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Heß.

Der Angeklagte Rudolf Heß nahm schon seit der Entstehung des faschistischen Staates eine führende Stellung unter den Nazi-Verschwörern ein.

Heß war es, der die faschistische Organisation an der Münchener Universität leitete. Er war es, der am Münchener Putsch teilnahm. Er war es, der mit Hitler als sein Privatsekretär an der Bibel des Faschismus, dem Buch »Mein Kampf« arbeitete. Er war im Jahre 1932 Vorsitzender der politischen Zentralkommission der faschistischen Partei; nach der Machtergreifung setzte er als »Stellvertreter des Führers« die bestialische Politik der faschistischen Halsabschneider in die Tat um.

Gerade Heß war es, dem durch Hitlers Verfügung vom 21. April 1933 das Recht verliehen wurde, »Entscheidungen in allen Fragen der Parteiführung in Hitlers Namen zu treffen«.

Gleich danach fuhr Heß fort, immer neue Posten der Hitler-Regierung an sich zu reißen. Ab 1. Dezember 1933 ist er Reichsminister ohne Portefeuille »zur Sicherstellung einer engen Zusammenarbeit der Partei und der Sturmabteilungen mit den Zivilbehörden«, am 4. Februar 1938 wird er zum Mitglied des Geheimen Rates ernannt; am 30. August 1939 zum Mitglied des Reichsverteidigungsrates, und am 1. September 1939 wird Heß von Hitler als sein Nachfolger nach Göring benannt. Außerdem bekommt Heß auch den Rang eines Obergruppenführers SS und SA.

Durch einen Erlaß vom 27. Juli 1934 verpflichtete Hitler alle Dienststellenleiter und Minister Deutschlands, sämtliche Gesetzentwürfe Heß zur vorhergehenden Genehmigung vorzulegen.

Heß beschäftigte sich mit der Auswahl und dem Einsatz der faschistischen Führerkader. Davon zeugt die Anordnung Hitlers vom 24. September 1935 und andere von der Anklagebehörde dem Gerichtshof vorgelegte Dokumente.

Man muß besonders die aktive Rolle Heß' bei der Planung und der Durchführung der Angriffskriege beachten. Alle Angriffshandlungen Hitler-Deutschlands wurden unter unmittelbarer Teilnahme Heß' und des ihm unterstehenden Nazi-Apparates geplant und vorbereitet.

Bereits am 12. Oktober 1936 in seiner Rede in Bayern rief Heß die Deutschen auf,

»... mal etwas weniger Fett, etwas weniger Schweinefleisch, ein paar Eier weniger zu verzehren... Wir wissen« – sagte Heß – »daß die Devisen, die wir dadurch sparen, der Aufrüstung zugute kommen. Auch heute gilt die Parole ›Kanonen statt Butter!‹«

Darüber sprach Heß auch kurz vor seinem Flug nach England am 1. Mai 1941, als er in den Betrieben Messerschmitts zur Fortsetzung des Angriffskrieges aufrief.

Mit Hitler, Göring und anderen Führern der Nazi- Verschwörung unterzeichnete Heß die Erlasse über die Angliederung der eroberten Gebiete an Deutschland. In den menschenhaßerfüllten Nürnberger Gesetzen, für deren Veröffentlichung auch dieser Angeklagte verantwortlich ist, befindet sich ein besonderer Paragraph, der Frick und Heß ermächtigt, die nötigen Verordnungen zur Ausführung dieser Gesetze zu erlassen.

Heß unterzeichnete auch das Gesetz »Zum Schutz des Blutes und der Ehre«, das Gesetz vom 14. September 1935, das den Juden das Wahlrecht und das Recht zur Arbeit in den öffentlichen Ämtern entzog. Eine andere Verordnung vom 20. Mai 1938 über die Ausdehnung der Nürnberger Gesetze auf Österreich wurde ebenfalls von ihm unterschrieben.

Im laufenden Prozeß ist die Frage der Rolle, die Heß bei der Organisierung des Spionagenetzes und der terroristischen Gruppen im Ausland, sowie bei der Schaffung des SD (Sicherheitsdienst) und dem Aufbau der SS-Einheiten gespielt hat, bereits zur Genüge erörtert worden.

Schon allein Heß' Stellung in der faschistischen Partei und in der Hitler-Regierung zeigt die aktive, führende Rolle des Angeklagten in der Vorbereitung und Durchführung des allgemeinen verbrecherischen Planes der faschistischen Verschwörung. Folglich ist er im großen Ausmaß für die Verbrechen gegen den Frieden, für die Kriegsverbrechen und für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig und verantwortlich.

Meine Herren Richter! Um noch richtiger die Bedeutung der verbrecherischen Tätigkeit Heß', eines der bedeutendsten Führer der Nazi-Partei und der Hitler-Regierung einzuschätzen, werde ich Sie an den Artikel in der »Nationalzeitung« vom 24. April 1941, welcher Heß gewidmet ist, erinnern. Ich zitiere:

»Vor geraumer Zeit, es war noch vor Ausbruch dieses Krieges, ist Rudolf Heß einmal das ›Gewissen der Partei‹ genannt worden. Wenn wir uns fragen, weshalb dem Stellvertreter des Führers dieser gewiß ehrenvolle Name gegeben worden ist, dann liegt der Grund hierfür klar auf der Hand: Es gibt keine Erscheinung unseres öffentlichen Lebens, um die sich der Stellvertreter des Führers nicht zu kümmern hat. So ungeheuer vielseitig und mannigfach ist sein Arbeits- und Aufgabengebiet, daß es sich mit ein paar Worten gar nicht umreißen läßt...

... viele Maßnahmen unserer Staatsführung auch gerade auf kriegswirtschaftlichem Gebiet und der Partei, die bei der Öffentlichkeit dann, wenn sie verkündet werden, so starken Anklang finden, weil sie dem wahren Volksempfinden in so starkem Maße Rechnung tra gen, gehen auf die persönliche Initiative des Stellvertreters des Führers zurück.«

Heß hat sich geweigert, vor dem Gerichtshof Erklärungen abzugeben. Sein Verteidiger Seidl erklärte mit falschem Pathos, daß Heß diesen Gerichtshof für nicht zuständig hält, die deutschen Kriegsverbrecher abzuurteilen – und fing dann sofort anschließend an, Beweise zur Verteidigung von Heß vorzulegen.

Heß versuchte sogar, sich als geistesgestört hinzustellen, um der verdienten Strafe zu entgehen. Als er sich aber überzeugte, daß dieses Manöver ihm nichts nutzen würde, mußte er dem Gerichtshof eingestehen, daß er den Verlust seines Gedächtnisses simuliert hatte, daß es ein taktischer Zug von ihm gewesen sei und daß er seine volle Verantwortung zugebe für all das, was er zusammen mit den anderen getan und unterzeichnet hatte.

Somit wurde vor dem Gerichtshof der ungeschickte Versuch Heß', sich der Verantwortung zu entziehen, völlig entlarvt, und deshalb muß Heß volle Strafe für die Teilnahme am gemeinsamen Plan oder an der gemeinsamen Verschwörung zur Begehung von Verbrechen gegen den Frieden, von Kriegsverbrechen, von schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit erdulden, die er mit den anderen Angeklagten begangen hat.