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M. DUBOST: Kaltenbrunner wurde 1932 Mitglied der Partei und der SS in Österreich. Er war Staatssekretär für Sicherheit und Polizei in Österreich, dann Chef der Polizei in Wien und Chef des Reichssicherheitshauptamtes vom 30. Januar 1943 bis zur Kapitulation. Während dieser letzten Periode war er für die Gestapo, die Polizei, den SD und die Konzentrationslager verantwortlich.
Er war eines der Hauptstücke des verbrecherischen Apparates zur Verwirklichung der Ausrottungspolitik und bei der Vollendung des Genocidiums. Seine Verantwortlichkeit für die Ermordungen steht fest. Er hat Befehle zur Internierung und Exekution erlassen.
Die Schutzhaftmaßnahmen waren, so sagte er, durch den Krieg gerechtfertigt. Obwohl wir wissen, daß er die Oberleitung über die Lager hatte, versucht er, uns glauben zu machen, daß er gegen den Gebrauch dieser Maßnahmen Stellung genommen habe.
Wir kennen die bedeutende Stellung Rosenbergs im Dritten Reich. Eine Dienststelle trug seinen Namen. Er war unter anderem Minister für die besetzten Ostgebiete und Propagandist. In »Blut und Ehre« besonders hat er die These von dem der sogenannten deutschen Rasse zustehenden Raum aufgegriffen und entwickelt.
Von den billigen Behauptungen ausgehend, daß die Ausstrahlung des nordischen Menschentums der Entwicklung der Menschheit ihren vollen Sinn gebe und daß überall Verfall herrsche, wenn die nordische Kultur, anstatt die Asiaten und Semiten zu ständiger Sklaverei zu verdammen, sich mit diesen unreinen Elementen vermische, zog er die Schlußfolgerung, daß der Kontinent der deutschen Idee und Rasse unterworfen werden müsse. Deutschland mit allen Mitteln zu seiner rassischen Reinheit zurückzuführen, war das Thema seiner Nürnberger Rede im Jahre 1933. Er empfahl die Ausrottung der Juden, und wir wissen heute, daß das nicht nur eine rednerische Wendung war. Überdies schreibt er in seinem Bericht an den Führer vom 11. August 1942, 042-PS:
»Anordnungen, die Volksvermehrung in der Ukraine nicht zu unterstützen und den entsprechenden § 218 des Deutschen Strafgesetzbuches nicht anzuwenden, sind bereits im vergangenen Jahre anläßlich einer Anfrage ergangen und bei einer Reise des Leiters des Gesundheitsamtes noch einmal bestätigt worden.
... Auch in der Ukraine sind Maßnahmen zur Verhinderung der Seuchenausbreitung getroffen worden, nicht im Interesse für andere Völker, sondern ausschließlich für die Sicherung des deutschen Einsatzes und für die Erhaltung der Arbeitskraft im Dienst der deutschen Kriegswirtschaft.«
Schließlich war Rosenberg in den Angriff auf Norwegen verwickelt und hat dank seines Sonderstabes eine methodische Plünderung der Kunstschätze Europas durchgeführt.
Frank ist einer der ersten Anhänger der Partei. Er war ihr juristischer Berater, er nahm an der Ausarbeitung des Programms teil. Er war auch der Berater des Führers. Er war Justizminister in Bayern, dann Staatsminister zur Gleichschaltung der Justiz des Reiches und schließlich Generalgouverneur von Polen. Er war einer der Hauptbestandteile des Apparates. Er war es, der das Terrorprogramm der Verfolgung und Vernichtung durch Staat und Partei in eine rechtliche Form zu kleiden versuchte. Er verteidigte die Errichtung von Konzentrationslagern in der Zeitschrift für Deutsches Recht von 1936, und er verkündete, daß das zweite grundlegende Gesetz des Hitlerschen Reiches die Rassengesetzgebung sei.
Seine persönliche Tätigkeit in Polen hat zur Vernichtung zahlreicher Polen beigetragen. Er hat sich dessen in seinem Tagebuch lang und breit gerühmt.
Frick war Mitglied der Partei seit 1925. Er wurde Reichsleiter, dann Reichsdirektor für die Wahlen vom 30. Januar 1933 bis zum 20. August 1943. Er war Chef der Ämter für die Anschließung Österreichs an Deutschland, für die Einverleibung des Sudetenlandes, von Memel, Danzig, der Ostgebiete und von Eupen-Malmedy und Moresnet. Er war außerdem Chef der zentralen Dienststellen für das Protektorat Böhmen und Mähren, das Generalgouvernement, für Untersteiermark, Oberkärnten, Norwegen, Elsaß, Lothringen und alle anderen besetzten Gebiete. Während mehr als einem Jahr war er Reichsprotektor für Böhmen und Mähren. Er war Reichsminister des Innern von der Machtergreifung an und Mitglied des Reichsverteidigungsrates. In den Reichstag gewählt im Jahre 1924 brachte er die judenfeindlichen Gesetze in Vorschlag. Von striktem Gehorsam erfüllt, machte er sich zu verschiedenen Malen zum Sprecher der politischen Gedanken des Apparates. Im nationalsozialistischen Deutschland befinde sich die Leitung in den Händen einer organisierten Gemeinschaft, nämlich der Nationalsozialistischen Partei. Und da die letztere den Willen der Nation repräsentiere, sei die von ihr in Übereinstimmung mit den Lebensinteressen der Nation angenommene Politik gleichzeitig die vom Lande angenommene Politik (3258-PS).
Er war es, der Himmler ernannt hat. Er ist für die antijüdische Gesetzgebung verantwortlich, und er hat die Sterilisierung der Abkömmlinge von Soldaten der farbigen Truppen zur Anwendung bringen lassen. Überdies hat er die für unheilbar erachteten Geisteskranken töten lassen.
Streicher gehörte der Partei fast seit ihrer Bildung an. Er gab sich einer zügellosen Propaganda gegen die Juden hin, sowohl in seinen Reden wie in seinen Schriften, und er hetzte das deutsche Volk auf, sie zu verfolgen und auszurotten. Er war Gauleiter. Er verwirft nichts von dem, was geschehen ist. Er hat erklärt:
»Wer den Führer in seinem tiefsten Fühlen und in seiner Seele kennengelernt hat wie ich menschlich, und dann später erfahren mußte aus dem Testament, daß er mit klarem Verstand bewußt den Befehl zum Massentöten gegeben hat, der steht zunächst vor einem Rätsel. Ich erkläre hier...«
Funk trat 1931 in die Partei ein. Er wurde mit dem goldenen Parteiabzeichen ausgezeichnet. Er war Reichspressechef, Staatssekretär der Propaganda, und schließlich wurde er im Jahre 1937 Nachfolger von Schacht im Wirtschaftsministerium. 1941 wurde er Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft und Präsident der Reichsbank.
1932 diente er als Vermittler zwischen dem Führer und einigen Leitern der deutschen Industrie. Er war bei der Versammlung von Industriellen vom 20. Februar 1933 zugegen, die von Göring organisiert wurde zur Erlangung politischer und finanzieller Unterstützung durch die Industrie für die Durchführung des Nazi-Programms. Am 4. Mai 1946 hat Funk erklärt:
»Ich war nicht im Reichskabinett, aber ich hatte selbstverständlich als Staatssekretär des Ministeriums eine formale Verantwortung, und ich habe selbstverständlich auch die Propaganda gefördert wie jeder, der an führender Stelle im Staats- oder im geistigen Leben Deutschlands tätig war. Die Propaganda erfüllte und durchdrang das gesamte Geistesleben der Nation.«
Er forderte den Ausschluß der Juden aus den wichtigen Stellungen. In Anwendung dieser Idee hat er Dekrete erlassen. Er nahm die von der SS hinterlegten und von den Opfern der Massenvernichtungen stammenden Depots an Gold und Wertgegenständen in Empfang. Er hat die Kriegswirtschaft aufgebaut und das geheime Gesetz vom 4. September 1938 unterzeichnet.
Dönitz war der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Er war der Nachfolger Hitlers mit Seyß-Inquart als Außenminister. Er erhielt das goldene Parteiabzeichen. Seine Zugehörigkeit zu der verbrecherischen Politik des Systems ist unbestreitbar. Er hat wörtlich gesagt (D-640):
»Der Offizier ist der Exponent des Staates. Das Geschwätz, der Offizier ist unpolitisch, ist barer Unsinn.«
Er hat die Beschäftigung von Arbeitskräften aus den Vernichtungslagern empfohlen, um, wie er sagte, die Leistung um 100 Prozent zu steigern. Er hat den unbeschränkten Unterseebootkrieg erklärt und seinen Matrosen befohlen, »hart zu sein« und keine Rettungen mehr vorzunehmen. Er hat den Hinmordungen von Kommunisten zugestimmt und sie gelobt.
Raeder war Oberbefehlshaber der Kriegsmarine vor Dönitz. Er war bei den Konferenzen Hitlers zugegen, in deren Verlauf dieser seine Pläne enthüllte. Die Texte wurden aufgenommen. Er stellt die Marine in den Dienst des Nazi-Regimes. Er ist zur geheimen Aufrüstung geschritten und hat zur Vorbereitung des Angriffs gegen Polen und Norwegen beigetragen.
Seine Verachtung für das Völkerrecht ist bekannt, Denkschrift vom 15. Oktober 1939, UK-65.
Schirach war Mitglied der Partei von seinem 18. Lebensjahr an. Er trat 1925 bei; Führer der Hitler-Jugend von 1931 bis 1940, Gauleiter von Wien bis zur Kapitulation, war er einer der wesentlichen Teile des Apparates. Er hat zugegeben, als Gauleiter von Wien die Machtvollkommenheiten des Staates, der Stadt und der Partei in sich vereinigt zu haben. Er hat die deutsche Jugend gemäß der Weltanschauung der Partei erzogen und hat die Verantwortung für die Folgen dieser ausschließlichen Erziehung für sich gefordert. Er hat Himmler gestattet, SS-Leute aus der Hitler-Jugend zu rekrutieren.
Von 1943 an hat er nach seinem eigenen Geständnis die den Juden zuteilgewordene Behandlung gekannt. Er hatte jedoch seit langem zu diesem Problem sehr klar Stellung genommen und sich einer aktiven antisemitischen Propaganda hingegeben.
Sauckel trat im Jahre 1925 in die Partei ein. Als Gauleiter in Thüringen, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz und ehrenamtlicher SS-Obergruppenführer nahm er eine hohe Stellung in dem Staatsparteiapparat ein.
Als eifriger Propagandist hielt er mehr als 500 Reden, die alle der Entwicklung der Nazi-Ideologie gewidmet waren. Er billigte die Idee der Ausrottung:
»Hinsichtlich der Vernichtung asozialen Lebens steht Dr. Goebbels auf dem Standpunkt,... Der Gedanke der Vernichtung durch Arbeit sei der beste.« (682-PS.)
»Der Führer hat... geäußert, daß wir unser schulmäßiges Wissen um die Völkerwanderung revidieren müßten,...
In hundert Jahren sollen nach dem Willen des Füh rers 250 Millionen deutschsprechende Menschen in Europa leben« (025-PS).
Er nahm persönlich an der Vorbereitung der Ausrottung aktiv teil. Dazu hat er am 28. Mai 1946 erklärt: »Man kann in der Erzeugung nur zu Ergebnissen gelangen, indem man die Arbeitskräfte wirtschaftlich einsetzt.«
Ohne die Millionen von Staatsangehörigen anderer Länder zu zählen, zwang er nahezu zwei Millionen Franzosen durch ihre Arbeit, an dem Krieg mitzuarbeiten. Zu ihrer Anwerbung wandte er Gewalt an und ließ die Polizei, die SS und die Wehrmacht intervenieren (F-827):
»Ich habe darüber hinaus ein paar tüchtige Männer mit dem Aufbau einer eigenen Arbeitseinsatzexekutive beauftragt, und zwar unter der Ägide des Höheren. SS- und Polizeiführers eine Anzahl einheimischer Mannschaften ausgebildet und bewaffnet und muß jetzt das Munitionsministerium noch um die Bewaffnung für diese Leute bitten.« (R-124.)
Durch diese Erklärung ist die Unterstellung des Verteidigers von Speer ausgeschlossen, wonach die Französische Regierung freiwillig der Entsendung von Zwangsarbeitern nach Deutschland zugestimmt habe.
Alfred Jodl war Chef des Wehrmachtführungsstabes des OKW. Ebenso wie Keitel genoß er das volle Vertrauen des Führers, 3798-PS. Er war an der Ausarbeitung der aufeinanderfolgenden Angriffspläne beteiligt. Ermutigt zum Dienst bei Hitler durch die Anwesenheit von konservativen Männern wie Neurath, Papen und Schacht an Hitlers Seite, übermittelte er am 22. März 1943 den Befehl zur Ausweisung der Juden aus Dänemark und ihrer Internierung in Deutschland und regelte die sichere Durchführung des Befehls von Hitler zur Vernichtung der Kommandos vom 18. Oktober 1942, 530-PS.
Er beteiligte sich an den Besprechungen, die zu den Maßnahmen gegen die abgeschossenen Flieger führten. Er unterzeichnete die Anordnung des Oberkommandos der Wehrmacht über die Bandenbekämpfung, eine Anordnung, die im Gegensatz zu den Regeln der Menschlichkeit stehende Bestimmungen enthält.
Von Papen hat Hitlers Übernahme der Macht vorbereitet. Die Bildung seines Kabinetts vom 30. Mai 1932 stand im Widerspruch zu dem normalen Spiel der parlamentarischen Einrichtungen. Am 2. Juni befahl er die Auflösung des Reichstages und ließ gleichzeitig dem Hitler-Terror freien Lauf. Bezugnehmend auf eine Unterredung mit Hitler im Juni 1932 sagte er: »Ich habe die Forderungen Hitlers angenommen: Das Recht für die SS und die SA, Uniformen zu tragen.«
Er machte sich indessen keine Illusionen über die Folgen der Hitler-Agitation für seine Partei, die er selbst ausgelöst hatte. Aber er zog Hitler der Demokratie vor. Nach den Wahlen vom 30. Juli verwandte er sich dafür, daß Hitler von Hindenburg angenommen wurde, und im Verlauf des November hatte er damit Erfolg.
Er gestattete das Eindringen von Nazi-Funktionären in die öffentlichen Ämter.
Sir David Maxwell-Fyfe hat an die Lobrede auf den Nationalsozialismus erinnert, die Papen in Essen im November 1933 gehalten hat.
Zum Rassenproblem nahm Papen eine sehr, sehr günstige Haltung ein. In seiner Gleiwitzer Rede von 1934 sagte er:
»... Gegen Rassenforschung und Rassenpflege, die das Bestreben haben, die Eigenart eines Volkes möglichst reinzuhalten und den Sinn für die Volksgemeinschaft zu wecken, ist gewiß nichts einzuwenden...«
Wir wissen heute, worin diese Pflege bestand.
Papen hat dem Parteistaatsapparat bis zur Kapitulation gedient, und seine Tätigkeit wurde weder durch die Ermordung noch durch die Verhaftung seiner Mitarbeiter unterbrochen, deren sich Staat und Partei schuldig gemacht hatten.
Seyß-Inquart wurde am 13. März 1938 Mitglied der Nationalsozialistischen Partei. Er bekleidete in der Partei oder im Dienst des Staates verschiedene Stellen und wurde schließlich stellvertretender Gouverneur von Polen und dann Reichskommissar für die Niederlande. Er erklärte in seinem Brief an Göring vom 14. Juli 1939, 2219-PS:
»Ich weiß aber, daß ich mit einer unüberwindlichen Zähigkeit an den Zielen festhalte, die mein Glauben sind: Das ist Großdeutschland und der Führer.«
Er sagt in seiner Rede vom 23. Januar 1939, 3640-PS:
»Die Aufgabe einer Generation, also der jeweils lebendigen Kraft eines Volkes, sehen wir in der Schaffung und Sicherheit des blutmäßigen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebensraumes der Nation.«
Und weiter in seinem Brief an Bormann vom 20. Juli 1940, 3645-PS:
»Ich glaube also, daß als eine Generationsaufgabe der gesamte Weichselraum – nicht nur die heutigen Ostgaue – deutsch besiedelt werden sollen.
... Der Donauraum, also die heutige Slowakei, das heutige Ungarn und Rumänien muß neuerlich zu diesem Teil organisiert werden. Die Lage scheint mir ziemlich reif zu sein... Ich glaube, daß wir in diesem gesamten Raum mit der Zeit in eine gemeinsame deutsche Oberleitung kommen sollen,...«
Seyß-Inquart arbeitete an der Verwirklichung des großen politischen Gedankens der Partei: der Eroberung von Raum um jeden Preis. Er setzte alle seine Kräfte für die Angliederung Österreichs ein, aus welchem Land er stammte. Er hat zugegeben, 20 Jahre lang für die Verwirklichung des Anschlußgedankens gearbeitet zu haben. Sein geheimes Einverständnis mit Konrad Henlein über die Vereinigung des Sudetenlandes mit Deutschland ist nachgewiesen. Schließlich hat er die Niederlande politisch und wirtschaftlich mit dem Reich verbunden. Überdies ist er verantwortlich für die systematische Plünderung, unter welcher Holland zu leiden hatte, für die Deportierung eines Teiles der Bevölkerung und für Maßnahmen, die zur Hungersnot führten.
Speer trat 1933 der Partei bei. Er wurde persönlicher Architekt Hitlers und drang in dieser Eigenschaft sehr tief in das Vertrauen des Führers ein. Chef der Organisation Todt seit Februar 1942, Chef der Rüstung im Rahmen des Vierjahresplanes seit März 1942, Minister für Rüstung seit September 1943, war er eine der hohen Persönlichkeiten des Staates und der Partei.
Speer nützte in der Organisation Todt über eine Million Menschen aus, allein im Ruhrgebiet über 50000 deportierte Franzosen im Jahr 1943. Er ist für die den Fremdarbeitern in den deutschen Fabriken und besonders in den Krupp-Werken zuteil gewordene schlechte Behandlung verantwortlich. Er hat über 400000 Kriegsgefangene in Rüstungswerken verwendet. Seine Delegierten waren vom OKW ermächtigt, in den Lagern die Facharbeiter auszuwählen. Er hat die Arbeitskräfte der Konzentrationslager ausgenützt, nach seinen eigenen Geständnissen über 32000 Menschen. Er hat Mauthausen besucht und ist für die Verbringung der Juden in besondere Arbeitslager, sowie für die Deportation von 100000 ungarischen Juden in die Fabriken der Luftwaffe mit verantwortlich.
Von Neurath, Außenminister seit 1932, verblieb bei der Machtübernahme durch den Nazismus im Jahre 1933 auf seinem Posten. Er behielt seine Stellung bis 1939 und wurde mit seinem Amt in den Apparat des Parteistaates übernommen, sowie sich dieser allmählich aufbaute. Seit Beginn Mitglied der Regierung hat er die politische Weltanschauung der Bewegung kennen müssen. Wenn er auch vorgibt, geradezu umgeworfen worden zu sein, als er 1937 erfuhr, daß Hitler zum Angriff übergehen wollte, so blieb er trotzdem auf seinem Posten und unternahm nichts, um Hitler davon abzubringen. Im Gegenteil, er war es, der ihn durch seine günstige Stellungnahme zur Wiederbesetzung des linken Rheinufers ermutigte, dieser ersten Etappe der Angriffskriege zur Eroberung des Lebensraumes. Er blieb bis zum Ende Reichsminister. Seine Gegenwart ermutigte das konservative Deutschland, mit Hitler zusammenzuarbeiten. Von Neurath ist als Hauptbestandteil des Parteistaatsapparates mit den Ausrottungsverbrechen, die ihm bekannt waren, eng verbunden.
Am 31. August 1940 überreichte von Neurath Dr. Lammers zwei Denkschriften; die eine von ihm selbst, die andere von seinem Staatssekretär Frank verfaßt. Beide schlagen die restlose Germanisierung von Böhmen und Mähren und die Beseitigung der tschechischen Intelligenz vor. Einer dieser Berichte enthält die folgenden Zeilen:
»Jede Betrachtung über die künftige Gestaltung von Böhmen und Mähren muß von dem Ziel ausgehen, das staatspolitisch und volkspolitisch für diesen Raum aufzustellen ist.
Staatspolitisch kann das Ziel nur sein: die restlose Eingliederung in das Großdeutsche Reich; volkspolitisch: die Füllung dieses Raumes mit deutschen Menschen.
Eine kurze Betrachtung der jetzigen Lage in staats- und volkspolitischer Hinsicht, wie sie sich aus der Beobachtung und Erfahrung seit der Eingliederung in das Reich ergibt, zeigt den Weg, der zur Erreichung des klaren und eindeutigen Zieles beschritten werden muß....
Wenn aber nun die Verhältnisse so liegen, so wird entschieden werden müssen, was mit dem tschechischen Volk zu geschehen hat, damit das Ziel der Eingliederung des Landes und der Füllung des Raumes mit deutschen Menschen so rasch als möglich und so gründlich als möglich erreicht wird.« (3859-PS.)
Fritzsche hat der Partei schon vor der Machtergreifung gedient, hat sich aber erst im Jahre 1933 angeschlossen und ist sehr bald ein angesehener Propagandist geworden. Während des Krieges war er Leiter des deutschen Rundfunks. Dem großen Gedanken des Regimes Ausdruck gebend, hetzte er zum Judenmord.
Er bemühte sich überdies durch seine wiederholten Reden, dem deutschen Volke den Gedanken einzupflanzen, daß die Juden und die Demokratie sein Leben selbst gefährdeten und daß es sich rückhaltlos auf die von der Vorsehung bestimmten Männer, die es regierten, verlassen sollten.
Die Lage von Schacht ist eine besondere. Ich werde mich über seinen Fall länger auslassen. Er stellt sich als ein Opfer des Regimes hin und wundert sich, daß er sich hier neben seinem Kerkermeister Kaltenbrunner befindet. Schacht hat uns gesagt, daß das Parteiprogramm ihm nicht sympathisch gewesen sei. Der ehemalige Minister Severing hat jedoch in der Sitzung vom 21. Mai 1946 ausgesagt, daß er im Jahre 1931 durch eine Mitteilung der Berliner Polizei erfahren habe, daß Schacht Unterredungen mit Nazi-Führern gehabt habe. Er hat hinzugefügt, daß die Beziehungen Schachts zur Plutokratie und zum Militarismus ihm äußerst kompromittierend erschienen und daß er niemals in dasselbe Kabinett mit ihm hätte eintreten wollen.
Wir wissen, daß Schacht seit 1930 mit Hitler in Verbindung getreten war und ihm sein Ansehen in Deutschland und im Ausland zugebracht hatte. Der Nationalsozialismus zog daraus beträchtlichen Nutzen.
1931, im Oktober, bei der Zusammenkunft der Nationalen Front von Harzburg im Oktober 1931, nahm Schacht neben Hitler, Hugenberg und Seldte Platz. Er hatte schon versucht, Hitler in die Regierung Brüning eintreten zu lassen. Er organisierte die Finanzierung der entscheidenden Wahlen vom März 1933 bei einer Versammlung der wichtigsten Industriellen bei Göring, in deren Verlauf Hitler das Wort ergriff, US- 874. Seit der Machtübernahme spielte Schacht eine hervorragende Rolle im Apparat von Partei und Staat. Er wurde Reichsbankpräsident und Wirtschaftsminister. Am 19. Januar 1939 verließ er die Reichsbank, wurde jedoch Staatsminister und blieb bis zum 21. Januar 1943. Geschickt, geschmeidig, seine Gedanken durch Ironie oder Anmaßung zu verbergend wissend, gab er sich niemals ganz.
Es ist jedoch auch bewiesen worden, daß er die Ausdehnung des deutschen Raumes beharrlich gefördert hat. Als er zum Zweck der Irreführung von kolonialen Forderungen sprach und als ihn seine Befrager darauf aufmerksam machten, daß nach der Weltlage kein Kolonialbesitz Deutschland hätte helfen können, eine Lösung für seine inneren Probleme zu finden, da verabsäumte er es zu antworten. Er verstand es, einen drohenden Ton im Hinblick auf die Demokratien anzuschlagen und gebrauchte sogar das Mittel der Erpressung zu ihrer Einschüchterung. Er sagte gelegentlich einer Reise in Amerika im Anschluß an einen Erfolg der Partei: Ich habe auf die deutlichste Art gewarnt, indem ich sagte, daß, wenn ihr Ausländer eure Politik gegenüber Deutschland nicht ändert, so wird es in Kürze noch mehr Mitglieder und Anhänger der Partei Hitlers geben!
Und er sagt ferner: Alles das ist klar, man verlangt Grund und Boden, um unser Volk zu ernähren!
Was für eine Rolle spielte er in der Entwicklung der verbrecherischen Politik?
Vom Tage seiner Ankunft in der Reichsbank wurde ein Finanzierungsprogramm für große Arbeiten durchgeführt. Neue Eisenbahnen, Autobahnen, alle diese Arbeiten hatten strategische Bedeutung. Außerdem wurde ein bedeutender Teil der Kredite für rein militärische Ziele im geheimen verwendet.
Von 1935 an beschleunigte sich die Aufrüstung unter dem kräftigen Antrieb von ihm erdachter finanzieller Maßnahmen. Der klassische integre Wirtschaftler wurde ein Schwindler, um den großen Gedanken der Partei zu verwirklichen.
Mit Hilfe von Gefälligkeitswechseln, den MEFO- Wechseln, wurde die Aufrüstung finanziert. Ausgestellt auf den Namen eines Bezogenen, der keinerlei Deckung gegeben hatte, einer Gesellschaft, die ad hoc ins Leben gerufen worden war, wurden sie durch eine zweite ähnliche Gesellschaft blanko indossiert. Beim Ziehen des ersten Wechsels fügte der Ziehende Prolongierungen bei, so daß der letzte im Januar oder März 1942 fällig wurde. Rückblickend erhält die Wahl dieses Datums ihre volle Bedeutung. Das Jahr 1942 war der von Schacht festgesetzte Termin für sein betrügerisches Unternehmen. Er hoffte, daß bis dahin der Krieg ihm helfen würde, das Problem zu lösen. Der Originalwechsel wurde von der Reichsbank diskontiert. Die Effekten wurden nicht besteuert, und keinerlei Rückgriff war möglich gegen die Mitunterzeichner. Geheimnis umhüllte die Operationen. Alle die in Mark erreichbaren Kredite waren seit 1935 von der Reichsbank für diese Rüstungswechsel herangezogen. Ende 1938 standen sechs Milliarden MEFO-Wechsel auf der Aktivaseite der Reichsbank, und sechs Milliarden waren zu diskontieren, davon drei Milliarden mit kurzer Fälligkeitsfrist. Am Ende der Operation konnte es Schacht nicht entgehen, daß nur drei Lösungen möglich waren. Erstens, die Konsolidierung der Schuld durch Auslandsanleihen, aber man würde sie dem überbewaffneten Nazi-Deutschland verweigern; zweitens, eine Inflation wie die von 1923, aber das wäre das Ende des Regimes gewesen; drittens, der Krieg.
Die Bedeutung der von Schacht bis zum 31. Dezember 1938 finanzierten Aufrüstung geht aus den Berechnungen hervor, die Herr Gerthoffer, Mitglied unserer Delegation, vorgenommen hat. Seine Denkschrift legen wir hier bei. Vergessen wir nicht, daß Hitler in seinem Brief an Schacht vom 19. Januar 1939 schrieb:
»Ihr Name wird vor allem für immer mit der ersten Epoche der nationalen Wiederaufrüstung verbunden sein.« (EC-397.)
Vom 1. April 1935 bis zum 31. Dezember 1938 betrugen die Rüstungsausgaben Deutschlands 345.415.000.000 Francs.
In derselben Zeit gab Frankreich nur 35.964.000.000 Francs aus. Ein solcher Unterschied beweist das von Schacht verfolgte Ziel. 1940 fanden wir das gleiche Verhältnis wieder auf den Schlachtfeldern Frankreichs: Zehn deutsche Panzerdivisionen gegen eine französische.
Schachts Abgang von. der Reichsbank oder aus dem Wirtschaftsministerium kann keineswegs zu seinen Gunsten ausgelegt werden. Bei der Durchführung des Vierjahresplanes entstanden Schwierigkeiten zwischen Göring und ihm. Schacht wollte nicht Göring unterstehen. Er demissionierte als Wirtschaftsminister am 26. November 1937, blieb jedoch Reichsbankpräsident und Minister ohne Portefeuille. Am 7. Januar 1939 übergab er Hitler ein Memorandum, in welchem er feststellte, daß die Menge der durch seine Schuld im Umlauf befindlichen MEFO-Wechsel die Währungslage gefährdete. Technisch war seine Stellung bei der Reichsbank nicht mehr möglich. Es sind also technische Fragen der wirtschaftlichen Organisation, die seinen Abgang veranlaßten, und nicht politische Gründe. Er blieb überdies Minister ohne Portefeuille. Er trat von diesem Posten erst im Januar 1943 zurück, zur Zeit der Niederlage von Stalingrad, als der Partei- und Staatsapparat sowie das Reich bereits zu wanken anfingen. Es ist augenscheinlich, daß er zu diesem Zeitpunkt aufgehört hatte, nützlich zu sein. Es ist aber ebenso augenfällig, daß er zu einem späteren Zeitpunkt es wieder hätte werden können als Unterhändler eines Kompromißfriedens.
Waren seine übrigen politischen Schwierigkeiten auf die Intrigen in Hitlers Umgebung zurückzuführen, die wir jetzt zu durchschauen beginnen? War es Machiavellismus von seiner Seite, war es Unglück? Gleichviel! Dieser schädliche Mann, der alle pangermanistischen, finanziellen und industriellen Mächte um sich zu sammeln wußte, um sie Hitler zuzuführen, der Hitler dazu verhalf, an die Macht zu gelangen, der durch seine Anwesenheit Vertrauen zum nationalsozialistischen Deutschland einflößte, der es verstand, durch seine finanziellen Kunststücke Deutschland mit der wirksamsten Kriegsmaschine der Gegenwart auszustatten, und der alles tat, um dem Parteistaatsapparat die Möglichkeit zu geben, die Eroberung von Raum in Angriff zu nehmen, dieser Mann war einer der Hauptverantwortlichen für die verbrecherische Tätigkeit des Parteistaatsapparates. Seine Intelligenz auf finanzieller Seite war die des nationalsozialistischen Staates, seine Teilnahme an dem Verbrechen dieses Staates steht eindeutig fest. Seine Schuld und seine Verantwortung sind vollständig.
Was den letzten Vertrauten Hitlers, Bormann, betrifft, so wissen wir, daß er die Ausrottung der Juden übernommen hat. Es ist daher unnötig, von ihm noch mehr zu sagen.
Ich bin jetzt mit der Beweisführung über die Verantwortlichkeit jedes einzelnen Angeklagten fertig; nicht daß das Thema erschöpft wäre, aber die Zeit, die der Gerichtshof jeder Anklagebehörde für die Anklagerede zur Verfügung stellt, genügt nur dazu, den Plan für eine Arbeit aufzustellen, die einer systematischen Durchführung wert wäre. Die Beispiele, die unsere These unterstützen, könnten vermehrt werden. Alle von den vier Anklagebehörden seit neun Monaten vorgebrachten Tatsachen lassen sich mühelos in unseren Plan einfügen, und das allein zeigt, daß unsere Dialektik unerbittlich streng ist und der Wirklichkeit wohl entspricht.
Also sind wir der Meinung, daß der Beweis erbracht wurde, daß alle Angeklagten an dem Verbrechen des deutschen Staates teilgehabt haben; daß alle diese Männer in der Tat vereint waren in der Verfolgung desselben politischen Zieles und daß sie alle in irgendeiner Weise an dem schlimmsten Verbrechen mitgewirkt haben, dem Genocidium, der Ausrottung der Rassen oder Volker, über die hinweg sie den für die sogenannte germanische Rasse notwendigen Raum erobern wollten.
Wir haben die Einwände der Verteidigung wohl gehört. Es war Dr. Seidl, der sie am stärksten formulierte auf Seite 25 seiner Rede für Frank:
»Das geltende Recht geht grundsätzlich davon aus, daß das Subjekt des Völkerrechts nur der souveräne Staat, nicht aber der Einzelmensch ist.«
Zum Schluß spricht er Ihnen das Recht ab, diese Männer zu verurteilen. Dazu sagen wir zunächst, daß keiner der Angeklagten der »Einzelmensch« gewesen ist, von dem Dr. Seidl spricht. Wir glauben, ihr Zusammenwirken und ihre Solidarität bewiesen zu haben, die durch die Aktion der Partei über die zwischen Ministern und obersten Verwaltungsbeamten in irgendeinem demokratischen Lande üblichen Beziehungen hinaus verstärkt worden waren.
Lassen Sie uns noch bemerken, daß es jedem zartfühlenden Gewissen unerträglich erscheint, den Männern Straflosigkeit zu gewähren, die ihre Intelligenz und ihren Willen dem Wesen Staat zur Verfügung gestellt haben, um die Macht und die materiellen Mittel dieses Wesens zu benutzen, Millionen menschlicher Wesen, wie dies der Fall war, in Ausführung einer verbrecherischen, seit langem überlegten Politik niederzumetzeln. Das Prinzip der Souveränität des Staates, das die Taten dieser Menschen decken soll, erscheint nur als eine Maske. Wenn man diese Maske fortnimmt, erscheint die Verantwortung des Menschen wieder. Herr Seidl weiß dies ebensogut wie wir. Aber er stellt fest: »Dies ist das geltende Völkerrecht!« Welche Achtung seinerseits für das geltende Recht, aber wie erstaunlich klingen dann aus seinem Munde die folgenden Äußerungen! Als er einige Augenblicke später die Haager Abkommen vom Jahre 1907 untersucht, die, halten wir das fest, von keiner der unterzeichneten Nationen, selbst nicht von Deutschland, gekündigt worden sind, unterstreicht er gefällig, daß sie auf den Kriegserfahrungen des 19. Jahrhunderts aufgebaut, für das 20. Jahrhundert nicht gültig seien. Die modernen Kriege hätten den durch die Haager Abkommen vorgesehenen Rahmen durchbrochen. So sagt er auf Seite 28:
»Unter diesen Umständen können die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung auch nicht im übertragenen Sinn und in entsprechender Anwendung zur Begründung einer persönlichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit herangezogen werden.«
Für Dr. Seidl besteht somit das Völkerrecht, wenn es sich darum handelt, günstige Schlüsse daraus zu ziehen; aber dieses Recht ist für ihn erst im Werden, sobald es seinen Klienten verurteilt.
Eine solche Dialektik, die mit einer Scheinlogik operiert, ist nur scheinbar wahr. Dr. Seidl ist in der Kunst des Sophismus sehr gewandt, aber er überzeugt niemanden.
Die Immunität der Staatsoberhäupter und ihrer Gefolgsmänner war schon kaum vorstellbar, als sie sich dazu bereit fanden, die Kriege den Beschränkungen und Regeln der Gebräuche, der Konventionen und des Völkerrechts zu unterwerfen.
Diese Immunität wird vollends unerträglich von dem Augenblick an, da sie sich jeder Regel entledigen, und unter dem Druck des Weltgewissens vollzieht sich eine gegen sie gerichtete Wandlung der internationalen Bräuche.
Ich habe dies bereits im Schlußteil meiner Darlegungen vom Februar gezeigt und möchte jetzt auf diesen Punkt nicht zurückkommen. Es genügt hinzuzufügen, daß das Statut vom 7. August 1945 in Berücksichtigung der von den verschiedenen Kommissionen für Kriegsverbrechen von 1940 an bis zur Kapitulation geleisteten Arbeiten sich die Schlußfolgerungen eines Franzosen, des Herrn de Lapradelle, zu eigen machte, die dieser der Kriegsschuldkommission von 1919 vorgelegt hatte. Wegen ihrer im Namen des deutschen Staates begangenen Taten stehen die Angeklagten hier vor Gericht, und wenn es notwendig ist, daß das Gesetz die Autorität des Brauches verstärkt, so rechtfertigt das im Sinne der sich herausbildenden Gewohnheit geschriebene Statut von London wieder unsere Untersuchung über die Verantwortlichkeit der Angeklagten Im Rahmen des Verbrechens des deutschen Staates.
Aus den Verteidigerplädoyers gewinnt man den Eindruck, daß die meisten Anwälte ihre ganze Hoffnung auf eine engmaschige juristische oder pseudojuristische Dialektik setzen.
Zahlreiche Fragen sind behandelt worden. Gibt es gerechte und ungerechte Kriege, Verteidigungs- und Angriffskriege, gibt es unzweideutige Merkmale für einen Angriff, gibt es ein juristisches Weltgewissen? Das sind die Fragen, die die Verteidigung beunruhigen, nicht aber die Frage, in welchem Ausmaß jene zu bestrafen sind, die an diesem Ausrottungsmechanismus mitgearbeitet haben.
Wenn die Verteidiger von dem »geltenden Recht« sprechen, so geschieht dies, um diesem Gerichtshof das Recht zur Verurteilung abzuerkennen, und Dr. Jahrreiss spricht dem Recht, »das im Namen der Moral oder des Menschheitsfortschritts gefordert werden könnte oder sollte«, alle Autorität ab. Alle vergessen aber, daß das geltende Recht nicht nur das Recht der Vergangenheit ist, das einzige, auf das sie sich berufen, sondern daß das geltende Recht auch jenes ist, das die Richter in einem konkreten Fall in einem Prozeß sprechen. Sie alle vergessen, daß die Rechtsprechung sich entwickelt. Dort, wo es kein geschriebenes Recht gibt, kann man höchstens von vorausgehenden Tendenzen sprechen, und nachforschen, ob sie noch gelten und herangezogen werden können.
Wir wollen jedoch diesen Gegenstand verlassen. Wir würden sonst selbst vom Thema abkommen.
Der einzigartige Tatbestand dieses Prozesses, der Tatbestand, der alle anderen überschattet, ist der der methodischen, systematischen Ausrottung aller jener Menschen, die den von Deutschland begehrten Raum bewohnten.
Sicherlich wurden auch andere Verbrechen begangen, aber nur als Mittel. Fast möchte man sagen sekundär und akzessorisch, so sehr ist man von der Abscheulichkeit des Endverbrechens überwältigt.
Man muß sich diese Abscheulichkeit wohl vor Augen halten und die Gefahr wohl verstehen, die ein solcher Präzedenzfall die Menschheit laufen läßt, um die angemessenen Strafen zu fordern.
Die Greuel des Staatsverbrechens.
Das Verbrechen dieser Männer ist nicht einfach. Wir haben dies bereits gezeigt. Der gewöhnliche Verbrecher kennt sein Opfer, er sieht es. Er selbst schlägt zu und kennt die Wirkung seines Schlages. Auch wenn er nur Komplice ist, so ist er doch vom Haupttäter moralisch und psychologisch nie weit genug entfernt, um nicht in einem gewissen Maß seine Befürchtungen und seine Reaktionen zu teilen, wenn der Schlag geführt wird und das Opfer fällt.
Vom Staatsapparat begangen wird das Genocidium, der Mord oder jedes andere Verbrechen anonym. Die Verantwortlichkeit wird von niemandem hauptsächlich getragen. Alle teilen sie, diejenigen, die durch ihre Anwesenheit den Apparat aufrechterhalten und unterstützten, diejenigen, die das Verbrechen geplant und gewollt haben, sowie derjenige, der den Befehl erteilt. Was denjenigen betrifft, der den Befehl ausführt, so wiederholt er sich, »Befehl ist Befehl« und vollzieht sein Henkersamt.
Diejenigen, die die Entscheidung treffen, tun dies, ohne zu zittern: sie haben vielleicht gar keine genaue, konkrete Vorstellung von den Folgen ihrer Befehle. So muß man die Bestürzung bestimmter Angeklagter nach der Vorführung des Films über die Lager erklären. Diejenigen aber, die durch ihre allgemeine Mitarbeit an dem Werk der Partei und des Staates die Durchführung des Verbrechens zulassen, haben den Eindruck, einem Vorgang passiv beizuwohnen, einer Szene, mit der sie nichts zu tun haben. Außerdem haben sie keine Züchtigung zu befürchten. In Deutschland sind Staat und Partei stark und entschlossen, es für 1000 Jahre zu bleiben. Sie haben die Gerechtigkeit vernichtet. Auf internationalem Gebiete sichert das geltende Recht die Immunität, wenigstens glaubt man dies. Überdies gibt es keine ständige internationale Gerichtsbarkeit, die sich den Räuberstaaten entgegenstellen konnte. An die Möglichkeit eines militärischen Mißerfolges denkt niemand, so gut scheinen die Vorsichtsmaßnahmen getroffen zu sein. Übrigens ist bemerkenswert, daß der Gipfelpunkt der Massenmorde, wenn man die Verzögerung durch die Inbetriebstellung der Gaskammern in Rechnung stellt, gerade in die Zeit fällt, in der sich Staat und Regime des Sieges sicher wähnen oder die Vorboten der Niederlage noch nicht ernst nehmen. Dies ist wahrhaftig das anonyme und vollkommene Verbrechen, wie es sich der französische Moralist vorstellt, wenn er den Fall des Mandarins anführt, um das moralische Gewissen zu prüfen. Die Bedingungen sind sämtlich günstig für das Fehlen einer Reaktion. Die Tatsachen haben bewiesen, daß keiner dieser Männer unter diesen Umständen entscheidend eingesprungen ist.
Die meisten haben wohl gefühlt, daß sie eine Rolle in der Tragödie gespielt haben. Sie haben sich mehr bemüht, ihr Gewissen zu entlasten, als ihre Richter zu täuschen, glaube ich, wenn sie die Schuld auf einen Nachbarn abzuwälzen versuchten. Nur wenige wie Schirach und Frank hatten den Mut zuzugeben, daß sie als Teile des Apparates sich nicht ihrer Verantwortung entziehen können. Die anderen lehnen die Verantwortung ab, selbst auf die Gefahr hin, die Schuld bis auf das deutsche Volk herabgleiten zu lassen, das sich seiner schlechten Meister nicht entledigen konnte. Sie bemühen sich, bei der Darlegung ihrer Fälle ihre Verantwortung zu verwässern, in der Hoffnung, sie verschwinden zu machen, aber da es wahr ist, wie Severing und dann der Bürgermeister von Oranienburg und der von Buchenwald aussagten und wie es Frank bestätigte, daß man in ganz Deutschland flüsterte, in den Lagern stürben die Menschen, wie es heute die ganze Welt weiß, wie können dann diese Männer immer noch hoffen, uns glauben zu machen, daß nur sie nichts davon wußten? Die weniger Schuldigen unter ihnen, falls man eine Hierarchie unter »Hauptverbrechern« aufstellen kann, wagten es nicht, sich zu widersetzen, aber ihre verbrecherische Feigheit hatte so grauenhafte Folgen, daß darin kein Grund für Strafmilderung liegen kann.
Wie wir es heute sehen, ist das Staatsverbrechen in einem Regime, in dem Staat und Partei zu einer Einheit verschmolzen sind und keine öffentliche Kontrolle ausgeübt wird, und wo es weder Gedankenfreiheit noch Freiheit der Rede oder freie Wahlen gibt, vom subjektiven Standpunkt aus gesehen, von allen Verbrechen am leichtesten zu begehen. Andererseits hat der technische Fortschritt der Welt fast alle Kräfte der Natur in den Dienst des Menschen gestellt. Seine Macht zum Übel ist dadurch ernstlich gewachsen. Gleichzeitig aber hat sich unter dem Einfluß eines Materialismus des Genusses, der wieder die faule Frucht des außerhalb der Kontrolle des Geistes liegenden materiellen Fortschrittes ist, die moralische Bremse gelockert.
Im allgemeinen scheint die Kriminalität in allen Staaten, ungeachtet der Vervollkommnung der Methoden der Bestrafung anzuwachsen. Auf internationalem Gebiet ist die gleiche Erscheinung festzustellen. Nur hat sie hier eine größere Tragweite, da es bisher noch keine internationalen Ahndungsmittel gegeben hat. Die industrielle Revolution und der Aufschwung der Naturwissenschaften haben die effektive Macht der Staaten vervielfacht. Wenn der Staat alle Reichtümer der Natur und ihre Ausnutzung in seinen Händen konzentriert, wenn er seine Kontrolle über das Kreditwesen durch finanzielle Manipulationen, Steuererhöhungen und Vermehrung von freien oder Zwangsanleihen erweitert, wenn er die breiten Massen durch Entwicklung der öffentlichen Fürsorgestellen noch mehr an sich kettet, wenn er das allgemeine Denken durch Radiopropaganda lenkt, wenn er zu diesem Zweck beredte Lenker verwendet, die die Gabe besitzen, bei den verschiedenartigsten und friedlichsten Menschen die blinden Leidenschaften der Massen zu erwecken, wenn dieser Staat zu gleicher Zeit jede Art Meinungsäußerung seiner Gegner unterbindet, jede Kontrolle durch das Volk, ja sogar jede private Kritik untersagt, dann wird er zum absoluten Herrscher, der übergroße Aktionsmittel in der Hand hat, die er zum Besten oder aber zum Schlimmsten anwenden kann. Jede verbrecherische Technik befindet sich in seiner Reichweite, und er kann über sie uneingeschränkt verfügen, wenn Sie, meine Herren Richter, nicht den Begriff der Sanktion in das Völkerrecht einführen. Von nun an muß es möglich sein, den verbrecherischen Umtrieben eines Banditenstaates ein Ende zu setzen durch die Macht eines überstaatlichen Organismus', der von einer Justiz gleicher Art geleitet wird. Geschieht dies nicht, dann ist es mit der Freiheit der Völker zu Ende. Die Waffen der Auflehnung sind ihren Händen an dem Tag entglitten, an dem die Staaten und nur die Staaten Zerstörungsmittel besitzen konnten, gegenüber welchen der Mut der Bürger machtlos ist. Bedient von einer Handvoll dem verbrecherischen Regime ergebenen Menschen, können die dem Staat eigenen Waffen die geringsten Widerstandsversuche im Blut ertränken, und wenn die Auflehnung gegen die Tyrannei die heiligste aller Pflichten bleibt, dann ist diese Auflehnung nunmehr hoffnungslos. Das ist die Gefahr. Und Deutschland ist ihr erlegen. Gewiß, die günstigen Voraussetzungen haben sich dort alle zu gleicher Zeit vorgefunden. Unter dem Drang der industriellen Revolution, die in diesem Lande seit 1850 heftiger war als in irgendeinem anderen Land, hat sich eine ungeheuere Veränderung in der sozialen Struktur vollzogen; gleichzeitig wurde die ländliche und bäuerliche Bevölkerung städtisch und industriell. Daraus ergab sich eine Senkung des geistigen Niveaus, deren Folgen verheerend waren, da das Bürgertum unter dem Kaiserreich keine politische Formung erfahren hatte.
Die Massen des deutschen Volkes, von den einstigen Machthabern von den Staatsangelegenheiten absichtlich ferngehalten, begeisterten sich als wirtschaftlich führendes Bürgertum oder als industrielles Proletariat nur für den wirtschaftlichen Aufschwung des Reiches, als Mittelstand nur für das Militär und das kommende Reich. Als nach dem ersten Weltkrieg die Enttäuschungen der Niederlage erlitten werden mußten, als in einem mittelmäßigen und verärgerten Milieu mit dem bitteren Gefühl des materiellen und sozialen Zerfalles aller Groll und alle Ressentiments, die uns der Angeklagte Göring zu Beginn seiner Aussage geschildert hat, hinzukamen, als vor allem die Jugend in einer konkreten Wirklichkeit ihre Hoffnungen verkörpern wollte, wurde der Pangermanismus wach, verbreitete sich, wurde volkstümlich und allen Unzufriedenen zugänglich. Zugleich wurde die alte Antithese zwischen Vitalismus und Intellektualismus, zwischen Kultur und Zivilisation, zwischen gesunder Begeisterung und dekadenter Erschlaffung, zwischen Lebenskult und Geisteskult, erweckt und zum Gebrauche für einfache und kindliche Gehirne in die dynamischen Antithesen zwischen nordischem Arier und semitischem Juden kristallisiert. Eine geeignete Erziehung hat diesen biologischen Materialismus ohne Schwierigkeit durchgesetzt. Der Boden war längst bereit. Vor allem liebt der Deutsche die überlieferte Lehre, da sie allein imstande ist, dem ihn intellektuell und moralisch charakterisierenden Mangel an persönlicher Selbstdisziplin abzuhelfen. Er betet das an, was man als von allen gleichzeitig angenommenen Glaubenssatz, als einfaches, jederzeit anwendbares Klischee hersagen kann. Die jungen Deutschen studierten also für das Abitur die sechs von Günther angenommenen Rassen, wie sie die Grammatik studierten und diskutierten diese ebensowenig wie jene. Und während der deutsche Geist anderen so lebendigen, so sehr mit ihrem Boden und ihrer Überlieferung, mit ihrer mannigfaltigen und elastischen Kultur verbundenen Nationen wie England und Frankreich vorwarf, daß sie sich mit einem elenden, künstlichen Intellektualismus begnügten und Verbrechen gegen das Leben begingen – Dr. Stahmer hat hier diese Vorwürfe wiederholt –, schuf sich der deutsche Geist auf Grund des groben und billigen Katechismus, den er allen aufzwingen wollte, seinen eigenen Intellektualismus, der in anderer Weise als der unsere gefährlich und unnatürlich war. Diese angebliche Ethik des Lebens war nichts anderes als eine Praxis und eine Doktrin von reiner pseudowissenschaftlicher biologisch- materialistischer, kollektiver oder sozialer Opportunität. Das Ziel bestand in Sterilisationen, physiologischen Versuchen in den Lagern und in 15 Millionen Toten. Angesichts dieses Ergebnisses drängt sich uns der Ausspruch eines alten französischen Denkers unwiderstehlich auf: »Wissen ohne Gewissen ist nur der Untergang der Seele.« Ein Neo-Machiavellismus, den uns Göring während seiner Erklärungen dargestellt hat, faßt Wurzel. Ich habe in einem der Plädoyers, die in den letzten Tagen gehalten wurden, gelesen, daß das Gerechte an sich nicht existiert und daß die Auffindung der Grenzen zwischen Gerechtem und Ungerechtem durch geschichtliche und nationale Kriterien bestimmt wird. So Dr. Nelte. Hitler hatte bereits gesagt: »Recht ist, was dem Volke nützt«; und nach Aussage seines Verteidigers hatte Frank dies abgewandelt: »Recht ist, was dem Volke nützt. Gemeinnutz geht vor Eigennutz.« Als ich dies las, dachte ich an die Antwort Bossuets, des Absolutisten, der das menschliche Maß festzusetzen wußte. Die Verteidigung hat den französischen Absolutismus mit dem Nazismus verglichen. Hier ist die Antwort darauf:
»Die Politik opfert das persönliche Wohl dem öffentlichen Wohl, und das ist bis zu einem gewissen Punkt richtig. ›Ein Mann muß für das Volk sterben.‹ Damit wollte Kaiphas ausdrücken, daß man einen Unschuldigen unter dem Vorwand des Gemeinwohls zum Tode verurteilen könne. Das ist jedoch niemals gestattet, denn im Gegenteil unschuldiges Blut schreit nach Rache gegen jene, die es vergossen haben.«
Was die Nazi-Lehren geben konnten, wissen wir. Der Zeuge Roser hat uns die Bemerkung eines jungen deutschen Soldaten angeführt, der nach der Schilderung des Gemetzels in einem Ghetto schloß: »Ja, mein lieber Freund, es war gräßlich, aber... Befehl ist Befehl.« In einem der Dokumentenbücher, die von der Französischen Delegation vorgelegt wurden, findet der Gerichtshof am Ende des Dokuments F-655 die entsetzlichen Gedankengänge Kramers. Bevor er Leiter des Lagers Bergen-Belsen wurde, war Kramer Kommandant des Lagers Natzweiler im Elsaß. Man hat den Beweis, daß er dort 80 Personen selbst vergaste. Auf die Frage: Was hätten Sie getan, wenn nicht alle gestorben wären?, antwortete er:
»Ich hätte nochmals versucht, sie zu vergasen, indem ich eine weitere Dosis Gas in die Kammer eingelassen hätte. Ich habe keinerlei Erregung gefühlt, während ich diese Tat ausführte, denn ich hatte den Befehl, diese 80 Häftlinge auf die angegebene Weise hinzurichten. Ich bin ja übrigens so erzogen worden.«
Welch furchtbare Anklage gegen das System! Bevor dieser Mann auf Befehl ein Mörder wurde, war er Buchhalter in Augsburg. Wie viele solcher friedlicher Buchhalter, die im gleichen Sinne erzogen worden sind, gibt es im heutigen Deutschland? Und nun: »Das Blut der Unschuldigen schreit nach Rache!«
Sie kennen das Verbrechen! Sie wissen, zu welchem Zweck und mit welchen Mitteln es begangen worden ist. Ungeheures Verbrechen, das seinesgleichen nicht hat, es ist das Verbrechen des nationalsozialistischen Parteistaates, aber die Angeklagten haben alle in ihrer Eigenschaft als Führer der Nationalsozialistischen Partei und als hohe Beauftragte des Staates, eine Verantwortung höherer Ordnung bei der Planung oder Ausführung dieses Verbrechens auf sich geladen. Ihre Teilnahme an dem Verbrechen des Parteistaates ist ihre persönliche Schuld, die durch keine Immunität gedeckt wird.
Sie müssen der Bestrafung zugeführt werden; sie kennen die Gefahren, in die ihr Verbrechen die Welt gestürzt hat, den Jammer, das Unglück, das sie über die Menschen ausgebreitet haben.
Man muß stark zuschlagen, ohne Mitleid. Der Urteilsspruch sei gerecht, das genügt!
Sicherlich sind die Schuldausmaße dem Grade nach verschieden. Folgt daraus, daß auch die Strafen ihrerseits verschiedenen Grades sein müssen, wo doch derjenige, der die geringste Schuld hat, nach unserer Meinung bereits den Tod verdient? Morgen, nach dem Ende dieses internationalen Prozesses, nach der Aburteilung dieser Hauptkriegsverbrecher, werden wir in unsere Länder zurückkehren, und dort werden wir vor unseren eigenen Gerichten vielleicht jene zu verfolgen haben, die bloß die Befehle des nationalsozialistischen Staates ausführten, jene, die nur die Henker waren.
Aber wie könnten wir dann die Todesstrafe gegen einen zweiten Kramer, gegen einen zweiten Höß fordern, gegen diese Lagerkommandanten, die die befohlene Hinrichtung von Millionen menschlicher Wesen auf dem Gewissen haben, wenn wir heute zögerten, die höchste Strafe für jene zu verlangen, die der Motor dieses verbrecherischen Staates waren, des Staates, der die Befehle gab.
Überdies hängt das Geschick dieser Männer völlig von Ihrem Gewissen ab. Dies entzieht sich uns, unsere Aufgabe ist erfüllt. An Ihnen ist es nun, in der Stille Ihrer Beratungen das Blut der Unschuldigen zu hören, das nach Gerechtigkeit schreit.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich nun.