht den von dem Zeugen Höß bekundeten Besuch in Oranienburg im Jahre 1938. In der damaligen Zeit war der äußere Rahmen der Lager allgemein noch der eines Truppenübungsplatzes, wie der Zeuge Höß selbst bestätigt hat. Von Morden, Mißhandlungen und ähnlichen Verbrechen konnte ein offizieller Besucher eines Lagers damals jedenfalls nichts bemerken, so daß ein Besuch kein entscheidendes Argument ist für die Kenntnis von Verbrechen in Konzentrationslagern.
Das Konzentrationslager Dachau dagegen hat Frick niemals besucht entgegen der Aussage des Zeugen Blaha. Ich verweise insoweit auf die Aussage von Gillhuber, der als ständiger Begleiter Fricks von einem solchen Besuch wissen müßte, wenn er stattgefunden hätte. Ich darf noch darauf hinweisen, daß die beiden anderen ständigen Begleiter Fricks von mir ebenfalls als Zeugen angegeben waren, aber vom Gericht im Einverständnis mit der Anklage als unnötig angesehen wurden mit der Begründung, daß einer der Begleiter als Zeuge ausreichend sei.
Zum Abschluß dieses Kapitels habe ich noch einzugehen auf einen Hinweis der Anklage, die Frick einmal als Chef des Reichssicherheitshauptamtes bezeichnet hat. Ich darf verweisen auf die Aussage des Zeugen Ohlendorf, der dem Gericht erklärt hat, daß das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) eine Schöpfung Himmlers war, der in diesem Amt zusammenfaßte seine staatlich-politischen Aufgaben und seine Funktionen als Reichsführer-SS, zu denen Frick keinerlei Beziehungen und erst recht keine Befehlsgewalt hatte. Der Chef dieses Amtes war also ganz allein Himmler selbst.
Ich habe weiter einzugehen auf die Vorwürfe, die dem Angeklagten Frick gemacht werden hinsichtlich der Verfolgung von Angehörigen der jüdischen Rasse.
Frick hat mitgewirkt an gesetzlichen Maßnahmen, insbesondere den Nürnberger Gesetzen und an Verwaltungsmaßnahmen, die er als Ausdruck einer nationalsozialistischen Rassenpolitik angesehen hat. Dagegen liegt kein Beweis dafür vor, daß Frick selbst teilgenommen oder gewußt hat von den Maßnahmen einer physischen Ausrottung, die Himmler und seine Organe durchgeführt haben im direkten Auftrage Hitlers und alsolut geheimgehalten vor jedem, der an diesen grauenhaften Vorgängen nicht selbst beteiligt war.
Dem Angeklagten wird sodann aus seiner Tätigkeit als Innenminister noch zum Vorwurf gemacht eine Mitwirkung bei der Tötung von Kranken und Geisteskranken. Die grundlegende Weisung Hitlers ist enthalten in dem Dokument 630-PS, Exhibit Nummer US-342. Dieses Dokument ergibt, daß Hitler eine entsprechende Anordnung nicht an irgendeine staatliche Dienststelle erteilt hat, sondern völlig außerhalb des staatlichen Befehlsapparates der Ministerien an zwei einzelne Personen, nämlich Bouhler und Dr. Brandt. Auch hat Hitler selbst entgegen allen Regeln diesen Auftrag nicht seinerseits in staatlicher Funktion gezeichnet als Führer und Reichskanzler, sondern er hat privates Briefpapier benutzt mit dem Kopf »Adolf Hitler«. Daraus ergibt sich, was auch der Zeuge Lammers bestätigt hat, daß Hitler mit diesen Maßnahmen nicht das Innenministerium oder eine sonstige staatliche Dienststelle beauftragt hat, sondern zwei seiner Parteigenossen, wie auch das Hoheitszeichen der Partei sich als einziges Zeichen auf diesem Briefbogen befindet.
Die von der Anklage vorgelegten Dokumente beweisen dagegen, daß Beschwerden erfolgt sind, die auch an das Innenministerium gelangten, aber sie erbringen nicht den Beweis, daß Frick persönlich im Widerspruch zu dem Dokument 630-PS an den Maßnahmen für die Tötung beteiligt worden ist oder sie hätte verhindern können.
Nach seiner Verabschiedung aus dem Innenministerium wurde Frick am 20. August 1943 zum Reichsprotektor in Böhmen und Mähren bestellt. Hier bekam er eine Aufgabe, die von vornherein eindeutig in ihrer Zuständigkeit begrenzt wurde.
Ich verweise auf das Dokument 3443-PS, auch als USSR-60 und als Nummer 29 im Dokumentenbuch Frick, ferner auf 1366-PS, von mir vorgelegt als Frick-Exhibit Nummer 5 a. Ich verweise ferner auf die Aussage des Zeugen Lammers. Das Amt des Reichsprotektors war ursprünglich die einheitliche Vertretung der Reichsgewalt im Protektorat.
In der tatsächlichen Handhabung gingen die Machtbefugnisse jedoch mehr und mehr auf den damaligen Staatssekretär des Reichsprotektors, Frank, über. Mit der Ernennung Fricks im August 1943 wurden nun auch formell die Regierungsbefugnisse durch einen Führererlaß, der nicht veröffentlicht wurde, auf Frank übertragen, der von diesem Zeitpunkt an die Dienstbezeichnung erhielt: »Der Deutsche Staatsminister in Böhmen und Mähren«.
Dem Reichsprotektor verblieb seitdem im wesentlichen das Recht der Repräsentation und das Gnadenrecht, von dem eine mißbräuchliche Ausnutzung durch Frick seitens der Anklage nicht behauptet oder nachgewiesen ist. Dagegen leitete Frank als »Deutscher Staatsminister« nach dem erwähnten Führererlaß seine Regierungsbefugnisse direkt von Hitler ab, von dem er unmittelbar ernannt war und von dem er ohne Zwischenschaltung Fricks seine Weisungen erhielt, auf die Frick keinerlei Einfluß auszuüben befugt war. Bei dieser Sachlage läßt sich eine Belastung des Angeklagten Frick aus dem Dokument 3589-PS – Exhibit Nummer US-720 – nicht herleiten.
Ich komme nun noch zu dem Vorwurf der Anklage, daß Frick für bestimmte Verbrechen verantwortlich sei durch seine Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen.
Die Anklage hat als solche Organisation die SS angeführt, der Frick jedoch niemals angehört hat. Er ist also nicht, wie die Anklage behauptet hat, General der SS gewesen. Ich möchte annehmen, daß insoweit nur ein Irrtum der Anklage vorliegt. Irgendeinen Beweis hat die Anklage jedenfalls nicht erbracht.
Ebenso ist Frick niemals Mitglied der SA gewesen, wie auch wohl irrtümlich die Tabelle über die Zugehörigkeit der Angeklagten zu einzelnen Organisationen es verzeichnet. Auch insoweit fehlt es an irgendeinem Beweis.
Die Anklage hat ferner Frick als die oberste Spitze der Gestapo erklärt und ihn demgemäß als ein Mitglied dieser Organisation bezeichnet mit dem Argument, daß die Gestapo seit der Ernennung Himmlers zum Chef der Deutschen Polizei im Jahre 1936 formell dem Reichsministerium des Innern eingegliedert war.
Aber die Gestapo hatte in der Person Himmlers ihren eigenen Chef, von dem allein sie Weisungen erhielt, und die formelle Unterstellung der Person Himmlers unter den Innenminister macht diesen nicht zum Mitglied der von Himmler seinerseits allein befehligten Organisation.
Dem Angeklagten Frick wird weiter in seiner Eigenschaft als Reichsleiter die Mitgliedschaft zum Korps der Politischen Leiter zur Last gelegt. Der zum Verteidiger dieser Organisation bestellte Kollege wird seinerseits auf den Charakter dieser Organisation einzugehen haben. Für den Angeklagten Frick habe ich nur darauf hinzuweisen, daß er die formelle Position eines Reichsleiters hatte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Reichstagsfraktion der NSDAP.
Da der Reichstag selbst seit dem Jahre 1933 keine politische Bedeutung mehr hatte, wie ich nicht näher darzulegen brauche, war auch diese Position Fricks praktisch ebenso bedeutungslos und nicht vergleichbar mit der Stellung von Reichsleitern, die wichtige politische Ressorts verwalteten.
Schließlich war Frick als Reichsminister noch Mitglied der Reichsregierung. Auch hinsichtlich des Charakters und der Befugnisse dieser Organisation nehme ich in erster Linie Bezug auf die noch folgenden Ausführungen meines Kollegen, der zum Verteidiger dieser Organisation bestellt worden ist. Ich verweise hier lediglich auf die Aussagen von Lammers und Gisevius, ferner auf den Auszug aus dem Buch dieses Zeugen, das ich als Frick-Exhibit Nummer 13 eingereicht habe, zum Beweise für die Stellung und die Befugnisse, die das Reichskabinett gegenüber der diktatorischen Praxis Hitlers hatte.
Nach alledem erscheint der Angeklagte Frick als eine Persönlichkeit, die sich gewiß politisch eingesetzt hat, um Hitler zur Macht zu bringen, und die auch nach Erreichung dieses Zieles vorübergehend einen maßgeblichen Einfluß auf die Innenpolitik ausgeübt hat. Aber alle seine Maßnahmen hatten innerpolitische Ziele, sie sollten nichts zu tun haben mit den außenpolitischen Zielen eines Angriffskrieges und erst recht nicht mit Verbrechen gegen den Frieden oder gegen das Kriegsrecht – und dieser Zusammenhang ist ja auch nach Artikel 6 des Statuts dieses Gerichts für eine Aburteilung erforderlich, wie auch die Anklage selbst vorgetragen hat.
Als Frick später erkannte, daß die Politik einen Weg ging, den er nicht mehr billigen konnte, hat er seinen ganzen Einfluß geltend zu machen versucht, um eine Änderung herbeizuführen. Mehr und mehr mußte er aber dann sehen, daß er mit seinen Beschwerden und Vorstellungen bei Hitler kein Gehör fand; im Gegenteil, er mußte erkennen, daß diese Beschwerden Hitlers Vertrauen zu ihm zerstörten, der lieber sich von Himmler und ihm gleichgesinnten Personen beraten ließ, so daß schließlich Frick seit dem Jahre 1937 nicht mehr von Hitler empfangen wurde, wenn er irgendwelche Beschwerden vorbringen wollte.
Frick hat dann solche aussichtslose Versuche aufgegeben, eine Änderung der Lage herbeizuführen, die auch ein Rücktritt nicht geändert hätte, den er nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme wiederholt vergeblich angeboten hat.
So liegt seine Tragik in der Verstrickung in ein System, dessen erste Schritte er begeistert mitgemacht und dessen Entwicklung er sich anders vorgestellt hat.
Immerhin erscheint mir für die Beurteilung seiner Persönlichkeit und seines Handelns wichtig, daß auch diese monatelange Beweisaufnahme nicht den Beweis einer persönlichen Beteiligung des Angeklagten an irgendeinem Verbrechen erbracht hat.
Nicht ohne Grund bezeichnet John Gunther in dem Buch »Inside Europe«, das ich als Beweismittel dem Gericht vorgelegt habe, gerade den Angeklagten Frick als »the only honest Nazi« (den einzigen ehrlichen Nazi). Gunther nennt ihn an der gleichen Stelle weiter einen »Bürokraten durch und durch«. Hitler selbst hat ihn immer wieder den »Paragraphenschuster« genannt, den Frick, für ihn geradezu typisch, nicht in irgendeiner Volksversammlung kennengelernt hat, sondern in seinem Amtszimmer im Jahre 1923 bei der Polizei in München.
Dieser Mann empfand Begeisterung für die ihm selbst so fern liegende suggestive Kraft eines Hitler, der mit großen Worten appellierte an sein Gemüt, seine Ehre und seine Vaterlandsliebe.
Hitler war es, der ihn stolz machte, mitwirken zu können an der Wiederaufrichtung einer deutschen Nation, die durch eine starke Wehrmacht in der Lage sein sollte, eine friedliche, aber doch aktive Rolle in der Weltpolitik zu spielen.
Hitler war es aber auch, der es verstand, dem bürgerlichen Beamten Frick sein Programm hinzustellen als den einzigen Weg zur Abwendung einer bolschewistischen Herrschaft in Deutschland und was der scheinbaren Wahrheiten, Verdrehungen und Propagandakünste mehr waren, durch die so viele getäuscht wurden, die sich von der suggestiven Kraft eines Hitler haben mitreißen lassen und die nicht rechtzeitig erfaßt haben, daß sie sich dem suggestiven Willen eines Verbrechers untergeordnet hatten, der bereit war, die Säulen der Zivilisation zu stürzen für seine Ziele, und der schließlich ganz Deutschland zurücklassen würde in einem ungeheuren geistigen und materiellen Trümmerfeld, zu dessen Überwindung auch dieser Prozeß beitragen möge durch ein Urteil nach Recht und Gerechtigkeit.
VORSITZENDER: Dr. Marx.
DR. HANNS MARX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN STREICHER: Hoher Gerichtshof, Herr Präsident!
Ich beginne mit der Verteidigungsrede für den Angeklagten Julius Streicher:
Als im Mai des vergangenen Jahres die letzten Kampfhandlungen des größten und schrecklichsten Krieges aller Zeiten zu Ende gegangen waren, erhob sich das deutsche Volk nur langsam wieder aus der Dumpfheit, in der es die letzten Monate des Krieges größtenteils verbracht hatte. Es hatte, wie alle Völker Europas, Jahre hindurch Unsägliches erduldet, besonders aber hatten die letzten Monate mit ihrem Bombenhagel so viel über Land und Volk gebracht, daß es fast über Menschenmaß hinausging.
Zu diesem Schrecken kam das Bewußtsein, daß der Krieg verloren war und die Furcht vor dem Ungewissen Schicksal, das die Besatzungszeit mit sich bringen würde. Als dann endlich die Zeit der ersten Angst vorüber war, als das deutsche Volk wieder langsam aufzuatmen begann, da verbreitete sich erneut lähmendes Entsetzen.
Durch Presse und Rundfunk, durch Zeitungen und Film wurden die Schreckenstaten bekannt, die sich im Osten, in den Steppen und in den Konzentrationslagern abgespielt hatten. Deutschland erfuhr, daß Leute, Männer seines Blutes, Millionen und Abermillionen unschuldiger jüdischer Menschen hingeschlachtet und vernichtet hatten. Instinktiv fühlten die meisten, daß diese Taten es sein müßten, die die größte Belastung aus all den Vorwürfen darstellen, die die Welt Deutschland zu machen hatte.
Die Frage, ob das deutsche Volk in seiner Gesamtheit davon gewußt und diese Handlungen gebilligt hat, war und ist die Schicksalsfrage überhaupt. Sie ist der Prüfstein, an dem es sich entscheiden muß, ob Deutschland je wieder als gleichberechtigt in den gemeinsamen Kultur- und Lebenskreis der Welt zurückkehren kann oder nicht.
Wie bei jeder Schuld erhob sich auch hierbei sofort die Frage und die Suche nach dem Verantwortlichen. Wer hatte diese Greueltaten befohlen, wer hatte sie ausgeführt, und wie konnte es überhaupt zu einem derart unvorstellbaren Geschehen kommen, zu derartigen Taten, die in der Geschichte, selbst der frühesten Zeit, nicht ihresgleichen finden.
In all dieses Fragen und Raten kam die Nachricht, daß der frühere Gauleiter von Franken, der Herausgeber des »Stürmer«, der jetzige Angeklagte Julius Streicher amerikanischen Truppen in die Hände gefallen sei. Aus dem Echo, das diese Nachricht in den ausschließlich in Händen der Besatzungsmacht befindlichen und von dieser herausgegebenen Zeitungen, ebenso wie in den Rundfunknachrichten auslöste, war zu entnehmen, daß die Welt der Auffassung war, mit Julius Streicher nicht nur einen der zahlreichen antisemitischen Propagandisten des Dritten Reiches gefangengenommen zu haben, sondern kurz gesagt, den Judenfeind Nummer Eins.
Die herrschende Meinung in der übrigen Welt war offensichtlich die, daß man in Julius Streicher nicht nur den aktivsten Propagandisten der Judenverfolgung und Judenvernichtung ergriffen habe, sondern daß er auch an der Ausführung der Vernichtungshandlungen im stärksten Maße beteiligt gewesen sei.
Er sollte, so hörte man, nicht nur der größte Judenhasser und Prediger der Judenvernichtung gewesen sein, sondern auch der, auf dessen unmittelbaren Einfluß die Ausrottung des europäischen Judentums zurückzuführen sei.
Nur aus diesem Gesichtspunkt heraus ist es zu erklären, daß der Angeklagte Streicher zusammen mit den übrigen Angeklagten unter den Hauptverantwortlichen des nationalsozialistischen Systems hier auf der Anklagebank sitzt. Denn an sich gehört er weder nach seiner Persönlichkeit noch gemessen an seinen Ämtern und Stellungen zum Führerkreis der NSDAP oder zu deren entscheidenden Persönlichkeiten.
Von dieser ursprünglich wohl auch von der Anklagebehörde geteilten Auffassung ist diese allerdings bereits frühzeitig abgewichen, denn schon die schriftliche Anklage machte dem Angeklagten Streicher nicht mehr den Vorwurf, daß er unmittelbar und direkt an den verabscheuungswürdigen Massenmorden beteiligt gewesen sei, sie hat vielmehr erklärt, daß er weniger als alle anderen Angeklagten mit einer direkten und unmittelbaren Schuld belastet werden könne, lediglich seine Propaganda, sein Wirken in Wort und Schrift, wurden ihm zum Vorwurf gemacht.
Im einzelnen wurden die Anklagepunkte gegen den Angeklagten Streicher wie folgt zusammengefaßt:
I. Unterstützung der Machtergreifung und Festigung der Macht der NSDAP nach deren Eintritt in die Regierung.
II. Vorbereitung von Angriffskriegen durch Propagierung der Judenverfolgung.
III. Geistige und seelische Vorbereitung und Erziehung zum Judenhaß
a) des deutschen Volkes,
b) der deutschen Jugend,
c) der aktiven Vernichter des Judentums.
Ohne Julius Streicher kein Auschwitz, kein Mauthausen, kein Maidanek, kein Lublin; so läßt sich die Anklage wohl kurz zusammenfassen.
Was den Anklagepunkt I anbelangt, so stellt der Angeklagte nicht in Abrede, daß er die spätere Machtergreifung der Partei von deren frühesten Anfängen an mit all seinen Kräften unterstützt und gefördert hat. Diese Unterstützung erstreckte sich darauf, daß er eine von ihm selbst in Franken aufgezogene Bewegung der in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg denkbar kleinen und lediglich auf Südbayern beschränkten Partei Adolf Hitlers zur Verfügung stellte, und daß er weiter nach Hitlers Entlassung aus der Festung Landsberg sofort wieder zu diesem stieß und in der Folgezeit dessen Ideen und Ziele auf das entscheidendste vertrat.
VORSITZENDER: Ich denke, das ist ein geeigneter Zeitpunkt zu unterbrechen. Der Gerichtshof vertagt sich.