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[Das Gericht vertagt sich bis

15. Juli 1946, 10.00 Uhr]

Einhundertachtundsiebzigster Tag.

Montag, 15. Juli 1946.

Vormittagssitzung.

GERICHTSMARSCHALL: Darf ich dem Gerichtshof mitteilen, daß der Angeklagte Ribbentrop heute abwesend ist.

VORSITZENDER: Sind die Herren sowohl der Verteidigung als auch der Anklagebehörde damit einverstanden, wenn wir uns heute um 2.00 Uhr mit den Fragebögen und eidesstattlichen Versicherungen befassen, die seit den letzten Anträgen eingelaufen sind?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Die Anklagebehörde ist damit völlig einverstanden, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Paßt es der Verteidigung, diese Dinge um 2.00 Uhr zu behandeln, Dr. Sauter?

DR. SAUTER: Sicherlich, Herr Präsident! Ich werde die anderen Verteidiger davon verständigen lassen, daß um 2.00 Uhr diese Anträge besprochen werden.

DR. RUDOLF DIX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Ich folge Kollege Dr. Sauter, daß dies geschieht. Aber gerade um 2.00 Uhr wird dann mein Plädoyer unterbrochen. Ich wäre sehr dankbar, wenn dies geschehen könnte im Anschluß an das Ende des Plädoyers des Kollegen Dr. Sauter, damit ich im Zusammenhang sprechen kann. Es wäre sehr unangenehm für mich, wenn ich unterbrochen würde.

VORSITZENDER: Ja, natürlich, Dr. Dix, gut! Wir werden es also gleich nach Dr. Sauters Plädoyer tun.

DR. SAUTER: Kann ich jetzt sprechen, Herr Präsident?

VORSITZENDER: Jawohl, Dr. Sauter.

DR. SAUTER: Meine Herren Richter! Ich habe vor der Vertagung am Freitag zum Schluß die Stellung und das Verhalten des Angeklagten Funk zur Judenfrage gewürdigt und bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, daß bei dem Erlaß der Durchführungsverordnungen zum gesetzlichen Ausschluß der Juden aus dem Wirtschaftsleben vom Ende 1938 der Angeklagte Funk nur in seiner Eigenschaft als Reichsbeamter und in Erfüllung der Pflichten dieses Amtes gehandelt hat.

Ich habe am Freitag meine hierauf bezüglichen Ausführungen mit den Worten beendet: Pflichtbewußtsein auf der einen und menschliches Empfinden auf der anderen Seite sei es gewesen, das den Angeklagten Funk auf seinem Posten hielt und ihn damit in eine Situation brachte, die ihm heute als verbrecherische Handlungsweise zur Last gelegt wird.

Nunmehr, meine Herren Richter, wende ich mich zum letzten Kapitel, der Würdigung des Angeklagten Funk, seiner Motive und seiner Handlungen und beschäftige mich infolgedessen mit den SS-Goldablieferungen an die Reichsbank und mit dem Verhältnis des Angeklagten Funk zur Frage der Konzentrationslager. Also ich bringe Ausführungen, die auf Seite 58 des Ihnen vorliegenden schriftlichen Exposés niedergelegt sind.

Es ist eine wirklich besondere Tragik im Leben des Angeklagten Funk, daß er nicht nur im Jahre 1938 durch das Schicksal dazu verurteilt wurde, die Durchführungsverordnungen zu Gesetzen erlassen zu müssen, die er innerlich stets verurteilte und ablehnte wie kein zweiter, sondern daß er dann nochmals, nämlich im Jahre 1942, in einer besonders fürchterlichen Weise mit Judenverfolgungen in Zusammenhang geriet. Ich denke hier an das Depot der SS bei der Reichsbank, also an die Angelegenheit, für die hier ein Film aus der Stahlkammer der Reichsbankfiliale Frankfurt vorgeführt und für die zwei Zeugen gehört wurden, nämlich der Vizepräsident Emil Puhl und der Reichsbankrat Albert Thoms.

Über diese Angelegenheit des Golddepots der Reichsbank war der Angeklagte Funk schon im Vorverfahren, nämlich am 4. Juni 1945, gelegentlich befragt worden, in der Urkunde 2828-PS, allerdings waren ihm damals Einzelheiten nicht bekanntgegeben worden, und Funk hat auch damals dasselbe wie hier vor Gericht erklärt, nämlich, daß er mit dieser Angelegenheit nur einige wenige Male kurz befaßt worden war und daß er ihr keinerlei Bedeutung beigemessen habe. Das ist auch der Grund, warum der Angeklagte Funk sich an diese Vorgänge zunächst hier in der Verhandlung nicht mehr genauer erinnern konnte. Er wußte also davon nicht mehr, als er schon früher gesagt hatte. Immerhin aber, meine Herren Richter, mußte Funk damit rechnen, daß diese Sache in der Verhandlung, jedenfalls beim Kreuzverhör, zur Sprache gebracht werden würde. Das geschah denn auch durch die Amerikanische Anklagevertretung am 7. Mai 1946, und sie hat ein Affidavit des Zeugen Emil Puhl, des Vizepräsidenten der Reichsbank, vorgelegt, worin Puhl zunächst den Angeklagten Funk schwer zu belasten schien. Nun ist es bemerkenswert, daß der Angeklagte Funk seit Beginn des Prozesses immer wieder gerade auf diesen Zeugen Puhl sich für verschiedene Punkte beruft und daß er seit Dezember 1945 dessen Vernehmung wiederholt verlangt hat. Das hätte nach menschlichem Ermessen Funk sicher nicht getan, wenn er ein schlechtes Gewissen gehabt hätte und wenn er damit hätte rechnen müssen, daß er durch seinen eigenen Zeugen in schwerster Weise hinsichtlich der KZ-Geschichten belastet würde. Nun hat sich aber durch die hier im Gerichtssaal erfolgte mündliche Vernehmung des Zeugen Emil Puhl einwandfrei herausgestellt, daß Puhl die ursprünglich belastenden Angaben in seinem Affidavit überhaupt nicht mehr aufrechterhalten konnte, soweit es sich um die Person des Angeklagten Funk und um dessen Wissen über die Details der Depots der SS handelte.

Wohl war Funk, wie er sich nach der Vernehmung des Puhl erinnerte – und ich habe hierüber ja auch am 17. Juni 1946 eine Berichtigung seiner eidlichen Zeugenaussage vorgelegt –, seinerzeit gelegentlich einmal vom Reichsführer-SS Himmler gefragt worden, ob in den Tresorräumen der Reichsbank Wertsachen aufbewahrt werden könnten, die von der SS im Osten beschlagnahmt worden seien. Diese Frage Himmlers hat Funk damals bestätigt und Himmler erklärt, dieser könne ja jemanden beauftragen, der die Sache mit dem Vizepräsidenten Puhl besprechen und regeln solle. Dazu erklärte seinerzeit Himmler gegenüber Funk, das könne sein Gruppenführer Pohl machen; dieser werde sich dann mit dem Vizepräsidenten Puhl in Verbindung setzen. Das war alles, was seinerzeit – ich glaube 1942 – Funk mit dem Reichsführer-SS Himmler besprochen hat und was er dann damals gelegentlich seinem Vizepräsidenten Puhl wieder mitteilte, weil ja Puhl die Geschäfte der Reichsbank tatsächlich führte und deshalb für diese Angelegenheit zuständig war.

Irgend etwas Auffälliges war in dieser Frage des Reichsführer-SS Himmler nicht enthalten, jedenfalls für Funk nicht erkennbar. Denn die SS versah damals, soviel Funk wußte, den gesamten Polizeidienst in den besetzten Ostgebieten; sie hatte aus diesem Grunde oft Wertgegenstände zu beschlagnahmen, genau so wie die gewöhnliche Polizei im Inland, also innerhalb Deutschlands, es auch getan hat. Außerdem waren ja auch in den besetzten Ostgebieten alle Goldmünzen, Devisen und so weiter auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen ablieferungspflichtig, und diese Ablieferungen erfolgten in den Ostgebieten natürlich an die SS, weil andere Staatsstellen hierfür dort überhaupt nicht eingerichtet waren. Funk wußte auch, daß die KZ-Lager der SS unterstanden, und er war der Meinung, daß es sich bei den Werten, die von der SS bei der Reichsbank zur Aufbewahrung gegeben werden sollten, wohl um solche Werte handeln würde, die auch sonst, also seitens der gesamten Bevölkerung, ablieferungspflichtig waren. Endlich war die SS, wie ja auch durch den Prozeß festgestellt wurde, ständig an den Kämpfen im Osten genau so beteiligt, wie die Wehrmacht; wie diese, so hatte auch die SB sogenanntes Beutegut in den verlassenen und zerstörten Städten des Ostens gesammelt und an das Deutsche Reich abgeliefert. Es war also für Funk durchaus nichts Auffälliges, wenn die SS Gold und Devisen besaß und ordnungsgemäß zur Ablieferung brachte.

Das Wesentliche an dieser ganzen Angelegenheit ist nun die Frage, ob der Angeklagte Funk gewußt oder gesehen hat, daß unter den von der SS gebrachten Sachen sich in auffallender Menge auch goldene Brillenfassungen, Goldzähne und ähnliche Sachen befanden, die nicht auf Grund einer ordnungsgemäßen Beschlagnahme, sondern nur auf verbrecherische Weise in den Besitz der SS gekommen waren.

Wenn – ich betone, meine Herren – wenn dem Angeklagten Funk nachgewiesen werden könnte, daß er derlei Dinge in dem Depot der SS gesehen hatte, so hätte ihn das selbstverständlich stutzig machen müssen. Wir haben aber von dem Zeugen Puhl, dem Vizepräsidenten der Reichsbank, mit aller Bestimmtheit gehört, daß der Angeklagte Funk hiervon keine Kenntnis hatte, ja, daß auch der Vizepräsident Puhl selbst hiervon nichts Näheres wußte. Jedenfalls hat Funk niemals gesehen, welche Geldsachen im einzelnen und in welcher Menge sie für die SS gebracht wurden.

Man hat nun gegen Funk angeführt, daß er selbst einige Male in die Tresorräume der Berliner Reichsbank gekommen sei, und man hat daraus folgern zu können geglaubt, daß er hätte sehen müssen, welche Gegenstände von der SS bei der Reichsbank abgeliefert worden sind. Diese Schlußfolgerung ist aber offensichtlich falsch; denn es steht durch die Beweisaufnahme fest, daß Funk während der ganzen Kriegszeit überhaupt nur einige wenige Male in die Tresorräume der Reichsbank kam zu dem Zweck, um diese Räume und die dort aufbewahrten Goldbarren der Reichsbank besonderen Besuchern, namentlich ausländischen Gästen zu zeigen. Er hat aber bei diesen paar Besuchen der Tresorräume niemals das Depot der SS gesehen. Er hat niemals wahrgenommen, was im einzelnen die SS bei seiner Bank deponiert hatte. Das steht einwandfrei fest, nicht nur durch die beschworene Aussage des Angeklagten Funk selbst, sondern auch durch das mündliche Zeugnis hier im Sitzungssaal seitens des Vizepräsidenten Puhl und seitens des Reichsbankrats Thoms. Dieser gewiß unverdächtige Zeuge der Staatsanwaltschaft, der sich bekanntlich selbst als Zeuge gemeldet hatte, hat hier auf Eid bestätigt, daß die Wertsachen von der SS in verschlossenen Koffern, Kisten und Säcken eingeliefert und in diesen Behältern auch aufbewahrt wurden und daß Funk niemals in den Tresorräumen anwesend war, wenn durch die Beamten der Bank der Inhalt einer einzelnen Kiste oder eines Koffers sortiert wurde. Der Zeuge Thoms, der diese Tresorräume leitete, hat den Angeklagten Funk überhaupt niemals dort gesehen. Funk hat also weder den Umfang gekannt, den allmählich im Laufe der Zeit die Einlieferungen der SS annahmen, noch hat er gewußt, daß Schmucksachen, daß Perlen und Edelsteine, daß Brilleneinfassungen und Goldzähne sich unter den Depots befanden. Er hat das alles niemals gesehen und es hat ihm auch keiner seiner Beamten davon jemals eine Mitteilung gemacht.

Nun hat zwar die Anklagevertretung gemeint, Funk müsse als Reichsbankpräsident doch gewußt haben, was in den Tresors seiner Bank verwahrt wurde; aber auch dieser Schluß ist offensichtlich falsch und trägt den tatsächlichen Verhältnissen einer großen Zentralnotenbank keine Rechnung. Funk, der ja außerdem noch Reichswirtschaftsminister war, hatte in seiner Eigenschaft als Reichsbankpräsident keinerlei Veranlassung, sich um ein einzelnes Depot eines Kunden zu kümmern, auch wenn dieses zufällig der SS gehörte. Er hat sich als Reichsbankpräsident auch nicht um andere Depots der Kunden seiner Bank gekümmert, da dies nicht seine Aufgabe war. Er hat lediglich einmal infolge einer Anregung seines Vizepräsidenten Puhl den Reichsführer-SS Himmler gefragt – es war dies in der zweiten Unterredung mit Himmler –, ob die bei der Reichsbank von der SS deponierten Werte verwertet werden können, das heißt, im legalen Geschäftsverkehr der Reichsbank; Himmler hat das gestattet und Funk hat das dann wieder seinem Vizepräsidenten Puhl mitgeteilt. Er hat dabei aber nur an Goldmünzen und an Devisen gedacht, also an jene Werte, die ganz allgemein im Deutschen Reich an die Reichsbank abgeliefert werden mußten und von der Reichsbank verwertet werden konnten und mußten. Auf den Gedanken, daß sich in dem Depot auch Goldzähne und ähnliche merkwürdige Dinge befinden könnten, die von verbrecherischen Handlungen in KZ-Lagern stammen würden, ist Funk niemals gekommen. Hiervon hat er zu seinem Entsetzen erst hier im Sitzungssaal während des Prozesses erfahren.

Das einzige, meine Herren Richter, was zunächst noch als ein gewisses Verdachtsmoment an der Aussage des Zeugen Puhl übrig zu bleiben schien, das war die Frage der Geheimhaltung, die ja auch bei der Vernehmung der Zeugen eine sehr, sehr große Rolle gespielt hat. Vizepräsident Puhl hat hier als Zeuge anfänglich erklärt, der Angeklagte Funk habe ihm gesagt, die Sache des Depots der SS müsse besonders geheimgehalten werden. Funk dagegen hat das stets mit aller Entschiedenheit bestritten und er hat auf seinen Eid angegeben, von einer derartigen Geheimhaltung mit Puhl überhaupt nicht gesprochen zu haben. Es stand also zunächst hier im Sitzungssaal Aussage gegen Aussage, Eid gegen Eid. Die auf diesen Punkt bezüglichen Angaben des Vizepräsidenten Puhl erschienen aber von Anfang an etwas widerspruchsvoll. Denn das eine Mal sagte der Vizepräsident Puhl, diese Geheimhaltung sei für ihn nichts Auffälliges gewesen, schließlich erstrecke sich die Geheimhaltung ja auf alle Dinge, die in einer Bank vorkommen; auf eine besondere Frage erklärte dann Puhl wiederholt, es sei ihm durchaus nicht aufgefallen, daß angeblich der Angeklagte Funk von einer Geheimhaltung gesprochen habe. Als dann aber die eidesstattliche Versicherung des Zeugen Thoms vom 8. Mai 1946 verlesen und dem Zeugen Puhl vorgehalten wurde, bekundete Puhl zum Schluß auf seinen Eid hier am 15. Mai 1946, es sei daraus genau ersichtlich, daß der Wunsch nach Geheimhaltung von der SS ausging. Die SS habe Wert darauf gelegt, daß die Sache geheim behandelt werde, die SS sei, wie Puhl sich ausdrückte, der Ausgangspunkt der Geheimhaltungspflicht gewesen. So lautete wörtlich am Schluß die Erklärung des Zeugen Puhl, die er dann auch beeidigte und an deren Ende er nochmals bestätigte, daß die Geheimhaltungspflicht von der SS auferlegt und von der SS gewünscht worden sei.

Damit, meine Herren Richter, war der anfängliche Widerspruch zwischen den Angaben des Angeklagten Funk und jenen des Zeugen Puhl zu diesem Punkt restlos beseitigt, und zwar zugunsten des Angeklagten. Puhl hat seine ursprüngliche Behauptung, daß Funk es gewesen sei, der die Geheimhaltung des SS-Depots angeordnet habe, selber nicht mehr aufrechterhalten können, und es muß deshalb bei Ihrem Urteil davon ausgegangen werden, daß auch in diesem Punkt die Aussage des Angeklagten Funk richtig ist und den Vorzug verdient; denn er hat von allem Anfang an und mit aller Bestimmtheit auf Eid erklärt, daß er selber von einer Geheimhaltung nichts gewußt hat und daß er von einer solchen Geheimhaltung zu Puhl auch nichts gesagt hat. Für Funk lag also auch gar keine Veranlassung vor, überhaupt von einer besonderen Geheimhaltung gegenüber Puhl zu sprechen, da Funk offensichtlich der Meinung war, es handle sich lediglich um Werte, die abgeliefert werden mußten, die also zu beschlagnahmen waren und die zum regelmäßigen, zum legalen Geschäftsbereich der Reichsbank gehörten, und die nicht verheimlicht zu werden brauchten, gleichviel ob diese ablieferungspflichtigen Sachen im Eigentum eines KZ-Häftlings oder im Eigentum einer freien Person standen.

Warum nun eigentlich die SS ihrerseits bei dem Vizepräsidenten Puhl auf Geheimhaltung Wert legte und warum sie weiterhin das Depot auf den Decknamen Melmer, statt auf den Namen der SS anlegte, ist durch die Beweisaufnahme nicht geklärt worden, und die Staatsanwaltschaft hat ihrerseits auf diese Klärung in diesem Punkt keinen Wert gelegt. Jedenfalls ist aber das Verlangen der SS nach Geheimhaltung dem Vizepräsidenten Puhl offensichtlich auch nicht mehr aufgefallen, genau so wenig, wie dem Zeugen Thoms, der ja an der Sache vollkommen unbeteiligt ist, der uns bestätigte, daß diese Geheimhaltung nichts Besonderes gewesen sei; aber eines, meine Herren Richter, ist doch Tatsache, daß nämlich vor dem zahlreichen Personal der Reichsbank durchaus nichts geheimgehalten wurde, um was für Gegenstände im einzelnen es sich handle; im Gegenteil, das eigene Reichsbankpersonal wurde sogar vom Vizepräsidenten Puhl mit der Sortierung der eingelieferten Wertsachen und mit deren Verwertung bei der Pfandleihanstalt betraut; Dutzende von Reichsbankbeamten, die regelmäßig in die Tresorräume kamen, konnten alltäglich dort die einzelnen Sachen sehen; und die Reichshauptkasse, also ein von der Reichsbank getrenntes Institut hat über die Verwertung der Goldsachen genau, durchaus ordnungsgemäß und ganz offen, mit dem Reichsfinanzministerium jeweils abgerechnet. Ob und welche Vereinbarungen zwischen dem Reichsfinanzminister und dem Reichsführer-SS Himmler wagen der Verrechnung der Goldsachen mit dem Reich getroffen wurden, entzieht sich natürlich der Kenntnis des Angeklagten Funk, und zwar auch heute noch; dafür hat er sich nie interessiert; ihn ging es ja auch nichts an.

All diese durch die Beweiserhebung festgestellten Tatsachen sprechen zwingend dafür, daß Funk selber von den Sachen nichts wußte, die seinerzeit bei der Reichsbank eingeliefert wurden und daß auch der Vizepräsident Puhl und der Reichsbankrat Thoms über die Sachen nichts Schlechtes dachten, obwohl mindestens Thoms gesehen hat, woraus im einzelnen das Depot bestand.

Aus diesem Grunde braucht die naheliegende Frage nicht mehr untersucht zu werden, ob die anfänglichen Angaben des Vizepräsidenten Puhl hinsichtlich des Depots der SS nicht vielleicht von vorneherein deshalb mit einer gewissen Vorsicht aufzunehmen waren, weil Puhl offensichtlich, mindestens bei seinem schriftlichen Affidavit, das begreifliche Bestreben hatte, die Verantwortung von sich auf seinen Präsidenten Funk abzuwälzen, um sich damit von der eigenen Verantwortung für einen unangenehmen Tatbestand zu befreien, als ihm in der Gefangenschaft gesagt wurde, daß die Goldsachen der SS zum großen Teil aus Brillenfassungen und Goldzähnen bestanden haben und den KZ-Opfern abgenommen worden sind. Ursprünglich hatte offenbar auch Puhl sich bei der ganzen Sache überhaupt nichts Schlechtes gedacht gehabt. Für ihn war die Angelegenheit ein gewöhnliches Geschäft der Reichsbank für Rechnung des Deutschen Reiches, das er genau so behandelte, wie wenn zum Beispiel von der Zollfahndungsstelle oder von der Devisenstelle oder von anderen Staatsbehörden Goldsachen und Devisen kamen, die beschlagnahmt worden waren. Meine Herren, aber mag man nun die Verantwortung des Vizepräsidenten Puhl beurteilen, wie man will, auf alle Fälle liegen diese Dinge außerhalb jeglicher Verantwortung des Angeklagten Funk, mit dem allein Sie zu diesem Punkt es hier zu tun haben. Dieser hat mit Puhl in der Folgezeit nur noch zwei oder drei ganz kurze und nebensächliche Gespräche über dieses Golddepot geführt, um die eingelieferten Goldmünzen und Devisen der ordnungsgemäßen Verwertung zuzuführen. Im übrigen hat sich Funk um diese ganze Angelegenheit überhaupt nicht mehr gekümmert. Er hat von der Sache noch weniger gewußt wie Puhl, und es ist nicht ohne Bedeutung, daß Puhl hier auf seinen Eid erklärt hat, er – Puhl – hätte die Goldsachen überhaupt nicht in das Depot der Reichsbank nehmen lassen, wenn er eine Ahnung davon gehabt hätte, daß die Sachen von der SS den KZ-Opfern auf verbrecherische Weise abgenommen waren. Wenn der Vizepräsident Puhl das schon nicht wußte und das nicht ahnen konnte, dann konnte Funk es noch weniger wissen, und die anfängliche Bekundung des Puhl, die dahin gegangen war, daß »mit Wissen und Willen« – wie er seinerzeit gesagt hat – »mit Wissen und Willen des Funk die Goldsachen von der Reichsbank angenommen und mit Hilfe des Reichsbankpersonals verwertet worden seien«, diese anfängliche Bekundung war mindestens eine grobe Irreführung der Anklagebehörde durch den Vizepräsidenten Puhl gewesen, der sich nachträglich, als er die wahren Zusammenhänge erst in der Gefangenschaft erfuhr, sicherlich genau so Gewissensbisse gemacht hat wie Funk, obwohl dieser an der Sache unschuldig war. Puhl hat ja schließlich auch noch auf Eid hier erklärt, auch er hätte solche Geschäfte nicht geduldet und hätte die Angelegenheit sowohl beim Reichsbankdirektorium wie beim Präsidenten Funk zur Sprache gebracht, wenn er gewußt hätte, daß die Wertsachen von KZ- Opfern stammen und um welche Sachen im einzelnen es sich gehandelt hat.

Ich komme daher bei diesem Kapitel zu dem Ergebnis: die Reichsbank hat, und zwar für Rechnung des Deutschen Reiches, Geschäfte ausgeführt, deren Gegenstände aus verbrecherischen Handlungen der SS herrührten, aber der Angeklagte Funk hat hiervon nichts gewußt. Bei Kenntnis des wahren Sachverhalts hätte er solche Geschäfte nicht geduldet. Er kann deshalb strafrechtlich für diesen Tatbestand nicht verantwortlich gemacht werden.

Das gleiche, meine Herren Richter, gilt auch hinsichtlich des Reichsbankkredits für die Geschäftsbetriebe der SS, hinsichtlich dessen ich mich nur auf einige Sätze beschränken kann. Auch zu diesem Punkt hat der Zeuge Puhl in seinem schriftlichen Affidavit vom 3. Mai 1946 zunächst eine vollkommen irreführende Darstellung gegeben. Er hat nämlich ursprünglich behauptet, der von der Golddiskontbank auf Weisung des Angeklagten Funk zur Verfügung gestellte Kredit von zehn bis zwölf Millionen Reichsmark habe gedient, und ich zitiere jetzt wörtlich aus seinem Affidavit, »zur Finanzierung der Fabrikation in SS-Fabriken durch Arbeitskräfte aus KZ-Lagern«. In seiner mündlichen Zeugenvernehmung wurde nun Puhl gefragt, ob denn Funk irgendeine Kenntnis davon hatte, daß in diesen Fabriken überhaupt Leute aus den Konzentrationslagern beschäftigt würden. Hierzu erklärte Puhl nun wörtlich: »Ich möchte das annehmen, aber wissen kann ich es nicht.« Soweit seine mündliche Erklärung. Er konnte also über die Kenntnis des Funk nichts Bestimmtes bekunden, sondern nur eine Vermutung ausdrücken. Dagegen ist die Aussage von Funk selbst über diesen Punkt durchaus klar und überzeugend; sie ging dahin, daß er zwar von dem Kreditantrage der SS Kenntnis hatte, daß er diesen Kredit auch billigte, daß er aber niemals davon wußte, welcher Art die betreffenden SS-Betriebe waren und welche Leute in ihnen beschäftigt wurden. Das hat Funk auch beschworen. Dieses Kreditgeschäft, das übrigens schon etwa zwei Jahre vor der Sache mit dem Golddepot der SS lag, also schon etwa vor 1940, belastet demnach weder den Angeklagten Funk, noch den Zeugen Vizepräsident Puhl. Beide haben damals – 1940 – die Zustände in den KZ-Lagern nicht gekannt, sondern hierüber erst viel später, nämlich im Laufe dieses Prozesses, Kenntnis erhalten, und der Angeklagte Funk hat auch nichts davon gewußt, daß in den erwähnten Fabriken der SS, für welche der Kredit bestimmt war, Leute aus KZ-Lagern beschäftigt wurden.

Meine Herren! In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig, mit noch ein paar Sätzen die Frage zu besprechen, ob Funk jemals ein KZ-Lager besucht hat; der hier vernommene Zeuge Dr. Blaha hat bekundet hier auf dem Zeugenstand, Dr. Funk sei im ersten Halbjahr 1944 einmal in Dachau gewesen. Dieser Besuch sei erfolgt im Anschluß an eine Finanzministerbesprechung, an der Funk in Berchtesgaden oder in einem anderen Ort dieser Gegend teilgenommen habe. Aber, meine Herren, der Zeuge Dr. Blaha hat damals, als er hier vernommen wurde, nicht selber etwas darüber aussagen können, daß er den Angeklagten Funk selber in Dachau gesehen habe, er hat vielmehr in Dachau nur von Lagerinsassen – also von anderen Leuten – gehört, daß bei einem größeren Besuch des Lagers angeblich auch der Reichswirtschaftsminister Funk anwesend gewesen sei. Gesehen hat er ihn nicht. Er hätte ihn ja auch nicht gekannt. Funk selbst hat nun diesen Besuch in Dachau von allem Anfang an mit Entschiedenheit bestritten. Er hat das auch auf seinen Eid genommen, und aus der eidesstattlichen Versicherung seines ständigen Begleiters Dr. Schwedler, dessen Affidavit – Dokumentenbuch Funk Nummer 13 – Ihnen vorliegt, ergibt sich einwandfrei, daß Funk überhaupt niemals in einem KZ-Lager gewesen ist. Das müßte Dr. Schwedler wissen; denn er war damals der ständige Begleiter des Angeklagten und wußte für jeden Tag, wo Funk sich aufhielt. Funk war ja auch niemals Finanzminister, wie der Zeuge Dr. Blaha angenommen hat, und er hat niemals an einer Besprechung der Finanzminister teilgenommen. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß das, was der Zeuge Dr. Blaha nur vom Hörensagen hier erzählen konnte, auf falscher Information beruht, auf einer Verwechslung mit irgendeinem anderen Besucher, was um so leichter möglich war, da der Angeklagte Funk in der Öffentlichkeit ziemlich unbekannt gewesen ist. Das Ergebnis ist also: Funk hat niemals ein KZ-Lager besucht und hat niemals die in solchen Lagern herrschenden Zustände persönlich wahrgenommen.

Mit dieser Feststellung will nun Funk freilich nicht etwa behaupten, daß er überhaupt nichts von der Existenz von KZ-Lagern gewußt hätte. Wie wohl jeder andere Deutsche, hatte Funk selbstverständlich davon Kenntnis, daß es seit 1933 in Deutschland KZ-Lager gab, genau so wie er wußte, daß es auch Zuchthäuser, Gefängnisse und sonstige Strafanstalten in Deutschland gab und gibt. Was ihm aber unbekannt war und worauf ich hier Wert lege, das war die überaus große Zahl derartiger KZ-Lager und ihrer in die Hunderttausende, ja in die Millionen gehenden Insassen. Unbekannt waren ihm auch die in diesen Lagern verübten und erst durch den Prozeß festgestellten zahllosen Greueltaten. Funk hat insbesondere erst durch den Prozeß erfahren, daß es sogar Vernichtungslager gab, die dazu dienten, Millionen von Juden zu ermorden. Davon hatte Funk keine Kenntnis; das hat er hier auch beschworen und das erscheint auch durchaus glaubhaft; denn eines der wichtigsten Ergebnisse des Prozesses besteht nach der Auffassung der Verteidigung in dem Nachweis der Tatsache, daß das deutsche Volk in seiner Allgemeinheit von den Zuständen in den KZ-Lagern und von deren riesiger Zahl keine Kenntnis hatte. Daß vielmehr diese Zustände in so raffinierter und grausamer Weise geheimgehalten wurden, daß sogar die höchsten Beamten des Reiches bis zu den sogenannten Ministern hinauf nichts hiervon erfuhren.

Meine Herren Richter! Damit hat die Verteidigung zu demjenigen Teil der Anklage Stellung genommen, der im Falle seiner Wahrheit den Menschen Funk am schwersten und furchtbarsten hätte belasten müssen. Man mag über Gewalttaten im politischen und wirtschaftlichen Kampf, namentlich in stürmischen Revolutionszeiten denken wie man will; über einen Punkt kann es auch nach der Ansicht des Angeklagten Funk keine Verschiedenheit der Auffassung geben, nämlich hinsichtlich der KZ-Greuel, wie sie seit Jahren, insbesondere gegen die jüdische Bevölkerung verübt wurden. Wer sich an solch unerhörten Greueltaten beteiligt hat, der soll auch nach der Auffassung des ganzen deutschen Volkes hierfür mit aller Härte büßen müssen. Das ist auch der Standpunkt, den der Angeklagte Funk einnimmt und den er auch hier zum Ausdruck brachte, als er am 6. Mai 1946 vom Zeugenstand aus dem amerikanischen Ankläger antwortete, er empfinde als Mensch und als Deutscher eine schwere Schuld und eine tiefe Scham über das, was deutsche Menschen an Millionen Unglücklichen verbrochen haben.

Meine Herren! Damit bin ich am Ende der Betrachtung des Falles Funk angelangt, soweit es das Strafrecht betrifft, und das ist die Aufgabe der Verteidigung in diesem Strafprozeß. Die Prüfung der Beweisergebnisse zum Fall Funk hat nach der Auffassung dieses Angeklagten für seine Person den Beweis erbracht, daß eine strafrechtliche Schuld, eine kriminelle Schuld auf seiner Seite nicht vorliegt und daß er mit gutem Gewissen Sie um seine Freisprechung bitten kann, da er kriminelle Verbrechen niemals in seinem Leben begangen hat. Ihre Aufgabe als Richter wird es nun sein, auch gegen den Angeklagten Funk das richtige Urteil zu finden; ein Urteil, das ihn nicht büßen läßt für fremde Schuld, die er nicht verhindern konnte, ja vielleicht nicht einmal kannte, sondern das nur das Maß seiner eigenen Schuld feststellt, und zwar nicht seiner politischen Schuld, sondern seiner strafrechtlichen Schuld, die allein den Gegenstand Ihres Verfahrens zu bilden hat; ein Urteil, das nicht nur heute Bestand hat, sondern das auch in Zukunft als zutreffend anerkannt wird, wenn wir von diesen fürchterlichen Ereignissen den nötigen zeitlichen Abstand gewonnen haben und dann leidenschaftslos alle diese Dinge wie Vorkommnisse einer fernen Geschichte betrachten können; ein Urteil, meine Herren Richter, das nicht nur die von Ihnen vertretenen Völker befriedigt, sondern auch vom deutschen Volk in seiner Gesamtheit als gerecht und weise anerkannt wird; ein Urteil endlich, das nicht nur vernichtet und Rache übt und Haß für die Zukunft sät, sondern das dem deutschen Volk den Wiederaufstieg ermöglicht und erleichtert zu einer glücklicheren Zukunft der Menschenwürde und der Nächstenliebe, der Gleichheit und des Friedens.

VORSITZENDER: Herr Dodd! Werden Sie oder Sir David diese Sache behandeln?

Sir David! Ich habe hier ein vom Generalsekretär abgefaßtes Dokument, das in erster Linie besagt, daß im Fall des Angeklagten Göring vier Fragebogen vorgelegt worden sind, gegen die die Anklagebehörde keinen Einspruch erhoben hat.

Stimmt das?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, das stimmt, Euer Lordschaft! Zu diesem ersten Antrag haben wir keine weiteren Bemerkungen zu machen.

VORSITZENDER: In Bezug auf den Angeklagten Ribbentrop liegen dann zwei eidesstattliche Versicherungen vor, gegen die auch kein Einspruch erhoben wurde; und dann sind noch drei weitere Affidavits, die noch nicht eingelaufen sind, glaube ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, das ist richtig, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Und ein Dokument, auf das sich der Verteidiger im ganzen beziehen will, nämlich TC-75; stimmt das?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, das stimmt. Dagegen wird kein Einspruch erhoben.

VORSITZENDER: Vielleicht sollte ich erst die Dokumente erledigen und dann Dr. Horn fragen, was er über die drei zu sagen hat, denn es liegen anscheinend nur diese drei Dokumente vor, und dann eine eidesstattliche Versicherung für Seyß-Inquart von einem Mann namens Erwin Schotter und noch eine andere von einem Mann namens Adalbert Joppich, die noch nicht eingelaufen sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist richtig, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Und noch drei Briefe von Seyß- Inquart an Himmler, die noch nicht vorgelegt worden sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, das stimmt, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Und auch im Falle Fritzsche zwei Fragebogen von Delmar und Feldscher, die noch nicht eingegangen sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was die drei Briefe des Angeklagten Seyß-Inquart anlangt, so sind diese schon eingelaufen, aber noch nicht ins Französische übersetzt worden. Das Einfachste wäre, Herr Vorsitzender, wenn der Gerichtshof von der Annahme ausgehen würde, daß vorläufig kein Einspruch besteht, aber daß die Französische Delegation sich das Recht vorbehält, eventuell Einspruch zu erheben, wenn sie nach Erhalten der Übersetzung noch Einspruch erheben will.

VORSITZENDER: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Französische Abordnung wird den Gerichtshof von etwaigen Einsprüchen in Kenntnis setzen.

VORSITZENDER: Nun, was den Rest betrifft, sind seitens der Anklage irgendwelche Einsprüche zu erheben?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der einzige Einspruch bezieht sich auf den Antrag von Dr. Servatius für den Angeklagten Sauckel. Euer Lordschaft! Nach den vom Gerichtshof bewilligten Fragebogen kommen gewisse Dokumente, die dem Gerichtshof vom Angeklagten Sauckel am 3. Juli zur Kenntnisnahme vorgelegt wurden; dabei sind mehrere, die die Bezeichnung A bis I tragen. Die Anklagebehörde möchte diese Dokumente in Anbetracht der vielen Dokumente, die für diesen Angeklagten schon vorgelegt worden sind, als kumulativ bezeichnen.

VORSITZENDER: Einen Augenblick, Sir David! Diese Dokumente A bis I...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Wurden sie nach der Beendigung des Falles eingereicht?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wurden am 3. Juli vorgelegt. Also, nachdem der Fall schon abgeschlossen war.

VORSITZENDER: Aber war das nicht damals, als wir die zusätzlichen Anträge anforderten?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, ganz am Ende.

VORSITZENDER: Am selben Tag?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, es tut mir leid, Euer Lordschaft! Der Fall war technisch doch noch nicht abgeschlossen, denn der Tag wurde noch für weitere Anträge der Verteidigung freigestellt.

VORSITZENDER: Sind diese Dokumente A bis I, von denen Sie sprachen, alle schon im Dokumentenbuch?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dr. Servatius teilt mir mit, daß sie darin enthalten sind.

Ich habe mich gerade mit Dr. Servatius beraten, und er sagt, daß er am meisten Wert auf das Dokument »A« legt, einen Erlaß des Angeklagten Sauckel über die Rückkehr der kranken Fremdarbeiter. Ich verlasse mich auf die Versicherung des Dr. Servatius und erhebe keinen Einspruch gegen das Dokument »A«, und Dr. Servatius sagt, daß er nicht unbedingt auf den anderen besteht.

Euer Lordschaft! Ein weiterer Antrag auf Zulassung eines Dokuments wurde jetzt eben für den Angeklagten Sauckel eingereicht. Es ist eine eidesstattliche Versicherung des Angeklagten selbst, datiert vom 29. Juni 1946. Die Anklagebehörde hat keinen Einspruch dagegen zu erheben.

Euer Lordschaft! Die letzte Frage in Bezug auf den Angeklagten Sauckel betrifft eine eidesstattliche Versicherung eines Zeugen namens Walkenhorst. Auch diese ist nach Ansicht der Anklagebehörde kumulativ.

VORSITZENDER: Haben Sie Walkenhorst gesagt?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, Walkenhorst, Euer Lordschaft.

Es ist der allerletzte Antrag auf meiner Liste.

DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL, VERTEIDIGER FÜR DAS KORPS DER POLITISCHEN LEITER: Herr Präsident! Darf ich zu dem Zeugen Walkenhorst etwas sagen: Der Zeuge war für Bormann geladen; ich habe auf die Vernehmung verzichtet und mit Genehmigung des Gerichts dieses Affidavit hier eingeführt, und weil es mir hier meiner Ansicht nach genehmigt war, habe ich auf den Zeugen verzichtet. Ich nehme an, daß das klargestellt wird und auch von der Anklage bestätigt wird.

VORSITZENDER: Meinen Sie, Herr Dr. Servatius, daß die eidesstattliche Versicherung des von Walkenhorst schon bewilligt worden ist?

DR. SERVATIUS: Ich nehme an, daß sie damals genehmigt wurde. Der Zeuge stand draußen, und ich wurde gefragt, ob ich ihn hören wollte, und ich sagte darauf, ich habe eine eidesstattliche Versicherung, die sich auf einen speziellen Fall beschränkt, und es genügt mir, wenn ich das übergeben darf. Es war der letzte Zeuge, der hier noch vernommen werden sollte, nach Schluß der Beweisaufnahme an sich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Unter diesen Umständen bestehe ich nicht auf dem Einspruch. Herr Vorsitzender, das ist alles, was die Anklagebehörde dazu vorzubringen hat.

VORSITZENDER: Was ist nun mit diesen beiden eidesstattlichen Versicherungen von Erwin Schotter und Adalbert Joppich, die Dr. Steinbauer beantragt?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Wir haben sie noch nicht. Soweit ich es verstehe, sind sie vom Gerichtshof zugelassen worden, vorbehaltlich eventueller Einsprüche. Aber wir können noch nichts sagen, bis wir sie gesehen haben.

VORSITZENDER: Ja, gut! Nun in Bezug auf die übrigen: Haben Sie keine anderen Einsprüche zu erheben?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, keine Einsprüche mehr.

VORSITZENDER: Sir David! Es ist uns noch ein weiteres Dokument vorgelegt worden, das einen Antrag für den Angeklagten Sauckel enthält; er möchte als Zeugen seinen Sohn Friedrich Sauckel rufen. Die Anklagebehörde hat dagegen Einspruch erhoben, weil es kumulativ und unerheblich ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, Euer Lordschaft, das ist unsere Stellungnahme. Es ist nicht anzunehmen, daß der Sohn des Angeklagten irgend etwas Neues hinzufügen könnte.

VORSITZENDER: Dieser Antrag wurde doch nach dem 3. Juli gestellt? Nein, das ist falsch, er wurde allerdings früher vorgelegt, aber er wurde am 3. Juli nicht erwähnt.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Es war ein Antrag, den Zeugen von England nach hier zu bringen, weil er vermutlich Auskunft geben kann über eine Reihe von Dingen zur Information. Einen eigentlichen Antrag habe ich noch nicht gestellt. Es war nur ein Antrag, ihn von England nach hier zu bringen zur Information um daraus zu sehen, ob er Wesentliches weiß, wie er behauptet.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich würde keinen Einspruch dagegen erheben, den Sohn des Angeklagten hierherzubringen; dann könnte Dr. Servatius mit ihm sprechen und feststellen, ob er noch etwas zur Sache beitragen kann.

VORSITZENDER: Die Schwierigkeit dieser Art von Anträgen an den Gerichtshof ist, daß der Fall dann niemals erledigt wird.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, ich stimme damit überein.

DR. SERVATIUS: Mir war nicht bekannt, daß sich der Zeuge in England befindet. Er war in Gefangenschaft, und es war vorher keine Nachricht von ihm da.

VORSITZENDER: Sir David! Haben wir eine eidesstattliche Versicherung des Angeklagten Sauckel, mit der Sie sich bereits befaßt haben?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Dann liegt eine eidesstattliche Versicherung des Angeklagten Jodl für Kaltenbrunner vor. Der Antrag ist beim Generalsekretär am 5. Juli eingelaufen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Das war nach dem letzten Termin, an dem die Verteidiger um ihre Anträge ersucht wurden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, Euer Lordschaft! Es war mir nicht möglich, die Ansichten der Anklagebehörde über diesen Punkt einzuholen.

Euer Lordschaft! Der wesentliche Inhalt dieser eidesstattlichen Versicherung war in der Rede von Dr. Kauffmann enthalten. Ich glaube nicht, daß es von Belang ist, ich meine, daß irgendein wirklicher... daß gegen das Affidavit irgendein Einspruch bestehen kann, weil ich bestimmt weiß, daß es eine Stelle enthält, die in der Rede von Dr. Kauffmann die Meinung des Angeklagten Jodl über Kaltenbrunner wiedergibt. Deshalb glaube ich nicht, Euer Lordschaft, daß wir Zeit damit verschwenden sollten; wir sollten das Affidavit zulassen.

VORSITZENDER: Gut.

Dann liegt ein Antrag des Angeklagten Rosenberg vor auf Zulassung eines Dokuments »Tradition der Gegenwart«. Dagegen ist Einspruch erhoben worden, weil es kumulativ sei.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Dr. Thoma! Wollen Sie zur Unterstützung dieses Antrags etwas sagen, oder ist es in Ihrer Rede schon genügend behandelt worden?

DR. THOMA: Ich bin der Meinung, daß das in meiner Rede genügend behandelt worden ist.

VORSITZENDER: Dann, Dr. Horn, liegen noch zwei eidesstattliche Versicherungen vor, eine von Ribbentrop und die andere von Schulze, die noch nicht vorgelegt worden sind. Brauchen Sie diese?

DR. MARTIN HORN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON RIBBENTROP: Herr Präsident! Bei dem Affidavit Schulze muß es sich um einen Irrtum handeln. Ich habe kein Affidavit Schulze eingereicht und auch keinen Antrag gestellt.

VORSITZENDER: Es war ein Irrtum.

Also, im Falle Ribbentrop stellen Sie einen Antrag, oder haben wir die Sache schon behandelt?

DR. HORN: Nein; ich bitte das Affidavit Ribbentrop noch zur amtlichen Kenntnis zu nehmen, also die Urkunde TC-75. Die beiden anderen Affidavits von Thadden und Best sind mir bereits genehmigt.

VORSITZENDER: Ja. Warum wünschen Sie, daß der Angeklagte Ribbentrop ein Affidavit ausstellt? Er hat doch sein Beweismaterial abgegeben. Ist es eine Frage, die seitdem aufgekommen ist?

DR. HORN: Der Angeklagte Ribbentrop hat nur zu einigen Urkunden Stellung genommen, die ihm während des Kreuzverhörs vorgelegt worden sind, und wobei er nur Gelegenheit hatte, ganz kurz dazu Stellung zu nehmen.

Ich wollte nun mein Plädoyer nicht zeitlich ausdehnen durch eingehende Behandlung der übrigen Urkunden, und habe daher das Affidavit eingereicht, und bitte das Gericht, es entgegenzunehmen.

VORSITZENDER: Dann bezüglich TC-75?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Es ist eines unserer britischen Originaldokumente, und ich habe nichts dagegen, daß Dr. Horn es benützt.

VORSITZENDER: Und wie steht es mit der Übersetzung? Ich nehme an, das ist ein deutsches Dokument, nicht wahr?

DR. HORN: Ja, es ist ein deutsches Dokument, das nur teilweise übersetzt worden ist, und ich habe mich in meinem Plädoyer auf den gesamten Inhalt bezogen.

VORSITZENDER: Ist es ein sehr langes Dokument oder nicht?

DR. HORN: Nein, es hat nur neun Seiten, Herr Präsident. Von der Staatsanwaltschaft ist insgesamt eine Seite dem Gericht als Beweismittel vorgelegt worden. Ich habe dann hinterher festgestellt, daß das Dokument in zwei Ausfertigungen vorhanden ist, und ich habe dann die zweite Ausfertigung, die die vollständige Urkunde darstellt, dem Gericht unterbreitet und übersetzen lassen.

VORSITZENDER: Ist es schon übersetzt?

DR. HORN: Ja.

VORSITZENDER: Gut, es ist alles in Ordnung.

Herr Dr. Steinbauer! Wie steht es mit den beiden eidesstattlichen Versicherungen, für die Sie einen Antrag gestellt haben? Eine von Erwin Schotter und eine von Adalbert Joppich?

DR. GUSTAV STEINBAUER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SEYSS-INQUART: Ich habe die beiden Urkunden zur Übersetzung gegeben, und, nachdem die Übersetzungsabteilung sehr überlastet ist, die Übersetzung noch nicht erhalten. Ich möchte aber die beiden Originale dem Gericht vorlegen unter den bereits avisierten Nummern 112 und 113 Seyß-Inquart.

VORSITZENDER: Hat die Anklagebehörde den Inhalt dieser Versicherungen schon gesehen oder nicht?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, Euer Lordschaft, noch nicht. Es sind sehr kurze Versicherungen. Ich werde jemanden bitten, sie untertags auf deutsch durchzulesen, und werde den Gerichtshof vor Aufhebung der Sitzung heute abend darüber benachrichtigen.

VORSITZENDER: Ist dieser Antrag vor dem 3. Juli gestellt worden, oder wann?

DR. STEINBAUER: Jawohl, genau am 3. Juli. Ich habe am 3. Juli diese beiden Urkunden im Wege des Generalsekretariats erhalten und gleich am selben Tag vorgetragen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird die Sache prüfen und mochte dann von der Anklagebehörde hören, ob sie irgendwelche Einwände hat.

DR. STEINBAUER: Darf ich bei dieser Gelegenheit noch eine Urkunde vorlegen? Das Gericht hat die eidesstattliche Befragung des Dr. Gero Reuter bewilligt gehabt, und nun ist mir vorgestern die Antwort mit der Befragung der Staatsanwaltschaft zugekommen...

VORSITZENDER: Was sagten Sie, Dr. Steinbauer?

DR. STEINBAUER: Daß mir das bewilligte Dokument der Befragung des Zeugen Dr. Reuter zugestellt wurde am Samstag in einer deutschen und einer englischen Übersetzung; da möchte ich dem Gericht das Original vorlegen unter der Nummer 114.

VORSITZENDER: Wie heißt der Mann, der befragt worden ist?

DR. STEINBAUER: Dr. med. Gero Reuter. Er wurde gefragt über die Gesundheitsverhältnisse in den Niederlanden. Das Gericht hat mir ausdrücklich die Befragung bewilligt gehabt.

VORSITZENDER: Nun, wir werden es berücksichtigen.

DR. STEINBAUER: Dann lege ich es unter der Nummer 114 dem Gericht vor.

VORSITZENDER: Sir David! Vielleicht können Sie sich das später ansehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Natürlich, Euer Lordschaft. Ich dachte, daß der Gerichtshof das schon zugebilligt habe, und daß das nur die Antwort sei.

VORSITZENDER: Jawohl, das ist alles.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann, Euer Lordschaft, kann kein Einspruch erhoben werden.

VORSITZENDER: Ich möchte darum bitten, daß, um Zeit zu ersparen, alle Dokumente, mit denen wir uns nun befassen, jetzt angeboten werden müssen, weil die Fälle verschiedener Angeklagter schon abgeschlossen worden sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Sie müssen deshalb auch die dazu gehörenden Beweisstücknummern bekommen; die Verteidigungsanwälte müssen das veranlassen. Sie müssen sie numerieren und sie dann mit diesen Nummern an den Generalsekretär abgeben, damit diese Dokumente im Protokoll als Beweisstücke gelten können.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß, Euer Lordschaft! Ich vermute, daß Dr. Steinbauer ihm eben die Nummer 114 gegeben hat.

VORSITZENDER: Jawohl, und dasselbe gilt auch für die anderen Verteidigungsanwälte, den Verteidiger für Göring und Ribbentrop, den Verteidiger für Raeder, und die anderen Anwälte, weil sie sich mit einer beträchtlichen Anzahl von Fragebogen und Affidavits befassen, die alle Exhibit-Nummern erhalten müssen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Herr Dr. Siemers wollte eben wissen, ob seine Anträge erledigt sind. Ich glaube, er kann dessen sicher sein.

VORSITZENDER: Ja. Das einzige, das noch übrig bleibt, ist der Antrag von Dr. Fritz für den Angeklagten Fritzsche. Es sind zwei Fragebogen, die noch nicht eingelaufen sind, von Delmar und Feldscher. Sie sind zugelassen worden, und die Fragebogen und Antworten werden vorgelegt, wenn Sie sie bekommen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: So habe ich es auch aufgefaßt, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Nun, der Gerichtshof wird dann all dies prüfen und entsprechende Verfügungen treffen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie es Ihnen beliebt, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Wir werden uns nun vertagen. Einen Augenblick, bitte!

DR. EGON KUBUSCHOK, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON PAPEN, VERTEIDIGER FÜR DIE REICHSREGIERUNG: Im Falle des Angeklagten von Papen steht noch eine Anzahl Fragebogen aus. Ich habe vier Fragebogen inzwischen beantwortet erhalten. Sie sind aber noch in der Übersetzungsabteilung. Drei Fragebogen sind noch gar nicht zurückgekommen. Ich bitte, mir noch später Gelegenheit zu geben, sie vorzulegen.

VORSITZENDER: Sie sind schon vorher zugelassen worden, nehme ich an. Sind sie schon zugelassen worden?

DR. KUBUSCHOK: Ja, sie wurden bereits zugelassen, bis auf ein Affidavit, das ich auch schon hier behandelt habe, das aber auch noch nicht übersetzt worden ist und sich seit längerer Zeit in der Übersetzungsabteilung befindet.

VORSITZENDER: Ja, aber ist der Antrag für diesen Fragebogen zugelassen worden?

DR. KUBUSCHOK: Dieser Antrag ist neulich von mir eingegeben worden. Es ist mir aufgegeben worden, dieses Affidavit übersetzen zu lassen; ich habe es aber bisher übersetzt noch nicht zurückbekommen.

Ich werde diese Urkunde zusammen mit den anderen Urkunden, sobald ich sie von der Übersetzungsabteilung bekommen habe, vorlegen.

VORSITZENDER: Gut. Wir werden uns jetzt vertagen.