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[Das Gericht vertagt sich bis 13.45 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

DR. SERVATIUS: Ich sprach von der Terminologie der Deportation im russischen Text. Ich habe die beiden Unterscheidungen herausgestellt, »uwod« als Abtransportation und »sylka« als Strafverschickung.

Man kann daraus folgern, daß der einfache Abtransport zur Arbeit aus dem besetzten Gebiet lediglich als Kriegsverbrechen anzusehen ist, daß der Abtransport aber Humanitätsverbrechen wird, wenn er den strafartigen Charakter eines Gefangenentransportes annimmt.

Es fragt sich aber, ob nicht nach dem Statut darüber hinaus überhaupt jeder Abtransport der Bevölkerung als Kriegsverbrechen bereits unter Strafe gestellt ist ohne Rücksicht darauf, ob er zum Arbeitseinsatz erfolgt oder aus sonstigen Gründen.

Nach dem Wortlaut des Statuts erscheint letzteres der Fall zu sein, denn danach ist strafbar: der »Abtransport zur Sklavenarbeit oder zu jedem anderen Zweck«.

Bei näherer Betrachtung ergibt sich aber, daß die Bestimmung nicht so gemeint sein kann, denn es gibt Fälle, wo ein Abtransport nicht nur völkerrechtlich zulässig, sondern sogar geboten sein kann.

Man kann daher das Statut nur so verstehen, daß der Tatbestand der unter Strafe gestellten Handlungen nicht der bloße »Abtransport« ist, sondern der zusammengesetzte Begriff »Abtransport zur Sklavenarbeit« und »Abtransport zu jedem anderen Zweck«.

Die Klausel »oder zu jedem anderen Zweck« kann hier aber nur so verstanden werden, daß es sich um einen verbotenen Zweck handeln muß, der der Sklavenarbeit entspricht. Sollte jeder Abtransport unter Strafe gestellt werden, so wäre der einschränkende Zusatz »zur Sklavenarbeit oder zu einem anderen Zweck« sinnwidrig.

Diese Feststellung ist für den Angeklagten Sauckel erheblich, da sonst das Vorliegen eines Kriegsverbrechens der Deportation bereits auf Grund der von ihm eingeräumten Tatsachen erwiesen wäre.

Wie bei den verschiedenen Arten der Deportation, ist auch bei den Arten der Sklavenarbeit der Unterschied nach dem Statut zu klären. Einen Anhalt für die Auslegung gibt auch hier die Terminologie der verschiedenen sprachlichen Texte, aber nicht durch ihre Klarheit und Konsequenz, sondern gerade durch das Gegenteil.

Der englische Text spricht »slave labor« als Kriegsverbrechen und »enslavement« als Humanitätsverbrechen; der französische Text setzt dafür »travaux forcés« und »reduction en esclavage«; dem russischen Text entsprechen »rabstvo« und »poraboschtschenie«. Wodurch sich die gewählten Begriffe sachlich unterscheiden sollen, ist nicht erkennbar.

Geht man dazu davon aus, daß die humanitätswidrige Arbeit unter schweren Bedingungen stehen muß als sonstige Arbeit und bedenkt, daß »Sklavenarbeit« wohl schon der schwerste Grad der Arbeitsbedingungen ist, so sieht man, daß mit dieser Terminologie des Statuts keine Definition gegeben werden kann, sondern daß eine moralische Bewertung und Brandmarkung des Vorganges beabsichtigt ist.

Die sachliche Aufteilung der Arbeitsarten muß daher unabhängig von der Terminologie erfolgen, nur unter Berücksichtigung der Schwere der Arbeitsbedingungen. Versucht man aber eine Aufgliederung der angewandten Terminologie, so findet man für die humanitätswidrige Form der Arbeit die Bezeichnung »enslavement«, »esclavage« und »poraboschtschenie«, während die nichthumanitätswidrige Arbeit als »forced labor«, »travaux forcés« und »prinuditjelnaja rabota« bezeichnet wird. Sklavenarbeit (Slave labor, travaux forcés und rabstvo) ist dann der Oberbegriff, der beide Arten umfaßt.

Was bedeutet diese Feststellung für die Verteidigung des Angeklagten Sauckel?

Der Angeklagte Sauckel gibt zu, die »erzwungene Arbeit« als Pflichtarbeit vermittelt zu haben, die also mit dem allgemeinen Oberbegriff »Sklavenarbeit« bezeichnet worden ist. Er bestreitet aber, eine »Sklavenarbeit« gefordert zu haben, die als humanitätswidrige Arbeit, also Versklavung, angesehen werden könnte.

Für die beiden Tatbestände ist auch hier wie bei der Deportation ein verschiedener Maßstab maßgebend; die »Pflichtarbeit« gilt nur als Kriegsverbrechen und ist nach Kriegsrecht zu beurteilen; das Humanitätsverbrechen hat die zusätzlichen Merkmale, wie bereits oben für die Deportation als Humanitätsverbrechen ausgeführt wurde, nämlich Zusammenhang mit Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen den Frieden.

Kann nachgewiesen werden, daß der Arbeitseinsatz so, wie er von dem Angeklagten Sauckel angeordnet war, kriegsrechtlich erlaubt war, so kann die gleiche Handlung nicht als Humanitätsverbrechen aufrechterhalten werden.

Die Anklageschrift hat ebenfalls einen Unterschied im Hinblick auf die Arbeitsarten gemacht. Den von dem Angeklagten Sauckel gelenkten Arbeitseinsatz, den ich als »geordneten Arbeitseinsatz« bezeichnen will, hat sie unter Punkt 3, Abschnitt VIII, H, als besonderes Kriegsverbrechen behandelt unter dem Titel »Conscription of civilian labor« und spricht hier lediglich von »forced labor«, der französische Text spricht von »travaux forcés« und verwendet Ausdrücke wie »les obligerent a travailler« und »mis en obligation«; der russische Text folgt dem und spricht ebenfalls nur von »erzwungener Arbeit« als »prinuditjelnaja rabota«, aber nicht davon, daß es sich hier um Sklavenarbeit handelt.

Den hier zugrundegelegten Tatbestand bestreitet der Angeklagte Sauckel nicht, aber ich werde die Rechtsgründe vortragen, die diesen Arbeitseinsatz rechtfertigen, und ich werde nachweisen, daß in ihm kein Kriegsverbrechen liegt, das dem Völkerrecht widerspräche.

Bei Beurteilung der Frage, ob der »geordnete Arbeitseinsatz« ein Kriegsverbrechen ist, sind die völkerrechtlichen Bestimmungen maßgebend. Was völkerrechtlich im Krieg erlaubt ist, kann durch das Statut nicht verboten werden. Dieses Völkerrecht ist in den kriegsrechtlichen Abkommen festgelegt und in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und Bräuchen, wie sie von den Staaten gehandhabt werden.

Die Beurteilung des Arbeitseinsatzes als Kriegsverbrechen wird von der Anklage auf die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung gestützt und auf die Kriegsabmachungen und Kriegsbräuche, sowie auf die allgemeinen Grundsätze des Strafrechts der zivilisierten Nationen und auf die Strafgesetze der betroffenen Länder.

Ergibt sich, daß der Arbeitseinsatz völkerrechtlich zulässig ist, so erübrigt sich eine Untersuchung der strafrechtlichen Bestimmungen selbst.

Die Haager Landkriegsordnung kann als Grundlage des hier in Frage stehenden Kriegsrechts angesehen werden. Ob sie von allen hier betroffenen Staaten anerkannt war, ist eine Frage von praktisch untergeordneter Bedeutung, denn soweit sie nicht anerkannt war oder nicht unmittelbar anwendbar ist, liegt eine Lücke des Völkerrechts vor, die nach den Grundsätzen der Notwendigkeit für die Kriegspartei und der Pflicht zur Einhaltung der Grenzen der Humanität geschlossen wird. Die in der Haager Landkriegsordnung niedergelegten völkerrechtlichen Grundgedanken sind in allen Fällen eine bedeutsame Richtlinie.

Von der Anklage ist an erster Stelle der Artikel 46 der Haager Landkriegsordnung zitiert, der die Grundrechte der Bevölkerung wahren soll. Das Typische des Arbeitseinsatzes ist die Beschränkung der Freiheit; gerade dieses Grundrecht wird aber in diesem Artikel nicht geschützt.

Prüft man die Haager Landkriegsordnung auf eine positive Bestimmung über Deportationen und Arbeitseinsatz, so muß man feststellen, daß eine Regelung nicht vorhanden ist. Wie auf dem Gebiet des Luftkrieges und der Anwendung neuer Waffen, hat sich die Haager Landkriegsordnung nicht mit Fragen befassen können, die bei ihrer Entstehung der Gedankenwelt der Vertragschließenden fernlag. Noch der erste Weltkrieg wurde als Kampf zwischen zwei Armeen mit einmal bereitgestelltem Material begonnen, nach dessen Verbrauch der Waffengang sein Ende finden sollte. Der Gedanke des Dauerkrieges, der ein Materialkrieg ist und die laufende Fertigung unter dem Einsatz von Arbeitskräften verlangt, war für die Haager Landkriegsordnung noch kein Problem, das hätte diskutiert werden können.

Der Artikel 52 der Haager Landkriegsordnung, der sich grundsätzlich mit Requisitionsrecht befaßt, berührt das hier streitige Gebiet, aber es zeigt sich, daß die Bestimmungen auf den rein örtlichen Bedarf der Truppe abgestellt sind, die ausgerüstet erscheint und nur zusätzliche örtliche Bedürfnisse hat. Charakteristisch für die rein örtliche Bedeutung ist, daß das Requisitionsrecht den örtlichen Befehlshabern übertragen ist im Gegensatz zu Artikel 51, der schon Zwangsauflagen nur durch einen selbständig kommandierenden General zuläßt. Die völkerrechtliche Literatur zu dem Requisitionsrecht bringt dann auch nur Beispiele von örtlicher Bedeutung.

Wenn der Artikel 52 hiernach auch nicht unmittelbar anwendbar ist, so sind doch seine Grundgedanken für die Kriegsparteien verbindlich.

Der Grundgedanke ist, daß die Truppe praktisch alles fordern kann, was zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse erforderlich ist. Es gibt nur zwei Beschränkungen: sie darf nicht mehr nehmen als nötig und nicht mehr, als den Hilfskräften des Landes angemessen ist.

Der Gedanke der örtlichen Leistungspflicht ist auf den modernen Krieg zu übertragen.

Die Haager Landkriegsordnung dachte an die Inanspruchnahme von Schmieden und Stellmachern, die zur Instandhaltung des Materials der Truppe erforderlich waren; Leistungen im Staatsgebiet der Besatzungsmacht selbst kamen mit Rücksicht auf die unentwickelten Verkehrsverhältnisse nicht in Betracht, und man konnte nicht daran denken.

Heute sind die erforderlichen Arbeiten nicht mehr in frontnahem Raum durchzuführen, sondern im eigenen Staatsgebiet der Kriegführenden. Es muß daher möglich sein, die Arbeit dort zu fordern, wo sie allein ausgeführt werden kann und wo sie nötig ist.

Diese Arbeit muß auch verlangt werden können für die neu aufgetretenen Kriegsbedürfnisse der Massenfertigung für den laufenden Nachschub. Es kann das jeweils Zweckmäßige verlangt werden, und das Zweckmäßige richtet sich nach den Zeitverhältnissen. Wenn früher nach dem Grundsatz »der Krieg ernährt den Krieg«, auch die Ausrüstung der von der Heimat verkehrsmäßig losgelösten Truppe in weitem Umfange im besetzten Gebiet erfolgte, so muß die Versorgung der Truppe heute durch Heranführen der Arbeiter an die Betriebe im Staatsgebiet der Kriegspartei möglich sein. Die Entwicklung des Kriegsrechtes richtet sich nach den Bedürfnissen, denen dieses Recht zu dienen hat.

Mit dem Grundgedanken der Leistungspflicht muß auch der Grundgedanke der Beschränkung übernommen werden. Die Beschränkungen sind ebenfalls den veränderten Verhältnissen entsprechend auszulegen.

Besteht die Leistungspflicht zu recht, so kann doch nicht mehr an Arbeit verlangt werden, als die Besatzungsmacht von der eigenen Bevölkerung in der Heimat an Arbeit verlangt. Die Intensivität des Krieges als totaler Krieg ist zu berücksichtigen. Die Leistungspflicht kann hierdurch einen starken Umfang annehmen.

Der Sinn und Zweck der Haager Landkriegsordnung ist bestimmt nicht, die Angehörigen eines unterlegenen Staates besser zu stellen als die des Siegerstaates, der das Land besetzt hat. Dies wäre aber das Ergebnis, wenn man die Haager Landkriegsordnung nach ihrem alten Wortlaut auslegen wollte. Würde dies verlangt, so hätte Frankreich, das bedingungslos kapituliert hatte, ebenso wie die übrigen Staaten die besetzt wurden, in Geborgenheit zusehen können, wie Deutschland, eingeschränkt durch die Blockade, sich in einem unermüdlichen Kampf unter Opfern von Gut und Blut erschöpfte. Kann man wirklich fordern, daß der Gefangene in einer belagerten Festung besser lebt als die Verteidiger der Festung?

Wäre Deutschland heute ein Leben nach der Idylle der Haager Landkriegsordnung beschieden, so müßte man dies den Lasten eines zu erwartenden Friedensvertrags vorziehen.

Tatsächlich ist die Haager Landkriegsordnung auch nicht in ihrer alten Auslegung eingehalten worden, wenn es zutrifft, daß bereits vor Abschluß des Waffenstillstandes von der Sowjetunion als Besatzungsmacht die Bevölkerung aus den östlichen Teilen Deutschlands zur Arbeit außerhalb Deutschlands in großem Umfange abtransportiert worden ist. Eine Auskunft des Kontrollrates Deutschlands könnte dem Tribunal hierüber amtliche Kenntnis verschaffen. Mir sind Mitteilungen zugegangen, wonach auch deutsche Zivilinternierte sich zum Arbeitseinsatz heute in Frankreich befinden. Das Tribunal kann auch hier eine amtliche Information einholen.

Die zweite Beschränkung der Arbeitspflicht liegt darin, daß keine Teilnahme an Kriegsunternehmen gegen das Vaterland des Arbeiters verlangt werden darf.

Indirekt kommt jede Arbeit für die Besatzungsmacht deren Kriegführung zugute; das Verbot ist daher auf unmittelbare Beteiligung an »Operationen« der kämpfenden Truppe beschränkt. Die völkerrechtliche Literatur stellt der Teilnahme an Kriegsunternehmen (operations) die zulässige Teilnahme an Vorbereitungen (preparations) gegenüber.

Eine Teilnahme an Kriegsunternehmungen in diesem Sinne ist von keinem Arbeiter verlangt worden, es war vielmehr gerade der Zweck, die Arbeiter, fern von Operationen, ungestört zu beschäftigen.

Untersagt ist sodann nur die Tätigkeit, die gegen das eigene Vaterland gerichtet ist. Damit soll das Gefühl des einzelnen berücksichtigt werden. Nicht bezweckt ist dagegen der Schutz des feindlichen Staates. Wo sich der einzelne daher von seinem Vaterland lossagt und in einem Kampf der Weltanschauungen gegen die Regierung seines Landes Stellung nimmt, muß diese Beschränkung fallen. Es wird in diesem Zusammenhang auf die große Zahl von Ausländern verwiesen, die eine solche Haltung einnahmen und sich heute noch zum Teil in Deutschland befinden.

Das gleiche gilt auch dann, wenn der Staat, dem der Arbeiter angehört, nicht mehr im Kampf steht.

Diese Frage ist von besonderer Bedeutung bezüglich der Verpflichtung zur Arbeitsleistung in der Waffenfertigung. Die Bestimmungen der Genfer Konvention für die Arbeit der Kriegsgefangenen sind bekannt; der Grundgedanke, daß niemand gezwungen werden soll, Waffen gegen seine eigenen Brüder anzufertigen, muß auch für die Zivilarbeiter gelten.

Zu den Gründen, die aber diese Beschränkung fortfallen lassen, gehört der Umstand, daß das eigene Land nicht mehr im rechtmäßigen Kampf steht. Das Schutzbedürfnis fällt auch fort, wenn ein Land zwar noch rechtlich am Kriege beteiligt ist, aber praktisch nicht mehr mit einer Armee im Felde steht und daher kein militärisches Angriffsobjekt mehr besteht.

Der Umstand, daß das eigene Land Bundesgenossen hat, die für dieses kämpfen, kann diese Beschränkung nicht über das Abkommen hinaus nach Willkür erweitern; auch geht die Pflicht des Staatsangehörigen nicht dahin, die jeweiligen Bundesgenossen zu schützen und an der Politik seiner Regierung teilzunehmen.

Schattenregierungen können die Wirklichkeit nicht ändern; erst dann, wenn diese unter eigenem Oberbefehl wieder als selbständige Kämpfer auftreten und als solche anerkannt sind, kann das alte Recht wieder aufleben.

Diese Gesichtspunkte gelten gegenüber allen Staaten, die von Deutschland außer Kampf gesetzt wurden.

Aktive Kämpfer gegen Deutschland waren zur Zeit des Arbeitseinsatzes nur England und die Vereinigten Staaten sowie die Sowjetunion. Engländer und Amerikaner sind nicht zum Arbeitseinsatz gekommen, nur die Bürger der Sowjetunion wurden teilweise zur Waffenfertigung verwandt. Die Rechtslage der Bürger der Sowjetunion ist jedoch grundsätzlich anders.

Die Anklagebehörde hat einen Beschluß der Volkskommissare vom 1. Juli 1941 vorgelegt als Dokument EC-338, USSR-356.

Dieser Erlaß behandelt den Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen, befaßt sich aber auch mit der Arbeit von Zivilinternierten.

Für beide Arten von Arbeitern ist danach die Waffenfertigung nicht verboten. Es sind vielmehr nur zwei Beschränkungen in dem Erlaß vorgesehen, nämlich die Arbeit im Gebiete der Kampfhandlungen und persönliche Dienstleistungen als Burschendienst.

Nach dem Gedanken der Gegenseitigkeit kann daher gegen die Beschäftigung von Sowjetbürgern bei der Waffenherstellung kein Einwand erhoben werden. Der vor dem Tribunal vernommene Zeuge General Paulus hat auch bestätigt, daß die Kriegsgefangenen in Fabriken der Sowjetunion eingesetzt waren, und diese werden sich in einem Staate mit gelenkter Wirtschaft während des Krieges nur mit Rüstung beschäftigen. Daß diese Arbeitskräfte ebenfalls zur Waffenfertigung eingesetzt waren, muß man nach dem Erlaß annehmen.

Die Bedeutung einer solchen Durchbrechung des Grundgedankens des Verbotes der Waffenherstellung liegt in der schwerwiegenden Folge, daß damit die Bildung einer allgemein anerkannten Regel des Völkerrechts für das Neuland des Arbeitseinsatzes nicht nachgewiesen werden kann. Unter diesen Umständen war Deutschland daher ebenfalls frei, die Arbeiter der Sowjetunion, und auch aller anderen Staaten, in der Waffenherstellung zu beschäftigen.

Steht hiernach die Haager Landkriegsordnung dem geordneten Arbeitseinsatz nicht entgegen, so gibt es weitere völkerrechtliche Gesichtspunkte, die den Arbeitseinsatz zulassen. An erster Stelle steht die Zustimmung der Regierung des besetzten Staates. So hat Frankreich zugestimmt.

Der hier erhobene Einwand, daß die Regierung des Marschalls Pétain keine rechtmäßige Regierung gewesen sei, ist nicht haltbar, denn sie war die Rechtsnachfolgerin der Waffenstillstandsregierung. Ausschlaggebend für den völkerrechtlichen Verkehr ist, daß sie den französischen Staat nach außen vertrat.

Diese Vertretungsbefugnis ist dadurch bestätigt worden, daß die Vereinigten Staaten sie sogar noch nach ihrem eigenen Kriegseintritt durch Unterhaltung eines Botschafters in Vichy anerkannt hatten. Auch Großbritannien hat mit einem General der Vichy-Regierung im Jahre 1941 ein Waffenstillstandsabkommen in Syrien abgeschlossen.

Diese einmal anerkannte Regierung konnte ihre Rechtsstellung nicht durch eine einfache Erklärung einer Gegenregierung verlieren und auch nicht dadurch, daß diese Gegenregierung von den Alliierten anerkannt wurde. Eine alte Regierung verliert erst dadurch ihre völkerrechtliche Stellung, daß sie die tatsächliche Macht an die Gegenregierung abgeben muß. Bis dahin bleibt sie vertretungsberechtigt für ihren Machtbereich.

Der weitere Einwand, daß die Regierung des Marschalls Pétain nicht frei habe handeln können und daß die Abkommen mit Deutschland über den Arbeitseinsatz daher erzwungen und nichtig seien, ist völkerrechtlich ebenfalls unbegründet.

Waffenstillstand und Friedensvertrag werden stets unter starkem Druck geschlossen. Es ist völkerrechtlich unbestritten, daß dies die Gültigkeit dieser Verträge nicht beeinträchtigt. Dies ist den deutschen Revisionsforderungen bezüglich des Versailler Vertrags stets entgegengehalten worden.

Unter den gleichen Bedingungen stehen die Abkommen, die zwischen Waffenstillstand und Friedensvertrag geschlossen werden. Dies trifft also auch auf die Abkommen mit Frankreich über den Arbeitseinsatz zu. Wenn entgegen der Darstellung des Angeklagten Sauckel in ultimativer Form über den Arbeitseinsatz verhandelt worden sein sollte, so dürfte dies völkerrechtlich nicht zu beanstanden sein. Der Einfluß Sauckels war zudem sicher nicht so groß, daß er einen übermäßigen Druck überhaupt hätte ausüben können.

Die Gültigkeit solcher Verträge kann erst unter ganz besonderen Bedingungen in Zweifel gezogen werden; so, wenn in ihnen übermäßige Pflichten übernommen werden müssen, die offensichtlich die Grundsätze der Humanität verletzen; so, wenn die Abkommen eine Verpflichtung zur Arbeit unter sklavenmäßigen Verhältnissen enthalten hätten.

Der Sinn der Abkommen war aber gerade, den französischen Arbeitern bei der Pflichtarbeit in Deutschland günstige Arbeitsverhältnisse und Löhne zu bieten, um dafür die Willigkeit der Arbeiter auszutauschen.

Auch militärische Gründe können die Räumung eines besetzten Gebietes von Teilen der Bevölkerung und damit die Verlagerung von Arbeitskräften gebieten. Dies ist der Fall, wenn die Bevölkerung, anstatt ihrer Gehorsamspflicht entsprechend sich friedlich zu verhalten, sich am Kampf von Partisanen und Widerstandsgruppen beteiligt und die Sicherheit gefährdet.

Es genügt auch, wenn die Bevölkerung in sogenannten Partisanengebieten gegen ihren eigenen Willen von Partisanen zur Unterstützung herangezogen wird.

Daß solche Verhältnisse in steigendem Maße zunächst im Osten und später im Westen durch die Gegner Deutschlands als Kampfmaßnahme organisiert wurden, wird von ihnen heute als patriotische Tat hervorgehoben. Es darf aber demgegenüber nicht vergessen werden, daß die damit im Zusammenhang stehende Verlagerung von Arbeitskräften gerade eine Folge ihres Vergehens war, und daß dieses Vergehen folglich völkerrechtlich erlaubt war. Die Räumung mußte im Interesse der Sicherheit erfolgen, und die anderweitige Zuweisung von Arbeitsmöglichkeit war schon zur Aufrechterhaltung der Ordnung erforderlich. Daß diese Kräfte bei einer gelenkten Staatswirtschaft so angesetzt werden, wie es den Umständen nach am zweckmäßigsten erscheint, ist das Recht der Besatzungsmacht.

Auch in den Rückzugsgebieten konnte es zu ähnlichen Maßnahmen kommen, so, nachdem festgestellt war, daß der männliche Teil der Bevölkerung sich beim Rückzug rechtswidrig am Kampf beteiligte, wozu er vom Gegner aufgefordert war und zum Teil sogar mit Waffen versehen wurde.

Rückführungsmaßnahmen zur Sicherung der kämpfenden Truppe entsprechen dem Völkerrecht. Wenn die Zurückgeführten in neue Arbeit gebracht werden, so ist das nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der Besatzungsverwaltung. Die Schuld an einer solchen Evakuierung trägt der Staat, der seine Angehörigen zum Kampf auffordert und damit den Kampf verschärft. Die hiergegen erforderlichen Gegenmaßnahmen müssen rechtmäßig sein.

Werden solche Räumungen nötig, so müssen sie ohne überflüssige Leiden für die Bevölkerung durchgeführt werden. Hierzu gehören vor allem vorbereitende Maßnahmen, die allein die Härten vermeiden können. Dies verlangt die Verwaltungspflicht, die in Artikel 43 der Haager Landkriegsordnung begründet ist.

Hierhin gehören die Vorschläge, die Sauckel zur Evakuierung von Rückzugsgebieten in Frankreich für den Fall der Invasion gemacht hat. Es ist dies Dokument 1289-PS. Diese Vorschläge, die nicht in die Wirklichkeit umgesetzt wurden, können den Angeklagten Sauckel daher nicht belasten.

Diese Verwaltungspflicht kann eine Verlagerung von Arbeitskräften auch erfordern, um Arbeitslosigkeit und Hungersnot zu vermeiden. Dies traf zum Beispiel zu, als die Industriegebiete der Sowjetunion besetzt wurden, wo keine Arbeitsmöglichkeit und Verpflegungssicherung mehr vorhanden war, nachdem, infolge der von der Sowjetunion gewählten Kampfform der verbrannten Erde, die Bevölkerung arbeitslos war und infolge der Transportverhältnisse die Versorgung aussetzte.

Diese militärischen und verwaltungsmäßigen Gesichtspunkte des Völkerrechts können eine Reihe von Vorwürfen entkräften, aber sie treffen nicht die Kernfrage, nämlich, ob auch außerhalb der Haager Landkriegsordnung die Erfassung von Arbeitern zulässig ist, gerade zum Zweck der Arbeit, damit ein Staat durch Leistungssteigerung den Krieg durchhalten kann und in der Lage ist, eigene Arbeiter als Kämpfer für die Front freizumachen.

Ein militärischer Notstand könnte keinen Grund dafür abgeben, sich über Völkerrecht hinwegzusetzen, der gefährdete Sieg darf nicht durch Rechtsbruch in der Not erstrebt werden, denn das Kriegsrecht soll ja gerade diesen Kampf regeln, der immer mit Not verbunden ist.

Anders entscheidet das Völkerrecht, wenn es sich um eine Maßnahme handelt, die getroffen werden muß, um die Existenz des Staates zu retten. Es handelt sich um das Selbsterhaltungsrecht, das jedem Staat zuerkannt ist, weil höhere Instanzen fehlen, die ihn vor Vernichtung schützen könnten.

Daß es in diesem Kriege um die Existenz ging, ist von allen Beteiligten wiederholt betont worden. Für Deutschland wurde dies klar nach den verhängnisvollen Schlachten im Winter 1941/1942 an der Ostfront.

Während bis dahin auf eine allgemeine Hereinnahme von ausländischen Arbeitskräften verzichtet werden konnte, mußte nunmehr sofort neue Ausrüstung geschaffen werden. Die eigenen Arbeitskräfte mußten durch Herausnahme von zwei Millionen Arbeitern zum Einsatz an der Front verringert werden. Die Beschäftigung von ungelernten Frauen und Jugendlichen konnte keine Abhilfe schaffen.

Durch die spätere Kriegsentwicklung, insbesondere durch den Luftkrieg, wurden die Anforderungen an die Rüstung noch so gesteigert, daß selbst der dann noch erhöhte Einsatz von Frauen und Jugendlichen keinen Ausgleich schaffen konnte. Die Mittel waren erschöpft.

Die amtlichen Zahlen, die der Angeklagte Sauckel in einer Rede in Posen im Februar 1943, nach Dokument 1739-PS, bekanntgegeben hat, beweisen, daß bereits 1933... nein, 1939, bei Beginn des zweiten Weltkrieges, mehr als doppelt soviel Frauen eingesetzt waren als zu Beginn des ersten Weltkrieges und daß sich ihre Zahl bis zum Ende des zweiten Weltkrieges um weitere zwei Millionen, das ist auf über zehn Millionen, erhöhte. Diese Zahl ist größer als die Gesamtzahl der männlichen und weiblichen Rüstungsarbeiter am Ende des ersten Weltkrieges.

Trotzdem reichten diese Kräfte nicht aus. Dies bestätigte der Zeuge Rohland des Mitangeklagten Speer in Dokument Speer-56, wonach der Mitangeklagte Speer ebenfalls erklärt hat, daß der Einsatz der Ausländer unter allen Umständen notwendig sei.

Das Problem lag in seiner Schwere nicht beim Fraueneinsatz, wo man durch Einführung zusätzlicher Heimarbeit bis zum äußersten ging, sondern in der Beschaffung von Fach-, Schwer- und Schwerstarbeitern.

Unter den zehn Millionen deutscher Frauen, die eingesetzt waren, befanden sich auch die Frauen der an der Front stehenden Offiziere und die Frauen aus gleichen Gesellschaftsschichten.

Die Ansicht, daß in England die Frauen stärker zur Arbeit herangezogen worden seien als in Deutschland, ist falsch. In Deutschland waren die Frauen bis zu 45 und später bis zu 50 Jahren eingesetzt, und zwar standen sie tatsächlich in den Fabriken und hatten keine Scheinposten gesellschaftlicher Art. Selbst die schulpflichtige Jugend wurde vom zehnten Lebensjahr an zu Arbeiten herangezogen und vom sechzehnten Lebensjahr an in den regulären Arbeitsprozeß eingeschaltet oder zu sonstigem Dienst herangezogen. Die Familien waren versprengt, Schulen und Hochschulen lagen still, ihre Besucher arbeiteten in der Rüstung und selbst Verwundete konnten nicht weiterstudieren. Um jeden Arbeitsfähigen wurde erbittert gekämpft. Die Speerschen Arbeitsreserven gab es nicht. Welche Anstrengungen hier gemacht worden sind, zeigt unter anderem die Anlage 2 zum Wartburg-Dokument, das ist F-810.

Ein anderer Gesichtspunkt, der die Notwendigkeit des Einsatzes zusätzlicher Arbeitskräfte veranschaulicht, ist die Tatsache, daß die Kolonialmächte Arbeitskräfte aus ihren Kolonien heranholten; so Frankreich, nach Dokument RF-22, Seite 17. Hier wurden beispielsweise etwa 50000 Arbeiter aus Nordafrika und Indochina geholt, deren Verwendung unter der Leitung und Aufsicht von Offizieren und Unteroffizieren erfolgte.

Da Deutschland durch die Verweigerung von Kolonien und durch die Blockade auf solche Kräfte nicht zurückgreifen konnte, muß im Kampf um die Staatsexistenz die Möglichkeit gegeben sein, die Arbeitskräfte dort zu holen, wo sie in den besetzten Gebieten untätig vorhanden sind.

Dies ist in großen Zügen die völkerrechtliche Grundlage für die Beurteilung des geordneten Arbeitseinsatzes als Kriegsverbrechen.

Man kann in manchen Punkten anderer Ansicht sein, und gerade im Völkerrecht zeigt sich, daß eine einheitliche Rechtsauffassung sich nur schwer bildet. Die Interessen der Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft spielen eine maßgebende Rolle und sind nicht immer gleich; Rechtsgedanken werden häufig nicht anerkannt, weil ein Staat sich mit seinen bisherigen Handlungen nicht amtlich in Widerspruch setzen will oder weil er für die Zukunft freie Hand behalten möchte.

Ich bin als Verteidiger in der Lage, die Rechtsauffassung ohne solche Hemmungen vorzutragen.

Die Bedeutung meiner Ausführungen für die Verteidigung liegt neben der objektiven Seite darin, daß der Angeklagte Sauckel subjektiv an die Rechtmäßigkeit des geordneten Arbeitseinsatzes mit guten Gründen glauben konnte und ein völkerrechtswidriges Handeln für ihn nicht erkennbar wurde.

Dies wird unterstützt durch die Überzeugung, die der Angeklagte Sauckel von der Zulässigkeit des geordneten Arbeitseinsatzes durch das Verhalten der maßgebenden Dienststellen erhalten mußte. Als Sauckel sein Amt antrat, waren bereits ausländische Arbeiter in Einzelaktionen geworben worden, und er konnte annehmen, daß der Staat rechtmäßig verfahren werde.

Keine der höchsten Stellen hat Sauckel gegenüber einen rechtlichen Einwand erhoben. Diese Stellen, in erster Linie auch das zuständige Auswärtige Amt und die höchsten Zivil- und Militärdienststellen in den besetzten Gebieten des Auslandes, haben seinen Auftrag als etwas Selbstverständliches unterstützt, und völkerrechtliche Zweifelsfragen sind nicht aufgeworfen worden.

Besonders ausschlaggebend mußte für die Auffassung des Angeklagten Sauckel das Verhalten der beteiligten ausländischen Stellen sein, so insbesondere die Zustimmung der Franzosen sowie der Belgier, die selbst zu Besprechungen nach Berlin kamen. Daran an schließt sich die gute Zusammenarbeit mit den einheimischen Behörden in den besetzten Gebieten, wie sie vor dem Eingreifen der Gegenpropaganda bestand.

Ob zur Begehung eines völkerrechtlichen Delikts die Kenntnis des Rechtsbruchs erforderlich ist, mag dahingestellt bleiben; für eine strafrechtliche Verurteilung ist aber zum Nachweis der Schuld die Kenntnis der Verwirklichung des gesamten Tatbestandes erforderlich. Und hierzu gehört auch die Kenntnis, daß die vorgenommene Handlung gegen das Völkerrecht verstieß. Die subjektive Seite des Tatbestandes und damit eine strafrechtliche Schuld ist dem Angeklagten Sauckel bezüglich der Durchführung des geordneten Arbeitseinsatzes nicht nachzuweisen.

Eine Bestrafung des Angeklagten Sauckel könnte auch aus einem anderen Rechtsgrund nicht erfolgen, selbst wenn der geordnete Arbeitseinsatz tatsächlich eine Völkerrechtsverletzung wäre. Nach der Haager Landkriegsordnung gibt es hier keine individuelle Haftung. Die Haager Landkriegsordnung unterscheidet zwei Arten von Kriegsverbrechen, solche, die von einer Einzelperson begangen werden können, wie Mord und Mißhandlungen, und solche, die nur von einer Kriegspartei begangen werden können.

Bei dem geordneten Arbeitseinsatz handelt es sich um einen Vorgang, den nur der Staat veranlassen kann. Während die individuelle Handlung nach dem Strafgesetzbuch der einzelnen Staaten bestraft wird, ist für die Verstöße der Kriegspartei eine besondere Regelung in Artikel 3 des einleitenden Abkommens zur Haager Landkriegsordnung getroffen. Danach ist ausdrücklich nur eine Schadenersatzpflicht des Staates vereinbart.

Diese Vereinbarung der Haager Landkriegsordnung gilt auch heute noch, denn durch ein Abkommen der Alliierten allein kann diese nicht außer Kraft gesetzt werden. Das Statut, das die unmittelbare strafrechtliche Haftung der Staatsorgane oder der Ausführenden anordnet, ist insoweit unwirksam, als es der Haager Landkriegsordnung widerspricht.

Ich brauche mich nicht darauf zu berufen, daß Deutschland als einer der Vertragsteile der Aufhebung des Artikels 3 hätte zustimmen müssen; es sind andere Gründe vorhanden, die für das Weiterbestehen dieser Bestimmung sprechen.

Eine Änderung der Haager Landkriegsordnung im Sinne des Statuts könnte erfolgt sein durch Gewohnheitsrecht oder allgemeinen Brauch infolge Wandlung der Rechtsüberzeugung. Die Voraussetzung zu dieser Annahme wäre aber, daß die Vertragsstaaten ihre Souveränität aufgegeben hätten, da nur dann die Bestrafung der Organe des Staates durchführbar wäre. Ein solcher Verzicht auf die Souveränitätsrechte ist jedoch, soweit mir bekannt, nicht in dem Umfange erfolgt, der allgemein eine solche Bestrafung zulässig machen würde.

Ich verweise hierzu auf die allgemeinen Ausführungen von Herrn Professor Jahrreiss hier vor dem Tribunal.

Ich komme nun zum Arbeitseinsatz als Humanitätsverbrechen. Wenn der »geordnete Arbeitseinsatz« völkerrechtlich zulässig erscheint, so bleibt die Frage der Art der Durchführung offen, nämlich die Frage, wann dieser Arbeitseinsatz noch als geordnet angesehen werden kann und wann die zulässige Grenze überschritten wird.

Was unter Humanität zu verstehen ist, sagt das Statut nicht. Für das Völkerrecht kann der Begriff nur aus der Staatenpraxis entnommen werden. Will man die Grenzen des völkerrechtlich Zulässigen finden, so müssen zum Vergleich herangezogen werden: das Luftbombardement von Großstädten und Einsatz der Atombombe, sowie Deportationen und Evakuierungen, wie sie heute noch nicht abgeschlossen sind. Dieses sind alles Vorgänge, die sich vor den Augen der Welt abgespielt haben und von den ausführenden Staaten als zulässig angesehen worden sind.

Man stößt wieder auf den Begriff der Notwendigkeit und sieht, daß er sehr weit ausgelegt wird. Dies ist wohl zu beachten, wenn man den Arbeitseinsatz auf seine Humanitätswidrigkeit untersucht. Sein Ziel ist nicht die schlagartige Tötung von Hunderttausenden, wohl aber bringt er Härten mit sich und sicher auch Fehler, die unbeabsichtigt oder aus Versagen einzelner entstehen. Man muß die Frage beantworten, ob die gewollte Tötung nicht stets schwerer wiegt als das vorübergehende Zufügen sonstiger Leiden.

Hinzu kommt, daß das Statut nicht jedes humanitätswidrige Handeln unter Strafe stellt, sondern nur dann, wenn die unmenschliche Handlung in Ausführung oder in Verbindung mit einem Verbrechen begangen worden ist, für das das Tribunal zuständig ist.

Zuständig ist das Tribunal aber nur für Verbrechen gegen den Frieden und für Kriegsverbrechen.

Was die Verbrechen gegen den Frieden betrifft, so kann die gleiche unmenschliche Handlung daher in der Verteidigung zulässig sein, während sie strafbar ist, wenn sie der Angreifer begeht.

Oder es muß ein Kriegsverbrechen vorliegen. Dies ist nicht der Fall, wenn es sich um die Verletzungen von eigenen Staatsangehörigen handelt, denn diese sind durch das Kriegsrecht nicht geschützt. Die Verfolgung einer gegen sie gerichteten humanitätswidrigen Handlung kann erst erfolgen, wenn damit gleichzeitig ein Verbrechen gegen den Frieden in Verbindung steht.

Objektiv gesehen hat der Arbeitseinsatz die Führung des Krieges gefördert, der von der Anklage als Angriffskrieg oder vertragswidriger Krieg bezeichnet wird.

Falls dieses festgestellt wird und sich dazu erweist, daß der Arbeitseinsatz in unmenschlicher Weise durchgeführt wurde, so ist der Tatbestand des Statuts erfüllt, und es liegt ein Humanitätsverbrechen vor, ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitseinsatz an sich kriegsrechtlich zulässig war oder nicht, denn er ist damit im Zusammenhang mit einem Verbrechen gegen den Frieden begangen.

Zu einer Bestrafung kann es aber erst kommen, wenn der Täter auch subjektiv weiß, daß ein verbotener Krieg geführt wird und daß er ihn durch seine Handlung fördert. Da der Angeklagte Sauckel eine solche Kenntnis bestreitet, muß sie ihm nachgewiesen werden.

Die andere Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbestandes liegt darin, daß die unmenschliche Handlung zur Ausführung eines Kriegsverbrechens dient oder damit in Zusammenhang steht. Von den Beispielen des Statuts für Verletzung des Kriegsrechts kommen für den Arbeitseinsatz vor allem in Frage: Mord, Mißhandlung und Deportation, begangen an der Zivilbevölkerung.

Wie sich aus dieser Aufzählung ergibt, sind diese genannten Kriegsverbrechen trotz ihrer Schwere an sich noch keine Humanitätsverbrechen. Es muß daher noch etwas Erschwerendes hinzukommen, das der Handlung erst den Charakter der Unmenschlichkeit gibt. Wie aus dem Beispiel von »Ausrottung« und »Versklavung« als unmenschliche Handlung hervorgeht, muß es sich objektiv um Handlungen von besonderem Ausmaß oder besonderer Grausamkeit handeln. Subjektiv muß aber eine unmenschliche Gesinnung des Täters hinzukommen und die Kenntnis von der Unmenschlichkeit der Handlung, also die Kenntnis von dem Umfang der Maßnahme oder der Grausamkeit ihrer Durchführung.

Inwieweit diese Voraussetzungen bei dem Angeklagten Sauckel gegeben sind, muß später untersucht werden.

Ein völkerrechtlich zulässiger »geordneter Arbeitseinsatz« kann als solcher niemals ein Humanitätsverbrechen sein, wohl aber kann seine Durchführung in einer Weise erfolgen, daß er Tötungen und Mißhandlungen mit sich bringt, die ihrerseits Kriegsverbrechen sein könnten.

Eine solche Mißhandlung könnte beruhen auf der Anordnung der obersten Dienststelle, die damit die Verantwortung trägt. Sie kann aber auch durch untergeordnete Stellen begangen werden auf Grund ihrer eigenen Machtbefugnisse ohne Wissen und Willen der übergeordneten Stellen.

In diesem Falle ist der Leiter der selbständig handelnden Dienststelle verantwortlich. Schließlich kann eine rein individuelle Handlung vorliegen, die den geltenden Bestimmungen zuwider vorgenommen wird. Für diese ist die handelnde Einzelperson verantwortlich.

Hieraus folgt, daß der Angeklagte Sauckel zunächst nur für die allgemeinen Anordnungen und Weisungen verantwortlich ist, die er gegeben hat, nicht dagegen für selbständige Handlungen ihm nicht unterstehender oberer Dienststellen in den besetzten Gebieten und höchster Reichsstellen, wie Chef SS und Polizei. Die Anordnungen und Weisungen des Angeklagten Sauckel liegen vor, und es muß sich daraus ergeben, ob der von ihm angeordnete Arbeitseinsatz tatsächlich ein geordneter war oder ob er eine »Mißhandlung« der Bevölkerung darstellt.

Der Arbeitseinsatz erfolgte, abgesehen von der Freiwilligenwerbung, auf Grund einer Dienstverpflichtung, die auf Befehl Hitlers von den Trägern der Gebietshoheit gesetzlich angeordnet war. Zum Erlaß solcher Gesetze reichte das Weisungsrecht des Angeklagten Sauckel nicht aus, und er konnte auch den Erlaß solcher Gesetze nicht fordern. Er hat sie aber gebilligt und zur Grundlage seiner Arbeit gemacht.

Der Inhalt dieser Gesetze entsprach dem Grundgedanken der deutschen Gesetze über die Arbeitspflicht. Hinter diesen Gesetzen stand der Zwang.

Eine Anwendung von Zwangsmitteln ist so lange nicht nötig, als die rechtliche Befugnis der Besatzungsmacht von der Bevölkerung anerkannt wird; erst wenn die Autorität verloren geht, werden sie erforderlich.

In diesem Sinne hat der Angeklagte Sauckel mehrfach die Aufrechterhaltung der sogenannten Exekutive durch Aktionen zur Säuberung von Partisanengebieten und zur Niederringung der Widerstandsbewegung verlangt (Dokument R-124). Daß er hierfür den Einsatz der dazu vorgesehenen Staatsmittel gefordert hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Unrecht belastet ihn nur das Wort »SS und Polizei«, das durch die Anklage mit dem Begriff des Verbrechens verknüpft worden ist. Eine solche Belastung wäre nur berechtigt, wenn der verbrecherische Charakter der Polizei bewiesen wäre und der Angeklagte Sauckel damals die ausgeübte verbrecherische Tätigkeit gekannt hätte.

Daß bei Widerstand gegen die Anordnungen der Besatzungsmacht Zwang angewendet werden kann, ist nicht zu bestreiten. Die Frage ist, wo der Zwang seine Grenze findet und ob es gesetzliche und ungesetzliche, humane, unhumane, zulässige und unzulässige Zwangsmaßnahmen gibt.

Wenn schon innerstaatlich bei Verhängung des Belagerungszustandes die Grundrechte außer Kraft gesetzt werden können, so gilt dieser Gedanke erst recht für die Besatzungsmacht im Kriege. Wer sich weigert, den Anordnungen der Besatzungsmacht zu folgen, nimmt bewußt am Kampfe teil, zu dem er nicht berechtigt ist, und er muß die Folgen tragen. Der Besatzungsmacht gegenüber besteht Gehorsamspflicht, und im Zwiespalt zwischen Patriotismus und Gehorsam entscheidet das Recht hier gegen die Vaterlandsliebe.

Die Strafen, die verhängt werden können, unterliegen an sich keinen Schranken, und die Strafandrohungen der Besatzungsmächte sind aus Abschreckungsgründen meist ganz unverhältnismäßig hoch. Die Frage ist, ob es eine Schranke der Humanität gibt, die das verbietet, was über den Strafzweck hinausgeht und als übermäßig, unnötig erscheint.

Von diesem Gesichtspunkt aus sind die Anordnungen zu prüfen, die zur Durchführung des Arbeitseinsatzes von untergeordneten Stellen selbständig befohlen wurden, wie zum Beispiel das Anzünden von Häusern.

Die Beantwortung der Frage ist nicht leicht, wenn man die besonderen Umstände in Betracht zieht und bedenkt, daß es sich hier um einen offenen Kampf zwischen Besatzungsmacht und Bevölkerung handelt, der von dem Gegner amtlich unterstützt wird. Bei Aufstand und organisierter allgemeiner Widersetzlichkeit kann man die Anwendbarkeit der Gedanken des Kriegführungsrechts der kämpfenden Truppe hier nicht von der Hand weisen; die Notwendigkeit kann hier allein den Ausschlag geben.

Das Völkerrecht hat für Zwangsmaßnahmen nur eine Schranke gesetzt, indem es in Artikel 50 der Haager Landkriegsordnung Kollektivstrafen gegenüber der ganzen Bevölkerung wegen Handlungen einzelner verbietet, für welche die Bevölkerung nicht als mitverantwortlich angesehen werden kann. Voraussetzung ist dabei, daß die Mitverantwortung in tatsächlichen Vorgängen begründet und nicht durch Anordnungen konstruiert ist.

Worin die Kollektivmaßnahme bestehen darf, ist nicht gesagt. Für die Schranken gilt das Obengesagte: Es müssen die Grenzen der Humanität sein. Dies ist aber im Kriege ein gleitender Begriff; Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit haben stets den Vorrang. Neben der Art der Erfassung der Arbeitskräfte können die Arbeitsbedingungen eine Mißhandlung darstellen, die als Kriegsverbrechen angesehen werden können.

Grundsätzlich kann eine Mißhandlung nicht vorliegen, wenn die ausländischen Arbeiter im allgemeinen in gleicher Weise behandelt werden wie die eigenen Arbeiter.

Eine andere Behandlung ist nur zulässig, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen.

Während diese Gleichstellung im allgemeinen durchgeführt wurde, waren die sogenannten Ostarbeiter schlechter gestellt.

Am auffallendsten war hier die Freiheitsbeschränkung. Wenn diese auf Willkür beruht, so würde diese Feststellung genügen, um sie als Mißhandlung zu kennzeichnen. Es sind aber nicht Gründe der Willkür für diese Freiheitsbeschränkung maßgebend gewesen, sondern das Sicherheitsbedürfnis des Staates. Während des Krieges liegt in dem Aufenthalt eines feindlichen Ausländers im Staatsgebiet immer eine Gefahr, und auf die Hereinnahme von ausländischen Arbeitern ist gerade aus diesem Grunde zunächst verzichtet worden. Erst als die Not die Inanspruchnahme von Ausländern verlangte, mußte daher gleichzeitig dem Sicherheitsbedürfnis Rechnung getragen werden.

Welche Maßnahmen zu treffen sind, richtet sich nach der Gefahr, die je nach der Haltung des Ausländers verschieden ist. Während die Maßnahmen polizeilicher Art bei den Franzosen unmerklich waren, erfolgten sie bei den Ostarbeitern zu Beginn durch Überwachung in geschlossenen Lagern.

Das natürliche Interesse des Staates geht dahin, die Sicherheit dadurch zu erreichen, daß man die Ausländer innerlich gewinnt, weil man ihre Mitwirkung wünscht. Durch Entziehung der Freiheit ist dies nicht zu erreichen.

Solange die Einstellung des Ausländers nicht klar zu erkennen ist, so, insbesondere wenn er – wie die Bürger der Sowjetunion – propagandistisch geschult ist, kann eine strengere Kontrolle erforderlich sein. Diese darf aber nicht in eine dauernde Gefangenschaft übergehen, sondern höchstens eine Art Quarantänezeit bedeuten; eine langdauernde Freiheitsberaubung ohne Verschulden ist unzulässig, denn sie käme einer verbotenen Kollektivstrafe gleich.

Die bloße Vermutung der Gefahr genügt nicht, um solche Beschränkungen zu verfügen, es müssen Handlungen hinzukommen, die zeigen, daß diese ausländischen Arbeiter auch unter normalen Arbeitsverhältnissen gefährlich erscheinen.

Die von Himmler angeordnete Bewachung der Ostarbeiter hinter Stacheldraht und unter Ausgehverbot ist als Mißhandlung anzusehen, wenn dies eine Dauererscheinung ist.

Der Angeklagte Sauckel hat aus dem Gefühl heraus, daß hier die Grenzen des Zulässigen überschritten wurden, sofort Schritte hiergegen unternommen und in einem zähen Kampf gegen Himmler die Beseitigung des Stacheldrahtes und des Ausgehverbotes verlangt und erreicht, wie sich aus den darauf erfolgten Anordnungen ergibt. Das ist Dokument Sauckel 10, Exhibit US-206.

Wo trotz der getroffenen Regelung von der Polizei die alten Methoden angewandt wurden, hat Sauckel stets eingegriffen, wenn er von solchen Vorgängen Kenntnis erhielt. Das haben die Zeugen mehrfach bestätigt. Ich verweise insbesondere auf Dokument Sauckel 10, Aussage des Zeugen Götz.

Ein anderer umstrittener Punkt war die Kennzeichnung durch das Abzeichen »Ost«, das bis an das Jahr 1944 hinein aufrechterhalten blieb und dann durch ein Landesabzeichen ersetzt wurde. Diese Kennzeichnung der Ostarbeiter, die sich unter der Bevölkerung bewegen konnten, war aus polizeilichen Sicherungsgründen erforderlich. Eine »Mißhandlung« kann darin nicht gesehen werden. Die Ablehnung des Zeichens durch die Ostarbeiter beruhte in erster Linie auf der Diffamierung dieses Zeichens durch die Propaganda, und der Angeklagte Sauckel hat sich stets darum bemüht, dieses Abzeichen zu ändern und durch ein Nationalitätenzeichen zu ersetzen, wie es die übrigen Ausländer freiwillig trugen. Er hat sich hier ebenfalls gegen Himmler schließlich mit Erfolg durchgesetzt. Das ist das Dokument F-810, Seite 12.

Auch bei den Bestimmungen über die Erhaltung der Arbeitsdisziplin muß grundsätzlich Gleichheit zwischen eigenen und fremden Arbeitern bestehen.

Der Krieg hat hier bei allen kriegführenden Staaten das gleiche Problem aufgeworfen, wie mit solchen Arbeitern verfahren werden soll, die ihren Arbeitspflichten nicht nachkommen, also Bummelanten, Drückebergern und Saboteuren. Die im Frieden übliche Kündigung des Arbeitsplatzes ist im Kriege unwirksam; aber es können Deserteure der Arbeit heute von keinem Kriegführenden geduldet werden. In sabotageähnlichen Fällen sind daher polizeiliche und strafrechtliche Maßnahmen angeordnet worden, deren wichtigste die kurzfristige Unterbringung in ein Arbeitserziehungslager war; in extremen Sonderfällen kam Konzentrationslagerhaft in Frage.

Das Dokument 1063-PS, RF-345 zeigt die Gleichartigkeit der Durchführung der Bestimmungen gegenüber Deutschen und Ausländern.

Ein solches polizeiliches Vorgehen, das durch das pflichtwidrige Verhalten des Arbeiters veranlaßt wird, ist eine berechtigte Maßnahme. Das Wartburg-Dokument F-810 zeigt sodann in dem Bericht des Sachreferenten Dr. Sturm, daß solche Maßnahmen in maßvoller Weise durchgeführt wurden und lediglich 0,1-0,2 vom Tausend der Arbeiter so bestraft wurden.

Es ergibt sich daraus, daß es sich bei den Anordnungen zur Erhaltung der Disziplin an sich noch nicht um »Mißhandlung« handelt, die ein Humanitätsverbrechen begründen könnten.

Eine solche Mißhandlung kann aber in Exzessen bestehen, die außerhalb der Zuständigkeit des Angeklagten Sauckel vorgekommen sind. Für diese kann er nur verantwortlich gemacht werden, wenn der subjektive Tatbestand erfüllt ist und er solche Auswüchse kannte und billigte, obwohl er sie hätte verhindern können.

Zusammenfassend kann man feststellen, daß der »geordnete Arbeitseinsatz« völkerrechtlich zulässig ist und daß Beschränkungen der Arbeiter im Rahmen des Notwendigen aus Gründen der Staatssicherheit erlaubt sein müssen.

Dagegen sind Exzesse bei der Ausführung der Anordnungen als Mißhandlungen anzusehen und können Humanitätsverbrechen bedeuten. Für diese trägt derjenige die Verantwortung, der sie veranlaßt hat oder der sie im Rahmen seiner Zuständigkeit pflichtwidrig nicht verhinderte.

Mißt man an den vorgetragenen Rechtsgedanken den umfangreichen Komplex der Beschuldigungen des Angeklagten Sauckel, so muß man zunächst die Gebiete abtrennen, für die er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Verantwortung tragen kann.

Zunächst ist nicht erwiesen, daß der Angeklagte Sauckel mit der biologischen Vernichtung der Bevölkerung in Verbindung gebracht werden kann. Es hat sich vielmehr gezeigt, daß sein ganzes Interesse gerade in umgekehrter Richtung lag; es kam ihm darauf an, die Menschen als Arbeitskräfte zu erhalten. Mit Umsiedlungsmaßnahmen und mit den dort angewandten Methoden hatte er nichts zu tun.

Auch der Arbeit in den Konzentrationslagern steht der Angeklagte Sauckel fern; aus der Posener Rede Himmlers vom Oktober 1943 – das ist Dokument 1919-PS, Seite 21 – geht hervor, daß die SS riesige eigene Rüstungsbetriebe aufgezogen hat. Wir wissen, daß Himmler seinen großen Bedarf an Arbeitskräften durch eigenmächtige willkürliche Verhaftung von Menschen in den besetzten Gebieten gedeckt hat. Selbst in Deutschland hat er unter nichtigen Vorwänden Arbeiter aus dem geordneten Arbeitseinsatz heraus verhaften lassen und unter Täuschung der regulären Arbeitseinsatzdienststellen in Konzentrationslager gebracht. Dies zeigt klar das Dokument 1063-PS mit einem Schreiben vom 17. Dezember 1942, sowie ein Schreiben vom 25. Juni 1943, wo allein ein Bedarf von 35000 Häftlingen angemeldet wird. So geht auch alle Korrespondenz, die bezüglich der Arbeit von KZ-Häftlingen geführt wird, niemals über die Dienststellen Sauckels; ich verweise hierzu beispielshalber auf Dokument 1584-PS mit Schriftwechsel der Dienststelle Himmlers. Der Name des Angeklagten Sauckel wird auch sonst niemals mit einem Häftlingseinsatz genannt, und die Zeugen haben hier übereinstimmend bestätigt, daß der Angeklagte Sauckel aus diesen Dingen ausgeschaltet war. So ergibt dies auch die Aussage des Leiters des Arbeitsamtes des Rüstungsministeriums Schmelter, der die benötigten Häftlinge unmittelbar von Himmler erhielt.

Ein weiteres Gebiet, das auszuscheiden hat, ist der Einsatz von Juden. Dieser Arbeitseinsatz ist ein Teil des Häftlingseinsatzes der Konzentrationslager; es war das alleinige geheime Reich Himmlers. Dies ergibt sich beispielsweise aus Dokument R-91, in dem die Dienststelle Himmlers auf dem »Judensektor« die Erfassung von 45000 Juden als KZ-Häftlinge anordnete.

Die Anklagebehörde hat dem Angeklagten Sauckel durch Vorlage eines Dokuments, L-61, auf diesem Gebiet eine Mitschuld nachweisen wollen; dieses Dokument ist ein Schreiben vom 26. November 1942, aus der Dienststelle Sauckels an die Präsidenten der Landesarbeitsämter; danach sollen im Einverständnis mit dem Chef der Sicherheitspolizei und SD die noch in den Betrieben befindlichen jüdischen Arbeiter herausgenommen und nach Polen evakuiert werden. Dieses Schreiben bestätigt eigentlich, daß Sauckel gerade nichts mit einem KZ-Einsatz von Juden zu tun hatte, denn seinem Bereich werden die jüdischen Arbeiter gerade unter falscher Angabe der Evakuierung entzogen. Der Vorgang befaßt sich in Wirklichkeit auch nur rein geschäftsmäßig mit der Herauslösung der jüdischen Arbeitskräfte und deren Ersatz durch Polen, ein Vorgang, der ohne Beteiligung der Dienststelle Sauckels nicht abgewickelt werden konnte.

Dieses Schreiben ist die Fortsetzung einer Korrespondenz, die bis in die Zeit vor Sauckels Dienstantritt zurückverfolgt werden kann, und das Dokument L-156 befaßt sich später mit dem gleichen technischen Vorgang. Der Unwichtigkeit der Sache entspricht es, daß diese Schreiben nicht in der Hauptdienststelle des Angeklagten Sauckel im Thüringerhaus ausgefertigt sind, sondern bei einer Nebendienststelle in der Saarlandstraße. Der Angeklagte Sauckel bestreitet, diese Vorgänge zu kennen und weist darauf hin, daß die Schreiben nicht seine Originalunterschrift tragen; sie sind nach der in seiner Dienststelle geübten Praxis lediglich mit seinem Namen ausgefertigt worden, eben weil sie von untergeordneter Bedeutung waren.

Wenn einleitend in den Schreiben dem Bürostil entsprechend vom »Einvernehmen« nicht »Einverständnis« mit dem Chef der Polizei und SD die Rede ist, so wird damit nicht auf eine getroffene »Vereinbarung« hingewiesen, sondern hier lediglich auf die veranlassende Dienststelle.

Sodann ist von »Vernichtung durch Arbeit« die Rede gewesen. Aber die Dokumente 682-PS und 654-PS vom September 1942 zeigen unzweideutig, daß es sich hier um ein geheimes Manöver von Himmler und Goebbels in Zusammenarbeit mit dem Reichsjustizminister Thierack handelt. Der Angeklagte Sauckel ist nicht beteiligt.

Auch das Gebiet des Einsatzes von Arbeitern im Rahmen der Organisation Todt unterlag nicht dem Angeklagten Sauckel. Die Vorwürfe, die sich hier aus dem Dokument UK-56 über die Art des Arbeitseinsatzes auf den Kanalinseln ergeben, betreffen ihn daher nicht. Die Dokumente zeigen nicht, daß der Angeklagte Sauckel Kenntnis von solchen Vorgängen hatte, noch daß er sie hätte verhindern können.

Diese Trennung des Arbeitsbereichs des Angeklagten Sauckel von der OT wird im Dokument L-191, das ist Bericht des Internationalen Arbeitsamtes Montreal, bestätigt.

Ein Sonderbereich ist die Erfassung von Arbeitskräften durch zivile und militärische Dienststellen; dieser wurde zum Teil als »wilder Einsatz« betrieben und vor dem Angeklagten Sauckel geheimgehalten, weil er ihn bekämpfte und unter allen Umständen verhindern wollte; zum Teil wurde er über seinen Kopf hinweg befohlen.

Hierhin gehört die Arbeitererfassung durch die SS, Reichsbahn, Luftwaffen-Baubataillone, Transport- und Verkehrseinheiten Speers, Festungsbau- und Pionierstäbe und sonstige Stellen.

Das Ausscheiden dieser Vorgänge aus dem Anklagekomplex muß Sauckel besonders entlasten, da gerade hier die Anordnungen Sauckels nicht maßgeblich waren.

Das Dokument 204-PS veranschaulicht hier die Verhältnisse in Weißruthenien bei der Beschaffung von »Transporthelfern«.

Ein Gleiches zeigt das Dokument 334-PS mit der Durchführung einer selbständigen Aktion »Luftwaffenhelfer«, die Sauckel nicht belasten kann.

Auch der Einsatz Jugendlicher, der als »Heuaktion« unter Dokument 031-PS vom 14. Juni 1944 als Anklagepunkt bekannt ist, liegt außerhalb der Tätigkeit Sauckels, wie sich aus dem Dokument ausdrücklich ergibt. Veranlasser war die 9. Armee, zusammen mit dem Ostministerium.

Ein Schreiben des Mitangeklagten Rosenberg an Reichsminister Lammers vom 20. Juli 1944, das ist Dokument 345-PS, bezieht sich fälschlich auf das »Einvernehmen« des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, bestätigt dafür aber, daß der Angeklagte Sauckel mit einer SS-Helfer-Aktion nicht in Verbindung steht und die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet abgelehnt hat.

Danach ist laut Dokument 1137-PS vom 19. Oktober 1944 eine eigene Dienststelle im Ministerium Rosenberg für die Erfassung von Jugendlichen tätig und führt die Aufgabe mit eigenem Personal durch. Unter Ausschaltung der Dienststelle des Angeklagten Sauckel erfolgte die Zuführung von Arbeitskräften unmittelbar an die Rüstungsindustrie.

Unter Umgehung der Dienststelle des Angeklagten Sauckel erfolgten auch Maßnahmen, die Hitler unmittelbar durch Befehl an die örtlichen Stellen der Wehrmacht und der Zivilverwaltung veranlaßte. So war es mit dem in den besetzten Gebieten befohlenen Arbeitseinsatz für die Befestigung der Krim. Dies ergibt sich aus dem Dokument UK-68.

Ein weiterer Fall ist die unter Protest der Arbeitsdienststellen erfolgte Erfassung von Arbeitskräften durch die Wehrmacht in Holland; dies zeigt Dokument 3003-PS, Vortrag des Leutnants Haupt, und der Angeklagte Seyß-Inquart hat es bestätigt.

Ein wichtiges Gebiet, das außerhalb der Verantwortlichkeit des Angeklagten Sauckel liegt, bezieht sich auf alle die Handlungen, die als Strafmaßnahmen durchgeführt worden sind gegen Partisanen und Widerstandsgruppen. Es sind die selbständigen Maßnahmen der Polizei. Über ihre rechtliche Beurteilung habe ich schon gesprochen. Ob sie zulässig waren und gebilligt werden konnten, hängt von den Umständen ab. Es scheiden hier beispielsweise aus die in Dokument UK-78 (französischer Regierungsbericht) wiedergegebenen Maßnahmen gegen die Widerstandsbewegung in Frankreich. Eine unmittelbare Verantwortlichkeit des Angeklagten Sauckel fällt daher fort.

Darum fallen nicht unter die Verantwortlichkeit des Angeklagten Sauckel alle die stark belastenden Vorgänge, die in Punkt 3, Abschnitt VIII der Anklageschrift unter »Deportation« aufgeführt sind, deren Ziel die KZ-Lager waren.

Es fallen auch nicht unter die Verantwortung des Angeklagten Sauckel die »Deportationen« aus Gründen der Politik und der Rasse, die unter Abschnitt VIII B der Anklageschrift als Verschickung von Franzosen ebenfalls in KZ-Lagern enden. Weiter müssen ausscheiden die dort unter B 2 aufgeführten Umsiedlungen von Slowenen aus Jugoslawien.

Von den dort weiter erwähnten annähernd fünf Millionen Sowjetbürgern werden auch nur ein Teil, als vom Arbeitseinsatz erfaßt, aufgeführt, wie dies die Anklageschrift unter VIII, H 2 angibt; die übrigen wurden auf Wegen fortgeschafft, wo die Vorkehrungen des Angeklagten Sauckel keine Geltung hatten.

Diese Abtrennung ist nicht wegen der Zahl der Menschen von Bedeutung, sondern weil die behaupteten Mißstände sich gerade in dem fremden Sektor abgespielt haben können, denn dort war die größere Gefahr unkorrekter Behandlung.

VORSITZENDER: Vielleicht könnten wir jetzt eine Pause einschalten.