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Rosenberg.

Ich gehe jetzt zum Beweis der Schuld und der Verantwortung des Angeklagten Rosenberg über.

Wie sehr auch Rosenberg die von ihm gespielte Rolle und ihre Bedeutung zu vermindern versucht, wie sehr er sich auch bemühen mag, historische Tatsachen und Ereignisse zu verfälschen, so wenig kann er ableugnen, der offizielle Ideologe der nazistischen Partei gewesen zu sein und bereits vor einem Vierteljahrhundert die »theoretischen« Grundlagen des faschistischen Hitler-Reiches, welche im Laufe dieser Zeitspanne Millionen von Deutschen moralisch zersetzten, gegründet und dabei »ideologisch« jene in der Geschichte einmaligen unmenschlichen Verbrechen der Hitleristen, die nun im Laufe dieses Prozesses der Gegenstand der Untersuchung geworden sind, vorbereitet zu haben.

Als Rosenberg im Laufe des Prozesses die Frage vorgelegt wurde: »Waren Sie nicht einer der engsten Mitarbeiter des Führers?«, so antwortete er nicht einmal ruhig, sondern rief laut: »Nein, das ist nicht wahr, ich war es niemals.«

Aber wie sehr auch Rosenberg sich bemühen mag, seinen »Führer« zu verleugnen, so kann er doch das Kainsmal eines der »ältesten und treuesten Kampfgenossen Hitlers« nicht auslöschen. Im Laufe von 25 Jahren hat Rosenberg zuerst gemeinsam mit Hitler und später unter dessen Führung an der Ausarbeitung und Ausführung der tollen Pläne zur Weltherrschaft mitgearbeitet, wobei, er zur Rechtfertigung dieser verbrecherischen Pläne die menschenhassende Rassentheorie erwählt hatte.

Kann es denn für die Entscheidung über die Verantwortlichkeit und Schuld Rosenbergs irgendeine Bedeutung haben, daß er für seine Zwecke den Abschaum der Wissenschaft benutzt und bei Karl Lueger, Paul Lagarde, den Grafen Gobineau, Oswald Spengler und Arthur Möller dieses oder jenes entnommen hatte?

Wichtig ist, daß Rosenberg durch Sammlung all dieser »wissenschaftlichen« Abfallprodukte die Rassentheorie an die Grenze des Rassenfanatismus geführt hat. In diesem Geiste erzog er die Mitglieder der Nazi-Partei und die deutsche Jugend. Und als von den Vertretern der »Herrenrasse« Angriffspläne ausgearbeitet und ausgeführt wurden, als deutsche Besatzungstruppen ganze Nationen und Völker versklavten und vernichteten, als Todesfabriken in Maidanek und Auschwitz, Treblinka und Chelmno errichtet wurden, war Rosenberg zu einem großen Teil für alle diese Taten verantwortlich.

All das war nämlich das Ergebnis der faschistischen Rassenideologie, die daraus besteht, daß »die arische, nordgermanische« Rasse die »Herrenrasse« sei, während alle anderen Rassen und Nationen zu der »niederen Rasse« gehören.

Der Verteidiger Rosenbergs sagt: »Das Gericht hat Verbrechen abzuurteilen und keine Weltanschauung.« Dieses Argument überzeugt im Falle Rosenbergs offenbar nicht. Denn Rosenberg hat nicht nur die faschistische Rassentheorie gepredigt, sondern er hat sie bewußt verbreitet und sie dem deutschen Volke eingeimpft, dieselbe Rassentheorie, die zu einer Drohung für den Fortbestand der demokratischen Staaten Europas wurde. Bazillenträger muß man isolieren; aber denjenigen, der bei vollem Bewußtsein Bazillen verbreitet, muß man aburteilen.

Die verbrecherische Tätigkeit Rosenbergs beschränkt sich nicht nur auf eine ideologische Angriffsvorbereitung und auf die Verbreitung des Menschenhasses, sondern sie ist sehr vielseitig.

In diesem Prozeß wurde die Tätigkeit des Außenpolitischen Amtes der NSDAP zur Genüge beleuchtet, welcher ein Netz halblegaler nazistischer Agenturen im Ausland unterstand und an deren Spitze der Angeklagte Rosenberg viele Jahre hindurch amtierte. Der Einfluß dieser Organisation auf die außenpolitischen Maßnahmen Hitler-Deutschlands und auf die Entfesselung von Angriffskriegen ist außerordentlich groß.

In einem vom Verteidiger Neuraths vorgelegten und vom Gerichtshof zugelassenen Dokument wird offen gesagt:

»Eine Zeitlang gab es in Berlin gleichzeitig drei Arten von Außenministerien: Herrn Rosenbergs, Herrn von Ribbentrops und das offizielle Ministerium in der Wilhelmstraße.«

Schließlich wies Rosenberg selbst auf seinen tatsächlichen Einfluß auf die Außenpolitik Hitler- Deutschlands und auf seine »Verdienste« auf diesem Gebiet in einem Brief an Hitler vom 6. Februar 1938 hin, in dem er ihn bat, ihn zum Mitglied des Geheimen Kabinettsrats zu ernennen.

Ich sehe keine Notwendigkeit, die gesamte verbrecherische Tätigkeit Rosenbergs zu analysieren und habe nur die Absicht, kurz auf seine Tätigkeit als »Beauftragter des Führers« und später als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete hinzuweisen. Auf diesem Arbeitsgebiet hat Rosenberg sich am deutlichsten als Teilnehmer an der verbrecherischen Verschwörung gezeigt.

Rosenberg behauptet, daß er gegen einen Krieg mit der USSR war daß er von der Vorbereitung eines Angriffs auf die Sowjetunion von Hitler erst dann erfahren habe, als schon alle militärischen Befehle gegeben worden waren, und daß er niemals einen tatsächlichen Einfluß auf die Außenpolitik Hitler-Deutschlands ausgeübt habe. Ich behaupte, meine Herren Richter, daß alle diese Erklärungen Rosenbergs mit der Wahrheit nichts zu tun haben.

Es ist allgemein bekannt, daß die Außenpolitik der Nationalsozialisten, wie sie in der Neujahrsnummer des Jahres 1921 in der Zeitung »Völkischer Beobachter« dargelegt ist, mit dem Plan des deutschen Kreuzzuges gegen die Sowjetunion beginnt und daß der Urheber dieser Politik Alfred Rosenberg ist. Zusammen mit Hitler war er es, der, von Ludendorff und Rechberg inspiriert, eine Außenpolitik predigte, die darauf abzielte, ein antisemitisches, antibolschewistisches und antibritisches Kontinental-Europa zu schaffen.

Die Reden Rosenbergs über den Plan eines »Austausches« des Polnischen Korridors gegen die Ukraine, seine »diplomatischen« Reisen in verschiedene Länder nach der faschistischen Machtergreifung, seine ungeschickten Versuche, das außenpolitische Programm der Nazis zu verwirklichen, waren in der Presse weit und breit veröffentlicht.

Aus den vorgelegten Dokumenten kann man die fieberhafte Tätigkeit Rosenbergs im April 1941 ersehen, einer Zeit unmittelbar vor dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion, nachdem er zum Beauftragten für die zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes ernannt worden war.

Zwei Wochen vor seiner Ernennung machte Rosenberg am 7. April 1941 Hitler den Vorschlag zur Aufteilung der Sowjetunion in Reichskommissariate und zur Ernennung faschistischer Gouverneure für die besetzten Gebiete. In den Vorschlägen Rosenbergs wurden Weißrußland und die Ukraine, Minsk und Kiew, Rostow und Tiflis, Leningrad und Moskau erwähnt. Als Reichskommissar von Moskau schlug Rosenberg den berüchtigten Erich Koch vor.

Wir hörten von den Unterredungen Rosenbergs mit Brauchitsch und Raeder, von seinen Beratungen mit Funk, dem General Thomas, dem Staatssekretär Backe und anderen über die Frage der wirtschaftlichen Ausnutzung der Ostgebiete und auch von seinen Unterredungen mit Ribbentrop, dem Stabschef der SA und dem Chef der deutschen Abwehr, Admiral Canaris. Schon eineinhalb Monate vor dem Überfall auf die USSR arbeitete er Weisungen für alle Reichskommissare der zu besetzenden Ostgebiete aus, in welchen er schon ein »Reichskommissariat Rußland« und ein »Reichskommissariat Kaukasus« vorsah und die weißrussische Republik in das »Reichskommissariat Ostland« übernahm.

Rosenberg versucht zu behaupten, daß er nicht mit den Eroberungs- und Raubzielen des Krieges gegen die Sowjetunion einverstanden war, sondern im Gegenteil in seiner Eigenschaft als Minister für die besetzten Ostgebiete die Bevölkerung jener Gebiete gar noch glücklich machte. Und dies wagt er zu behaupten, nachdem er in den Weisungen an den Reichskommissar für das Baltikum und Weißrußland seine Ziele folgendermaßen umschreibt:

»... die Errichtung einer deutschen Schutzherrschaft, um später diese Gebiete durch Germanisierung der dazu geeigneten Rassenelemente, Kolonisierung durch Vertreter der germanischen Rasse und durch Vernichtung aller unerwünschten Elemente, zu einem Teil des Großdeutschen Reiches zu machen.«

Dies wird behauptet, nachdem in einer anderen Anweisung Rosenbergs über die Aufgaben der Zivilverwaltung in den besetzten Ostgebieten folgendes niedergelegt wird:

»Die erste und wichtigste Aufgabe ist die Durchführung der Interessen des Reiches. Die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung haben keine Gültigkeit mehr, da man die Sowjetunion als vernichtet ansehen muß... deswegen müssen wir alle Maßnahmen, die der deutschen Verwaltung notwendig und bequem erscheinen, gutheißen.«

Rosenberg hat sich etwas beeilt, die Sowjetunion als vernichtet zu erklären; er hat sich verplaudert und damit seine geheimsten Gedanken verraten. Aber dieses Dokument erweist sich als ein unwiderleglicher Beweis und fegt alle Versuche des Angeklagten beiseite, die Verantwortung für die unmenschlichen Verbrechen, die von deutsch-faschistischen Unterdrückern in dem besetzten Gebiet der Sowjetunion verübt wurden, auf einzelne Beamte und Polizisten, auf Koch und Himmler abzuwälzen.

Es war Rosenberg, der es zuließ, daß die Regeln der Haager Konvention gebrochen und alle Maßnahmen, die sich als »bequem« erwiesen, durchgeführt wurden. Als Koch zu seiner »Bequemlichkeit« die Bevölkerung des ganzen Gebiets Zuman vernichtete, handelte er im Sinne des Befehls Rosenberg.

Rosenberg sprach hier von seinen Unstimmigkeiten mit Koch, ferner davon, daß er für eine menschliche Politik war und daß er sogar landwirtschaftliche Maschinen einführen ließ.

Wenn Rosenberg auch manchmal gegen einzelne Handlungen Kochs Einspruch erhob, so tat er es nur, weil er ein vorzeitiges Bekanntwerden der beispiellosen Kochschen Mißhandlungen des ukrainischen Volkes befürchtete und annahm, daß diese Mißhandlungen eine Zunahme der Widerstandsbewegungen hervorrufen könnten. Es war nicht Menschlichkeit, sondern Angst, die Rosenberg dazu veranlaßte. Die wirkliche Politik Rosenbergs ist in vielen, jetzt allgemein bekanntgewordenen Dokumenten niedergelegt, die sich in den Händen des Gerichtshofs befinden.

In einer amtlichen Notiz für den Führer vom 16. März 1942 schrieb Rosenberg folgendes über die Ziele der deutschen Politik in den besetzten Gebieten der Sowjetunion und vor allem in der Ukraine; diese Ziele seien

»... Auswertung und Einsatz der Bodenschätze, in bestimmten Gebieten eine deutsche Siedlung, keine künstliche Intellektualisierung der Bevölkerung, sondern das Erhalten ihrer Arbeitskraft.«

In seinem Bericht über die Umgestaltung des Kaukasus' schrieb Rosenberg:

»Das Problem des Ostlandes ist die Heranführung der baltischen Völker in den deutschen Kulturkreis und die Vorbereitung für eine deutsche großzügige Militärgrenze. Die Aufgabe der Ukraine ist die Sicherung der Ernährung Deutschlands und Europas und die Rohstoffversorgung des Kontinents. Die Aufgabe des Kaukasus' ist vor allem politischer Natur und bedeutet den entscheidenden Ausgriff des von Deutschland geführten Kontinental-Europas von der Kaukasischen Landenge nach dem vorderen Orient.«

Schließlich will ich daran erinnern, daß es Rosenberg war, der in einem Vortrag vor der Deutschen Arbeitsfront über die Frage der Politik in den besetzten Gebieten der Sowjetunion folgendes sagte:

»Es scheint so, daß, wenn man die Völker unter sich lassen würde, diese Willkürherrschaft und Tyrannei die durchaus gegebene Staatsform für sie darstellt.«

Die Verteidigung behauptet, daß Rosenberg und sein »Einsatzstab« die Kulturschätze nicht geraubt, sondern im Gegenteil vor Vernichtung bewahrt hätte. Diese Behauptung hat mit der Wahrheit ebenfalls nichts gemein. Wie durch die vor dem Gerichtshof verlesenen zahlreichen Urkunden bewiesen wurde, hat Rosenberg bereits im April 1941, das heißt also mehr als zwei Monate vor dem Überfall auf die USSR. Sonderkommandos aufgebaut, Stäbe ins Leben gerufen und Pläne für die Entfernung von Kulturschätzen aus der Sowjetunion ausgearbeitet.

Am 16. Oktober 1941 schrieb Rosenberg in einem Brief an Hitler:

»Ich habe nunmehr den gleichen Einsatzstab meiner Dienststelle angewiesen, die im Westen durchgeführten Arbeiten nun in umfassenderer Weise in den besetzten Ostgebieten ebenfalls durchzuführen... Anhand der so entstehenden Übersicht können alle berechtigten Wünsche und Forderungen der Dienststellen des Großdeutschen Reiches berücksichtigt werden. Auf dieser Grundlage würde ich auch die Garantie dafür übernehmen können, daß alle Kunstschätze, die für Ihre persönlichen Pläne, mein Führer, mit Linz und anderen Museen in Frage kommen, tatsächlich auch diesem Zweck zugeführt werden können.«

Rosenberg schrieb am 17. Oktober 1944 an Lammers, daß für den Transport der von seiner Organisation »erfaßten« Güter 1418000 Eisenbahnwaggons benötigt worden seien. Außerdem seien 427000 Tonnen auf dem Wasserwege befördert worden. Im selben Brief schreibt Rosenberg, daß unter den beschlagnahmten Waren 9000 Waggons mit landwirtschaftlichen und anderen Maschinen nach Deutschland gesandt worden waren. Und nach all dem wagt er es, von einigen Maschinen zu sprechen, die er in die Ukraine einführen ließ.

Und nun das letzte: Von der lächerlichen Theorie des sogenannten »edelmütigen Antisemitismus« Rosenbergs. Es ist wirklich sinnlos, mit dem Verteidiger Rosenbergs zu streiten, der behauptet, daß es einen »edelmütigen Antisemitismus« gibt; noch sinnloser wäre es, mit Rosenberg selbst darüber zu polemisieren. Ich habe seinerzeit den Gerichtshof auf die faschistische Propaganda aufmerksam gemacht, die der Verteidigungsvortrag enthielt. Jetzt möchte ich den Gerichtshof an den Inhalt von zwei Dokumenten Rosenbergs erinnern. In seiner Weisung vom 29. April 1941 schrieb er:

»Eine allgemeine Behandlung erfordert die Judenfrage, deren zeitweilige Übergangslösung festgelegt werden muß (Arbeitszwang der Juden, eine Ghettosierung usw.).«

Noch zynischer, noch offener sprach sich Rosenberg in seiner Eigenschaft als Minister für die besetzten Ostgebiete auf einer Versammlung der Deutschen Arbeitsfront im November 1942 aus:

»Wir dürfen uns nicht« – sagte Rosenberg – »damit begnügen, daß die Juden von einem Staat zum anderen geschoben werden und daß vielleicht hier noch ein großes jüdisches Ghetto steckt, sondern unser Ziel kann nur das alte sein. Die Judenfrage in Europa und Deutschland ist nur dann gelost, wenn es keinen Juden mehr auf dem europäischen Kontinent gibt.«

Und alle jene Unternehmen »Cottbus« zur Ausrottung der Juden in den Städten der baltischen Republiken, der Ukraine und in Weißrußland, wurden auf Grund Rosenbergs und mit seiner Zustimmung durchgeführt.

Im Jahre 1937 bekam Rosenberg den Deutschen Nationalpreis. Im Zusammenhang damit schrieb die faschistische Presse folgendes über ihn:

»Alfred Rosenberg hat in seinen Werken in hervorragendstem Maße die Weltanschauung des Nationalsozialismus' wissenschaftlich und intuitiv begründen und festigen geholfen.... Erst eine spätere Zeit wird voll zu ermessen vermögen, wie tief der Einfluß dieses Mannes auf die weltanschauliche Gestaltung des nationalsozialistischen Reiches ist.«

Diese Zukunft ist nun Gegenwart geworden, und ich bin überzeugt, daß der Gerichtshof nicht nur den »Einfluß Rosenbergs auf die weltanschauliche Gestaltung des nationalsozialistischen Reiches« zu schätzen wissen wird, sondern auch seine aktive Rolle in allen Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit, die von den Hitler-Leuten begangen worden sind.