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Göring.

Der Angeklagte Göring war in Hitler-Deutschland die zweite Person nach dem »Führer« und sein erster Nachfolger. Er hat sich ungeheure Vollmachten verschafft und sich der verantwortungsvollsten Posten bemächtigt. Er war Vorsitzender des Ministerrats für die Reichsverteidigung, Diktator der deutschen Wirtschaft, Beauftragter für den Vierjahresplan und Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Die Hauptsache ist aber, daß er dieses große Arbeitsgebiet unter Einsatz aller Kraft dazu benutzte, die in der Anklageschrift erwähnten Verbrechen vorzubereiten und in die Tat umzusetzen.

Wie wir bereits wissen, war es das Ziel dieser Verschwörung, Europa zu unterjochen und dann eine Weltherrschaft Hitler-Deutschlands herbeizuführen, ohne vor irgendwelchen Maßnahmen, wie verbrecherisch und unmenschlich sie auch sein mochten, haltzumachen.

Um dieses Ziel zu erreichen, mußte der Weg geebnet werden; es mußte, wie Hitler schon im Februar 1933 auf einer Besprechung mit den leitenden deutschen Industriellen sagte, das parlamentarische System vernichtet werden.

Damit hat sich Göring befaßt. Er hat sich energisch die Vernichtung der politischen Gegner des Faschismus zur Aufgabe gemacht; zu diesem Zweck ließ er Massenverhaftungen von Mitgliedern politischer Parteien durchführen, die dem Nazismus nicht zuneigten.

Er schuf Konzentrationslager, wohin Menschen, die mit dem Faschismus nicht einverstanden waren, ohne Gerichtsverfahren verschickt wurden. Er schuf die Gestapo, die vom ersten Tage an ein blutiges Terrorregime ausübte. Er verlangte von allen Lager- und Gestapobeamten, vor nichts zurückzuschrecken – wüste Gewaltakte, Folterung, Verkrüppelung von Menschen und Mord wurden unter seiner Leitung zur Grundlage der Arbeitsmethoden.

Ihm, Göring, sind die Worte zuzuschreiben:

»Jede Kugel, die jetzt aus dem Laufe einer Polizeipistole geht, ist meine Kugel. Wenn man das Mord nennt, dann habe ich gemordet...«

(Aus dem Buch Görings »Aufbau einer Nation«, veröffentlicht im Jahre 1934.)

Auf diese Weise ebnete er dem Faschismus den Weg. So verhalf er der faschistischen Verschwörung zu einer hemmungslosen Entwicklung und setzte sie in die Tat um.

Göring war unermüdlich im Ausmerzen alles dessen und all derer, die der Kräftigung dieser Verschwörung hinderlich waren; und Hitler lobte ihn in jeder Weise dafür. Am 13. Juli 1934 erklärte er vor dem Reichstag:

»Er« – Göring – »hat mit eiserner Faust den Angriff auf den nationalsozialistischen Staat niedergeschlagen, ehe er zur Entwicklung kam.«

Diese ganze terroristische Tätigkeit Görings zielte darauf ab, dem Hauptziel der faschistischen Verschwörung den Weg zu bahnen, nämlich der Eroberung Europas und später der Beherrschung der Welt durch das Hitler-Deutschland.

Das Prozeßverfahren hat die Schuld Görings an der Planung und Vorbereitung aller Angriffskriege Hitler- Deutschlands erwiesen.

Dem Gerichtshof sind viele Dokumente vorgelegt worden, die die aktive Rolle Görings bei der Entfesselung der Angriffskriege beweisen. Ich verweise auf die Erklärung Görings vom Jahre 1935 auf einer Versammlung von Offizieren der Luftwaffe. Er sagte:

»Mir schwebt vor, eine Luftwaffe zu besitzen, die wie ein Korps der Rache über den Gegner hereinbricht...

Der Gegner muß das Gefühl haben, schon verloren zu sein, bevor er überhaupt mit euch gefochten hat.«

Und diese Absicht hat er, wie wir wissen, verwirklicht, indem er sich tagein, tagaus auf den Krieg vorbereitete.

Auf einer Versammlung der Leiter der deutschen Flugzeugindustrie vom 8. Juli 1938 gibt Göring zu verstehen, daß der Krieg nahegerückt sei und daß Deutschland, wenn es diesen Krieg gewinne, zur größten Macht der Welt werden den Weltmarkt beherrschen und ein reiches Land werde.

»Aber man muß was riskieren, man muß was einsetzen.«

Das ist das Schlagwort, das Göring damals prägte.

Am 14. Oktober 1938, kurz vor Überreichung der Forderungen an Polen, erklärte Göring, er sei dabei, ein gigantisches Programm aufzustellen, das alles Frühere in den Schatten stelle.

»Die Luftwaffe sei schnellstens zu verfünffachen; auch die Marine müsse schneller rüsten, und das Heer müsse schneller große Mengen von Angriffswaffen schaffen, in Sonderheit schwere Artillerie und schwere Tanks. Daneben hergehen muß die fabrikatorische Rüstung, wobei in Sonderheit Pulver und Sprengstoffe in den Vordergrund zu rücken sind.«

Die aktive Teilnahme Görings an der Vorbereitung des Angriffs auf die USSR ist zweifellos festgestellt worden.

Im Protokoll der Sitzung vom 29. April 1941 über den Aufbau des Wirtschaftsstabes »Oldenburg«, im Bericht über eine Besprechung bei General Thomas vom 23. Februar 1941 und auch in Görings Aussagen vor Gericht in der Sitzung vom 21. März 1946 wird der Gerichtshof den Beweis dafür finden, daß Göring schon vom November 1940 an aktiv an der Ausarbeitung des Angriffsplanes auf die USSR mitgearbeitet hat.

Es war Göring, der zusammen mit Rosenberg, Keitel und Bormann bei einer Besprechung bei Hitler am 16. Juli 1941 die Pläne für eine Aufteilung der Sowjetunion, für die Versklavung ihrer Völkerschaften und die Ausraubung der Reichtümer der USSR konkret entwickelte. Unter seiner Teilnahme wurde damals geplant,

»... Leningrad dem Erdboden gleichmachen zu lassen, um es dann den Finnen zu geben.«

Er war es, der den Henker Koch, als »die Persönlichkeit mit der stärksten Initiative und der besten Vorbildung«, zum Reichskommissar für die Ukraine empfahl.

Man kann also als unwiderleglich erwiesen annehmen, daß Göring an der Planung und Vorbereitung der Angriffskriege Hitler-Deutschlands schuldig ist; und dafür muß er die Verantwortung tragen.

Meine Kollegen haben bereits die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die verbrecherische Behandlung von Kriegsgefangenen gelenkt. Ich werde mir nur erlauben, den Gerichtshof an die Aussagen des Zeugen Maurice Lampe in der Nachmittagssitzung vom 25. Januar 1946 über die Hinrichtung sowjetrussischer, englischer, französischer und anderer Offiziere im Lager Mauthausen und über die Vernichtungslager Auschwitz und Maidanek zu erinnern; ich weise ebenfalls auf die dem Gerichtshof unterbreiteten Noten des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten der USSR, Molotow, vom 25. November 1941 und 27. April 1942 über die ungeheuerlichen Mißhandlungen sowjetischer Kriegsgefangener durch die deutschen Militärbehörden hin, für welche Göring zum großen Teil die Verantwortung trägt. Ich möchte auch an die Aussagen des Zeugen Halder vom 31. Oktober 1945 über eine Besprechung bei Hitler erinnern, bei der die Frage der Nichtanwendung der Haager Konvention auf russische Kriegsgefangene behandelt wurde; und an seine Aussage über die Weisung aus dem Hauptquartier Hitlers vom 12. Mai 1941 bezüglich der Behandlung gefangener russischer Befehlshaber und politischer Arbeiter.

Alle diese vor dem Gerichtshof zweifelsfrei festgestellten Verbrechen brauchen nicht mehr ergänzend beleuchtet zu werden, da die Verteidigung in ihren Plädoyers keine Argumente gebracht hat, die das Beweismaterial entkräften könnten.

In den »Zwölf Geboten für das Verhalten der Deutschen im Osten« vom 1. Juni 1941 steht als sechstes Gebot folgendes:

»Ihr müßt wissen, daß Ihr Repräsentanten Großdeutschlands und Fahnenträger des Nationalsozialismus im neuen Europa für Jahrhunderte seid. Ihr müßt daher auch die grausamsten und rücksichtslosesten Maßnahmen, die aus Staatsnotwendigkeiten gefordert werden, mit Würde durchführen.«

Mit dem Namen Göring ist der Beginn einer organisierten Unterdrückung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung verbunden.

Er war es, der die menschenfeindlichen Nürnberger Gesetze und die Verordnungen über Enteignung jüdischen Besitzes sowie über eine Buße von einer Milliarde unterschrieb; diese Tätigkeit stimmt vollkommen mit der ganzen kannibalischen Weltanschauung Görings überein.

Vor dem Gerichtshof stritt er es ab, ein Anhänger der Rassentheorie gewesen zu sein; dabei hatte Göring im Jahre 1935 im Reichstag eine Rede zur Rechtfertigung der Nürnberger Rassenprovokateure gehalten. Damals erklärte er öffentlich:

»Gott hat die Rassen geschaffen. Er wollte nichts Gleiches, und wir weisen es deshalb weit von uns, wenn man versucht, diese Rassenreinheit umzufälschen.«

Zahlreiche Dokumente, die die Anklage dem Gerichtshof unterbreitet hat, offenbaren die verbrecherische Tätigkeit Görings in Bezug auf andere Nationen.

Die Weisung Görings vom 19. Oktober 1939 zeigt in klarer Weise die Einstellung, die der Angeklagte zum polnischen Volke und zum polnischen Staat hatte.

In der Weisung vom 23. Mai 1941 über die Wirtschaftspolitik im Osten, erlassen vor dem Angriff auf die USSR, schreibt Göring folgendermaßen über die Beziehung zu den Russen:

»Deutschland ist an der Erhaltung der Produktion dieser Gebiete nicht interessiert. Es will nur seine dort stehenden Truppen versorgen... Die Bevölkerung dieser Gebiete, besonders die städtische Bevölkerung ist dem Hungertode ausgeliefert. Man wird diese Bevölkerung nach Sibirien deportieren müssen.«

Als Beauftragter für den Vierjahresplan ist Göring für den Raub und die Plünderung staatlichen und privaten Eigentums verantwortlich, die von den Nazis im den besetzten Gebieten der USSR, in der Tschechoslowakei, Polen, Jugoslawien und anderen Ländern begangen wurden. Es war Göring, der die Tätigkeit der Nazi-Verschwörer hinsichtlich der wirtschaftlichen Ausplünderung der besetzten Gebiete der USSR leitete.

Noch vor dem verräterischen Überfall auf die USSR fand am 29. April 1941 eine Besprechung über die Ausarbeitung wirtschaftlicher Maßnahmen für den Fall »Barbarossa« statt. Als Ergebnis dieser Besprechung wurde ein Wirtschaftsstab »Oldenburg« zu besonderer Verwendung geschaffen und Göring unterstellt. Besondere Wirtschaftsinspektionen und Kommandos wurden in den größten Städten der USSR vorgesehen, diese erhielten weitgehende Aufgaben im Bereich der Ausnutzung und Plünderung der sowjetischen Industrie und Landwirtschaft.

Die Mappe eines Kreislandwirtschaftsführers enthielt Instruktionen für die landwirtschaftlichen Beamten, denen volle Freiheit in der Wahl der Methoden zur Erlangung ihrer verbrecherischen Ziele zugesichert wurde. Eine unbarmherzige Behandlung sowjetischer Menschen, in erster Linie Russen, Ukrainer und Weißrussen, wurde besonders gefordert.

Der Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission der USSR über die Greueltaten, die die Hitleristen in Kiew, im Bezirk Stalino und an anderen Orten begingen, zeugt davon, daß diese verbrecherischen Pläne des Angeklagten Göring und seiner Helfershelfer in großem Ausmaße verwirklicht wurden.

Um den Bedarf an Arbeitskräften in der deutschen Kriegsindustrie und Landwirtschaft sicherzustellen und zugleich, um die versklavten Völker physisch zu vernichten und wirtschaftlich zu schwächen, haben der Angeklagte Göring und seine Nazi-Mitverschwörer die Fremdarbeiter als Sklaven ausgebeutet.

Der Einsatz von Zwangsarbeitern war von den Nazis bereits vor Beginn des Krieges geplant. Es genügt, an die Besprechung bei Hitler am 23. Mai 1939 zu erinnern, an der auch der Angeklagte Göring teilnahm.

In der Besprechung vom 7. November 1941 und in seinem Erlaß vom 10. Januar 1942 verlangte Göring von allen ihm unterstellten Organen die Versorgung der deutschen Industrie mit Arbeitskräften durch beliebige Maßnahmen und dies auf Kosten der Bevölkerung der besetzten sowjetischen Gebiete.

Am 6. August 1942 hatte Göring eine Besprechung mit den Reichskommissaren für die besetzten Gebiete und Vertretern der Heeresleitung. Sich an die Besprechungsteilnehmer wendend, sagte Göring:

»Sie werden nicht dort hingeschickt, um für das Wohlergehen der Ihnen anvertrauten Völker zu arbeiten, sondern um das letzte herauszupumpen... Sie müssen wie die Bluthunde dort sein, wo noch etwas ist... Ich beabsichtige zu plündern, und zwar ausgiebig...«

Diese Absichten wurden in die Tat umgesetzt. Es plünderten Göring, die Reichsminister und Reichskommissare für die besetzten Gebiete, es plünderten die Vertreter der Heeresleitung, vom General angefangen bis zum gemeinen Soldaten.

So handelte der Angeklagte Göring.

Es gibt keine einzige Maßnahme der faschistischen Partei, keine Handlung der Hitler-Regierung, an der Göring nicht teilgenommen hätte.

Er hat aktiven Anteil an allen Verbrechen der Faschistenbande genommen, und für alle seine Handlungen muß er die verdiente Strafe erleiden.