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DR. SERVATIUS: Auch die Kriegsgefangenen fallen aus dem Verantwortungsbereich des Angeklagten Sauckel heraus. Diese Arbeitskräfte brauchten nicht erfaßt zu werden, sondern wurden nur gelenkt. Dies geschah durch die Sonderarbeitsämter, die sich abgetrennt von dem sonstigen Geschäftsgang bei den Gefangenen befanden und ausschließlich mit der Wehrmacht zusammenarbeiteten. Die Aufgabe bestand hier lediglich darin, die Kriegsgefangenen dort einzusetzen, wo sie erforderlich waren.

Der Angeklagte Sauckel konnte lediglich die Verlegung der Kriegsgefangenen beantragen; auf eine solche Möglichkeit bezieht sich das Dokument der Anklage, 1296-PS vom 27. Juli 1943, das unter III auf Steigerung des Einsatzes der Kriegsgefangenen in Zusammenarbeit mit dem OKH hinweist.

Die Zuweisung von Kriegsgefangenen an die Betriebe erfolgte nur unter Aufsicht der Wehrmacht; diese überwachte die Einhaltung der Genfer Konvention. Mit dem Tode von Hunderttausenden von Kriegsgefangenen der Sowjetunion im Jahre 1941, von denen Himmler in seiner Posener Rede, Dokument 1919-PS, spricht und für die Arbeiter als Ersatz geholt werden mußten, steht Sauckel in keiner Verbindung.

Wenn trotzdem in Dokument USSR-415, das ist der amtliche Sowjetbericht über Lager Lamsdorf, der Angeklagte Sauckel mit behaupteten Mißhandlungen von Gefangenen in Zusammenhang gebracht wird, so geschieht dies nur auf Grund der Behauptung, daß ihm rein geschäftsmäßig der Bestand des Lagers gemeldet wurde. Die Belastung ist nicht aufrechtzuerhalten. Das Dokument enthält zudem keine hinreichende Zeitangabe über das Jahr 1941 hinaus.

Der Angeklagte Sauckel hat sich, obwohl er selbst nicht zuständig war, über seine Amtspflicht hinaus um die Betreuung der Kriegsgefangenen bemüht, weil er an ihrer Arbeitswilligkeit interessiert war. Er hat allgemeine Anordnungen erlassen. So ergibt Dokument Sauckel 36, daß er ausreichende Verpflegung fordert und Dokument Sauckel 39, daß er die gleiche Arbeitszeit wie für deutsche Arbeiter verlangt; er weist hier auf das Verbot von Disziplinarbestrafungen durch die Betriebe hin.

Eine weitere Trennung der erhobenen Vorwürfe muß nach der Zeit erfolgen. Der Angeklagte Sauckel hat sein Amt erst am 21. März 1942 übernommen. Seine Maßnahmen konnten sich also erst einige Zeit später auswirken.

Wie die Verhältnisse vorher waren, ergibt sich aus einigen Dokumenten aus dem Jahre 1941. Von maßgebenden Stellen wird im Dokument 1206-PS die Ernährung durch Fleisch von Pferden und Katzen und in Dokument USSR-177 die Herstellung von Brot sehr minderwertiger Qualität vorgeschlagen. Noch kurze Zeit vor dem Amtsantritt des Angeklagten Sauckel regelt Himmler in einem scharfen Erlaß die Unterbringung der Arbeiter hinter Stacheldraht. Man kann sagen, daß ein Tiefstand in der Behandlung der ausländischen Arbeiter erreicht war, die damals im Reich waren. Die Vorstellung, die man von der Bedürfnislosigkeit und Leistungsfähigkeit der Russen hatte, ist tragisch.

Mit dem Dienstantritt des Angeklagten Sauckel ist hier eine grundlegende Wandlung eingetreten, die zu einer sich immer steigernden Besserung der Lage führte. Das Verdienst, hier eine Umkehr geschaffen zu haben, fällt nach den nachstehenden Dokumenten ganz allein dem Angeklagten Sauckel zu. Dies zeigt insbesondere das Dokument EC-318, das eine Niederschrift vom 15. April 1942 über die erste Zusammenkunft des Angeklagten Sauckel mit dem Reichsminister Seldte und seinen Sachbearbeitern gelegentlich des Amtsantritts darstellt. Dort ist niedergelegt, daß der Angeklagte Sauckel es war, der die Übernahme seines Amtes von der Bedingung abhängig machte, daß die Verpflegung der Ausländer die gleiche sein muß wie für Deutsche und daß die Erfüllung dieser seiner Forderung von Hitler, Göring, dem Ernährungsminister Darré und seinem Staatssekretär Backe zugesagt wurde.

Weiter ist dort festgehalten, daß der Angeklagte Sauckel die Beseitigung des Stacheldrahtes verlangte und durchsetzte, und schließlich, daß er sofort einen Schritt gegen die niedrigen Löhne der Ostarbeiter unternahm.

Die Durchführung seiner Grundforderungen hat der Angeklagte Sauckel dann auch sofort ins Werk gesetzt und mit Zähigkeit gegen den Widerstand aller Dienststellen durchgesetzt.

Das Programm des Arbeitseinsatzes vom 20. April 1942, Dokument 016-PS, nimmt dementsprechend sofort Stellung gegen Grausamkeit und Schikane und verlangt korrekte und menschliche Behandlung der ausländischen Arbeiter; es wird dort sogar die Hoffnung ausgesprochen, daß von dem Arbeitseinsatz durch die Art seiner Durchführung eine Propagandawirkung für Deutschland erreicht werden müsse. Ein Gedanke, der später häufig wiederkehrt.

Es wird der sparsame Einsatz der Arbeitskräfte verlangt, um einer Verschwendung entgegenzuwirken, die von einflußreichen Dienststellen getrieben wurde.

Ein Jahr später, am 20. April 1943, wendet sich der Angeklagte Sauckel wiederum mit einer programmatischen Erklärung an alle am Arbeitseinsatz Beteiligten. Es ist dies das mehrfach erwähnte »Manifest des Arbeitseinsatzes«, Dokument Sauckel-81, das als Mahnung und Kampfansage an alle Stellen herausging, die sich der ernsten Verantwortung des Angeklagten Sauckel entgegenstellten. Goebbels kämpfte dagegen an unter dem Vorwand des zu anmaßenden Titels und der werbenden Aufmachung der Schrift, die ihm sachlich zu weich erschien. Andere Stellen ließen die ihnen zugesandten Exemplare liegen und leiteten sie nicht weiter, worauf sie den betroffenen Betrieben nochmals von Sauckel unmittelbar zugesandt wurden. Wie dieses Schreiben von den widerstrebenden Dienststellen behandelt wurde, zeigt die Bezeichnung »berüchtigtes Manifest«, die ihm in einer Sitzung der Zentralen Planung vom 1. März 1944, Dokument R-124, Seite 1779, widerspruchslos gegeben wurde.

Der Vorwurf gegen den Angeklagten Sauckel ging dahin, er tue des Guten zuviel. Ich verweise hier auf eine Bemerkung des vor dem Tribunal vernommenen Generals Milch, der in der Zentralen Planung gegen die angeblich zu nachsichtige Behandlung der Bummelanten spricht und erklärte, wenn man etwas unternehme, so fänden sich sofort Stellen in Deutschland, die einen »armen Kerl« schützten und für die Menschenrechte anderer einträten. (Dokument R-124, Seite 1913.)

Die Einstellung des Angeklagten Sauckel war allgemein bekannt und wird durch verschiedene Dokumente bestätigt. So wenden sich die Dienststellen wegen Klagen und Mängeln an den Angeklagten Sauckel, nicht um ihn verantwortlich zu machen, sondern um seine Hilfe zu erbitten, weil jeder wußte, daß er sich mit Ernst und Eifer für Besserungen einsetzte. So betont Dokument 084-PS vom 30. September 1942 – das ist ein Bericht Dr. Gutkelchs von der Zentralstelle für die Völker des Ostens im Ministerium Rosenberg – an verschiedenen Stellen den Einfluß des Angeklagten Sauckel und empfiehlt die Aufnahme engerer Verbindung mit ihm.

Auch der Mitangeklagte Rosenberg nimmt in einem Dokument 194-PS, Seite 6 – das ist ein Schreiben vom 14. Dezember 1942 an den Reichskommissar für die Ukraine Koch – Bezug auf die erheblichen Anstrengungen Sauckels. In gleicher Weise wendet sich der Mitangeklagte Frank am 21. November 1943 an den Angeklagten Sauckel, Dokument 908-PS, um eine grundsätzliche Änderung der rechtlichen Stellung der Polen im Reich zu erlangen.

Inwieweit stehen nun die wirklichen Vorgänge mit dem in Einklang, was vorgetragen ist?

Zunächst ist die Erfassung zu behandeln, die sich praktisch mit der Deportation deckt. Es schließt sich daran an die Prüfung der Behandlung der Arbeiter, die durch das Wort »Sklavenarbeit« gekennzeichnet worden ist.

Die Beweisaufnahme hat den Irrtum widerlegt, daß der Angeklagte Sauckel die Werbung und Erfassung der ausländischen Arbeiter unter eigener Verantwortung durch eine eigene Organisation durchgeführt hat. Es steht fest, daß die obersten Dienststellen der besetzten Gebiete die Gesetze über die Pflichtarbeit durchführten, die sie auf Anordnung Hitlers erlassen hatten. Alle diese Dienststellen hatten ihren eigenen Verwaltungsapparat und hüteten ihr Ressort gegen Einbrüche anderer.

Daß dieses Verwaltungsrecht nicht durchbrochen war, beweist ein Schreiben des Ostministeriums Rosenberg an den Reichskommissar für die Ukraine, Koch, vom 14. Dezember 1942, Dokument 194-PS, Seite 7, wo der Mitangeklagte Rosenberg besonders auf das bestehende Hoheitsrecht in Fragen des Arbeitseinsatzes hinweist. Diese obersten Dienststellen hatten ihre eigenen Arbeitsbehörden, die vom Ministerium bis zum örtlichen Amt durchorganisiert waren. Es ist zu vergleichen das Dokument 3012-PS, eine Verordnung des OKH über Arbeitspflicht im Operationsgebiet Ost vom 6. Februar 1943 und das Dokument RF-15 mit einer Verordnung vom 6. Oktober 1942.

Der Angeklagte Sauckel konnte nur bei diesen Dienststellen die ihm befohlene Zahl von Arbeitskräften zur Vermittlung nach Deutschland anfordern und fachliche Weisungen geben. Hierauf hatte er sich zu beschränken, und er ist auch über diese Beschränkung nicht hinausgegangen. Er hat das Ausführungsrecht beachtet, das dem Weisungsrecht gegenüberstand. Für diese Aufgaben war in jedem Gebiet ein Beauftragter eingesetzt. Dieser war nach der Verordnung vom 30. September 1942 (US-510) dem Angeklagten Sauckel zwar unmittelbar unterstellt, er gehörte aber nicht zu seiner Dienststelle, sondern war ein Angehöriger der gebietlichen Dienststellen. Dies hat der von dem Mitangeklagten Rosenberg benannte Zeuge Bail ausdrücklich für den wichtigsten Beauftragten im Ostraum, den Staatsrat Peuckert, bestätigt, der zum Stab des Ostministeriums gehörte.

Dieser Staatsrat Peuckert war zugleich Referent des Wirtschaftsstabes Ost für das rückwärtige Heeresgebiet, das sich an das Gebiet der Zivilverwaltung anschloß; er versah auch hier nur nebenamtlich die Tätigkeit eines Beauftragten des Angeklagten Sauckel in Personalunion. Dies zeigt das Dokument 3012-PS, das ist ein Aktenvermerk über eine Besprechung vom 10. März 1943 über den Arbeitseinsatz, wo die Dienststellung Peuckerts in der Teilnehmerliste angegeben ist. Durch diese, im Interesse der Gebietsbehörden geschaffene Personalunion wurde jedes eigenmächtige Eingreifen des Angeklagten Sauckel unmöglich gemacht.

Wenn der Mitangeklagte Rosenberg sich für den Osten nun in dem Dokument 018-PS, das ist ein Schreiben an den Angeklagten Sauckel vom 21. Dezember 1942, über die Methoden des Arbeitseinsatzes beschwert, so ist dies als Klage eines Ministers zu bewerten, der sich nicht in der Lage sieht, sich gegenüber seinen Untergebenen durchzusetzen und sich an die vermeintliche Quelle der Schwierigkeiten richtet, die ihm gemacht werden.

Richtig ist, daß diese Schwierigkeiten sofort behoben werden konnten, wenn der Angeklagte Sauckel von der Durchführung seines Auftrages Abstand nahm. Aber die Durchführung war gerade seine Aufgabe, die nach dem Ernennungserlaß »unter allen Umständen« durchzuführen war.

Gegen Widerstände der Schwäche und des Ressort- Egoismus' hatte der Angeklagte Sauckel anzukämpfen und dafür zu sorgen, daß die notwendigen Arbeitskräfte nicht aus Ruhebedürfnis der örtlichen Dienststellen nicht gestellt wurden oder von anderen Stellen aus selbstsüchtigen Interessen zurückgehalten wurden. »Mit allen Mitteln« und »rücksichtslos« sind die wiederkehrenden Ausdrücke, die im Kampf gegen diese Erscheinungen angewandt werden.

Auch der Militärbefehlshaber von Belgien und Nordfrankreich, General Falkenhausen, hat bei seinem Verhör im Dokument RF-15 zu Unrecht erklärt, der Angeklagte Sauckel habe ihn zur Durchführung des Arbeitseinsatzes gezwungen und ihn durch eine eigene »Organisation« durchgeführt. Er mußte aber zugeben, daß diese Ansicht unrichtig war, als ihm die von ihm unterzeichnete Verordnung über die Einführung der Arbeitspflicht vorgelegt wurde.

Diese Darstellung ist durch die Aussagen der Zeugen Timm und Stothfang bestätigt.

In Frankreich erfolgte die Erfassung durch die französische Verwaltung. Die darüberstehende deutsche Dienststelle war keine Dienststelle des Angeklagten Sauckel, sondern des Militärbefehlshabers in Frankreich, wo Sauckel lediglich einen Beauftragten hatte. Die Verhandlungen, die der Angeklagte Sauckel in Paris geführt hat und die Gegenstand dieses Beweisverfahrens waren, liegen außerhalb dieser Tätigkeit; es sind Verhandlungen diplomatischer Art zwischen der Deutschen und Französischen Regierung, an denen Sauckel teilnahm. Sie wurden in der Deutschen Botschaft geführt.

Die Verhältnisse in den übrigen Gebieten waren entsprechend.

Auch die Werbekommissionen, denen im rückwärtigen Heeresgebiet und im Operationsgebiet die Arbeitseinsatzstäbe entsprachen, waren keinesfalls Dienststellen des Angeklagten Sauckel, wie der Mitangeklagte Rosenberg annimmt. Diese Werbekommissionen standen nur dadurch dem Angeklagten Sauckel näher, als sie sich aus Fachkräften zusammensetzten, die aus den deutschen Arbeitsämtern kamen, die zum Ressort Sauckels gehörten. Sie erhielten nur über ihre vorgesetzte oberste Dienststelle fachliche Weisungen, um eine einheitliche Handhabung aller Werbebestimmungen zu gewährleisten. Maßgebend ist hier die Anordnung Nummer 4 in Dokument Sauckel 15.

Diese vor Ernennung der Beauftragten vom 30. September 1942 bereits am 7. Mai 1942 erlassene Anordnung bestimmt die alleinige Verantwortlichkeit der Militär- und Zivilbehörden der besetzten Gebiete. Die dort erwähnten Beauftragten, denen die gleichen Funktionen übertragen sind, sind Beauftragte bei den deutschen Missionen im befreundeten Ausland.

Dies hat die Anklage verkannt und daraus falsche Schlüsse zuungunsten des Angeklagten Sauckel für seine Verantwortung über Werbung und Transport gezogen.

Auch die Auslegung der Bestimmung, daß alle technischen und verwaltungsmäßigen Vorgänge des Arbeitseinsatzes ausschließlich der Zuständigkeit und Verantwortung des Angeklagten Sauckel unterlägen, ist für das besetzte Gebiet unrichtig.

Diese Anordnung bezieht sich lediglich auf die Funktionen im Reich und begründet die Zuständigkeit des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter; dies ergibt sich aus Dokument 016-PS im letzten Abschnitt.

Eine unmittelbare Verantwortung des Angeklagten Sauckel für die Erfassung ist daher gegeben. Mittelbar kann die Verantwortung aber dadurch herbeigeführt werden, daß er die Mißstände kannte und wußte, daß sie nicht abgestellt werden konnten, aber trotzdem weiter Arbeiter forderte.

Hierzu ist folgendes zu sagen: Mit Schreiben des Mitangeklagten Rosenberg vom 21. Dezember 1942, Dokument 018-PS, erfuhr der Angeklagte Sauckel zum erstenmal von Anwerbemethoden, die als Massendeportation bezeichnet wurden. Bei dem darauf erfolgten Treffen Anfang Januar 1943 erklärte der Mitangeklagte Rosenberg, daß er dagegen eingeschritten sei und solche Vorgänge nicht dulden werde. Dies bestätigt auch sein vorangegangenes Schreiben vom 14. Dezember 1942 an den Reichskommissar Ukraine, Koch, Dokument 194-PS, wo er diesen klar auf seine Pflichten hinweist, gesetzlich zu verfahren.

Das erst hier im Prozeß dem Angeklagten Sauckel bekanntgewordene Memorandum Kochs vom 16. März 1943, Dokument RO-13, bringt dann eine Klarstellung, wonach es sich bei den Vorgängen um übertriebene Einzelvorfälle handeln soll, deren Berechtigung mit der Notwendigkeit der durchzuführenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Autorität der Besatzungsbehörde begründet wird.

Dabei ist ausdrücklich erklärt, daß die Werbung der Arbeitskräfte mit gesetzlichen Mitteln erfolge und daß bei willkürlichen Maßnahmen eingeschritten werde, Dokument RO-13, Seite 11 und 12.

Es erschien nicht ausgeschlossen, daß es sich um propagandistische Übertreibungen und Machenschaften gehandelt hatte, worauf Koch besonders hinweist. Diese Möglichkeit liegt im Kriege nahe, und die propagandistische Abfassung der Molotow-Berichte (USSR-151) unterstreicht dies nur.

In dieser Auffassung mußte der Angeklagte Sauckel auch unterstützt werden durch das Ergebnis der Untersuchung einer »Menschenjagd«, die ihm von Generalfeldmarschall Kluge in Minsk berichtet worden war; sie hatte zu der Aufklärung geführt, daß es sich um das Zusammenholen der von einer Arbeitsfirma beschäftigten Arbeiter gelegentlich des Abrückens gehandelt habe.

Wie schwer solche Vorgänge wahrheitsgemäß aufzuklären sind, wenn sie als Kampfmaßnahmen propagandistisch verwertet werden, hat der Fall Katyn gezeigt.

Wie die Zeugen aus der Dienststelle des Angeklagten Sauckel bestätigt haben, sind dort andere Vorfälle über Auswüchse nicht bekanntgeworden. Die Fälle, die gemeldet wurden, sind offenbar zum Teil Wiederholungen der gleichen Geschehnisse, die von verschiedenen Seiten berichtet werden.

Alle diese Meldungen zeigen aber nicht das Bestreben, solche Dinge gutzuheißen, sondern sie sind der Alarm im Hause zwecks Abstellung und Besserung.

Kann man dem Angeklagten Sauckel nun glauben, wenn er erklärt, daß ihm die von der Anklage behaupteten Zustände nicht bekannt gewesen seien?

Was ihn auf dem Dienstwege amtlich erreicht hat, dürfte zum Nachweis der Kenntnis nicht ausreichen, und die Zeugen bestätigen, daß die sogenannten »Methoden« nicht bekannt waren.

Aber es liegen hier Akten der Behörden der besetzten Gebiete vor, aus denen sich ergibt, daß der Reichskommissar Ukraine das Abbrennen von Häusern zur Beseitigung des Widerstandes gegen die Verwaltung angeordnet hat, und es gibt Anordnungen, die solche Maßnahmen vorsehen.

Meldungen, die über solche Vorkommnisse an das Ostministerium gemacht werden, führen zu keiner Strafverfolgung, sondern zur Einstellung des Verfahrens; so der Fall Raab, Dokument 254-PS, und der Fall Müller, Dokument 290-PS.

Dem Zweifel muß man folgendes gegenüberstellen: Die angewandten Maßnahmen waren von oberster Stelle nicht genehmigt und wurden von den unteren Stellen nur insgeheim angewandt. Es bestand daher für sie Grund, sie nicht bekannt werden zu lassen. Gerade aus den Ermittlungsakten der Fälle Raab und Müller ergibt sich, daß die bestehenden Anordnungen bei dem Ministerium wohl unbekannt waren.

Der Angeklagte Sauckel hat die Ukraine bereist, aber man wird ihm nicht gerade das gesagt haben, was den dortigen Dienststellen Ungelegenheiten einbringen konnte. Die Gesinnung des Angeklagten Sauckel war bekannt, und andererseits bestand ein heftiger Streit zwischen den Dienststellen des Reichskommissars Koch und dem Reichsministerium Rosenberg. Wenn man die vorgelegten Akten aus den beiden Dienststellen sorgfältig durchliest, so erkennt man aus den Aktennotizen, daß hier in diesem Kampf von beiden Seiten Material gesammelt wurde und sich niemand eine Blöße geben wollte.

Da der Angeklagte Sauckel selbst keine unmittelbare Befugnis hatte, ist es verständlich, daß er über die tatsächlichen Vorgänge in Unkenntnis blieb.

Ein anderer Gesichtspunkt bedarf der Betrachtung: in verschiedenen Dokumenten ist die Rede davon, daß bei der Beschaffung von Arbeitskräften ein gewisser Druck angewandt werden müsse, da man die Arbeitskräfte unter allen Umständen haben müsse. Ist damit für alle Methoden freie Hand gegeben? Man muß sehen, was auf diese Erklärung hin tatsächlich unternommen worden ist.

Das OKH hat daraufhin in einem Falle die verstärkte Aushebung von Arbeitskräften angeordnet und die kollektive Erfassung zugelassen, dabei aber Kollektivstrafen verboten. So Dokument 3012-PS mit Fernspruch des Wirtschaftsstabes Ost an General Stapf vom 11. März 1943.

Das beste Bild ergibt sich hier aus dem gleichen Dokument 3012-PS durch einen Aktenvermerk über eine Besprechung vom 10. März 1943. Hier verlangt General Nagel klare Richtlinien, und Staatsrat Peuckert will die vernünftigen Werbemethoden durch das OKH als zuständige Stelle festlegen lassen. Weiter ist hier maßgebend Dokument 2280-PS, die einzige eigene Erklärung des Angeklagten Sauckel zu dieser Frage in Riga vom 3. Mai 1943. Er erklärt dort nur alle »zulässigen« Mittel für erlaubt.

Weiter ist heranzuziehen Dokument 3010-PS, Wirtschaftsinspektion Süd, wo am 17. August 1943 die Anwendung »aller geeigneten Mittel« zugelassen wird.

Es werden Verordungen erlassen, in denen strenge Maßnahmen gegen Nichtbefolgung der Arbeitspflicht enthalten sind: Entziehung der Lebensmittelkarten und Kleiderkarten. Es wird Sippenhaft angedroht und Geiselnahme in Aussicht gestellt.

Wie steht es mit der Zulässigkeit solcher Maßnahmen?

Die Entziehung von Lebensmittelkarten ist ein heute allgemein übliches Zwangsmittel geworden, das auf der Rationierung beruht und in den Zeitverhältnissen seinen Grund hat. Es ist leicht zu handhaben und erfordert keine besonderen Vollstreckungskräfte. Andererseits ist es äußerst wirksam. Was die Sippenhaft betrifft, so sind schwere Einbrüche in die individuelle Haftung auch heute zu verzeichnen. Die Haager Landkriegsordnung schützt nur gegen Kollektivstrafen der Bevölkerung, sie schützt aber nicht die Familienangehörigen, die als mitverantwortlich angesehen werden können im Falle der Arbeitsverweigerung. Das als Dokument RF-80 vorgelegte französische Gesetz vom 11. Juni 1943 sieht eine solche Haftung auch nur bei bewußter Mitwirkung vor.

Schließlich bleibt noch die von dem Angeklagten Sauckel geforderte »Erschießung eines Präfekten«. Abgesehen davon, daß diese Äußerung an sich strafrechtlich unerheblich ist, da ihr die Ausführung nicht folgte, bedeutet sie rechtlich lediglich die Forderung, das bestehende französische Gesetz anzuwenden. Dieses Gesetz ist von der Anklage vorgelegt als Dokument RF-25, Verordnung des Militärbefehlshabers Frankreich vom 31. Januar 1943, in Artikel 2 ist dort die Todesstrafe vorgesehen.

Mißverstanden ist sodann noch die von der Anklage dem Angeklagten Sauckel vorgehaltene Äußerung, wonach man den Arbeitern in höflicher Weise Fesseln anlegen müsse; es ist das Dokument RF-816, Seite 10, Besprechung Sauckels in Paris vom 27. August 1943.

Wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, handelt es sich hier um eine Gegenüberstellung von plumpem, polizeilichem Auftreten mit der verbindlichen Art der Franzosen, ohne daß das Anlegen von Fesseln als eine Erfassungsmethode besonders angepriesen würde: Preußisch, sauber, korrekt auf der einen Seite, dabei aber auch verbindlich und höflich auf der anderen Seite, so soll gearbeitet werden.

Ich weise noch zu dem Fall des dem Tribunal aus den Verhandlungen bekannten Vorschlages des »Schanghaiens« in Dokument R-124, Seite 1770 hin. Die Darstellung, die der Angeklagte Sauckel gegeben hat, gibt eine verständliche Erklärung: Danach hat es sich rechtlich um eine Vorwerbung gehandelt, die die Arbeiter geneigt machen sollte, die eigentliche Verpflichtung später auf den amtlichen Werbebüros einzugehen.

Diese verschiedenen Vorgänge, Erschießung eines Präfekten, Anlegung von Fesseln, Schanghaien, lassen sich juristisch verschiedentlich darstellen, aber zum vollen Verständnis der subjektiven Seite kommt man erst, wenn man berücksichtigt, warum diese Äußerungen gemacht wurden und aus welchen Verhältnissen heraus.

Der Hintergrund aller Ausführungen ist der Kampf gegen Widerstand und Sabotage, der in Frankreich immer stärkere Formen annahm. Es handelt sich also nicht um Bemerkungen der Brutalität und des Zynismus, sondern um Äußerungen, die der Unentschlossenheit der Behörden entgegenwirken sollen.

Ein weiterer Gedanke, der hier angeschlossen werden muß, ist der, ob der Angeklagte Sauckel nicht durch seine Maßnahmen die Hilfskräfte des Landes so erschöpft hatte, daß weitere Arbeitskräfte nur noch mit unmenschlichen Methoden herausgeholt werden konnten und daß der Angeklagte Sauckel dies wissen mußte.

Es geht hierbei um die Höhe der »Quoten«. Fest steht, daß sie hoch waren, es steht aber auch fest, daß sie nicht willkürlich festgesetzt wurden, sondern nach sorgfältiger Prüfung der statistischen Abteilung. Nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung wurde tatsächlich ergriffen, und ausschlaggebend war nicht die Unmöglichkeit, zu leisten, sondern war der Wille, sich zu widersetzen.

In den besetzten Gebieten des Ostens waren große Menschenreserven, insbesondere bei der herangewachsenen Jugend, vorhanden, die nicht entsprechend eingesetzt waren. Die stark gelichteten deutschen Truppen sahen bei ihrer Rückwärtsbewegung die reich bevölkerten Dörfer und spürten die gleichen Kräfte kurz darauf als Zuwachs der Kampfkraft des Gegners.

In Frankreich waren ebenfalls viele Kräfte, die sich in den Schutz des Maquis oder der Sperrbetriebe begaben. Dies bestätigt nicht nur der französische Regierungsbericht RF-22, sondern ergibt sich auch aus einer Äußerung, die in der Zentralen Planung am 1. März 1944 Kehrl, ein Zeuge des Mitangeklagten Speer, gemacht hat, Dokument R-124, Seite 66, Dieser Zeuge erklärt dort, daß Arbeitskräfte in umfangreichem Maße in Frankreich vorhanden seien.

Besonders aufschlußreich ist hier noch Dokument 1764-PS, Seite 6, das ist der Bericht des Gesandten Hemmen vom 15. Februar 1944, der von dem »Aufbau-Programm« des Marschalls Pétain spricht und dazu Bezug nimmt auf die durch den Krieg unberührte Bevölkerung, die jährlich allein einen Zuwachs von 300000 jungen Männern gehabt hat.

Wenn in diesem Zusammenhang die Zahl der erfaßten Arbeitskräfte von Bedeutung ist, so muß sie der ganzen Bevölkerung gegenübergestellt werden und andererseits in Betracht gezogen werden, daß Deutschland nichts forderte, was es nicht von sich selbst in erhöhtem Maße verlangte.

Der Angeklagte Sauckel mußte der Überzeugung sein, nicht, daß man nicht leisten konnte, sondern daß man nicht leisten wollte.

Um diesen Willen zu beeinflussen, entstand der Propagandakampf und der Wettstreit der Strafandrohungen von beiden Seiten, der die Bevölkerung des besetzten Gebietes erst in die seelischen Konflikte brachte, die vielen zum Verhängnis wurden.

Der Angeklagte Sauckel konnte die Notwendigkeit, Zwang anzuwenden, mit guten Gründen auf die Wirkung der Gegenpropaganda und die verschlechterte Kriegslage zurückführen; er konnte aber auf Grund der ihm zugänglichen Unterlagen nicht überzeugt sein, daß die Erschöpfung der Länder so groß war, daß ohne Anwendung unmenschlicher Methoden nichts mehr herausgeholt werden könne.

Nicht auf dem Wege der Gewalt, sondern auf dem Wege der Schaffung besonderer Arbeitsbedingungen glaubte der Angeklagte Sauckel, sein Ziel zu erreichen.

Ich verweise als Beispiel auf die Zusage, die Sauckel selbst am 3. Mai 1943 in Riga gegeben hat. Das ist Dokument 2228-PS.

Es liegt abseits noch ein besonderes Gebiet der Arbeiterbeschaffung, das auszuscheiden ist. Es ist dies die Freilassung von Kriegsgefangenen unter der Bedingung der Gestellung von Arbeitskräften in Deutschland, durch »releve« und »transformation«.

Der französische Bericht RF-22 erklärte beide Arten für die Gestellung von Arbeitskräften für unzulässig.

In dem Bericht ist ausgeführt, daß der Austausch auf Grund der Releve der Versklavung der dreifachen Anzahl von französischen Arbeitern gleichgekommen sei. Es muß demgegenüber festgestellt werden, daß die Ersatzarbeiter jeweils nur auf ein halbes Jahr zu freier Arbeit kamen, und zwar hintereinander. Nach anderthalb Jahren waren alle Arbeiter frei; der Gefangene wurde es sofort.

Ein Zwang für die Durchführung der »releve« bestand nicht. Rechtlich ist das Angebot der Ablösung nicht angreifbar. Die Gefangenschaft kann jederzeit aufgehoben werden; die Freilassung kann auch an eine Bedingung geknüpft sein. Der französische Bericht überspitzt die moralische Ablehnung, indem er sich auf ein Zitat des Präsidenten des Nachrichtenbüros der Vereinigten Staaten beruft, dort ist von der »ruchlosen Wahl« die Rede, »entweder für den Erbfeind zu arbeiten oder einem Sohn des Landes die Möglichkeit der Befreiung aus der Gefangenschaft zu rauben«.

Ich stelle dem das gesunde Empfinden gegenüber, wonach in der älteren russischen Literatur ein solcher Austausch gelegentlich des Nordischen Krieges als patriotische Tat und Großzügigkeit hervorgehoben wird. Weder der König von Schweden noch Peter der Große haben danach den Austausch als die Gestellung eines Ersatzsklaven angesehen.

Das »Erleichterte Statut« (transformation) ist im Dokument Sauckel 101 enthalten. Das ist die Entlassung von Franzosen aus der Gefangenschaft gegen Übernahme anderer Arbeit unter der Voraussetzung, daß ein weiterer französischer Arbeiter nach Deutschland kommt entsprechend der Regelung der »releve«.

Zu dieser Änderung seiner rechtlichen Lage wurde kein Kriegsgefangener gezwungen, aber ganze Lager meldeten sich freiwillig hierzu. Wenn ein Gefangener von der gebotenen Möglichkeit Gebrauch machte, so verzichtete er damit auf den arbeitsrechtlichen Sonderschutz der Genfer Konvention; aber dies geschah im Einverständnis mit seiner Regierung. Das verstößt nicht gegen das Völkerrecht.

Der mit der Umwandlung verbundene Heimaturlaub wurde dadurch zu Fall gebracht, daß die Urlauber schon nach den ersten Transporten nicht zurückkehrten. Der französische Bericht RF-22 sagt selbst aus, Seite 69, daß von 8000 Beurlaubten eines Transports 2000 nicht zurückkehrten.

Der Bericht stellt fest, daß die »Unglücklichen« vor die zwiespältige Entscheidung gestellt wurden: »Du kehrst zurück, oder deine Brüder sterben.« Diese Überlegung hat sie aber nicht beeindruckt. Auch konnte sie ihr gegebenes Wort nicht hindern, sofort ins Maquis zu gehen.

Der Fortfall dieses Heimaturlaubs ist darnach keine Willkür in der Sklavenarbeit. Die Lektüre des französischen Berichts selbst kann diesen Eindruck nur vertiefen.

Es ergibt sich somit, daß auch auf diesem Sondergebiete durch den Angeklagten Sauckel keine Erfassung von Arbeitskräften erfolgt ist, die gegen das Kriegsrecht war und in unmenschlicher Form durchgeführt wurde.

Ich komme nun zur Frage der Behandlung der Arbeiter. Um eine rechtliche Beurteilung zu erleichtern, erfolgt auch hier eine Trennung der Verantwortungsgebiete.

Für die allgemeinen Arbeitsbedingungen in den Betrieben waren die Betriebsführer verantwortlich.

Für die allgemeinen Lebensverhältnisse außerhalb der Betriebe war die Deutsche Arbeitsfront zuständig.

Diese Verantwortungsgebiete treten deutlich dadurch in Erscheinung, daß für sie in der Anklageschrift zwei besondere Vertreter genannt sind, nämlich Krupp und Dr. Ley.

Für die Vorkommnisse auf diesen Gebieten kann der Angeklagte Sauckel nur insoweit einstehen, als sie auf seinen Verordnungen beruhen oder er pflichtwidrig nicht im Wege der Aufsicht eingegriffen hat.

Ein Gebiet der unmittelbaren Verantwortung des Angeklagten Sauckel waren die Löhne.

Hier fand er beim Amtsantritt eine Regelung vor und konnte sie nicht selbständig abändern; dazu mußte er die Genehmigung seiner vorgesetzten Dienststelle – das ist der Vierjahresplan – einholen und die Zustimmung der betroffenen Reichsminister.

Die in meinem Dokumentenbuch II unter Abschnitt »Lohnfrage« zusammengefaßten gesetzlichen Bestimmungen zeigen sodann, daß die grundsätzlichen Verordnungen nicht von dem Angeklagten Sauckel erlassen sind, sondern vom Ministerrat für die Reichsverteidigung, so die Dokumente Sauckel 50, 17 und 58, oder von dem Reichswirtschaftsminister, Dokument Sauckel 51, und dem Reichsfinanzminister, Dokument Sauckel 52.

Der Angeklagte Sauckel konnte nur innerhalb dieses ihm gesetzten Rahmens die Löhne einstufen und die Akkordlöhne bestimmen, dabei mußte er die Interessen der beteiligten Ministerien berücksichtigen.

Soweit es danach dem Angeklagten Sauckel überhaupt möglich war, hat er eine Besserstellung ermöglicht. So zeigen eine Reihe seiner Anordnungen, daß er Vergünstigungen gab, wie Prämien, Ausgleichszahlungen und ähnliches; hierzu die Dokumente Sauckel Nummer 54 und 58a.

Die Arbeit des Angeklagten Sauckel bleibt aber auch im großen auf Besserung der Löhne durch Beeinflussung der zuständigen Stelle gerichtet. Dies zeigt Dokument 021-PS vom 2. April 1943. Dort befindet sich als Anlage eine Abhandlung mit statistischem Material zu dem Vorschlag einer grundsätzlichen Lohnaufbesserung für die Arbeiter aus dem Osten.

Sodann ergibt ein Studium der Lohntabellen aus den verschiedenen Zeiten, daß die Mittellöhne der Ostarbeiter sich während der Amtszeit des Angeklagten Sauckel auf das Mehrfache gesteigert haben.

Der Regelung durch den Angeklagten Sauckel unterlag dann die Arbeitszeit, aber nur im Rahmen der übergeordneten Zuständigkeit des Reichsarbeitsministers Seldte. Dies zeigt Dokument Sauckel 67, wo Seldte in Paragraph 3 der Anordnung vom 25. Januar 1944 die Arbeitszeit für die Ostarbeiter regelt.

Die Arbeitszeit war grundsätzlich die gleiche wie für die deutschen Arbeiter, entsprechend dem Arbeitsrhythmus der Betriebe.

Dies räumt der französische Regierungsbericht UK-78/3 auch ein; die dort auf Seite 580 aufgeführten Fälle übermäßiger Arbeitszeit widersprechen den Anordnungen des Angeklagten Sauckel. Da sie keine Jahreszahlen enthalten, kann man nicht erkennen, ob es sich dabei um nur vorübergehende Maßnahmen handelt oder um Dauerzustände. Die gleiche Unklarheit besteht im französischen Bericht RF-22, Seite 101; dort ist die Mindestarbeitszeit mit 72 Stunden angegeben, die sich bis auf 100 Stunden steigerte. Es kann sich dabei um die Arbeit von KZ-Häftlingen handeln, was unklar gelassen ist.

Die Regelung der Arbeitszeit wurde sodann durch Goebbels geändert, der auf Grund seiner Vollmachten für die Führung des totalen Krieges den Zehnstundentag für Deutsche und Ausländer einführte, ohne daß dies in der Praxis hätte allgemein durchgeführt werden können. Eine unvernünftig hohe Arbeitszeit kann nicht durchgehalten werden und führt zu Rückschlägen.

Ich füge hier ein, daß Sauckel es durchgesetzt hat, daß diese mehr geleisteten Stunden als Überstunden besonders bezahlt wurden.

Besondere Beachtung ist von der Anklage der Regelung der Arbeitszeit der Hausgehilfinnen aus dem Osten geschenkt, von denen an Stelle der ursprünglich von Hitler verlangten 400000 bis 500000 Mädchen nur 13000 nach Deutschland kamen.

Es ist von der Anklage das Merkblatt für die Beschäftigung dieser Hausgehilfinnen als Dokument USSR-383 vorgelegt worden. Dort ist unter Nummer 9 gesagt, daß ein Anspruch auf Freizeit nicht besteht. Der Zweck der Bestimmung war, die Regelung der Freizeit dem Haushalt nach dessen Bedürfnissen zu überlassen. Ein anderer Sinn der Bestimmung ist auch kaum denkbar, denn man wollte ja gerade diese Hausgehilfinnen dauernd in die Familien aufnehmen und ihnen die Möglichkeit geben, in Deutschland zu verbleiben. Es waren als besonders zuverlässig angesehene Mädchen ausgewählt, die sich freiwillig zu der Haushaltsarbeit gemeldet hatten. Entsprechend der geübten Praxis wurden durch spätere Anordnungen – in Dokument Sauckel 26 – die Bestimmungen geändert, zugleich mit der Aufhebung aller sonstigen Beschränkungen.

Die Regelung der Arbeitszeit für Kinder ist im Rahmen der deutschen Arbeitsschutzgesetzgebung erfolgt; es handelt sich dabei um Kinder, die entgegen den Bestimmungen des Angeklagten Sauckel in ungeregelter Weise mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen sind.

Bei der Arbeit kann es sich nur um ländliche Beschäftigungen handeln, wie sie auch für deutsche Kinder üblich sind. Hierzu wird darauf verwiesen, daß im Kriege in Deutschland die Schulkinder vom zehnten Lebensjahre zur Arbeit herangezogen werden konnten nach dem Erlaß des Reichsjugendführers vom 11. April 1942, Dokument Sauckel 67a.

Über den gesamten Komplex von Lohn und Arbeitszeit, wie er abschließend gesetzlich geregelt war, gibt am besten Auskunft eine zusammenfassende Abhandlung in dem vollständigen Dokument Sauckel 89 von Dr. Blumensaat.

Auf diese unmittelbare Verantwortlichkeit allein kann sich der Angeklagte Sauckel aber nicht zurückziehen, wenn er die Dinge kannte und duldete, die dem Transport und dem Leben in den Lagern und Fabriken nach Behauptung der Anklage den Stempel aufdrückte. Er hat eine Aufsichtspflicht, auch wo er nicht unmittelbar die Verantwortung trägt. Ein solches Gebiet, das zur Verantwortung der Betriebe gehörte, ist Unterbringung und Verpflegung der Arbeiter.

Für die Einrichtung der Lager der Ausländer galten die gleichen Bestimmungen wie für die Lager der deutschen Arbeiter laut Verordnungen des hierzu zuständigen Reichsarbeitsministers Seldte, Dokument Sauckel Nummer 42, 43 und 44.

Es ist nicht zu bestreiten, daß infolge der Kriegsnot, insbesondere unter den Auswirkungen des Luftkrieges, die Unterbringung litt, aber die Mißstände wurden nach Kräften beseitigt. Die Lage der ausländischen Arbeiter war hier nicht anders als die der deutschen Zivilbevölkerung.

Die Verpflegung litt unter der Blockade und Verkehrsnot. Aber die festgesetzten Verpflegungssätze waren entgegen den berüchtigten Äußerungen über die Ernährung der Russen nach Tabelle vom 24. November 1941 im Dokument USSR-177 für die sowjetischen Kriegsgefangenen 2540 Kalorien. Eine weitere Tabelle ist mit der eidesstattlichen Erklärung des Zeugen Hahn als Exhibit Sauckel Nummer 11 vorgelegt. Danach war der Verpflegungssatz bei Krupp für den Normalarbeiter aus dem Osten 2156 Kalorien, für Schwerarbeiter 2615 Kalorien; und die sorgfältige Zuteilung wurde überwacht.

Verantwortlich für die Verpflegung war das Reichsernährungsministerium.

Es sind von der Anklage für beide Punkte schwere Beschuldigungen erhoben worden. Diese sind aber nur denkbar, wenn die bestehenden Vorschriften nicht eingehalten worden sind. Daß Fehler im Laufe der Jahre in dem großen Bereich vorgekommen sind, ist wahrscheinlich, aber das Gesamtbild setzt sich nicht aus Fehlern zusammen, und auf ihnen kann eine Beurteilung nicht aufgebaut werden. Die wirklichen Verhältnisse sind in diesem Verfahren nicht so klargestellt worden, daß man sagen könnte, die Mißstände waren so allgemein und so offensichtlich, daß der Angeklagte Sauckel sie kennen mußte und auch gekannt hat.

Den unsicheren Aussagen des Zeugen Dr. Jäger steht die eidesstattliche Versicherung des Zeugen Hahn gegenüber, die sie weitgehend entkräftet. Die eidesstattlichen Erklärungen der Zeugen Scharmann und Dr. Voß, Exhibit Sauckel Nummer 17 und 18, bestätigen sodann, daß in ihrem Arbeitsbereich keine groben Mißstände vorhanden waren.

Über die Verpflichtung der Betriebsführer hinaus hatte die Deutsche Arbeitsfront für die ausländischen Arbeiter zu sorgen – Dokument Sauckel 16. Ihr Aufgabengebiet war unter anderem der Transport und die Überwachung der ärztlichen Betreuung, sowie die allgemeine Fürsorge. Die umfangreiche Tätigkeit, die diese überaus große Organisation entfaltet hat, ist in diesem Verfahren nicht dargestellt worden. Die Grundsätze der Deutschen Arbeitsfront ergeben sich aus Dokument Sauckel Nummer 27, das ist die Verordnung der Deutschen Arbeitsfront über die Stellung der ausländischen Arbeiter im Betrieb. Als Ziel wird hervorgehoben: Aufrechterhaltung der Arbeitsfreudigkeit durch Beachtung der vertraglichen Bedingungen, absolut gerechte Behandlung und umfassende Fürsorge und Betreuung.

Die Deutsche Arbeitsfront war auch zuständig für die Durchführung der Transporte nach Anordnung Nummer 4, Dokument Sauckel Nummer 15. Dort sind die Weisungen Sauckels enthalten. Diese Aufgabe schließt die Weiterleitung bis zur Arbeitsstätte ein. Die Zeugen Timm, Stothfang und Hildebrand haben über das Gebiet ausgesagt und über Mißstände nichts berichtet.

Die Schilderungen im Molotow-Bericht, Dokument USSR-51, können sich nicht auf Transporte beziehen, die unter der geordneten Leitung durchgeführt wurden, sondern nur auf sogenannte wilde Transporte. Das gleiche gilt von den Transporten, deren Bestimmungsort nach der Anklageschrift die Konzentrationslager waren.

Wie sehr sich der Angeklagte Sauckel von Anfang an um die Transportverhältnisse gekümmert hat, geht gerade aus dem von der Anklage vorgelegten Dokument 2241-PS hervor; dies enthält einen Erlaß, wo gewissenhafte Anweisungen zur Verhütung der Verwendung ungeeigneter Züge gegeben sind.

Es sind Fehler vorgekommen, so insbesondere das im Dokument 054-PS erwähnte Vorkommnis des Rücktransportes von Arbeitskräften; diese waren vor der Zeit Sauckels, im Widerspruch zu seinen Grundsätzen, ins Reich gebracht worden. Es handelt sich um ein einmaliges Geschehen, und sofort wurde das Nötige verfügt. Die Rückführung von Kranken in nichttransportfähigem Zustand wurde verboten und das Bad Frankenhausen zur Verfügung gestellt; das ist Dokument 084-PS, Seite 22. Es erfolgte die Anordnung über die Begleitung solcher Transporte durch Helfer und Helferinnen des Roten Kreuzes, Dokument Sauckel Nummer 99.

Der sorgfältig durchorganisierte Apparat der ärztlichen Betreuung, der unter Mitwirkung der kassenärztlichen Vereinigung arbeitete, hat trotz größter Schwierigkeiten nicht versagt, es steht vielmehr das große Ergebnis fest, daß keine Seuchen und schwere Krankheiten auftraten.

Die von der Anklage vorgetragenen Fälle aus einigen der 60 Lager der Firma Krupp können nur aus der ungewöhnlichen Verkettung von Umständen verstanden werden. Allgemeine Mißstände, für die diese Zustände typisch wären, können sie nicht beweisen.

Es ist dann noch ein Dokument RF-91 vorgelegt worden, das ist der ärztliche Bericht von Dr. Fevrier von der französischen Abordnung der Deutschen Arbeitsfront, der nach Beginn der Invasion am 15. Juni 1944 abgefaßt ist. Der Bericht zeigt neben Mängeln, die er abzustellen bestimmt ist, auch Gutes. So spricht er mit besonderer Anerkennung von den Jugendlagerführern, von den systematischen Röntgenuntersuchungen und von den Unterstützungen der Gauverwaltungen und ähnlichem.

Ein wirkliches Gesamtbild der Zustände könnte man nur durch Studium der überall vorliegenden ärztlichen Berichte der Ämter für Gesundheit der Deutschen Arbeitsfront erlangen.

Für die Verteidigung des Angeklagten Sauckel ist hier nur der Umstand von Bedeutung, daß ein Fernstehender wie er kein klares Bild von Mißständen haben konnte.

Die Billigung solcher Mißstände hätte in krassem Widerspruch zu den Handlungen und Erklärungen Sauckels gestanden. Der Angeklagte Sauckel hatte sich nicht damit zufrieden gegeben, wenn ein Gauleiter etwa erklärte: »Wenn jemand frieren muß, dann zunächst die Russen.« Er ist hier eingeschritten und hat offen Stellung dagegen genommen in seinem amtlichen Handbuch des Arbeitseinsatzes. Das ist Dokument Sauckel Nummer 19.

Der Angeklagte Sauckel hat sich auch außerhalb seiner Zuständigkeit um die Verbesserung der Verpflegung bemüht. Dies haben mehrere Zeugen bestätigt, unter anderem der Zeuge Gölz, Exhibit Nummer 10; es ergibt sich auch aus der Niederschrift der Zentralen Planung, Dokument R-124, Seite 1783.

Der Angeklagte Sauckel hat die Dinge nicht treiben lassen, wie sie wollten, sondern er hat sich einen eigenen persönlichen Stab geschaffen, deren Mitglieder in den Lagern herumreisten und an Ort und Stelle Mängel abstellten.

So hat er sich auch um die Bekleidung bemüht und in großem Umfange Fabriken für die Versorgung der Ostarbeiter arbeiten lassen.

Alle Zeugen, die zu diesem Fragenkomplex gehört worden sind, haben die fürsorgende Grundeinstellung des Angeklagten Sauckel immer wieder einmütig bestätigt.

Ich verweise hier auf die Bekanntmachungen und Ansprachen des Angeklagten Sauckel, die stets für eine gute Behandlung eintreten. Ich will die Dokumente nicht im einzelnen aufzählen und hebe nur das »Manifest« des Arbeitseinsatzes, Dokument Sauckel 84, hervor, in dem er auf seine verpflichtenden Grundsätze hinweist und verlangt, daß diese laufend mit Nachdruck in Erinnerung gebracht werden müssen.

Ich verweise auch auf die Ansprachen an die Präsidenten der Gauarbeitsämter am 24. August 1943, das ist Dokument Sauckel 86, und vom 17. Januar 1944, das ist Dokument Sauckel 88.

Der Angeklagte Sauckel hat es schließlich erreicht, daß selbst Himmler, Goebbels und Bormann seine Gedanken als richtig anerkannten. Dies zeigt Dokument 205-PS vom 5. Mai 1943. Es ist dies ein Merkblatt über die allgemeinen Grundsätze für die Behandlung der ausländischen Arbeiter. Dort sind die Grundsätze des geordneten Arbeitseinsatzes übernommen.

Wie verhalten sich dazu die Darstellungen der Anklage von der sklavenmäßigen Mißhandlung der Arbeiter?

Man wird genau untersuchen müssen, ob es sich tatsächlich in den vorgetragenen Fällen um Mißstände handelt, die die Arbeiter im normalen Einsatz trafen oder solche, die sich auf die Deportation von Häftlingen und die Häftlingsarbeit bezogen.

Sodann ist zu prüfen, ob nicht Übertreibungen und Verzerrungen erfolgt sind, für die es viele Gründe menschlicher Schwächen und Eigenart gibt. Meines Erachtens ist eine hinreichende Aufklärung der Vorgänge bisher nicht erfolgt; und es zeigen sich bereits Schilderungen in der Presse, die Zweifel an dem herkömmlichen Begriff des Lebens der ausländischen Arbeiter verstärken.

In dem als Exhibit Sauckel Nummer 3 überreichten Plan sind die zahlreichen Kontroll- und Inspektionsstellen für die Arbeiterfrage veranschaulicht. Diese haben keine besonderen Mißstände an die Dienststelle des Angeklagten Sauckel berichtet.

Gerade in der Vielzahl der Stellen lag vielleicht eine Schwäche; es ist denkbar, daß jedes Ressort die Fehler in seinem Zuständigkeitsbereich zurückhielt und nicht an den Angeklagten Sauckel kommen ließ, weil die Kontrollorgane in der Regel Dienststellen waren, die im Rang über dem Angeklagten Sauckel standen.

Dies ist besonders zu beachten für die Beziehungen der wichtigsten Stelle, der Deutschen Arbeitsfront, unter Führung des Reichsleiters Dr. Ley, zu Gauleiter Sauckel.

Die als Dokument 1913-PS vorgelegte Vereinbarung über die Schaffung einer »Zentralinspektion für die Betreuung der ausländischen Arbeitskräfte« stellt bei näherer Prüfung eine vorsorgliche Abschirmung gegen den Angeklagten Sauckel dar. Das Dokument ist nämlich von Dr. Ley entworfen, am 2. Juni 1943 unterzeichnet und dem Angeklagten Sauckel zur Unterschrift vorgelegt worden. Erst am 20. September 1943 hat dieser es genehmigt und bekanntgegeben. Es ist darum gerade hier denkbar, daß Dr. Ley sich keine Rügen holen wollte. Aber es ist auch nicht denkbar, daß die Mißstände allgemein und offenkundig waren. Der Angeklagte Sauckel hätte sonst davon erfahren müssen durch seine eigenen Kontrollen.

Abgesehen von dem eigenen Stab hatte der Angeklagte Sauckel am 6. April 1942 die Gauleiter als »Bevollmächtigte für den Arbeitseinsatz« bestellt und ihnen die Überwachung für die Durchführung seiner Anordnungen zur eindringlichen Pflicht gemacht. Dies ergibt sich aus Dokument Sauckel 9, Ziffer 5; das gleiche zeigt Dokument 633-PS vom 14. März 1943.

Mehrere Gauleiter sind vor dem Tribunal als Zeugen vernommen worden und haben bestätigt, daß die befohlene Überwachung durchgeführt wurde und daß Sauckel sie durch Angehörige seines Stabes überprüfen ließ. Mißstände wurden nicht gemeldet.

Wem soll man nach Abwägung der Dinge glauben? Haben wir es mit übertriebenen Klageliedern zu tun, oder sind die dagegen sprechenden Feststellungen glaubwürdig?

Es fehlt das Zeugnis der Franzosen, die nach Dokument UK-78/3, III. Studie, zu den echten Sklavenplätzen kamen; es fehlen die Russen, die nach Dokument USSR-51 für zehn bis fünfzehn Reichsmark verkauft worden sind.

Eine Tatsache spricht jedenfalls deutlich zugunsten des Angeklagten Sauckel, nämlich, daß die Arbeiter, wie die zuständigen Zeugen stets betonen, willig und fleißig waren und daß es beim Zusammenbruch nicht zu einem Aufstand gekommen ist, in dem die Arbeiter ihre natürliche Rache an den Sklavenhaltern genommen hätten.

Ich habe die tatsächlichen Vorgänge zusammengefaßt und rechtlich gewürdigt.

Alles muß aber als juristische Spielerei erscheinen, wenn eine höhere Verantwortlichkeit dem gegenübersteht.

Es ist hier gesagt worden, man könne den kleinen Betriebsführer nicht auf den Dingen sitzen lassen, sondern die höchsten Reichsstellen hätten moralisch die Verantwortung zu tragen; sie hätten von sich aus Abhilfe im großen schaffen müssen gegenüber den durch die Zeitverhältnisse entstandenen Schwierigkeiten.

Dies mag für die Stellen zutreffen, die über die Macht und die Mittel zur Hilfe verfügten. Der Angeklagte Sauckel, der nur mit einem kleinen persönlichen Stab in ein bestehendes Ministerium eingebaut war, verfügte nicht über solche Mittel; seine Befugnis bestand in einem eng umgrenzten Recht, für die Arbeitsvermittlung Anordnungen zu erlassen, und hiervon hat er einen unermüdlichen Gebrauch gemacht.

Die Betriebsführer der Rüstungswirtschaft waren in der Selbstverwaltung zusammengefaßt und nach außen gegen sogenannte Bürokraten abgeschlossen. Diesem Selbstverwaltungsrecht entspricht die Selbsterhaltungspflicht.

Wenn den ausländischen Arbeitern darum zu ihrer Sicherung oder zur Verbesserung ihrer Lage aus den Rüstungsbetrieben geholfen werden sollte, so war dies Sache dieser Betriebe und die ihres vorgesetzten Rüstungsministeriums.

Die Dienststelle des Angeklagten Sauckel konnte hier nichts unternehmen, denn sie stand unter dem Rüstungsministerium. Dies ergibt sich klar aus Dokument 4006-PS mit Erlaß vom 22. Juni 1944; dem entspricht die persönliche engste Beziehung des Rüstungsministers zu Hitler, wodurch er der einflußreichste Mann auf dem Wirtschaftsgebiete war.

Wenn eine höhere Verantwortung für Fehler in den Betrieben bestand, dann konnte sie nur dort liegen, wo Kenntnis von den Zuständen vorhanden war und die Macht, sie zu beseitigen.

Noch eine Rechtsfrage des Statuts ist zu prüfen, nämlich, ob die Stellung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz nach Artikel 7 oder nach Artikel 8 zu beurteilen ist, das heißt, ob der Angeklagte Sauckel ein selbständiger Regierungsbeamter war oder ob er auf Befehl gehandelt hat.

Die Anforderungen von Arbeitskräften erfolgte jeweils auf besonderen Befehl Hitlers als Programmforderung, und nur die spätere Verteilung war Sauckel überlassen. Dies geht auch daraus hervor, daß sich der Angeklagte Sauckel immer wieder auf »Befehle und Aufträge« Hitlers beruft, so in dem Manifest des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Dokument Sauckel 84, Ziffer 7, und im Rundschreiben an die Gauleiter, Dokument Sauckel 83 und anderen.

Dem entspricht es auch, daß der Angeklagte Sauckel jeweils die Ausführungen der Befehle besonders meldet, sowie den Antritt und die Rückkehr von seinen Auftragsreisen. Dokument 556-PS vom 10. Januar 1944 und 28. Juli 1943.

Gegen die Selbständigkeit spricht auch der Umstand, daß nach dem Ernennungserlaß der Angeklagte Sauckel dem Vierjahresplan unmittelbar unterstellt war und er in das Reichsarbeitsministerium eingegliedert wurde, das mit seinen Staatssekretären erhalten geblieben war Ihm selbst waren nur zwei Abteilungen zur Verfügung gestellt.

Wenn die Art der Verantwortlichkeit festgestellt werden soll, dann kann sie danach nur im Artikel 8 des Statuts gegeben sein.

Damit schließe ich meine Ausführungen über das Sondergebiet des Arbeitseinsatzes.

Der Angeklagte Sauckel ist über den Arbeitseinsatz hinaus wegen aller Punkte der Anklage beschuldigt.

Bestimmte Einzeltaten werden ihm dabei nicht als Täter zur Last gelegt.

Eine nähere Kennzeichnung der Vorwürfe ist im Laufe des Verfahrens bezüglich der Konzentrationslager erfolgt. Hierzu ist aber durch beschworene Erklärung des Zeugen Walkenhorst, Exhibit Nummer 23, und eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen Dieter Sauckel, Exhibit Nummer 9, erwiesen, daß kein Räumungsbefehl für das Lager Buchenwald bei Annäherung der amerikanischen Truppen gegeben worden ist.

Auf Kenntnis und Billigung der Lagerzustände kann nicht aus dem zweimaligen Besuch des Lagers vor dem Jahre 1939 geschlossen werden, da damals die von der Anklage hervorgebrachten Auswüchse noch nicht bestanden.

Auch die örtliche Nähe des Lagers zu der Gauleitung des Angeklagten Sauckel brachte keine engen Beziehungen zu der SS-Führung, da diese in Kassel und Magdeburg ihren Sitz hatte.

Hinzu kommt schließlich, daß die innere humane Einstellung des Angeklagten Sauckel, die auf seinem Werdegang beruhte, mit der Einstellung Himmlers unvereinbar war.

Welche Rolle kann der Angeklagte Sauckel in der Verschwörung gespielt haben?

Er war Gauleiter in Thüringen und hob sich aus der Zahl der anderen Gauleiter nicht hervor. Seine Tätigkeit und seine Ziele ergeben sich aus seinen Kampfreden, die als Dokument Sauckel Nummer 95 vorgelegt sind. Diese zeigen mit Beharrlichkeit den Kampf um »Freiheit und Brot« und den Wunsch nach wirklichem Frieden.

Für die langjährige Tätigkeit in der Partei war für den Angeklagten Sauckel das Parteiprogramm maßgebend; die darin enthaltenen Wünsche erforderten weder Krieg noch Ausrottung der Juden. Erst die praktische Ausführung des Programms konnte Aufschluß über die Wirklichkeit geben. Für den überzeugten Parteimann war aber die amtliche Darstellung der Geschehnisse maßgebend, und sie begegnete keinem Zweifel.

Bis zur Ernennung zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz im Jahre 1942 gehörte der Angeklagte Sauckel nicht zu dem engen Kreis derer, die einen Blick in die Pläne Hitlers tun konnten. Er war angewiesen auf Presse und Rundfunk wie jedermann. Mit den führenden Männern hatte er keine Fühlung. Dies zeigt sich mit einer gewissen Tragik bei dem belächelten Schritt des Angeklagten Sauckel, daß er als einfacher Matrose zu einer Feindfahrt ins U-Boot stieg.

So beteiligt man sich nicht an Verschwörungen.

Als gläubiger Anhänger Hitlers stand der Angeklagte Sauckel im Kreise der Wissenden allein. Man kann verstehen, wenn die extremen Männer ihn mit seiner bekannten Einstellung mieden. Er wurde auch nicht eingeweiht in die Geheimnisse von Leuten, die Freund und Mörder Hitlers zugleich sein wollten, und er wurde nicht von der Gruppe unterrichtet, die Hitlers Feinde waren, aber ihre Wahrheiten mit neuartiger Tapferkeit geheimhielten.

Gläubig bis zum Ende, kann der Angeklagte Sauckel auch heute noch nicht das Geschehene begreifen. Soll er wie ein Ketzer seinen Irrtum widerrufen, um Gnade zu finden?

Ihm fehlt die Verbindung mit der Wirklichkeit, die das Erkennen ermöglichen könnte.

Hängt das Urteil davon ab, ob er in Unwissenheit einer guten oder schlechten Sache gedient hat?

Es ist nichts gut oder schlecht, das Denken macht es so.

Eines aber ist immer und unter allen Umständen gut; das ist ein guter Wille. Diesen guten Willen hat der Angeklagte Sauckel gezeigt.

Ich beantrage daher seinen Freispruch.

VORSITZENDER: Darf ich Dr. Exner für den Angeklagten Jodl bitten?

PROFESSOR DR. FRANZ EXNER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN JODL: Herr Präsident! Meine Herren Richter!

In diesem einzigartigen Prozeß steht die Findung der Wahrheit vor einzigartigen Schwierigkeiten. In einer Zeit, da die Wunden des Krieges noch bluten, die Erregung über die Geschehnisse der letzten Jahre noch zittert, in einer Zeit, in der die Archive der einen Seite noch verschlossen sind, soll in leidenschaftsloser Sachlichkeit ein gerechtes Urteil gefällt werden. Ein Prozeßstoff ist vor uns ausgebreitet worden, der ein Vierteljahrhundert Weltgeschichte und die Geschehnisse aus vier Erdteilen umfaßt. Und auf Grund dieses riesenhaften Materials sehen wir 22 Männer gleichzeitig angeklagt. Das erschwert es ungeheuer, den Blick freizuhalten für Schuld und Verantwortlichkeit jedes einzelnen. Denn Unmenschlichkeiten von kaum vorstellbarem Ausmaße sind hier zutage gekommen, und es besteht die Gefahr, daß der tiefe Schatten, der auf einen Teil der Angeklagten fällt, auch den anderen verdunkelt. Mancher, fürchte ich, erscheint durch die Gesellschaft, in der er sich hier befindet, in anderem Lichte, als wenn er allein auf der Anklagebank säße.

Die Ankläger haben diese Gefahr noch erhöht, indem sie – rechtliche und moralische Vorwürfe mischend – wiederholt Gesamtbeschuldigungen erheben: Alle Angeklagten hätten sich aus den besetzten Gebieten bereichert, nicht einer, der nicht gerufen hätte »Juda verrecke« und so weiter. Ein Nachweis, daß dies für jeden einzelnen zutrifft, ist gar nicht versucht worden; aber schon die Behauptung macht die Stimmung gegen alle.

Zu diesem Vorgehen der Anklagebehörde, das die Klärung der individuellen Schuld erschwert, gehört auch, daß die Angeklagten Keitel und Jodl wie ein untrennbares Zwillingspaar behandelt werden: eine gemeinsame Anklage gegen sie seitens des englischen Anklägers, ein gemeinsamer Trialbrief seitens der Französischen Anklagebehörde. Und vollends die sowjetrussischen Ankläger haben, sehr wenig von den einzelnen Schuldigen sprechend, Vorwürfe auf Vorwürfe über die ganze Anklagebank ergossen. Das alles soll offenbar das Verfahren verkürzen, dient aber schwerlich der Aufklärung des Verschuldens jedes einzelnen.

Ja, die Anklageschrift geht noch weiter. Sie greift über diese 22 Angeklagten in das Schicksal von Millionen ein. Dies durch die Anklage gegen die Organisationen, die in Verbindung mit dem Gesetz Nummer 10 die Wirkung hat, daß man für die Schuld anderer Personen bestraft werden kann.

Augenblicklich wichtiger ist eine weitere Form der summarischen Behandlung der Angeklagten. Die Anklage zieht den Begriff der »conspiracy« heran, um wiederum zum Ergebnis zu kommen, daß Personen individuell haftbar gemacht werden für etwas, das andere verschuldet haben. Auf diesen Punkt muß ich näher eingehen, weil er auch meinen Mandanten betrifft. Zwar geht, glaube ich, aus den Ausführungen meiner Vorredner hervor, daß eine Verschwörung zur Begehung von Verbrechen gegen Frieden, Kriegsrecht und Menschlichkeit in Wahrheit nicht existiert hat, ich will daher nur eines zeigen: Sollte eine solche »conspiracy« doch bestanden haben, so hat jedenfalls Jodl ihr nicht angehört.

Der Ankläger hat zugegeben, daß die Zugehörigkeit Jodls zur »conspiracy« bis 1933 nicht nachweisbar ist. Und wahrlich: Wer mit derartigem Mißtrauen der ganzen nationalsozialistischen Bewegung gegenüberstand und mit so skeptischer Zurückhaltung von ihrer Machtergreifung sprach, hat nicht konspiriert, um Hitler in den Sattel zu helfen.

Aber die Anklage scheint zu meinen, daß Jodl in der Zeit bis 1939 der angeblichen Verschwörung beigetreten sei. In Wahrheit hat sich auch in dieser Zeit für ihn nichts Wesentliches geändert.

Zwar ist nunmehr seine Einstellung gegenüber Hitler eine durchaus loyale. Denn Jodls verehrter Feldmarschall von Hindenburg war es, der Hitler zur Regierung berufen hatte, und das deutsche Volk bestätigte diese Entscheidung mit über 90 Prozent seiner Stimmen. Dazu kam, daß in den Augen Jodls, und nicht nur Jodls, die Autorität Hitlers mächtig steigen mußte angesichts seiner bewundernswerten außen- und innenpolitischen Erfolge, die sich nunmehr aneinanderreihten. Aber persönlich bleibt Jodl ohne jede Beziehung zu Hitler. Er hat keine der großen Versammlungen mitgemacht, in denen Hitler sein Programm entwickelte. Sein Buch »Mein Kampf«, das Evangelium des Nationalsozialismus, hat er nur stückweise gelesen. Jodl blieb eben ein unpolitischer Mensch, entsprechend seinen persönlichen Neigungen, die fernab von Parteipolitik lagen, und entsprechend den Traditionen der alten Offiziersfamilie, der er entstammte. Innerlich liberal eingestellt, hatte er für den Nationalsozialismus wenig Sympathie, äußerlich war ihm als Offizier Zugehörigkeit zur Partei verboten, jedes Wahlrecht, jede politische Betätigung versagt.

Wenn, wie die Anklage sagt, die Partei die Verschwörung zusammengehalten hat und das »Instrument der Kohäsion« zwischen den Angeklagten gewesen ist, so fragt man vergeblich, welche Kohäsion bestand denn zwischen Jodl und – sagen wir – Sauckel, oder zwischen Jodl und Streicher. Jodl kannte bis zum Kriegsbeginn von sämtlichen Angeklagten außer den Offizieren nur als einzigen Frick von einer oder zwei dienstlichen Konferenzen im Ministerium des Innern.

Der NSDAP stand er fern, ja, ihren Organisationen im gewissen Sinne sogar feindlich gegenüber. Seine größte Sorge in diesen Jahren – wie auch später, bis zuletzt – war die Gefahr der Parteieinflüsse in der Wehrmacht. Jodl tut, was in seiner Macht steht, um die »Aufblähung« der SS zu einer Nebenwehrmacht zu verhüten, die Abgabe des Zollgrenzschutzes an Himmler zu verhindern, und triumphierend trägt er in sein Tagebuch ein, daß Hitler nach dem Abgang des Generalobersten Freiherrn von Fritsch nicht, wie befürchtet, den parteigebundenen General von Reichenau zum Oberbefehlshaber des Heeres ernannte, sondern den unpolitischen Brauchitsch und so weiter. Hätte Jodl irgendwie nationalsozialistisch konspiriert, so hätte er sich in jedem dieser Punkte gegenteilig verhalten.

Jodl war denn auch bei keiner der sogenannten »Verschwörersitzungen« dabei: Weder am 5. November 1937 – das Hitler-Testament ist ihm unbekannt geblieben – noch am Obersalzberg im Februar 1938, noch bei der Sitzung am 23. Mai 1939 und ebensowenig am 22. August 1939. Kein Wunder! Jodl war ja damals noch ein viel zu kleiner Mann, um bei derart staatsentscheidenden Anlässen zugezogen zu werden: Mit dem Oberstleutnant oder Oberst im Generalstab wird nicht konspiriert, man sagt ihm einfach, was er zu tun hat, und damit ist – was seine Person betrifft – das Problem erledigt.

Der unwiderleglichste Beweis aber, daß Jodl keiner Verschwörung zur Führung des Angriffskrieges angehört haben kann, ist seine zehnmonatige Abwesenheit gerade vor Beginn des Krieges.

Jodl war im Oktober 1938 aus dem Oberkommando der Wehrmacht ausgeschieden und wurde als Artilleriekommandeur nach Wien versetzt. Damals stand nach seiner Auffassung ein Krieg so wenig in Aussicht, daß er, bevor er Berlin verließ, aus eigener Initiative noch einen Sicherungsaufmarsch nach allen Seiten entwarf. Dabei verlegte er die Masse der deutschen Kräfte ins Zentrum des Reiches, weil er eben keinen irgendwie bestimmten Gegner sehen konnte, gegen den ein Aufmarschplan vorzubereiten gewesen wäre. Gerade ein Jahr vor Beginn des Angriffs machte dieser angebliche Verschwörer für Angriffskriege eine rein defensive Generalstabsarbeit. Und obwohl er genau wußte, daß er in einem Kriegsfall nach Berlin zurückkehren müsse, schien ihm diese Möglichkeit so fernliegend, daß er mit seinen gesamten Möbeln nach Wien übersiedelte. Und noch mehr, weil er wünschte, endlich wieder einer Kanzleitätigkeit zu entkommen, ließ er sich für 1. Oktober 1939 die Gebirgsdivision in Reichenhall zusichern. Und endlich: er besorgte sich noch im Juli Schiffsfahrkarten zu einer mehrwöchigen Seereise, die im September hätte einsetzen sollen. So sicher rechnete er mit einer friedlichen Weiterentwicklung.

Während dieser zehn Monate bis zu seiner Einberufung nach Berlin kurz vor Kriegsausbruch stand Jodl in keinerlei dienstlichen oder privaten Beziehungen zum OKW. Der einzige Brief, den er in jener Zeit von dort bekam, war eben jener, der ihm zum 1. Oktober die Versetzung nach Reichenhall versprach.

Man stelle sich vor: in der kritischsten Zeit, gerade in der Zeit, in der die angeblichen Verschwörer den Polenplan berieten und ausarbeiteten, gerade in dieser Zeit war Jodl zehn Monate außer jedem Kontakt mit den maßgeblichen Leuten und wußte von dem, was vorging, nicht mehr als irgendeiner seiner Leutnante.

Als der Führer in diesem Sommer gelegentlich nach Wien kam, schien es Keitel nicht einmal der Mühe wert, ihm Jodl vorzustellen, obwohl doch Jodl im Kriegsfalle berufen war, als strategischer Berater des Obersten Befehlshabers den angeblich gemeinsamen Angriffsplan durchzuführen. Man kann sich denken, wie erstaunt Jodl war, in der Anklageschrift zu lesen, er sei Mitglied einer Verschwörung zur Entfesselung des Krieges gewesen.

Herr Präsident! Ich wäre bei einem Absatz. Das wäre vielleicht der geeignete Moment...

VORSITZENDER: Wir vertagen uns nunmehr.