[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof schlägt vor, die Sitzung ohne Pause bis 4.00 Uhr weiterzuführen, falls dies genehm ist.
DR. SAUTER: Meine Herren Richter! Ich habe bisher in allgemeinen Ausführungen die Stellungen des Angeklagten Funk behandelt und wende mich nunmehr der strafrechtlichen Verantwortlichkeit dieses Angeklagten bezüglich der einzelnen Punkte der Anklage zu.
Der erste Punkt der Anklage betrifft die Förderung der Machtergreifung durch die Partei, also die Parteitätigkeit des Angeklagten Funk in den Jahren 1931 bis Ende 1932.
Der Angeklagte Funk soll die Machtergreifung durch die Verschwörer betrieben haben. Unter diesem Punkt der Anklage wird die Tätigkeit des Angeklagten Funk behandelt von dem Zeitpunkt seines Eintritts in die Partei im Juni 1931 bis zur Machtübernahme am 30. Januar 1933. Die Anklage behauptet, daß Funk durch sein Eintreten für die Partei in dieser Zeit die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten gefördert habe. Das ist richtig. Der Angeklagte Funk hat bei seiner Vernehmung am 4. Mai selbst erklärt und auch des näheren begründet, daß er in der Übernahme der Regierungsgewalt durch die Nationalsozialisten damals die einzige Möglichkeit erblickt habe für die Rettung des deutschen Volkes aus der schweren geistigen, wirtschaftlichen und sozialen Not der damaligen Zeit. Das Wirtschaftsprogramm der Partei war nach seiner Ansicht unklar und im wesentlichen auf die Propaganda abgestellt. Er selbst wollte in der Partei seine eigenen wirtschaftspolitischen Ansichten zur Geltung bringen, um von der Partei aus zum Nutzen des deutschen Volkes wirken zu können. Diese Anschauungen hat Funk bei seiner Vernehmung dem Gericht ausführlich geschildert. Sie basieren auf der Idee des privaten Eigentums, die unzertrennlich mit der Erkenntnis der verschiedenwertigen Leistungsfähigkeit der Menschen zusammenhängt.
Funk verlangte die Anerkennung der privaten Initiative und der Selbstverwaltung der schöpferischen Unternehmerpersönlichkeit, er verlangte weiter den freien Leistungswettbewerb und einen Ausgleich der sozialen Gegensätze. Er erstrebte die Beseitigung des Partei- und Klassenkampfes, ferner eine starke Regierung mit voller Autorität und Verantwortung und eine einheitliche politische Willensbildung im Volke. Durch seine Gespräche mit Hitler und mit anderen Parteiführern gewann er damals die Überzeugung, daß die Partei diese seine Grundsätze und Ideen durchaus anerkannte. Aus der Tatsache, daß Funk die Partei in ihrem Kampfe um die Macht gefördert hat, kann man ihm nach seiner Auffassung keinen Vorwurf machen. Gerade durch die Erörterungen in diesem Prozeß sieht Funk den einwandfreien Beweis erbracht, daß die Partei legal an die Macht gekommen ist. Aber auch die Art und Weise, wie Funk die Partei förderte, ist nach seiner Auffassung keinesfalls zu verurteilen. Die Rolle allerdings, die die Anklage ihm hierbei zumißt, entspricht nicht den Tatsachen. Die Tätigkeit Funks wird von der Anklage zum Teil erheblich in ihrer Bedeutung überschätzt, zum Teil aber auch durchaus falsch beurteilt.
Das Beweismaterial der Anklagebehörde besteht im wesentlichen aus Hinweisen und Auszügen aus Nachschlagewerken und insbesondere aus einem Buch von Dr. Oestreich unter dem Titel: »Walter Funk, ein Leben für die Wirtschaft«, das dem Gericht als Dokument 3505-PS, US-653, vorliegt. Das Kernstück dieses Beweismaterials ist ein in dem genannten Buch auf Seite 81 abgedrucktes sogenanntes »Wirtschaftliches Aufbauprogramm« des Angeklagten Funk, das die Anklage – ich zitiere hier wörtlich – als die »offizielle Parteierklärung auf wirtschaftlichem Gebiet« und als »die wirtschaftliche Bibel für die Parteiorganisation« bezeichnet. Dieses sogenannte »Wirtschaftliche Aufbauprogramm« ist wohl auch die Grundlage für die auf Seite 3 des Trialbriefes gegen Funk aufgestellte unrichtige Behauptung der Anklage, daß Funk »an der Formulierung des Programms mitgeholfen habe, das von der Nazi-Partei und Hitler öffentlich bekanntgegeben worden sei«. Dieses »Wirtschaftliche Aufbauprogramm«, das bei der Vernehmung des Angeklagten Funk im Wortlaut verlesen wurde, enthielt wirklich nichts Außergewöhnliches oder gar Revolutionäres und auch wohl gar nichts, das irgendwie charakteristisch für die nationalsozialistische Gedankenwelt wäre. Das Programm weist hin auf die Notwendigkeit der Arbeitsbeschaffung, auf die Notwendigkeit einer produktiven Kreditschöpfung ohne inflationistische Auswirkungen, auf die Notwendigkeit der Sanierung der öffentlichen Finanzen, ferner auf das Bedürfnis nach Schutzmaßnahmen für die Landwirtschaft, für den städtischen Haus- und Grundbesitz und nach einer Neuregelung der wirtschaftlichen Beziehungen zum Auslande. Es ist ein Programm, von dem Funk bei seiner Vernehmung sagte, daß es auch jede liberale und demokratische Partei und Regierung vertreten könnte. Der Angeklagte Funk bedauert nur, daß die Partei sich zu diesen Grundsätzen nicht voll bekannt hat. Funk hat später mit verschiedenen Parteistellen, insbesondere mit der Deutschen Arbeitsfront, der Parteikanzlei, mit Himmler und den meisten Gauleitern dauernd Schwierigkeiten und Differenzen wegen seiner wirtschaftspolitischen Anschauungen gehabt. Dies bestätigt auch der Zeuge Landfried in seinem Fragebogen, der sich über diese Differenzen Funks mit der Partei im einzelnen ausspricht. Funk galt in der Partei vorwiegend als Liberaler und als Außenseiter. Er hat in dieser Zeit, also im wesentlichen im Jahre 1932, die Verbindung zwischen Hitler und einigen führenden Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft hergestellt. Er hat sich auch für das Verständnis der nationalsozialistischen Ideen und für die Unterstützung der Partei durch die Wirtschaft eingesetzt. Auf Grund dieser Tätigkeit wurde er vielfach als der Wirtschaftsberater Hitlers bezeichnet. Das war aber kein Parteiamt und kein Parteititel. In dem Dokument EC-440, US-874, erklärt Funk, daß der spätere Staatssekretär Keppler viele Jahre hindurch vor ihm – Funk – bereits als der Wirtschaftsberater des Führers galt. Mit diesem Hinweis wollte Funk zum Ausdruck bringen, daß die Bezeichnung »Wirtschaftsberater des Führers« auch anderen Personen in der Öffentlichkeit beigelegt worden ist.
Funks Beauftragung mit Parteiaufgaben in dieser Zeit war nur von sehr kurzer Dauer. Diese Tätigkeit hat keine irgendwie ins Gewicht fallende Bedeutung erlangt, was allein schon aus der Tatsache hervorgeht, daß mit der Machtübernahme die Parteitätigkeit Funks völlig aufgehört hat. Auf den anderen Sektoren, wie zum Beispiel Ernährung und Landwirtschaft, Finanzen und so weiter, behielten die Inhaber der Parteiämter, die in den Staatsdienst als Minister, Staatssekretäre und so weiter traten, ihre Parteistellungen bei, die im allgemeinen dann sogar noch an Bedeutung gewannen. Die Ausschaltung lediglich des Angeklagten Funk aus jedem Parteiamt von dem Augenblick der Machtergreifung an zeigt deutlich, daß die Parteileitung keinen besonderen Wert auf die parteiamtliche Tätigkeit Funks legte.
Im Kreuzverhör wurde dem Angeklagten Funk von der Sowjetrussischen Anklagevertretung ein zum 50. Geburtstage Funks in der Zeitschrift »Das Reich« – 18. August 1940 – erschienener Artikel, USSR-450, vorgehalten. In ihm betont der Verfasser – ein Wirtschaftler namens Dr. Herle –, daß Funk »als Mittelsmann zwischen Partei und Wirtschaft zum Wegbereiter einer neuen geistigen Haltung des deutschen Unternehmertums geworden sei«.
Hierzu ist zu sagen: Funk hat nie bestritten, daß er seine Aufgabe damals darin erblickte, die Synthese zu finden für eine Wirtschaft, die einerseits dem Staat und der Volksgemeinschaft verpflichtet, andererseits aber in Privateigentum und in privater Verantwortung und Initiative fundiert ist. Die politischen Ziele und Ideale des Nationalsozialismus hat Funk stets anerkannt und sich angeeignet. Das deutsche Volk hat, wie durch verschiedene Volksabstimmungen bewiesen wurde, in seiner Mehrheit sich zu diesen Zielen und Idealen bekannt. Auch Funk hat nicht geahnt, daß all dieses von Hitler so oft betonte gute Wollen und ideale Streben, mit dem er seine Macht antrat, später in Blut und Rauch des Krieges und in einer unvorstellbaren Unzulänglichkeit und Unmenschlichkeit versinken würde. Funk hat bei seiner Vernehmung ausdrücklich bezeugt, daß er die autoritäre Regierungsform, also den starken Staat, eine verantwortungsbewußte Regierung, die soziale Volksgemeinschaft und eine sozial verpflichtete Wirtschaft als die Voraussetzung ansah für eine Behebung der damaligen geistigen und wirtschaftlichen Krisis des deutschen Volkes. Das Primat der Politik vor dem Primat der Wirtschaft hat er stets ausdrücklich anerkannt.
Funk trat am 30. Januar 1933 als Pressechef der Reichsregierung das staatliche Amt eines Ministerialdirektors in der Reichskanzlei an. Die Lenkung der Pressepolitik ging jedoch bereits nach eineinhalb Monaten an Dr. Goebbels über, als dieser Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda wurde, und die Presseabteilung der Reichsregierung, die Funk bis dahin hätte leiten sollen, ging in dem neugegründeten Propagandaministerium auf. Lediglich den persönlichen Pressevortrag beim Reichspräsidenten von Hindenburg und beim Reichskanzler Adolf Hitler behielt Funk zunächst noch bis zum Tode Hindenburgs bei. Dann hörte auch diese Tätigkeit vollständig auf. Das Amt des Pressechefs der Reichsregierung stand also praktisch nur auf dem Papier. Das hat auch der Angeklagte Fritzsche bei seiner Vernehmung als Zeuge am 28. Juni ausdrücklich bestätigt.
Meine Herren, ich komme dann zu einem zweiten Punkt der Anklage, nämlich Festigung der Macht der Regierung und der Partei, im Zusammenhang damit Judenverfolgung in den Kulturberufen, Reichspropagandaministerium. Die hierauf bezüglichen Ausführungen sind enthalten in dem Ihnen vorliegenden Exposé auf Seite 17 bis Seite 24.
Hinsichtlich der Tätigkeit des Angeklagten im Reichspropagandaministerium wirft ihm die Anklage vor:
Der Angeklagte Funk nahm durch diese seine Tätigkeit in dem Propagandaministerium an der Festigung der Macht der Verschwörer über Deutschland teil und ist besonders verantwortlich für die Verfolgung der »Andersdenkenden« und Juden, für die psychologische Vorbereitung des Volkes auf den Krieg und für die Schwächung der Widerstandskraft und des Widerstandswillens der von den Verschwörern ausersehenen Opfer.
Auch in diesem Punkt der Anklage wird die Schuld des Angeklagten Funk fast ausschließlich lediglich aus der Tatsache hergeleitet, daß er die Stellung eines Staatssekretärs im Propagandaministerium inne hatte. Die Beweiserhebung hat jedoch ergeben, daß Funk in seiner Stellung als Staatssekretär mit der eigentlichen Propagandatätigkeit nicht befaßt war. Funk hielt keine Reden im Radio oder in öffentlichen Kundgebungen. Die Pressepolitik leitete seit der Begründung des Ministeriums Dr. Goebbels persönlich. Funk hat sich jedoch in besonderem Maße der Wünsche und Beschwerden der Journalisten angenommen. Er nahm die Presse gegen Mißbrauch durch die Amtsstellen in Schutz und bemühte sich, der Presse ein individuelles Gesicht und eine verantwortungsbewußte Arbeit sicherzustellen. Dies wird zum Ausdruck gebracht durch den Auszug aus dem Buch von Dr. Paul Oestreich: »Walter Funk, ein Leben für die Wirtschaft« (3505-PS, US-653, Dokumentenbuch Funk 4b). Einige Formulierungen Funks aus der damaligen Zeit seiner Tätigkeit im Propagandaministerium, wie zum Beispiel der Satz »Die Presse ist keine Drehorgel« und der weitere Ausspruch »Die Presse soll kein Prügelknabe der Regierung sein« sind in der Folgezeit fast zu geflügelten Worten geworden.
Funk hatte als Staatssekretär im wesentlichen nur organisatorische und wirtschaftliche Aufgaben. Er leitete die Finanzwirtschaft der zahlreichen dem Propagandaministerium unterstehenden Organisationen und Institute, so insbesondere der Reichsrundfunkgesellschaft, ferner des Werberates der deutschen Wirtschaft, der staatlichen Filmkonzerne, der im Reichsbesitz befindlichen Theater und Orchester und der reichseigenen Pressedienste und Zeitungen. In der Kunst war er – seinen besonderen künstlerischen Neigungen entsprechend – auf dem Gebiete der Musik und des Theaters tätig. In der Leitung des Propagandaministeriums fand eine vollkommene Trennung zwischen den politischen Aufgaben einerseits und den organisatorischen und wirtschaftlichen Aufgaben andererseits statt. Dies wird von allen zu dieser Frage vernommenen Zeugen übereinstimmend bekundet. Der Minister Dr. Goebbels leitete, selbstverständlich völlig beherrschend und mit absoluter Ausschließlichkeit, persönlich die Propagandapolitik. Seine Gehilfen hierbei waren nicht sein Staatssekretär Funk, sondern seine alten Mitarbeiter aus dem Propagandaapparat der Partei, die meist in Personalunion von ihm in das neugegründete Propagandaministerium übernommen wurden. Funk dagegen hat weder vor der Begründung des Ministeriums noch nachher der Propagandaabteilung der Partei angehört. Die Behauptung des Herrn Messersmith in seinem unter 1760-PS vorgelegten Affidavit, wonach Goebbels Funk in die Parteiorganisation eingegliedert habe, ist falsch und offenbar darauf zurückzuführen, daß Messersmith als Außenstehender in die Geschäftsverteilung innerhalb des Propagandaministeriums keinen Einblick hatte und überdies die Propagandatätigkeit der Partei anscheinend ohne weiteres mit der Propaganda des Staatsministeriums identifizierte. Dies wird auch bestätigt durch den Fragebogen, den Messersmith auf Antrag des Angeklagten Funk am 7. Mal 1946 abgegeben hat (Dokumentenbuch Funk Supplement Nummer 5). Aus diesem Fragebogen ergibt sich, daß Messersmith nicht einmal angeben kann, ob er öfter oder nur einmal mit dem Angeklagten Funk sich unterhalten hat, ferner, daß er gar nicht mehr weiß, welches Thema damals besprochen wurde und daß ihm überhaupt nicht mehr in Erinnerung ist, in welcher Eigenschaft Funk bei diesen Zusammentreffen anwesend war. Mit derart vagen und unzuverlässigen Angaben eines Zeugen kann natürlich nichts bewiesen werden.
Zum Beweis dafür, daß Funk mit der eigentlichen Propagandatätigkeit nicht befaßt war und – wie der Angeklagte Göring als Zeuge hier versichert hat – neben Goebbels gar nicht in Erscheinung trat, beziehe ich mich auf das Affidavit des früheren Reichsleiters für die Presse, Max Amann vom 17. April 1946 (Dokumentenbuch Funk, Exhibit Nummer 14). Von diesem Zeugen hatte die Anklagebehörde zunächst ein Affidavit vom 19. Dezember 1945 vorgelegt (3501-PS); die darin gemachten Angaben werden in dem neuerlichen Affidavit vom 17. April 1946 in wesentlichen Punkten ergänzt und richtiggestellt. In dieser neuen Erklärung, die gegenüber der Staatsanwaltschaft und gegenüber der Verteidigung abgegeben wurde, bekundet der Zeuge Amann, daß auch nach seinem Wissen Funk als Staatssekretär im Propagandaministerium mit der eigentlichen Propagandatätigkeit nichts zu tun hatte. Im übrigen bestätigt der Zeuge die Aussagen des Angeklagten Funk, daß er (Amann) die Geschäftsverteilung und den inneren Dienstverkehr des Ministeriums persönlich gar nicht kannte und daß seine Angaben lediglich auf Mitteilungen anderer Personen beruhen. Der Zeuge Heinz Kallus dagegen war selbst einige Jahre als Beamter im Propagandaministerium tätig. In den unter Eid abgegebenen Antworten des an ihn gerichteten Fragebogens (Exhibit Funk Nummer 18) bestätigt Kallus gleichfalls, daß Funk sich in der Hauptsache mit Verwaltungs- und Finanztragen beschäftigt hat. Und das gleiche hat auch der Angeklagte Hans Fritzsche bei seiner Vernehmung als Zeuge am 27. und 28. Juni hier vor dem Gericht bekundet.
Die Anklagebehörde hat in dem Trialbrief des Angeklagten Funk auf Seite 9 unter 3566-PS die Aufzeichnung eines SS-Scharführers Sigismund als Beweismaterial für die Bedeutung der Stellung vorgelegt, die Funk im Propagandaministerium angeblich gehabt hat. Diesem SS-Scharführer soll ein Beamter des Ministeriums namens Weinbrenner erklärt haben, man könnte nicht in Erfahrung bringen, wen der Minister Goebbels mit dem Posten eines Generalintendanten des Rundfunks betrauen werde, da Goebbels die meisten wichtigen Entscheidungen nur im Einvernehmen mit Staatssekretär Funk vornehme. Nun war es doch wohl eine Selbstverständlichkeit, daß Dr. Goebbels die Besetzung des führenden Postens im Rundfunk nicht ohne Fühlungnahme mit Funk, dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Reichsrundfunkgesellschaft, vornahm; dies beweist aber doch nichts für die Art und Bedeutung der Tätigkeit des Angeklagten Funk, noch etwas für die Ziele, die er dabei verfolgte. Schließlich hat die Anklagebehörde nur ein einziges Dokument vorlegen können, das die Unterschrift Funks als Staatssekretär trägt, nämlich die Festsetzung eines Termins für das Inkrafttreten einer Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Reichskulturkammer vom 9. November 1933 (3505-PS). Die Staatsanwaltschaft leitet hieraus eine Verantwortung oder jedenfalls Mitverantwortung des Angeklagten Funk für die gesamte Gesetzgebung zur Beherrschung und »Gleichschaltung« der Kulturberufe ab. Dieser Schluß erscheint unrichtig; denn abgesehen davon, daß es sich hier nur um die Terminfestsetzung einer Durchführungsverordnung handelt, also um eine rein formale Tätigkeit, muß doch darauf hingewiesen werden, daß dieses Gesetz vom Reichskabinett beschlossen worden ist, dem der Angeklagte Funk damals nicht angehörte.
Funk hat bei seiner Vernehmung erklärt, daß er während der ganzen Zeit seiner Tätigkeit im Propagandaministerium kaum mehr als dreimal eine Unterschrift in Vertretung von Dr. Goebbels geleistet hat. Im übrigen hat der Angeklagte Fritzsche als Zeuge hier am 28. Juni 1948 bekundet, daß die Stellung des langjährigen Mitarbeiters und persönlichen Referenten von Dr. Goebbels, des späteren Staatssekretärs und Gauleiters Hanke, weit mehr der üblichen Stellung des Staatssekretärs in dem Ministerium entsprach, als die des Angeklagten Funk. Hanke stellte auch die Verbindung des Ministers Goebbels mit den Abteilungsleitern und Referenten des Ministeriums her, eine Aufgabe, die sonst der Staatssekretär in einem Ministerium hat, die aber dem Angeklagten Funk niemals zufiel, obwohl er Staatssekretär war.
Durch die eidesstattliche Erklärung des früheren Chefredakteurs der »Frankfurter Zeitung«, Albert Oeser, (Funk-Exhibit Nummer 1) und des Rechtsanwalts Dr. Karl Rösen (Funk-Exhibit Nummer 2) sowie durch die eidesstattliche Bekundung des Zeugen Heinz Kallus (Dokumentenbuch Funk Supplement Nummer 18) wird bewiesen, daß sich der Angeklagte Funk in seiner Stellung als Staatssekretär des Propagandaministeriums tatkräftig annahm um Juden und andere Personen, die durch die nationalsozialistische Gesetzgebung und Kulturpolitik in ihrem geistigen oder künstlerischen Schaffen bedrängt und behindert wurden, und zwar tat er dies unter starker Exponierung seiner eigenen Stellung. Unter den Personen, für die Funk eintrat, befanden sich nicht nur jüdische Redakteure, sondern auch zahlreiche führende deutsche Künstler, und der Zeuge Kallus (Fragebogen im Dokumentenbuch Funk, Nummer 18) nennt in diesem Zusammenhang unter anderem die jüdischen Inhaber eines großen Berliner Adreßbuch-Verlages, denen Funk die Genehmigung zur Beibehaltung ihres Betriebes erteilte gegen den erheblichen Widerstand der zuständigen Abteilung des Ministeriums und des Werberates der deutschen Wirtschaft. Der Zeuge Kallus erklärte weiterhin, daß Funk durch diese seine Haltung den jüdischen Kulturschaffenden gegenüber bei Dr. Goebbels und auch bei dem als besonders radikal bekannten Leiter der Presseabteilung mit Namen Berndt »suspekt« war. Der Chefredakteur Oeser erklärt als Zeuge in seinem Affidavit (Dokumentenbuch Funk Nummer 1) ausdrücklich, daß er seine freiwillig gegebenen Angaben zum Beweise des »menschlichen Verhaltens« des Angeklagten Funk gemacht habe, und führt mit Namen acht jüdische Redakteure der »Frankfurter Zeitung« an, denen Funk die Genehmigung zur weiteren Ausübung ihres Berufes gab. Dazu bemerkt Oeser noch: Er (Funk) bewies damit auch menschliches Verständnis. Ich habe auch unhumane Äußerungen von ihm (Funk) in unseren Gesprächen nie vernommen. Durch seine (Funks) Zugeständnisse erhielten die gefährdeten Menschen zum Teil wiederholt die Möglichkeit, von neuem mit uns zu hoffen und zu arbeiten und ohne Einkommenverlust ihren Berufswechsel und ihre Auswanderung vorzubereiten. Oeser, ein bekannter Wirtschaftsjournalist, der der Partei stets vollkommen ablehnend gegenüberstand, bekundet ausdrücklich, daß Funk sich durch seine Einstellung gegenüber den Juden zweifellos exponierte.
Nun hat die Anklagevertretung im Kreuzverhör des Angeklagten Funk verwiesen auf ein von der Anklagebehörde eingebrachtes Affidavit eines Redakteurs Franz Wolf; dieser Zeuge gab (3954-PS, 877-US) der Vermutung Ausdruck, daß Funk die Ausnahmegenehmigung vielleicht nicht aus humaner Gesinnung, sondern nur vielmehr deshalb erteilt haben könnte, um die hohe Qualität der »Frankfurter Zeitung« zu wahren. Der Verfasser des Affidavits gehörte übrigens selber zu den jüdischen Redakteuren, die von Funk die Erlaubnis zur weiteren Ausübung ihres Berufes erhielten. Die Vermutung des Zeugen Wolf steht in direktem Widerspruch zu den positiven Bekundungen des Zeugen Oeser. Auch der Angeklagte Funk hat dieser Auffassung widersprochen mit dem Hinweis darauf, daß zur damaligen Zeit derartige Überlegungen für ihn keine Rolle gespielt haben. In späteren Jahren, als die »Frankfurter Zeitung« eingehen sollte, habe er sich allerdings für das Weitererscheinen auch aus sachlichen Erwägungen eingesetzt, weil diese Zeitung als Wirtschaftsblatt insbesondere im Auslande ein hohes Ansehen genoß und im Inlande die beste Handelszeitung war. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß sich Funk seinerzeit lediglich aus Gründen der Humanität für Oeser und seine Mitarbeiter wiederholt und mit Erfolg eingesetzt hat.
Der Zeuge Kallus erklärt schließlich in seinem Fragebogen (Seite 3 des Dokumentenbuches Funk, Supplement 4, Nummer 18), daß er sich mehrerer Fälle erinnert, wo Funk den Juden die Auswanderung zu erträglichen Bedingungen ermöglichte.
Kallus bestätigt damit die Angaben der Zeugin Luise Funk (Dokumentenbuch Funk, Exhibit Nummer 3), wonach der Angeklagte Funk in den Jahren, als er Staatssekretär war im Propagandaministerium, oft Dankbriefe von Juden erhalten hat, die damals aus Deutschland verzogen sind und die sich bei Funk dafür bedankten, daß er ihnen bei der Abwicklung ihrer Geschäfte hilfreich entgegengekommen sei und ihnen die Erlaubnis erwirkt habe, erhebliche Vermögenswerte mit ins Ausland zu nehmen.
Die Beweiserhebung hat somit zu diesem zweiten Teil der Anklage gezeigt, daß Funk weder durch seine dienstliche Stellung noch durch seine Handlungen im Sinne dieses Teils der Anklage sich schuldig gemacht hat. Er hat, soweit dies in seinen Kräften stand, vielen Juden und vielen in ihrem geistigen Schaffen Bedrängten und Behinderten in ihrer materiellen und geistigen Not geholfen, obwohl er dadurch seine eigene Stellung gefährdete.
Ich überspringe, meine Herren Richter, die näheren Darlegungen dieses Exposés zu diesem Punkt und bitte, davon Kenntnis nehmen zu wollen. Ich bemerke hierzu nur auszugsweise einige Sätze.
Dem Angeklagten wird seine Schuld hauptsächlich abgeleitet aus der Tatsache, daß er die Stellung eines Staatssekretärs im Propagandaministerium inne hatte. Die Beweiserhebung hat jedoch ergeben, daß Funk in dieser Stellung als Staatssekretär mit der eigentlichen Propagandatätigkeit überhaupt nicht befaßt war. Er hielt keine Reden im Radio oder in öffentlichen Kundgebungen. Die Pressepolitik wurde vielmehr auch in dieser Zeit ausschließlich von Dr. Goebbels persönlich geleitet. Funk hat sich jedoch auch damals im besonderen Maße der Wünsche und Beschwerden der Journalisten angenommen, hat die Presse gegen einen Mißbrauch durch die Amtsstelle in Schutz genommen und hat sich bemüht, der Presse ein individuelles Gesicht und eine verantwortungsbewußte Arbeit sicherzustellen.
Das alles ist durch eine Reihe von Zeugen, auf die ich in den angegebenen Seiten 17 bis 24 Bezug genommen habe, dargelegt, insbesondere durch die Zeugen Amann, Kallus, Fritzsche, Oeser und Rösen. Die beiden letzteren haben namentlich auch bestätigt, daß Funk auch als Staatssekretär im Propagandaministerium sich tatkräftig auch um Juden und um solche Personen annahm, die durch die nationalsozialistische Gesetzgebung und Kulturpolitik in ihrem geistigen und künstlerischen Schaffen bedrängt und behindert waren. Für solche Leute setzte sich Funk so stark ein, daß er dadurch sogar seine eigene dienstliche Stellung gefährdete und dem Ministerium schließlich sogar als suspekt erschien.
Ich wende mich dann, meine Herren Richter, sofort einem weiteren Kapitel zu, nämlich dem Vorwurf, der unter Ziffer IV des Ihnen vorliegenden Exposés auf Seite 24 und folgende behandelt ist, er habe bei der Vorbereitung von Angriffskriegen mitgewirkt, ein Punkt, der sich mit der Ziffer 4 der Anklage befaßt. Es wird dem Angeklagten vorgeworfen, er habe... ich zitiere hier wörtlich:
»... in vollem Vorwissen von den Angriffsplänen der Verschwörer tätig an der Mobilmachung der deutschen Wirtschaft für den Angriffskrieg teilgenommen.«
Zum Beweis hierfür wird in der Anklage zunächst darauf hingewiesen, daß das Wirtschaftsministerium von Göring als »Oberkommando der deutschen Kriegswirtschaft« in den Vierjahresplan eingefügt und sodann dem Angeklagten Funk unterstellt wurde. Ferner wird in der Anklage geltend gemacht, daß Funk durch das Reichsverteidigungsgesetz vom 4. September 1938 als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft noch ausdrücklich mit der Mobilmachung der deutschen Wirtschaft für den Kriegsfall betraut wurde. Die Behauptung der Anklage, daß das Reichswirtschaftsministerium in den Vierjahresplan eingefügt wurde, bevor es von Göring an Funk übergeben wurde, ist durchaus richtig. Das sogenannte Oberkommando der deutschen Wirtschaft hatte aber nicht der Reichswirtschaftsminister Funk, sondern ausschließlich der Beauftragte für den Vierjahresplan, der Mitangeklagte Göring. An dessen Weisungen war Funk gebunden; das hat auch Göring hier bestätigt. Überdies wurden die wichtigsten Produktionszweige – wie bereits an anderer Stelle dargelegt – durch besondere Generalbevollmächtigte des Vierjahresplanes gelenkt, die Göring direkt unterstanden und von Göring, nicht aber von Funk, ihre Weisungen erhielten. Das Reichswirtschaftsministerium selbst war nur die Behörde, die die Weisungen des Vierjahresplanes durchzuführen hatte. Der Angeklagte Funk hat hier als Zeuge darauf hingewiesen, daß einzelne Dienststellen nur rein formell seiner Dienstaufsicht unterstanden, sachlich aber als selbständige Institutionen auch wiederum des Vierjahresplanes weitergearbeitet haben.
Die Stellung Funks als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft war von Anbeginn stark umstritten. Im Kreuzverhör Funks wurde ein Dokument EC-255 vorgelegt, ein Schreiben des Reichskriegsministers von Blomberg an Göring vom 29. November 1937, worin Blomberg vorschlug, den soeben, nämlich am 27. November 1937, zum Reichswirtschaftsminister ernannten Angeklagten Funk auch zum Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft ernennen zu lassen. Das geschah aber nicht. Zunächst übernahm vielmehr Göring selbst das Reichswirtschaftsministerium und übergab es erst nach einigen Monaten, im Februar 1938, dem Angeklagten Funk. Und dann verlangte das Oberkommando der Wehrmacht, und zwar der Wehrwirtschaftsstab unter dem mehrfach erwähnten General Thomas, daß der Generalbevollmächtigte für die Kriegswirtschaft in Zukunft in allen mit der Versorgung der Wehrmacht im Kriege zusammenhängenden Fragen an die Weisungen des Oberkommandos der Wehrmacht gebunden sein soll. In dem betreffenden Schreiben, EC-270, US-840, beansprucht das Oberkommando der Wehrmacht, Wehrwirtschaftsstab, sogar ein Weisungsrecht an den Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft auf fast allen seinen Tätigkeitsgebieten. Der Angeklagte Funk versuchte damals durch Rücksprache mit Göring und mit einem Schreiben an Minister Lammers seine Stellung als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft zu klären, und er verlangte, daß er als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft direkt Hitler unterstehe und nicht an die Weisungen des Oberkommandos der Wehrmacht gebunden sei. Göring und Lammers stimmten damals der Ansicht Funks zu. Das hat jedoch – und das muß ich besonders betonen – mit der Unterstellung von Funk unter Göring nichts zu tun, denn auch alle übrigen obersten Reichsbehörden und Minister, die dem Führer direkt unterstellt wurden, waren auch wieder an die Weisungen des Beauftragten für den Vierjahresplan, also an die Weisungen Görings, gebunden. Bemerkenswert ist nun aber, daß der Angeklagte Funk laut Reichsverteidigungsgesetz vom 4. September 1938 – das ist das zweite Reichsverteidigungsgesetz – nicht Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft wurde, sondern Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft, also ohne das Wort Krieg, und daß in diesem zweiten Verteidigungsgesetz ausdrücklich festgelegt wurde, Funk habe den Forderungen des OKW zu entsprechen. Demnach hat sich also doch das Oberkommando der Wehrmacht schließlich gegen Funk durchgesetzt.
Aber auch die einzelnen Wirtschaftsressorts, die gemäß dem zitierten Reichsverteidigungsgesetz dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft für seine besonderen Aufgaben unterstellt waren, wollten ihn nicht anerkennen. In dem während des Kreuzverhörs Funk vorgelegten Protokoll des früheren Staatssekretärs Dr. Posse, des Stellvertreters von Funk als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft, 3894-PS, US- 843, erklärt Posse, daß der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft »eigentlich niemals in Funktion trat«. Minister und Staatssekretäre der einzelnen Wirtschaftsressorts, wie zum Beispiel der Finanzen, Landwirtschaft, Verkehr und so weiter wünschten nach Posses Aussage nicht die Unterstellung unter Funk, ja sie protestierten sogar dagegen. Posse spricht auch noch von den Differenzen Funks mit dem Vierjahresplan. Er nennt diese Konflikte »den Kampf um die Macht«, womit aber in diesem Zusammenhang nichts anderes gemeint ist als der Kampf um die Entscheidungsbefugnis gegenüber den übrigen Wirtschaftsressorts. Es war dies also nicht eine Differenz zwischen Göring und Funk; das ist falsch; es war völlig klar, daß Funk Göring auch als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft unterstellt war. Es handelte sich hierbei vielmehr um einen Streit der Staatssekretäre. Die einzelnen Wirtschaftsressorts erklärten, daß sie dem Bevollmächtigten für den Vierjahresplan unterstellt seien und lehnten ein Anweisungsrecht Funks, des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft, ab, da ja Funk seinerseits wiederum dem Vierjahresplan unterstellt war. Die Staatssekretäre des Vierjahresplanes unterstützten die Ressorts in dieser Auffassung, und diese Unklarheit und die Überschneidung in den Zuständigkeiten waren der Grund dafür, daß die Anweisungsbefugnisse des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft, also des Angeklagten Funk, bereits wenige Monate nach Kriegsbeginn auch formell, also auch de jure auf den Beauftragten für den Vierjahresplan übergingen. Auf die Frage des Anklagevertreters an den erwähnten Staatssekretär Posse, ob er nicht wichtige Angelegenheiten mit Funk zu besprechen pflegte, antwortete Posse: »Ja, aber es kam nicht viel dabei heraus.« Posse bestätigte, daß Görings Vollmachten weit stärker waren, und daß Göring das Amt des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft schließlich ganz aufgelöst hat. Das war nach der Aussage des Angeklagten Funk bereits im Dezember 1939 der Fall, also wenige Monate nach Beginn des Krieges. Es blieb für Funk nur noch ein rein formelles Verordnungsrecht. Das hat auch Lammers hier bestätigt. Es ist also durchaus richtig, wenn der Mitangeklagte Göring hier als Zeuge erklärt hat, daß der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft auch nach seiner Auffassung in der Stellung, wie Funk sie hatte, nur auf dem Papier stand.
Gearbeitet hat die Geschäftsstelle des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft naturgemäß in einem fortlaufenden Geschäftsverkehr mit den übrigen Wirtschaftsressorts, mit dem Vierjahresplan, dem Wehrwirtschaftsstab des Oberkommandos der Wehrmacht und dem Generalbevollmächtigten für die Verwaltung, also dem Reichsminister des Innern. Zum Beweis dafür sind von der Anklagebehörde verschiedene Dokumente vorgelegt worden, wonach in den Sitzungen beim Stellvertretenden Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft und seinem Führungsstab die Fragen der Finanzierung eines Krieges, der Produktion im Kriege, der Arbeitskräfte und anderes mehr erörtert worden sind. In diesem Zusammenhang hat sich die Dienststelle des Generalbevollmächtigten auch einmal mit der Frage der Beschäftigung von Kriegsgefangenen in der Wirtschaft, aber auch eben nur rein theoretisch, befaßt. (Dokument EC-488, US-842.) Warum diese wirtschaftliche Generalstabsarbeit, die für den Fall eines Krieges schon im Frieden geleistet werden mußte, für den Angeklagten Funk belastend sein soll, ist nicht ersichtlich. Er selbst hat sich übrigens mit all diesen Fragen bis zum August 1939 überhaupt nicht eingehend befaßt. Aber alle diese Arbeiten des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft waren allgemeine Kriegsvorbereitungen und bezogen sich nicht auf einen bestimmten Krieg. Als allerdings die Vorschläge für einen Übergang der Friedenswirtschaft auf die Kriegswirtschaft im August 1939 von Funk mit den übrigen Wirtschaftsressorts ausgearbeitet wurden, war die Kriegsgefahr mit Polen höchst akut.
Nirgends befindet sich in dem von der Anklage vorgelegten Material auch nur ein einziger Hinweis darauf, daß der Angeklagte von den politischen und militärischen Besprechungen und Vorbereitungen irgend etwas gewußt hat, die einen geplanten Krieg, insbesondere einen Angriffskrieg von deutscher Seite, zum Gegenstand hatten. Funk wurde zu solchen Besprechungen niemals hinzugezogen. Er war insbesondere auch nicht in der bekannten Besprechung bei Göring am 14. Oktober 1938 anwesend, die von der Anklage auf Seite 24 des Trialbriefes eingehend behandelt wird (1301-PS). Nach der Darstellung der Anklage bezog sich Göring in dieser Sitzung auf einen Befehl Hitlers für eine ungewöhnliche Steigerung der Rüstung, hauptsächlich in »Angriffswaffen«. Der Vertreter der Anklage erklärte hier in der Sitzung vom 11. Januar 1946, daß in dieser Besprechung an den Angeklagten Funk von Göring Worte gerichtet worden seien, die, wie es wörtlich heißt, »die Worte eines Mannes waren, der bereits im Kriege sei«. Durch mehrere Dokumente aber, die mit dem Dokumentenbuch Funk dem Gericht vorgelegt wurden, ist eindeutig erwiesen, daß der Angeklagte Funk an dieser Sitzung überhaupt nicht teilgenommen hat, da er zu dieser Zeit in Sofia war, um Wirtschaftsverhandlungen mit Bulgarien zu pflegen. Damit ist auch dieses Beweisstück der Anklage, das offensichtlich ein Hauptbeweisstück sein sollte, vollständig entkräftet worden. Als Funk seinen Brief an Hitler am 25. August 1939 schrieb, den ich bereits heute vormittag erwähnt habe, standen sich die deutschen und die polnischen Armeen bereits voll mobilisiert gegenüber. Er mußte also damals so handeln und konnte in diesem Augenblick keine Vorbereitungen mehr zurückziehen. Das hat auch der Zeuge Kallus in seinem vorgelegten Tagebuch, Dokumentenbuch Funk 18, vollinhaltlich bestätigt. Zu diesem Punkt hat Funk auch als Zeuge erklärt:
»Es war selbstverständlich meine Pflicht, als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft alles zu tun, um im Falle eines Krieges Erschütterungen auf dem zivilen Wirtschaftssektor zu verhindern, und weiterhin war es meine Pflicht als Reichsbankpräsident, den Gold- und Devisenbestand der Reichsbank soweit als möglich zu verstärken.«
Er fährt wörtlich weiter:
»Das war notwendig, schon wegen der allgemeinen politischen Spannung, die damals herrschte, und es wäre das auch notwendig gewesen für den Fall, daß es überhaupt gar nicht zu einem Kriege kam, sondern nur zu wirtschaftlichen Sanktionen, die man bei der gespannten politischen Lage in der damaligen Zeit erwarten konnte und erwarten mußte.«
Ebenso sagt Funk:
»... war es meine Pflicht als Reichswirtschaftsminister alles zu tun, um die Produktion zu verstärken.«
So wörtlich die Angabe des Angeklagten Funk. Hierzu hat der Zeuge Puhl, der Vizepräsident der Reichsbank, in seinen Antworten zum Fragebogen vom 1. Mai, der Ihnen vorliegt, bekundet, daß die Position der Reichsbank sich in den sieben Monaten der Präsidentschaft Funks vor dem Kriegsbeginn nicht wesentlich verstärkt hat, und daß die Umwandlung von Auslandsguthaben in Gold seit Januar 1939 nur in bescheidenem Umfange durchgeführt worden ist. Die vorsorgliche Gold- und Devisenpolitik der Reichsbank, sagt dieser Zeuge, entsprach einer langgeübten Praxis. Diese Erklärung des Zeugen Puhl ist wichtig für die richtige Erkenntnis der Hinweise Funks auf die Umwandlung von Auslandsguthaben in Gold, die sich in seinem mehrfach erwähnten Brief an Hitler vom 25. August 1939 befinden. Die Transaktionen, auf die Funk damit anspielt, haben in Wirklichkeit, jedenfalls aber zu der Zeit, als Funk Reichsbankpräsident war, kaum noch irgendeine Bedeutung gehabt. Die überschwengliche Ausdrucksweise Funks in diesem Brief an Hitler läßt den Inhalt überhaupt wichtiger erscheinen, als er in Wirklichkeit war. Funk hat diese Tatsachen bei seiner Vernehmung damit erklärt, daß der Brief eben ein privater Dankbrief war, daß in jenen Tagen jeder Deutsche in höchster Spannung gewesen sei in Anbetracht der ganz Europa auf das stärkste erregenden politischen Vorgänge und daß er, Funk, in diesem Augenblick der Kriegsgefahr für sein Vaterland dem Reichskanzler bekunden wollte, daß auch er, also der Angeklagte Funk, seine Pflicht getan habe. Es war dies das erste, und es blieb das auch das einzige Mal, daß Funk in seiner Eigenschaft als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft aktiv tätig geworden war.
Ich muß hier allerdings etwas einfügen, auf Grund eines Protokolls, das die Anklagevertretung erst nach dem Schluß der Beweisführung als Dokument 3787-PS vorgelegt hat; es ist das das Protokoll über die zweite Sitzung des Reichsverteidigungsrates vom 23. Juni 1939.
In dieser Sitzung des Reichsverteidigungsrates, die also etwa zwei Monate vor Kriegsbeginn stattgefunden hat, hat Funk als Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft teilgenommen. Aber das Protokoll läßt nach seiner ganzen Formulierung kaum einen Zweifel darüber, daß es sich dabei um allgemeine, also mehr theoretische Vorbereitungen für den Fall irgendeines Krieges handelt; und außerdem darf bei der Würdigung dieses Protokolls nicht übersehen werden, daß dann im Kriege, der ein Vierteljahr später ausbrach, die Aufgaben des Angeklagten Funk auf dem Gebiet der Verteilung der Arbeitskräfte vollständig auf den Vierjahresplan übergingen, da der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft in seinen wesentlichen Funktionen alsbald nach Kriegsbeginn vollständig und auch formell aufgelöst wurde, wie ich bereits vorhin dargelegt habe.
Daß und warum Funk bis zuletzt nicht an einen Krieg geglaubt hat, daß er vielmehr mit einer Beilegung des polnischen Konflikts auf diplomatischem Weg rechnete, das hat Funk bei seiner Vernehmung dem Gericht ausführlich dargelegt. Die Richtigkeit dieser Aussage bescheinigen auch die Zeugen Landfried, Posse und Puhl, also die drei engsten Mitarbeiter des Angeklagten, in den dem Gericht vorgelegten Antworten auf die Fragebogen (Funk-Exhibit Nummer 16 und 17 und 3894-PS). Die Gefahr eines Krieges mit Rußland aber ist Funk zum erstenmal durch die Ernennung Rosenbergs zum Beauftragten für die einheitliche Behandlung der osteuropäischen Probleme im April 1941 zur Kenntnis gekommen. Es wurden, wie wir uns erinnern werden, dem Angeklagten Funk damals von Lammers und Rosenberg die nämlichen Erklärungen gegeben, die hier vor dem Gericht von den sämtlichen zu dieser Frage vernommenen Zeugen im allgemeinen zum Ausdruck gebracht worden sind. Als Grund für die Vorbereitungen auf einen Krieg mit Rußland wurde damals auch Funk mitgeteilt, daß die Sowjetrussen an der ganzen Grenze starke Truppen zusammenziehen würden, daß sie in Bessarabien eingefallen seien, und daß Molotow in seinen Besprechungen mit Bezug auf den Ostseeraum und den Balkan Forderungen gestellt habe, die für Deutschland unerfüllbar seien. Da Rosenberg außerdem erklärte, daß der Auftrag Hitlers auch wirtschaftliche Regelungen einschließe, stellte Funk den Ministerialdirektor Dr. Schlotterer für Rosenberg als Verbindungsmann zur Verfügung. Schlotterer übernahm später die Leitung der Wirtschaftsabteilung im Ministerium Rosenberg und trat auch in den Wirtschaftsführungsstab Ost des Vierjahresplanes ein. Das Wirtschaftsministerium dagegen und Funk hatten mit den Wirtschaftsfragen im besetzten Osten so gut wie nichts zu tun. Sie befaßten sich lediglich mit Fragen, die Auswirkungen auf die innerdeutsche Wirtschaft hatten. Irgendwelche Entscheidungsbefugnisse in den besetzten Ostgebieten hatte das Wirtschaftsministerium überhaupt nicht.
Im Kreuzverhör ist dem Angeklagten Funk zu diesem Thema »Kriegsvorbereitungen gegen Rußland« ein Auszug aus einem Verhör vom 19. Oktober 1945 vorgelegt worden, 3952-PS, US-875. In diesem Verhör erklärte seinerzeit Funk, daß Ende April 1941 der Angeklagte Heß ihn gefragt habe, ob er, nämlich Funk, etwas von einem vielleicht bevorstehenden Krieg gegen Rußland gehört habe. Funk hat dazu erwidert – ich zitiere wörtlich:
»Ich habe nichts Bestimmtes gehört, aber es scheint, daß über derartige Dinge gesprochen wird.«
Zu erklären ist dieses Gespräch von zwei Uneingeweihten – wie es Funk und Heß damals waren –, also dieses Gespräch zum Ende April 1941 wohl dadurch, daß Funk an diesem Tage überhaupt noch nichts Genaueres über die Gründe wußte, warum Rosenberg beauftragt wurde, sondern nur etwas wußte von Vermutungen und Gerüchten.
Eine Sitzung mit Rosenberg fand am 28. Mai 1941 bei Funk statt, Dokument 1031-PS, und in dieser Sitzung wurde, wie wir uns vielleicht erinnern, die Frage erörtert, wie das Geldproblem im Osten geregelt werden sollte, wenn es zu einem Kriege mit Rußland kommen sollte und wenn diese Gebiete von unseren Truppen besetzt würden. Meine Herren, es ist das meines Erachtens ein völlig natürlicher Vorgang, daß bei einem drohenden Krieg, auch wenn es ein Verteidigungskrieg ist, die für die Gestaltung des Geldwesens verantwortlichen Stellen die Frage erörtern, wie im Falle der Besetzung feindlicher Gebiete dort das Geldwesen geregelt werden solle. Funk war gegen jede Regelung, die zu Spekulationen Anlaß geben könnte, und er nannte den vorgeschlagenen Umrechnungskurs von Mark und Rubel einen glatten Willkürakt. Er trat vielmehr der Auffassung von Rosenberg bei, daß die russischen Gebiete eigene nationale Währungen erhalten sollten, sobald dies die Verhältnisse nur irgendwie erlaubten. Im übrigen verlangte er aber eine weitere Prüfung dieser Probleme, zumal sich die Dinge im voraus nicht bestimmen ließen. Funk ging also auch hier mit der ihm eigenen Vorsicht an die Dinge heran und bemühte sich, eine Lösung zu finden, die von vorneherein geordnete Verhältnisse schaffen würde.
Wenn in dieser Besprechung mit Rosenberg davon die Rede war, allerdings nicht seitens des Angeklagten Funk, daß man Rubelnoten drucken müsse, um den notwendigen Zahlungsbedarf zu befriedigen, so erschien das Funk, obwohl er diesen Vorschlag nicht machte, weder als ungewöhnlich, noch als verbrecherisch; denn wenn das Land von Zahlungsmitteln völlig entblößt ist, dann müssen eben neue Zahlungsmittel von der Macht geschaffen werden, die für die Aufrechterhaltung eines geordneten Geldverkehrs verantwortlich ist. Wer die Banknoten herstellt, war für Funk völlig belanglos. Das Entscheidende war für ihn, wer die Banknoten ausgibt, und in welcher Menge. Im übrigen erfordert die Herstellung einer neuen Banknote eine monatelange Vorbereitung, so daß die Durchführung eines derartigen Planes, der, wie gesagt, nicht von Funk stammte, erst für einen viel späteren Zeitpunkt in Frage gekommen wäre. Der Krieg kam aber dann tatsächlich bereits wenige Wochen nach dieser Besprechung zum Ausbruch. Daß der Krieg mit Rußland drohte, das wußte Funk. Daß Deutschland einen solchen Krieg seit langem vorbereitete, war ihm aber unbekannt, genau so unbekannt, wie die Tatsache, daß Deutschland angreifen, also einen Präventivkrieg führen werde.
Funk war weder unterrichtet über den Einmarsch in Österreich noch über die Verhandlungen über das Sudetenland – im September und Oktober 1938 war er gar nicht in Deutschland –, noch war er informiert über die Besitznahme der restlichen Tschechoslowakei. Bei Polen wußte er wohl, daß der Konflikt akut war, aber sonst nichts. Ebenso bei Rußland. Aber in beiden Fällen erfuhr er das nur kurze Zeit vor dem tatsächlichen Kriegsausbruch. Hinsichtlich der Kriege mit anderen Ländern erhielt Funk überhaupt keine Informationen vor dem Beginn der kriegerischen Handlungen, sondern erst nachher.
Alle diese von mir erwähnten Tatsachen lassen erkennen, daß Funk über die außenpolitischen Absichten Hitlers nichts wußte und daß er keinerlei Kenntnis davon hatte, daß Hitler irgendwelche Angriffskriege plante. Freilich hat sich Funk, insbesondere im Sommer 1939, vorsorglich mit der Umstellung der deutschen Wirtschaft vom Frieden auf den Kriegsfall beschäftigt. Auf einen Verteidigungskrieg aber das deutsche Volk vorzubereiten und für einen Verteidigungskrieg die erforderlichen finanzwirtschaftlichen Maßnahmen zu treffen, hielt Funk nicht nur für sein Recht, sondern auch für seine Pflicht als Reichsbeamter.
Über all diese Bedenken glaubt nun die Anklagevertretung hinwegzukommen, indem sie die Reichsregierung oder die Nationalsozialistische Partei als eine Verbrecherorganisation bezeichnet, die sich gegen andere Völker verschworen und die lediglich die Aufgabe gehabt habe, Angriffskriege zu planen und zu führen, fremde Völker zu unterjochen und zu versklaven, andere Länder auszuplündern und zu germanisieren. Diese Konstruktion ist verfehlt, da diese verbrecherischen Pläne nur von Hitler selbst und einigen wenigen Menschen seiner nächsten Umgebung vom Schlag eines Goebbels, Himmler und Bormann erfunden und durchgeführt wurden; nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme kann nicht bezweifelt werden, daß selbst die höchsten Beamten im Staat wie in der Wehrmacht, insbesondere auch Funk, nicht in diese Pläne eingeweiht wurden, daß ihnen vielmehr diese Pläne nach einem raffinierten Geheimhaltungssystem vollkommen verheimlicht wurden. Der Vergleich mit Geheimverbindungen, die hier von der Anklagevertretung erwähnt wurden und die sich in anderen Staaten zu Verbrecherorganisationen zusammengeschlossen haben, wie zum Beispiel der hier erwähnte Ku-Klux- Klan in Amerika, kann aber auch aus einem anderen Grunde nicht gezogen werden. Dieser Ku-Klux-Klan war von Anfang an als Geheimorganisation zum Zwecke der Ausübung von Terror und Verbrechen gegründet worden. Er wurde bekanntlich 1871 nach kaum sechsjährigem Bestehen von der Nordamerikanischen Regierung durch ein eigenes Gesetz, die Ku- Klux-Klan-Akte, ausdrücklich verboten. Die Regierung hat damals gegen ihn sogar das Standrecht verhängt und hat ihn mit allen Mitteln bekämpft. Er war eine Vereinigung, mit der die Regierung und das Parlament der Vereinigten Staaten niemals das geringste zu tun hatten. Einem solchen Geheimverband, einer solchen von der Regierung bekämpften Verbrecherorganisation, wäre natürlich ein Mann wie Funk selbstverständlich niemals beigetreten. Die Nationalsozialistische Partei in Deutschland dagegen war niemals eine Geheimorganisation, sie war vielmehr eine vom Staat anerkannte und vom Staat als gesetzmäßig betrachtete und behandelte Partei; durch ein eigenes Reichsgesetz war sogar die Einheit dieser Partei mit dem Staat ausgesprochen worden. Der Führer dieser Partei war seit 1934 zugleich das gewählte Staatsoberhaupt des Reiches, und dieses Staatsoberhaupt und seine Regierung sind seit 1933 ständig von der Welt als Regierung offiziell anerkannt worden. Gerade diese völkerrechtliche Anerkennung durch das Ausland, eine Anerkennung, die sogar noch während des zweiten Weltkrieges teilweise aufrechterhalten wurde, hat in Funk genau so wie in Millionen von anderen Deutschen keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regierung Hitlers aufkommen lassen und hat solche Zweifel, falls sie sich einmal melden sollten, im Keime erstickt, und Millionen deutscher Beamten und Millionen deutscher Soldaten haben genau so wie Funk geglaubt, nur ihre Pflicht zu tun, wenn sie diesem Staatsoberhaupt die gleiche Anerkennung nicht vorenthielten, die ihm alle Staaten der Welt gaben.
Das Ausland, seine Staatsmänner wie seine Generalstäbe, die Presse wie der Spionagedienst der anderen Länder, war sicherlich über die deutschen Verhältnisse und auch über die wahren Ziele der deutschen Politik besser informiert als der deutsche Staatsbürger, der keine ausländischen Zeitungen bekam, keine ausländischen Sender hören durfte, wenn er nicht ins Zuchthaus oder aufs Schafott kommen wollte, der Jahre hindurch isoliert wie in einem Zuchthaus lebte und selbst seinen Nachbarn und Freunden, oft nicht einmal mehr seinen Verwandten trauen und sich mit ihnen aussprechen durfte. Selbst Minister wußten über diese Dinge und über die wahren Pläne Hitlers nicht mehr als irgendein anderer Mitbürger und wurden selbst über die wichtigsten Staatsereignisse meist erst nachträglich durch die Zeitung oder den Rundfunk in Kenntnis gesetzt. Wer wäre auch auf den Gedanken gekommen, daß die auswärtigen Staaten ihre diplomatischen Beziehungen zu einer Verbrecherorganisation aufrechterhalten und daß offizielle Persönlichkeiten des Auslandes einen Mann anerkennen und besuchen, in dem sie das Haupt einer Verbrecherbande sehen.
Funk hat, wie bereits oben erwähnt, niemals geleugnet, daß er in seinen Planungen und Anordnungen selbstverständlich auch an die Möglichkeit von Kriegen dachte, die vielleicht Deutschland einmal zu führen haben würde, genau so, wie jeder Generalstab pflichtgemäß sich mit solchen Möglichkeiten in der ganzen Welt zu befassen hat. Dazu bestand seinerzeit für Funk als Wirtschaftsminister und Reichsbankpräsident auch alle Veranlassung; denn die Weltlage war seit dem ersten Weltkrieg derart gespannt und die Interessengegensätze der einzelnen Völker erschienen oft so unüberbrückbar, daß jeder Staatsmann die für einen Krieg erforderlichen Vorbereitungen treffen mußte, wenn er sich nicht dem Vorwurf der Nachlässigkeit, dem Vorwurf des Verrats der Interessen seines eigenen Volkes aussetzen wollte. Eine derartige vorbereitende Tätigkeit bedeutete deshalb an sich nichts Verbrecherisches, und Funk hat keinen Zweifel, daß auch die Wirtschaftsminister und die Bankpräsidenten der anderen Länder in all jenen Jahren ähnliche Vorbereitungen wie er für den Fall eines Krieges getroffen haben und treffen mußten. Wesentlich für die strafrechtliche Beurteilung des Falles Funk ist nicht, ob Funk auch seinerseits solche Vorbereitungen anordnete, sondern wesentlich ist ausschließlich, ob er wußte, daß Hitler Angriffskriege plane und daß Hitler solche Angriffskriege unter Verletzung geschlossener Verträge und unter Mißachtung des Völkerrechtes zu führen beabsichtige. Das aber hat Funk, wie er unter Eid bekundet hat, nicht gewußt, und das hat er auch nicht angenommen. An eine solche Möglichkeit ließen ihn vor allem auch die ständigen Friedensbeteuerungen Hitlers niemals denken. Heute freilich wissen wir, auf Grund der tatsächlichen Ereignisse der Folgezeit und auf Grund der Feststellungen dieses Prozesses, daß jene Friedensbeteuerungen Hitlers, die er sogar noch auf den Lippen hatte, als er Selbstmord beging, in Wirklichkeit nur Lügen und Täuschung gewesen sind. Aber Funk hat damals diese Friedensbeteuerungen Hitlers als absolute Wahrheit angesehen; er kam damals gar nicht auf den Gedanken, daß Hitler ihn und das ganze deutsche Volk täuschen könne; er hat vielmehr den Worten Hitlers genau so vertraut und ist genau so das Opfer jener Täuschung geworden wie alle Welt. Wenn man den ausländischen Staatsmännern und Generalen keinen Vorwurf daraus machen kann, daß sie den Friedensbeteuerungen Hitlers Glauben schenkten, obwohl sie über Deutschlands Aufrüstung und Pläne wohl genauere Kenntnis hatten als Funk, so kann man ihm seinen Glauben, den er seinem Staatsoberhaupt entgegenbrachte, jetzt wohl nicht als ein Verbrechen zur Last legen.
Meine Herren! Ich habe nunmehr untersucht den Vorwurf der Anklage, Funk habe Angriffskriege geplant und komme zu einem weiteren Kapitel der Anklage, das sich auf Funks Tätigkeit in den besetzten Gebieten und mit dem Kapitel der Zwangsarbeit beschäftigt.
Das Beweismaterial, das die Anklagebehörde zu dem Punkt »Zwangsarbeit« oder »Sklavenarbeitsprogramm« gegen den Angeklagten Funk vorgebracht hat, ist nur gering. Im wesentlichen wird Funk für die zwangsweise Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften aus dem Grund verantwortlich gemacht, weil er seit Herbst 1943 Mitglied der sogenannten Zentralen Planung war. Funk nahm zum erstenmal am 22. November 1943, also zu einer sehr vorgerückten Zeit des Krieges, an einer Sitzung dieser Zentralen Planung teil und später nur noch sehr selten, wie der Angeklagte Speer hier als Zeuge bekundet hat, und wie sich auch aus den sorgfältig geführten Protokollen dieses Gremiums ergibt. Mit Arbeitseinsatzfragen, und das möchte ich besonders betonen, hat sich Funk überhaupt nicht befaßt, weder als Reichswirtschaftsminister noch als Reichsbankpräsident. Grundsätzlich war Funk gegen einen allzu starken und insbesondere zwangsweisen Abzug von Arbeitern aus den besetzten Gebieten, weil dadurch das Wirtschaftsleben und die soziale Ordnung in den besetzten Gebieten gestört wurde. Das haben die Zeugen Landfried und Hayler und ebenso der Mitangeklagte Sauckel bestätigt, und das ergibt sich auch aus Funks persönlichen Bemerkungen in der hier wiederholt zitierten Sitzung bei Lammers vom 11. Juli 1944, Dokument 3819-PS, wo sich Funk zum Beispiel, wie er sich ausdrückt, gegen »rücksichtslose Razzien« gegenüber ausländischen Arbeitern aussprach. Wenn Funk Vertreter seines Ministeriums in die Zentrale Planung entsandte, dann tat er das nur zu dem Zweck, daß sie dort für die notwendigen Zuteilungen an Rohstoffen für die Verbrauchsgüterwirtschaft und für den Export Sorge tragen, aber niemals wegen der Frage der ausländischen Arbeiter, an der er nicht interessiert war. Wenn der Anklagevertreter hier dem Zeugen Hayler im Kreuzverhör am 7. Mai 1946 eine Aussage Funks aus dem Vorverhör am 22. Oktober 1945, 3544-PS, vorhielt, wonach Funk erklärte, er habe sich über diese Arbeiterprobleme – ich zitiere wörtlich – »nicht den Kopf zerbrochen«, so muß dazu vom Standpunkt der Verteidigung aus festgestellt werden, daß Funk im nächsten Satz dieses Protokolls, also gewissermaßen im gleichen Atemzuge, erklärt hat, daß er stets sein möglichstes tat, um eine Verschleppung von Arbeitern aus ihrer Heimat, zum Beispiel aus Frankreich, zu verhindern. Dieser zweite Satz, der von der Anklagevertretung nicht zitiert wurde, erscheint besonders wichtig, weil auch daraus die ablehnende Haltung Funks gegenüber den Zwangsmaßnahmen beim Arbeitseinsatz ausländischer Arbeitskräfte klar hervorgeht. Nun hat aber der Angeklagte Speer in der Sitzung dieses Gerichts vom 20. Juni bekundet, daß durch die Zentrale Planung überhaupt keinerlei Arbeitseinsatzplanung vorgenommen worden ist. Es fanden dort nur vereinzelte Besprechungen über Arbeitseinsatzfragen statt. Die Protokolle, die die tatsächlichen Ergebnisse der Verhandlungen und die Beschlüsse der Zentralen Planung aufweisen, sind nicht zum Gegenstand der Anklage gemacht worden. Funk, der nachgewiesenermaßen nur einige wenige Male an den Sitzungen der Zentralen Planung teilgenommen hat, erhielt die stenographischen Aufzeichnungen über die Sitzungen überhaupt nicht, sondern nur die Protokolle, die hierüber nichts ersehen ließen. Vor der Zeit, als Speer die Entscheidungen über die Kriegsproduktion traf, und bevor Sauckel Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz wurde, also vor 1942, wurden die Fragen der Beschaffung von Arbeitskräften für die Produktion beim Vierjahresplan behandelt, also bei Göring, nicht bei Funk. Und auch später erfolgten die Anforderungen von Arbeitskräften, wie Speer angegeben hat, im wesentlichen in direkten Verhandlungen der Wirtschaft mit den Arbeitseinsatzbehörden. Als Funk noch die Produktion im Reichswirtschaftsministerium nach den Weisungen des Vierjahresplanes betreute, wurden diese Arbeitseinsatzfragen nicht durch das Reichswirtschaftsministerium, sondern durch den für die einzelnen Wirtschaftszweige eingesetzten Generalbevollmächtigten des Vierjahresplanes, also von Göring, mit dem
Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz direkt verhandelt. Speer hat dies zu dem Dokument Sauckel-Exhibit Nummer 12 richtiggestellt, ebenso die Tatsache, daß in diesem Dokument verschiedene Wirtschaftszweige unter der Zuständigkeit des Reichswirtschaftsministeriums aufgeführt sind, die gar nicht dazu gehören, wie zum Beispiel Hoch- und Tiefbau.
Einiges andere ist vorher schon durch den Verteidiger Sauckels richtiggestellt worden. Die in diesem Dokument erwähnten verschiedenen Wirtschaftsämter forderten ebenfalls keine Arbeitskräfte beim Reichswirtschaftsministerium an. Sie waren übrigens nicht Dienststellen des Reichswirtschaftsministeriums, sondern bei der sogenannten Mittelinstanz, also bei den Landesbehörden oder auch den Gauleitungen eingegliedert.
Wichtig zu diesem Punkt ist noch die Feststellung, daß bis zum Jahre 1943, also bis zu der Zeit, in der Funk überhaupt für die Produktionsfragen zuständig war, die ausländischen Arbeiter im wesentlichen auf Grund freiwilligen Entschlusses durch Werbung nach Deutschland kamen. Ich beziehe mich hierzu auf den im Dokumentenbuch Funk unter Nummer 12 veröffentlichten Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 30. Juli 1940, in welchem ausdrücklich auf die Innehaltung der international eingegangenen Verpflichtungen hingewiesen wird.
Und schließlich muß noch festgestellt werden, daß Funk zu der Zeit, als er in die Zentrale Planung eintrat, überhaupt keine Produktionsaufgaben mehr hatte, daß er also zu dieser Zeit auch keine Arbeiter mehr anfordern konnte, infolgedessen an diesem Tätigkeitsbereich der Zentralen Planung keinerlei Interesse mehr hatte.
Hinsichtlich der Einstellung Funks zu der Wirtschaft der besetzten Gebiete und der von ihm zur Aufrechterhaltung geordneter Wirtschaftsverhältnisse und insbesondere geordneter Währungsverhältnisse getroffenen Maßnahmen, verweise ich auf die Fragebogen Landfried (Funk-Exhibit Nummer 16) und Puhl (Funk-Exhibit Nummer 17) sowie auf die Zeugenaussagen von Hayler, Neubacher und Seyß-Inquart. Erwähnen muß ich lediglich ein im Kreuzverhör des Angeklagten Funk durch den amerikanischen Anklagevertreter vorgelegtes Dokument 2263-PS, ein Schreiben des Staatssekretärs des Reichswirtschaftsministeriums an das Oberkommando der Wehrmacht vom 6. Juni 1942, in welchem die Freistellung von 100 Millionen Reichsmark aus Besatzungsgeldern für die Käufe der Roges-Rohstoffhandelsgesellschaft auf dem schwarzen Markt in Frankreich erboten wird. Es handelt sich bei diesen Käufen um die hier mehrfach erwähnten, auf Anweisung des Vierjahresplans erfolgten Einkäufe in den besetzten Gebieten. Das waren aber gerade die Käufe, gegen die Funk Einwendungen erhob. Diese seine Einwendungen hatten schließlich den Erfolg, daß der Beauftragte für den Vierjahresplan (Göring) solche Aufkäufe vollständig untersagt hat. Funk selbst konnte bekanntlich Anweisungen für die besetzten Gebiete nicht geben. Im übrigen sind solche behördlich kontrollierten Aufkäufe anders zu bewerten als die unkontrollierten Aufkäufe der verschiedensten Staats-, Partei- und Wehrmachtsstellen, gegen die Funk immer wieder angekämpft hat (Fragebogen Landfried, Dokumentenbuch Funk Nummer 16).
Ich fasse nun diese Ausführungen dahin zusammen, daß die Beweiserhebung einwandfrei ergeben hat, daß der Angeklagte Funk durch die verschiedensten Maßnahmen stets einer Ausplünderung der besetzten Gebiete entgegengetreten ist und daß allein durch die Tatsache, daß es ihm gelang, die Abwertung der Währungen der besetzten Länder zu verhindern, diese vor einem Schaden bewahrt worden sind, der im einzelnen gar nicht abzuschätzen gewesen wäre.
Damit, meine Herren Richter, verlasse ich dieses Kapitel der Anklage gegen Funk, und ich wende mich dann dem vorletzten Kapitel der Anklage gegen Funk zu, nämlich seiner Mitwirkung bei der Ausschaltung der Juden aus der Wirtschaft im November und Dezember 1938, behandelt als Punkt 3 der Anklage.
Meine Herren! Mit Rücksicht auf die knappe Zeit, die uns zur Verfügung steht, kann ich auf manche weiteren Details der Anklage gegen Funk hier nicht näher eingehen, sondern verweise hinsichtlich solcher Details auf die von Funk selbst hierzu abgegebenen Erklärungen; um so entschiedener muß ich mich mit einem Problem näher beschäftigen, das mir allerdings als das allerwichtigste in der gesamten Anklage gegen Funk erscheint, nämlich mit dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, daß er irgendwie sich an der Verfolgung der Juden beteiligt habe. Diese Frage erscheint dem Angeklagten Funk geradezu ausschlaggebend zu sein für seine Beurteilung im Rahmen des gegenwärtigen Prozesses.
Meine Herren Richter! Man hat zwar niemals in Deutschland behauptet, daß Funk zu jenen fanatischen Antisemiten gehört hätte, die an Judenpogromen sich beteiligten oder solche billigten und Nutzen aus ihnen zogen; derartige Dinge hat Funk stets entschieden abgelehnt, und das erklärt sich nicht nur aus seiner angeborenen Veranlagung und aus dem Milieu, in dem er aufgewachsen ist, sondern auch aus seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Journalist, und zwar in demjenigen Teil der Presse, der sich mit Wirtschaftspolitik beschäftigte und der ihn daher in ständiger Berührung hielt mit den wertvollen Judenkreisen des Wirtschaftslebens. Noch heute wissen und rühmen die Fachleute, daß Funk schon damals stets eine Haltung zeigte, die von allem Antisemitismus frei war und die weit eher judenfreundlich als judenfeindlich erschien.
Es ist nun eine gewisse Tragik im Leben des Angeklagten Funk, daß trotzdem ausgerechnet sein Name in diesem Verfahren wiederholt in Zusammenhang gebracht wurde mit den Verordnungen vom November 1933, durch welche die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben durchgeführt wurde. Zu seinem Ressort als Wirtschaftsminister gehörten, ob er wollte oder nicht, all die Fragen, die sich auf die Behandlung der Juden im deutschen Wirtschaftsleben bezogen. Er hatte als Beamter die Pflicht, die erforderlichen Ausführungsverordnungen zu erlassen.
Gerade dem Angeklagten Funk ist bei seiner grundsätzlichen Neigung zur Toleranz das sicherlich sehr schwer gefallen. Er war damals bereits seit acht Jahren Staatsbeamter im Reichspropagandaministerium und im Reichswirtschaftsministerium gewesen, und aus all dieser Zeit konnte die Anklagevertretung nicht einen einzigen Fall ausfindig machen, wo Funk eine antisemitische Haltung gezeigt, wo er eine Hetzrede gegen Juden gehalten, nicht einen einzigen Fall, wo er Gewaltanwendung, wo er Terror und Unrecht gepredigt oder gebilligt hätte. Im Gegenteil, aus den Bekundungen verschiedener Zeugen wissen wir, daß Funk sich in all jenen Jahren immer wieder für jüdische Mitbürger eingesetzt, daß er für sie gesorgt und in ihrem Interesse sich bemüht hat, Härten zu mildern, Übergriffe zu verhindern und Existenzen zu retten, auch wenn es sich um Juden oder politische Gegner handelte.
Es braucht daher nicht wunderzunehmen, daß gerade dieser Mann mit seiner reichen wirtschaftlichen Erfahrung, mit seiner umfassenden Bildung und mit seiner ausgesprochenen Neigung zur Toleranz auf das schmerzhafteste betroffen wurde, als er am 10. November 1938 in Berlin die Verwüstungen an jüdischen Häusern und Geschäften sehen mußte, und als dann eine Nachricht nach der anderen einlief, die immer wieder bestätigte, daß Goebbels und seine Clique unter Ausnützung der Erregung des Volkes über ein jüdisches Attentat solche Judenpogrome in ganz Deutschland organisiert hatten und daß diese Ausschreitungen nicht nur zur Vernichtung vieler jüdischer Sachwerte geführt haben, sondern auch zur Ermordung zahlreicher Juden und zur Verfolgung von vielen Tausenden unschuldiger Mitbürger. Das Affidavit seines Ministerialrates Kallus, Dokumentenbuch Nummer 15, vom 9. Dezember 1945 und das der Frau Luise Funk vom 5. November 1945, Dokumentenbuch Nummer 3, beweisen deutlich, daß Funk solche Exzesse auf das allerschärfste verurteilte, daß er sie in größter Erregung auch gegenüber dem Minister Dr. Goebbels als Schweinereien bezeichnete, daß er für den Wiederholungsfall mit der Niederlegung seines Amtes drohte und daß er dem damals schon allmächtigen Dr. Goebbels ins Gesicht sagte, man müsse sich schämen, ein Deutscher zu sein.
Es war dies, meine Herren Richter, die gerechte Empörung eines Mannes, der seit Jahren sich um Mäßigung gegenüber Juden und politischen Gegnern eifrigst bemüht und dafür so manchen Dankesbrief erhalten hatte, der seit Jahren darum kämpfte, jeden Terror zu vermeiden, jedem Mitbürger sein Recht werden zu lassen, das deutsche Wirtschaftsleben in die Höhe zu bringen, und der nun in einer einzigen Nacht all diese seine Bemühungen durch den rohen Fanatismus eines Dr. Goebbels zerschlagen sah.
Funk hat uns bei seiner Vernehmung selber anschaulich geschildert, wie er seit Übernahme des Amtes als Wirtschaftsminister, also seit Februar 1938, von Goebbels und von Dr. Ley immer wieder gedrängt worden war, die Juden auch aus dem Wirtschaftsleben auszuschalten, wie man sie 1933 aus dem Kulturleben verdrängt hatte. Der Zeuge Dr. Hayler hat hier erklärt, daß auch Himmler Funk deshalb Vorwürfe gemacht hat, und Funk selbst hat uns als Zeuge berichtet, wie es in jenen Jahren immer wieder Schwierigkeiten gab mit der verhetzten Arbeiterschaft, die manchmal mit jüdischen Betriebsführern nicht mehr zusammenarbeiten wollte oder nicht mehr zusammenzuarbeiten sich getraute; und wie es dann unter dem Druck dieser Verhältnisse dazu kam, daß in jenen Jahren zahlreiche jüdische Geschäftsinhaber ihre Betriebe, noch dazu vielfach zu Schleuderpreisen, an Leute abgaben, die dem Wirtschaftsminister Funk als durchaus ungeeignet zum Erwerb und zur Leitung solcher Geschäfte erschienen. Immer wieder versuchte Funk sich dieser unaufhaltsamen Entwicklung entgegenzustemmen; andauernd bemühte er sich, diesen Arisierungsprozeß wenigstens zu verlangsamen, für eine angemessene, gerechte Abfindung der jüdischen Betriebsinhaber zu sorgen und ihnen die Auswanderung aus Deutschland unter Mitnahme ihrer Habe zu ermöglichen. Aber von Tag zu Tag mußte Funk immer mehr einsehen, daß er zu schwach war, diese Bewegung aufzuhalten und daß die radikalen Elemente um Dr. Goebbels und Dr. Ley mehr und mehr die Oberhand gewannen und sich dabei leider auch auf die Autorität Hitlers stützen konnten. Diesen, also Hitler, hatten einige unverantwortliche Ratgeber, die allerdings heute nicht auf der Anklagebank sitzen, im Laufe der Zeit immer mehr für eine radikale Behandlung der Judenfrage gewonnen. In diesem Kampf zwischen Funk und anderen besonnenen Leuten auf der einen Seite, Goebbels und Ley auf der anderen Seite, platzten die Ereignisse des 9. November 1938 hinein, die, wie Dr. Goebbels später gegenüber Fritzsche selbst zugab, sich auch direkt gegen die Person des Angeklagten Funk richteten, den man dadurch vor vollendete Tatsachen stellen wollte. Und durch diese Aktion vom November 1938 erreichte Dr. Goebbels auch tatsächlich sein Ziel, wie der Zeuge Landfried bestätigt. Goebbels konnte sich in der Folge darauf berufen, daß Hitler selbst angeordnet habe, die Juden sollten jetzt völlig aus dem deutschen Wirtschaftsleben ausgeschlossen werden, obwohl Funk als zuständiger Minister immer wieder auf die Beziehungen zum Ausland hinwies, auf die das Deutsche Reich und seine Wirtschaft angewiesen seien.
Die zur Durchführung dieses Programms erforderlichen Befehle gab Göring in seiner Eigenschaft als Beauftragter für den Vierjahresplan, und zwar auf direkte Weisung Hitlers. Funk hat zwar nie einen Zweifel darüber gehabt, daß hierbei auch Göring bis zu einem gewissen Grad nur der Geschobene war; denn er kannte Göring immer als den Mann, der früher gerade in der Judenfrage einen übertriebenen Radikalismus abgelehnt hatte. Diese Auffassung Funks wurde in weiten Kreisen des deutschen Volkes geteilt, und sie erwies sich dann auch in der verhängnisvollen Göring-Sitzung vom 12. November 1938, Dokument 1816-PS, als richtig. Diese Urkunde ist ja hier wiederholt verwertet worden. In einer Sitzung, die dieser Sitzung vom 12. November 1938 vorausgegangen war, hat nämlich Göring die vorgekommenen Terrorakte, ausweislich des Protokolls, scharf verurteilt und hat den anwesenden Gauleitern erklärt, er werde jeden Gauleiter persönlich für die in seinem Bezirk verübten Gewalttaten verantwortlich machen. Aber was half das?
Goebbels setzte sich im Laufe der zweiten Sitzung, deren Protokoll Ihnen als 1816-PS vorliegt, mit seinen radikalen Forderungen schließlich doch durch, und aus dem Verlauf dieser Sitzung mußte schließlich auch Funk die Erkenntnis gewinnen, daß die vollständige Ausschaltung der Juden auch aus dem deutschen Wirtschaftsleben einfach nicht mehr aufzuhalten sei, weil die Fanatisierung der maßgebenden Kreise zu weit vorgeschritten war. Funk wurde sich darüber klar, daß nunmehr gesetzliche Bestimmungen getroffen werden müßten, wenn die Juden vor weiterem Terror, vor Plünderung und Gewalttaten Schutz finden und wenigstens einigermaßen angemessene Entschädigungen erhalten sollen. In diesem Sinn hat sich dann Funk in der erwähnten Göring-Sitzung vom 12. November 1938, ausweislich des Protokolls, immer wieder ausgesprochen, und den Bemühungen gerade des Angeklagten Funk, der dabei von Göring unterstützt wurde, ist es zu danken, wenn die jüdischen Geschäfte, wie das Protokoll aufweist, zunächst wieder geöffnet wurden, wenn ferner die Abwicklung des ganzen Prozesses der Willkür der örtlichen Stellen entzogen wurde und auf gesetzlicher Grundlage im ganzen Reiche erfolgte, und wenn endlich diese Abwicklung auf bestimmte Termine verteilt wurde, um für die Durchführung der ganzen Aktion etwas Zeit zu gewinnen. Liest man dieses Protokoll der Göring-Sitzung vom 12. November 1938 aufmerksam nach, so findet man trotz seiner ungenauen und lückenhaften Formulierung immer wieder deutliche Anhaltspunkte, die diesen mäßigenden Einfluß Funks beweisen, namentlich sein im Protokoll wiederholt erwähntes Drängen auf Wiedereröffnung der jüdischen Läden, dann seinen, Funks, Vorschlag, den Juden wenigstens ihre Wertpapiere zu belassen und endlich seine Stellungnahme gegen die Forderung Heydrichs, die Juden in Ghettos zu bringen. Es ist eine durch dieses Protokoll vom 12. November 1938 einwandfrei bewiesene Tatsache, daß Funk es war, der diesen Vorschlag Heydrichs bekämpfte, – ich zitiere hier: Man brauche doch keine Ghettos; die Juden könnten ja unter sich etwas zusammenrücken, das Leben von drei Millionen jüdischen Menschen unter nicht weniger als 70 Millionen Deutschen könne man doch auch ohne Ghettos regeln.
Funk wollte also den Juden damals noch wenigstens die Kasernierung in Ghettos ersparen. Freilich, Funk ist damals mit seinem Standpunkt nicht voll durchgedrungen. So wurde zum Beispiel sein Vorschlag, den Juden ihre Wertpapiere zu belassen, schließlich abgelehnt, obwohl Funk darauf aufmerksam machte – auch das ergibt sich aus dem Protokoll –, daß die Verwertung der jüdischen Effekten den deutschen Kapitalmarkt auf einen Schlag mit Wertpapieren in Höhe von einer halben Milliarde überschwemme und deshalb schlimme Folgen für den deutschen Effektenmarkt nach sich ziehen müsse. Aber, meine Herren, ausschlaggebend für die Beurteilung des Angeklagten Funk in dieser Beziehung ist weniger sein Erfolg, als wie vielmehr sein offensichtliches Bestreben, für die Juden zu retten, was unter den gegebenen Umständen überhaupt noch zu retten war, und wir dürfen dabei nicht aus den Augen verlieren, daß Funk bei allen jenen Maßnahmen, immer nur in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister, sohin als Beamter, handelte, als Beamter, der lediglich die Durchführungsverordnungen zu dem Befehl erließ, den Göring als Vierjahresplanbevollmächtigter auf Weisung Hitlers hatte erteilen lassen. Funk befand sich dabei genau in derselben Zwangslage, wie zum Beispiel der Reichsfinanzminister Graf Schwerin- Krosigk, der zur gleichen Zeit die Durchführungsverordnungen hinsichtlich der jüdischen Sühneabgabe von einer Milliarde Reichsmark zu erlassen hatte, oder wie der Reichsjustizminister und der Reichsinnenminister, die beide ebenfalls die analogen Durchführungsverordnungen für ihren Geschäftsbereich erlassen haben.
Es wird nun Sache des Gerichts sein, die schwierige Rechtsfrage grundsätzlich zu entscheiden, ob ein Beamter in einem Staat, dessen Regierung von allen Regierungen der Welt als rechtmäßig anerkannt ist, sich kriminell strafbar macht, wenn er ein Gesetz, ich betone, meine Herren, ein Gesetz vollzieht, das nach der Rechtsordnung seines Staates rechtmäßig ergangen ist. Meine Herren, es ist dies ein ganz anderes Problem, als die im Statut und von der Anklagevertretung behandelte Frage, ob der dienstliche Befehl eines Vorgesetzten entschuldigt oder nicht. Ich darf hier einfügen: Mit dieser letzten Frage beschäftige ich mich hier grundsätzlich nicht, weil ich das anderen Herren überlasse. Ich beschäftige mich hier nur mit der Frage, ob der Beamte sich strafbar macht, wenn er ein Gesetz, ein ordnungsgemäß erlassenes Gesetz seines Staates, der auf der ganzen Welt als rechtmäßiger Staat anerkannt ist, vollzieht; und das ist ein ganz anderes Problem, als dasjenige, das im Statut behandelt ist.
Meine Herren! Zu dieser Rechtsfrage, soweit ich sie bisher noch nicht behandelt habe, muß ich grundsätzlich folgendes bemerken; ich fahre hier fort auf Seite 50, unten:
Unser natürliches Rechtsempfinden billigt es zwar durchaus, daß ein Staatsbürger, auch ein Beamter, ja sogar ein Soldat, sich dann nicht zu seiner Rechtfertigung auf den dienstlichen Befehl eines Vorgesetzten berufen kann, wenn dieser Befehl sich auf eine offensichtlich rechtswidrige Handlung, besonders auf ein Verbrechen bezieht und wenn der Untergebene nach Lage des Falles und unter angemessener Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände erkennt oder doch erkennen muß, daß der dienstliche Befehl seines Vorgesetzten im Widerspruch steht zu der Rechtsordnung.
Ist diese letztere Voraussetzung gegeben, verstößt also mit anderen Worten – wenn ich das einfügen darf – der dienstliche Befehl des Vorgesetzten offensichtlich gegen die Rechtsordnung, so wird man es im allgemeinen durchaus billigen können, wenn dem Untergebenen nicht das Recht eingeräumt wird, sich zu seiner Entschuldigung auf einen dienstlichen Befehl des Vorgesetzten zu berufen und behaupten zu wollen, er habe nur diesen dienstlichen Befehl vollzogen. Insofern enthält diese Bestimmung des Statuts des Gerichtshofs im wesentlichen eigentlich gar nichts Neues, sondern nur die Bestätigung und den weiteren Ausbau von Rechtsprinzipien, die im Strafrecht der meisten heutigen Kulturstaaten bereits eine Anerkennung, allerdings in verschiedenem Umfange, gefunden haben. Freilich wird dabei eine gewisse Vorsicht sehr am Platze sein; denn es darf auf der anderen Seite, meine Herren Richter, nicht vergessen werden, daß der Gehorsam, auch gegenüber den Befehlen des Vorgesetzten, also nicht gegenüber dem Gesetz, sondern auch der Gehorsam gegenüber den Befehlen der Vorgesetzten, die Grundlage jeglicher Staatsverwaltung in allen Staaten ist und auch künftig bleiben muß, wenn ein ordnungsgemäßes Funktionieren des staatlichen Verwaltungsapparates gesichert sein soll und daß es eine erhebliche Gefahr in sich bergen würde, wenn der Beamte selber darüber entscheiden soll, ob er den geleisteten Treueid einhalten soll.
Aber, meine Herren, darum handelt es sich in unserem Falle nicht. In unserem Falle handelt es sich um etwas anderes, nämlich um den Gehorsam des Staatsbürgers und insbesondere der Beamten, wie es Funk damals war, gegenüber dem Gesetz des Staates, gegenüber dem Gesetz, das gemäß den verfassungsmäßigen Bestimmungen dieses Staates ordnungsgemäß ergangen ist. Wenn wir in dieser schwierigen Rechtsfrage zu einer gerechten und richtigen Beantwortung kommen wollen in einer Frage, die meines Wissens in der Literatur bisher nicht behandelt wurde, dann wird es zweckmäßig sein, von den deutschen Verhältnissen und von dem gegenwärtigen Prozeß ganz abzusehen und sich allgemein die Frage vorzulegen, wie dieses Problem zu entscheiden wäre, wenn der Beamte eines anderen Staates, also eines nicht-deutschen Staates, ein Gesetz durchführt. Nehmen wir zum Beispiel an, irgendein fremder Staat, der eine Minderheit aufweist, würde entsprechend seinen verfassungsmäßigen Bestimmungen – das ist natürlich immer Voraussetzung – ein Gesetz erlassen, wonach alle Staatsbürger dieser Minderheit aus dem Staatsgebiet auszuweisen seien, oder das Vermögen solcher Einwohner zugunsten des Staates einzuziehen ist, oder der landwirtschaftliche Großgrundbesitz solcher Einwohner auf den Staat übergehen oder auf andere Staatsbürger verteilt werden soll. Nehmen wir einen solchen Fall und fragen wir uns: Begeht nun in diesem Staat der Beamte wirklich ein Verbrechen, wenn er diesen gesetzlichen Befehl vollzieht? Hat der Beamte, der nach den Bestimmungen des Rechtes seines Staates zum Vollzug dieses Gesetzes zuständig ist, wirklich die Pflicht, ja hat er auch nur das Recht, den Gehorsam gegenüber dem Gesetz zu verweigern und sich zum Beispiel darauf zu berufen, daß nach seiner persönlichen Überzeugung das betreffende Gesetz ein Verbrechen gegen die Humanität sei?
Wird in einem solchen Falle, meine Herren Richter, frage ich mich, irgendein Staat heute seinen Beamten die Befugnis zusprechen, überhaupt nachprüfen zu dürfen, ob das erlassene Gesetz den Grundsätzen der Humanität oder den schwankenden Normen des Völkerrechts widerspricht? Welcher Staat würde es sich gefallen lassen, daß mit dieser Begründung seine Beamten den Vollzug eines erlassenen Gesetzes ablehnen würden?
Oder ein anderes Beispiel: Nehmen wir an, das Gesetz eines Staates beschließt, daß bestimmte neue Waffen bei der Wehrmacht einzuführen, oder daß weitere Kriegsschiffe zu bauen, oder daß irgendwelche Vorbereitungen für den Fall eines Krieges zu treffen sind. Soll da wirklich ein einzelner Beamter das Recht haben, die Durchführung des Gesetzes abzulehnen, seinen Vollzug vielleicht noch zu sabotieren und sich dann darauf berufen können, daß nach seiner persönlichen völkerrechtlichen Anschauung es sich um die Vorbereitung eines Angriffskrieges, also eines völkerrechtlichen Verbrechens handle?
Diese Rechtsfragen wird das Gericht zu entscheiden haben. Zu seiner Verteidigung kann aber Funk auf die Tatsache verweisen, daß gerade ihm nach seiner ganzen Weltanschauung und nach seiner ganzen Vergangenheit es sicherlich sehr schwer gefallen ist, jene Ausführungsverordnungen zu erlassen, obwohl er glaubte, dabei nur seine Pflicht als Beamter zu erfüllen.
In diesem Zusammenhang sei an das Rundschreiben Funks vom 6. Februar 1939, Dokument 3498-PS, erwähnt bereits im Trialbrief Funk Seite 19, erinnert, wo er seine Beamten nachdrücklich darauf hinweist, daß sie die Pflicht hätten – ich zitiere wörtlich:
»... eine in jeder Weise einwandfreie Durchführung sicherzustellen«
und wo er gefühlsmäßig bereits die Verantwortung hinsichtlich dieser Maßnahmen für seine Person ablehnt, indem er ausdrücklich hervorhebt – ich zitiere wiederum wörtlich:
»In welchem Maße und Tempo von den Vollmachten des Vierjahresplanes Gebrauch zu machen ist, richtet sich nach den Anordnungen, die von mir zu treffen sind, entsprechend den Weisungen des Beauftragten für den Vierjahresplan.«
Dieser ausdrückliche Hinweis des Angeklagten Funk auf die gesetzmäßigen Anordnungen des Vierjahresplanes, der zum Erlaß von Gesetzen befugt war, entsprang dem Bedürfnis des Angeklagten schon damals, in aller Form und feierlich zum Ausdruck zu bringen und für alle Zukunft festzuhalten, daß er – der Angeklagte Funk – bei dem Erlaß der Durchführungsverordnungen des Jahres 1938 letzten Endes ein Opfer seiner Gehorsamspflicht gegenüber dem Staat wurde; ein Opfer seiner Treue gegenüber den Gesetzen des Staates, dem er den Treueid geleistet hatte.
Gerade in dem erwähnten Rundschreiben Funks vom 6. Februar 1939, das im Trialbrief Seite 19 erwähnt ist, kommt bereits deutlich der Gewissenskonflikt zum Ausdruck, in welchem sich Funk in jenen Tagen befunden hat, ohne daß allerdings er selbst sich strafbar gemacht hätte, jener Gewissenskonflikt, der dann bei seiner Vernehmung vor einem amerikanischen Offizier am 22. Oktober 1945 zu einem vollständigen seelischen Zusammenbruch des Angeklagten Funk führte, so daß Funk schließlich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte und dem Vernehmungsoffizier erklärte:
»Ja, ich bin schuldig, damals hätte ich zurücktreten sollen.«
Dieser nämliche Gewissenskonflikt, der in den angeführten Worten zum Ausdruck kam, hielt auch während der ganzen Verhandlung vor diesem Gerichtshof den Angeklagten Funk gefangen und lastet heute noch auf ihm, und wir erinnern uns, daß Funk in der Sitzung vom 6. Mai 1946, als wir auf diesen Punkt zu sprechen kamen, derartig erschüttert war, daß er kaum weitersprechen konnte und daß er schließlich hier vor Ihnen, meine Herren Richter, erklärte: In diesem Augenblick sei ihm mit voller Eindringlichkeit zum Bewußtsein gekommen, daß von hier aus, nämlich von diesen Greueltaten des Novembers 1938, das Verhängnis seinen Weg genommen hat bis zu jenen grauenvollen und entsetzlichen Dingen, die wir hier gehört haben und von denen er teilweise während seiner Gefangenschaft schon vor der Verhandlung Kenntnis erhalten hatte und die mit Auschwitz endeten. Er habe, so sagte Funk hier am 6. Mai, bei seiner Vernehmung am 22. Oktober 1945 eine tiefe Scham und eine schwere Schuld vor sich selbst empfunden, und er empfinde sie auch heute noch genau so; aber er habe den Willen des Staates, er habe die Gesetze des Staates höhergestellt als sein eigenes Gefühl, höher als seine warnende Stimme, da er nun einmal als Beamter dem Staat verpflichtet sei; er habe sich um so mehr für verpflichtet gehalten, da diese gesetzlichen Maßnahmen gerade zum Schutze der Juden notwendig waren, um sie vor völliger Rechtlosigkeit und vor weiterer Willkür und Gewalt zu schützen.
Das sind wörtlich die Worte des Angeklagten Funk gewesen, und damit hat er wahrheitsgemäß seine Gefühle zum Ausdruck gebracht.
Auch heute noch, meine Herren Richter, empfindet der Angeklagte Funk es als eine furchtbare Tragik, daß gerade er mit diesen Dingen belastet worden ist, gerade er, der in seinem ganzen Leben niemals ein gehässiges Wort gegen einen Juden sprach, der sich vielmehr Zeit seines Lebens stets für Toleranz und für Gleichberechtigung auch gegenüber Juden einsetzte, wo er nur konnte.
Wenn Funk bei seiner Vernehmung am 22. Oktober 1945 vor einem amerikanischen Offizier sagte: »Ich bin schuldig«, so soll hier nicht untersucht werden, ob der Angeklagte jemals irgendwie dabei an eine kriminelle Schuld dachte oder nur an eine gewisse moralische Schuld, die er darin erblickte, daß er in einem Amt verblieb, das ihn verpflichtete, Gesetze durchzuführen, die seiner eigenem Weltanschauung zuwiderliefen. Funk war nicht in der Lage, sich ein eigenes Urteil über diese schwierige Rechtslage zu bilden, ob ein Beamter eines völkerrechtlich allgemein anerkannten Staates sich strafbar machen kann, wenn er nichts anderes tut, als Gesetzesbefehle dieses Staates zu vollziehen, die formell rechtsmäßig ergangen sind. Aber er, der Angeklagte Funk, sah seine »Schuld«, von der er auch Ihnen gegenüber gesprochen hat, nicht darin, daß er die Durchführungsverordnungen im November 1938 erlassen hatte; denn dazu war er als Beamter verpflichtet. Er erblickte vielmehr seine Schuld darin, daß er Mitglied der Regierung geblieben war, obwohl er den vorgekommenen Terror als unerträglich empfand und ihn verabscheute. Und in den »Gewissenskonflikt«, von dem er bei seiner Vernehmung sprach, geriet er nicht deshalb, weil er nach den Gesetzen handelte, die er unter den gegebenen Umständen für notwendig hielt, sondern er geriet in den Gewissenskonflikt deshalb, weil er in jener schwierigen Situation nicht der Stimme seines Gewissens gefolgt war und nicht sein Amt als Minister niedergelegt hatte. Aber ausschlaggebend – und ich darf das nochmals betonen, meine Herren Richter –, ausschlaggebend für seinen Entschluß, trotz aller gefühlsmäßigen Bedenken weiterhin im Amt zu bleiben, waren für Funk sicher keinerlei materielle Rücksichten; denn bei seinem Ruf als Journalist und bei seinen Fähigkeiten auf diesem Gebiet wäre es für ihn ein leichtes gewesen, eine angemessene andere Stellung zu finden.
Es spricht aber doch sehr vieles dafür, daß der Angeklagte Funk in seinem Amt vor allem durch den Gedanken gehalten wurde, daß durch seinen Rücktritt nichts besser gemacht würde, daß vielmehr unter einem ungeeigneten, unter einem fanatischen Nachfolger die Verwaltung noch weit radikaler sich gestalten würde, während er selbst hoffen konnte, durch sein Verbleiben im Amt viel Unglück mildern zu können.
Diese Erwägung, die den Angeklagten Funk in erster Linie gehalten haben mag, war sicher bis zu einem gewissen Grade auch richtig. Wenigstens hat uns sein Staatssekretär, Dr. Landfried, als Zeuge bekundet, daß Funk auch in der Folgezeit immer wieder schwere Bedenken wegen dieser Judenaktion vom November 1938 äußerte und sehr stark von allen Übergriffen und Rechtsverletzungen abrückte, die verschiedene Dienststellen sich bei der Durchführung zuschulden kommen ließen.
Seinem Vertrauensmann Landfried gegenüber konnte sich Funk natürlich offen aussprechen, und bei ihm hat er oft darüber geklagt, daß es eben nicht in seiner – des Angeklagten Funk – Macht gelegen habe, solche Übergriffe zu vermeiden. Aber, so sagte er zu Landfried, und ich zitiere hier wörtlich:
»Wir im Wirtschaftsministerium müssen unser besonderes Augenmerk darauf richten, daß sich bei der Arisierung der Betriebe, also bei deren Überführung in nicht jüdischen Besitz, niemand auf Kosten der Juden ungerechtfertigt bereichert.«
Und der Ministerialrat Kallus hat in seinem Zeugnis vom 19. April 1946 die verschiedenen Maßnahmen geschildert, die Funk damals im Interesse jüdischer Geschäftsinhaber getroffen hat, und er hat uns auch berichtet, daß Funk sich sogar persönlich als Wirtschaftsminister bemüht hat, daß seine Anordnungen von den unteren Behörden korrekt durchgeführt sind.
Wir sehen also, meine Herren Richter, Pflichtbewußtsein auf der einen Seite und menschliches Empfinden auf der anderen Seite waren es, das den Angeklagten Funk auf seinem Posten hielt und ihn damit in eine Situation brachte, die ihm heute als verbrecherische Handlungsweise zur Last gelegt wird.
Herr Präsident! Ich komme jetzt zu einem neuen Komplex. Ich habe insgesamt noch 15 Seiten. Wünschen Herr Präsident jetzt die Unterbrechung? Es ist 6 Minuten bis 4.00 Uhr.
VORSITZENDER: Können Sie dann bis dahin fertig werden, Dr. Sauter?
DR. SAUTER: Es sind noch 15 Seiten, ungefähr 8 bis 9 Minuten, schätze ich. Wenn ich weiter rechne, Herr Präsident, wird es ungefähr noch eine halbe Stunde dauern.
VORSITZENDER: Wir werden uns also vertagen.