Frank.
Seiner Bildung nach Jurist, liebte es der Angeklagte Hans Frank von der Rezeption des »altdeutschen« Rechtes für die Deutschen, von den »Grundsätzen der Gerechtigkeit« für die »Auserwählten« und von dem »Recht der Auserwählten« auf Vernichtung von Völkern und Staaten zu sprechen.
Im Jahre 1939 vertraute Hitler gerade diesem Menschen, der lange Zeit die deutsche Rechtslehre zu zersetzen versucht hatte, das Schicksal des unterjochten Polens an.
Frank kam nach Polen, um in diesem durch eine jahrhundertealte Geschichte und eine eigene hohe Kultur reichen Lande das Programm der Versklavung und der Vernichtung eines Volkes, das die Hitleristen für immer unterworfen glaubten, praktisch durchzuführen.
Ich möchte den Gerichtshof an einige Äußerungen Franks, die sich auf die ersten Monate seines Aufenthaltes in Polen beziehen, erinnern. Sie sind seinem sogenannten »Tagebuch« entnommen. Man braucht wohl kaum mit dem Verteidiger über den Beweiswert dieses Dokuments zu streiten.
Frank selbst hat dem Untersuchungsrichter erklärt: »Das ist ein Dokument von historischer Bedeutung«, und auf die Frage, ob alle Behauptungen, die in diesem Tagebuch enthalten sind, der Wirklichkeit entsprechend, antwortete er. »Das entspricht vollkommen dem, was mir bekannt ist.«
Am 19. Januar 1940 erklärte Frank mit einer zynischen Offenheit bei einer Besprechung der Abteilungsleiter folgendes:
»Am 15. September 1939 erhielt ich den Auftrag, die Verwaltung der eroberten Ostgebiete aufzunehmen mit dem Sonderbefehl, diesen Bereich als Kriegsgebiet und Beuteland rücksichtslos auszupowern, es in seiner wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, politischen Struktur sozusagen zu einem Trümmerhaufen zu machen.«
Am 31. Oktober 1939 erklärte er in Gegenwart von Goebbels bei einer Besprechung der führenden Beamten des Generalgouvernements:
»Ganz klar müsse der Unterschied zwischen dem deutschen Herrenvolk und den Polen herausgestellt werden.«
Er erinnerte sich damals auch der polnischen Kultur, um die, wie der Verteidiger Seidl hier behauptete, Frank sich sehr gekümmert habe. Er erklärte:
»Den Polen dürften nur solche Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, die ihnen die Aussichtslosigkeit ihres völkischen Schicksals zeigten. Es könnten daher höchstens schlechte Filme oder solche, die die Größe und Stärke der Deutschen vor Augen führen, in Frage kommen.«
Einer der ersten Befehle Franks war der Befehl zur Erschießung von Geiseln. In der Folge wurden ähnliche Befehle zu Hunderten und Tausenden ausgegeben, bis sie schließlich mit der Anordnung vom 2. Oktober 1943 endeten.
Am 10. November 1939 berichtete man Frank, daß der polnische Unabhängigkeitstag bevorstehe und daß an einigen Häusern Plakate angeschlagen worden seien, die den Polen ihren Nationalfeiertag ins Gedächtnis riefen. Zu dieser Zeit erscheint in Franks »Tagebuch« folgende Eintragung:
»... der Herr Generalgouverneur ordnete an, daß in jedem Haus, in dem ein Plakat angehängt bleibt, ein männlicher Einwohner erschossen wird.
Der Pole hier muß spüren, daß wir ihm keinen Rechtsstaat aufbauen.«
Der von uns angeführte kurze Auszug aus der Rede Franks in der Versammlung der Abteilungsleiter des Generalgouvernements charakterisiert diesen hitlerischen »Juristen« weit besser, als die langen Auszüge aus seinen Paradereden, die wir hier uns anzuhören genötigt waren...
Die verbrecherische Tätigkeit Franks in Polen ist so vielseitig, daß es in einer kurzen Rede vor dem Gerichtshof vollkommen unmöglich ist, die zahlreichen Beweise der Schuld Franks, die in diesem Gerichtssaal schon einmal vorgelegt wurden und wahrscheinlich den Richtern noch in Erinnerung sind, noch einmal vorzutragen.
Aber aus der verbrecherischen Tätigkeit Franks in Polen muß man das Hauptsächlichste hervorheben, und das ist die verbrecherische Tätigkeit Franks als Mörder von Millionen von Menschen.
Natürlich, er beging auch Raub, er war ja der Bevollmächtigte Görings für den Vierjahresplan und raubte sozusagen in »Ausführung seiner Pflichten«.
Er schickte mehr als zwei Millionen Polen zur Zwangsarbeit nach Deutschland. Nur in der Annahme, daß außer dem Verteidiger niemand die Tagebücher Franks studiert habe, kann die Verteidigung versuchen, Frank als »Feind der Zwangsmethoden der Anwerbung« hinzustellen. Denn Frank kann sich solchen Dokumenten wie dem Sitzungsbericht der Abteilungsleiter vom 12. April 1940, den Notizen der Besprechungen mit Gauleiter Sauckel vom 18. August 1942 und dem Stenogrammprotokoll der Besprechungen mit Bühler, Krüger und anderen vom 21. April 1940 niemals entziehen.
Er schickte Menschen zur Zwangsarbeit, um aus ihnen das Bestmögliche im Interesse des »Reiches« herauszupressen, bevor er sie dem Tode weihte.
Das Regime, das von Hans Frank in Polen während der ganzen Zeit der vorübergehenden deutschen Herrschaft in diesem Lande errichtet wurde, war ein unmenschliches, welches Millionen von Menschen zwar mit verschiedenen, aber immer verbrecherischen Methoden hinmordete.
Wie der Gerichtshof aus den Zeugenaussagen des ehemaligen stellvertretenden Bürgermeisters von Smolensk, Professor Bazilevskys, ersehen konnte, ist es kein Zufall, daß jene deutsch-faschistischen Mörder, die 11000 polnische kriegsgefangene Offiziere im Walde von Katyn hingemordet haben, sich auf das von Frank in Polen errichtete Regime als Beispiel für ihre Handlungen berufen haben.
Ich halte es für besonders wichtig, hier zu unterstreichen, wie sich Frank die Politik gegenüber der polnischen Bevölkerung nach dem Kriege vorstellte:
»Ich betone ausdrücklich« – sagte Frank –, »daß in dem Falle, wenn ein Friede geschlossen wird, sich in dieser Beziehung nichts ändern wird. Dieser Friede wird bedeuten, daß wir dann als eine Weltmacht noch intensiver als bis jetzt unsere allgemeine politische Linie durchführen werden. Er wird bedeuten, daß wir die Kolonisierung in einem noch viel größeren Maßstab werden durchführen müssen: aber im Prinzip wird sich nichts verändern.«
Das wurde im Jahre 1940 gesagt, als Frank die ersten Massenmorde an der polnischen Intelligenz, die sogenannte »AB«-Aktion plante.
Im Jahre 1944 erklärte Frank in einer Versammlung der landwirtschaftlichen Leiter in Zakopane folgendes:
»Wenn wir den Krieg einmal gewonnen haben, dann kann meinetwegen aus den Polen und den Ukrainern und dem, was sich herumtreibt, Hackfleisch gemacht werden;... es kann werden, was will.«
Es war nicht mehr Franks Schuld, daß er im Jahre 1944, als er davon träumte, Polen und Ukrainer in Hackfleisch zu verwandeln, die unbestimmte Formulierung: »Wenn wir den Krieg einmal gewonnen haben...« hinzufügen mußte. Zu diesem Zeitpunkt konnte er nicht mehr so sicher in seinen Aussprüchen sein wie am 2. August 1943, als er bei einem Empfang der Redner der NSDAP im Königssaal der Krakauer Burg über das Schicksal der ausgerotteten polnischen Juden folgendes erklärte:
»Hier haben wir mit 31/2 Millionen Juden begonnen; von ihnen sind nur noch wenige Arbeitskompanien vorhanden, alles andere ist – sagen wir einmal – ausgewandert.«
Sowohl Frank selbst als auch sein Verteidiger versuchten zu behaupten, daß der Angeklagte nichts von den Geschehnissen in den Konzentrationslagern des Generalgouvernements wußte. Jedoch in jenem geheimen Bericht an den Führer, den die Verteidigung zugunsten Franks auszunutzen versuchte, kann man eine Bestätigung dessen finden, daß Frank sehr wohl von den Geschehnissen in den Konzentrationslagern unterrichtet war. Dort wird folgendes gesagt:
»Die Nachrichten aus Katyn machen auf den größten Teil der polnischen Intelligenz keinen Eindruck, und sie hält den Deutschen ähnliche Übeltaten in Auschwitz entgegen.«
Dann führt Frank einen höchst charakteristischen Satz an, der die Reaktion der polnischen Arbeiter auf die provozierenden Nachrichten der Deutschen über Katyn beschreibt.
»Es gibt doch auch Konzentrationslager in Auschwitz und Maidanek, wo Massenmorde an Polen am laufenden Band verübt wurden.«
Und weiter:
»Bedauerlicherweise vergleicht heute auch die polnische Allgemeinheit und nicht nur die polnische Intelligenz Katyn mit der Massensterblichkeit in den deutschen Konzentrationslagern und mit Hinrichtungen von Männern, Frauen und selbst Kindern und Greisen bei der Durchführung kumulativer Strafen in den Gebieten.«
Nach dem Geheimbericht an Hitler schlug Frank keinen neuen Kurs ein. Im Gegenteil, er gab jenen Erlaß vom 2. Oktober 1943 heraus, den der Angeklagte selbst beim Verhör durch seinen Verteidiger als »furchtbar« bezeichnet hat. Nachdem dieser Erlaß in Kraft getreten war, wurden viele Tausende von unschuldigen Menschen seine Opfer. Die Zahl der Hingerichteten nahm immer mehr zu und erreichte in Warschau die Zahl von 200 Menschen, die man gleichzeitig hinrichtete.
Dasselbe geschah in den Straßen aller polnischen Städte, wo sogenannte »Polizeigerichte« die Hinrichtungen, wie es in dem Text des Erlasses selbst gesagt wird, sofort nach der Verurteilung vollstreckten. Die zum Tode Verurteilten wurden zur Hinrichtungsstätte in Papierkleidern gebracht; ihre Lippen waren mit Heftpflaster zugeklebt oder der Mund mit Gips gefüllt. Sie erschienen blutlos nach ihrer Gefängnishaft. In der Regierungssitzung in Krakau am 16. Dezember 1943, bei der Frank mit Genugtuung feststellte, daß die Hinrichtungen »günstige Folgen gehabt haben«, wurde gleichzeitig noch eine andere Frage besprochen. In dem Sitzungsbericht heißt es:
»Vielleicht müsse man auch überlegen, ob man nicht dafür besondere Exekutionsstätten schaffen wolle; denn es sei festgestellt worden, daß die polnische Bevölkerung zu den jedermann zugänglichen Exekutionsorten ströme, um die blutgetränkte Erde in Gefäße zu füllen und diese in die Kirche zu bringen.«
Die Verteidigung hat hier versucht, von den ständigen Meinungsverschiedenheiten zwischen Frank und der Polizei zu sprechen, der, wie sie behauptete, mit der Tätigkeit der Polizei gar nicht einverstanden war. Wir wollen mal sehen, was das für Meinungsverschiedenheiten sind.
Die erste »Sonderaktion«, die in Polen durchgeführt wurde, und zwar die »AB«-Aktion – die physische Vernichtung von einigen Tausenden polnischer Intellektueller –, wurde nicht auf Vorschlag der Polizei, sondern auf Vorschlag Franks durchgeführt. Laut Führerbefehl vom 2. Mai 1942 war der Chef der Polizei dem Generalgouverneur unterstellt. Als zwischen Frank und dem Polizeichef Krüger sich tatsächlich einige Unstimmigkeiten einstellten, war es der Polizeichef Krüger, der weggehen mußte, während Frank als Generalgouverneur Polens auf seinem Posten verblieb. Was den Obergruppenführer Koppe betrifft, der Krüger ablöste, so sprach ihm Frank am 16. Dezember 1943 »in Anerkennung seiner fruchtbaren Arbeit« die Dankbarkeit für die Erschießung von Geiseln aus und bemerkte mit Genugtuung, daß »an der Spitze der Polizei im Generalgouvernement einer der größten Spezialisten stehe«. Es ist unverständlich, welche Meinungsverschiedenheiten Franks mit der Polizei der Verteidiger Seidl meinte.
Die Verteidigung hat sogar versucht, Frank als eine Art »friedlichen Antisemiten« hinzustellen, welcher zwar dem jüdischen Volke gegenüber negativ eingestellt war, der aber weder selbst die Tötungen der Juden veranlaßte noch zu solchen aufhetzte. Es fragt sich nur, wie in einem solchen Falle folgende Worte Franks von dem Verteidiger ausgelegt werden können:
»Die Juden sind eine Rasse, die ausgetilgt werden muß. Wo immer wir nur einen erwischen, geht es mit ihm zu Ende.«
Oder seine Erklärung in der Regierungssitzung vom 24. August 1942, als er folgendes sagte:
»Daß wir 1,2 Millionen Juden zum Hungertode verurteilen, sei nur am Rande festgestellt. Es ist selbstverständlich, daß ein Nichtverhungern der Juden hoffentlich eine Beschleunigung der antijüdischen Maßnahmen zur Folge haben wird.«
Die verbrecherische Tätigkeit des Henkers des polnischen Volkes führte Millionen von Menschen ins Verderben.
»Sie sehen, wie die staatlichen Organe arbeiten, Sie sehen, daß man vor nichts zurückschreckt und ganze Dutzende von Elementen an die Wand stellt.«
So charakterisierte Frank selbst in einem Treffen der Standartenführer vom 18. März 1942 das von ihm in Polen errichtete Regime des blutigen Terrors.
»Ich habe mich nicht gescheut zu erklären, daß, wenn ein Deutscher erschossen würde, bis zu hundert Polen erschossen würden.«
Diese Worte wurden von Frank am 15. Januar 1944 in einer Versammlung der Politischen Leiter der NSDAP ausgesprochen.
»Wenn ich zum Führer gekommen wäre und ihm gesagt hätte: ›Mein Führer, ich melde, daß ich wieder 150000 Polen vernichtet habe‹, dann hätte er gesagt: Schön, wenn es notwendig war.« –
Das erklärte anläßlich einer Rede im Reichshof am 18. März 1944 derselbe Frank, der heute versucht, den Gerichtshof davon zu überzeugen, daß er irgendwelche »grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten« mit Hitler und Himmler gehabt habe.
Jene Erklärungen, die Frank in den ersten Monaten seines Aufenthalts in Polen abgegeben hatte, waren ein förmliches Mordprogramm, das vom Angeklagten planmäßig, methodisch und mitleidlos durchgeführt wurde.
Frank wußte natürlich sehr gut, daß er im Falle eines verlorenen Krieges die volle Verantwortung für die Verbrechen, die in Polen begangen wurden und für seine Teilnahme an der faschistischen Verschwörung tragen müsse.
Schon im Jahre 1943 sprach Frank auf einer Versammlung mit seinen Komplicen darüber. Und man muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er als Jurist den Begriff einer verbrecherischen Verschwörung viel richtiger darlegte als einige der Anwälte in diesem Prozeß, welche sich auf veraltete Begriffe stützen und versuchen, die Stichhaltigkeit der Anklage wegen Verschwörung zu bestreiten.
Auf dieser Regierungssitzung, die zusammen mit der Polizei am 25. Januar 1943 abgehalten wurde, erklärte der damalige Generalgouverneur den Hyänen Himmlers:
»... Ich möchte eines betonen: Zimperlich dürfen wir nicht sein, wenn wir die Zahl von 17000 Erschossenen hören. Diese Erschossenen sind eben auch Kriegsopfer... Wir wollen uns daran erinnern, daß wir alle miteinander, die wir hier versammelt sind, in der Kriegsverbrecherliste des Herrn Roosevelt figurieren. Ich habe die Ehre, Nummer 1 zu sein. Wir sind also sozusagen Komplicen im welthistorischen Sinne geworden. Gerade deshalb müssen wir uns zusammenfinden, wir müssen zusammen fühlen, und es wäre lächerlich, wenn wir irgendwelche Streitigkeiten über Methoden austragen wollten.«
Dieser Aufruf zu Mordtaten ist sehr weit von den »unzähligen Streitigkeiten mit der Polizei« entfernt, von denen hier der Verteidiger Franks sprach.
Der Angeklagte hat sich in einem geirrt – er hat seinen Platz auf der Anklagebank nicht richtig eingeschätzt. Aber er hat sich nicht im wesentlichen geirrt – als Verbrecher »im welthistorischen Sinne« sitzt er auf der Anklagebank.