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Schirach.

Vom Jahre 1931 an und bis zum Ende des Krieges war der Angeklagte Baldur von Schirach der Führer der Nazi-Jugend.

Nachdem am 1. Dezember 1936 das Gesetz über die Hitlerjugend erlassen wurde, unterstand von Schirach als Reichsjugendführer Hitler unmittelbar.

In seinen Aussagen vor dem Gerichtshof versuchte der Angeklagte Schirach, sich der Verantwortung, die Hitler-Jugend im Sinne der nationalsozialistischen Ideen erzogen zu haben, zu entziehen, indem er wiederholt darauf hinwies, die Hitler-Jugend wäre eine selbständige von der Nazi-Partei und der Hitler-Regierung unabhängige Organisation gewesen.

Schirach hat es für möglich und angebracht gehalten, sich zu seiner Verteidigung auf den großen Goethe zu berufen, dessen Worte: »Die Jugend erzieht sich selbst«, er mit deutlichem Zynismus gebrauchte.

Selbstverständlich hatte Goethe recht, als er sagte, »die Jugend erzieht sich selbst«, jedoch meinte er die gesunde, vollwertige, lebensfrohe Jugend und nicht die durch den hitlerischen Obskurantismus moralisch verkommene, deren Sittenverderb in den folgenden Worten Hitlers an Rauschning so klar zum Ausdruck kommt:

»Wir werden eine Jugend erziehen, vor der die ganze Welt erschaudern wird, eine heftige, anspruchsvolle und grausame Jugend. Ich will es. Die Jugend muß alle diese Eigenschaften besitzen. Sie muß dem Leiden gegenüber gleichgültig sein. Sie darf weder schwach noch zärtlich sein. Ich will in ihrem Blick das Funkeln eines wilden Tieres sehen.«

Und der Angeklagte Schirach hat die Ideen des Hitlerismus' methodisch dem Bewußtsein der deutschen Jugend eingeimpft und sie im Sinne der Forderungen Hitlers als Ebenbild der Erzhäuptlinge der Hitler- Bande erzogen.

Im Kreuzverhör mußte der Angeklagte Schirach schließlich zugeben, daß die deutsche Jugend im Sinne der nationalsozialistischen Idee erzogen wurde, daß zu ihrer Erziehung Mitglieder der SA, Offiziere der deutschen Wehrmacht und der SS herangezogen wurden und daß in Hitler-Deutschland die Jugend eine intensive militärische Ausbildung bekam. Zu diesem Zweck wurden zwischen der Reichsführung der Hitler-Jugend und dem OKW, vertreten durch den Angeklagten Keitel und den Reichsführer-SS Himmler, besondere Abkommen getroffen, welche die Erziehung der Jugend im Sinne eines kriegerischen Militarismus und die entsprechende Anwerbung und Vorbereitung der Jugend für die Wehrmacht und die SS vorsahen.

Die Rolle des Angeklagten von Schirach in der allgemeinen Verschwörung und seine Teilnahme an den Kriegsverbrechen und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit wird am besten durch das Verhalten der in der Hitler-Jugend erzogenen deutschen Jugend im Kriege beleuchtet.

Die Sowjetische Anklagebehörde hat dem Gerichtshof in Übereinstimmung mit Artikel 21 des Statuts als Nummer USSR-6 den Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die deutschen Greueltaten in dem Gebiete von Lemberg vorgelegt.

Dieser Bericht enthielt die Mitteilungen der französischen Staatsangehörigen Ida Vasseaux über die bestialische Grausamkeit von Angehörigen der Hitler-Jugend kleinen Kindern gegenüber, die sie als Zielscheibe für Schießübungen benutzten.

Ida Vasseaux hat ihre Aussage in ihren schriftlichen Angaben vom 16. Mai 1946 und in ihrer Antwort auf den ihr vom Verteidiger des Angeklagten Schirach zugestellten Fragebogen vollauf bestätigt.

Überzeugende Aussagen über die Taten der Mitglieder der Hitlerjugend, die der Wehrmacht angehörten, wurden von dem kriegsgefangenen deutschen Soldaten Gerd Knittel gemacht, welcher selbst seit 1938 Mitglied der Hitler-Jugend war und im Jahre 1942, im Alter von 18 Jahren, zum deutschen Heer eingezogen wurde.

Bei der Beschreibung seiner Teilnahme an vielen Verbrechen sagte Gerd Knittel:

»In dem Ort Lischjask steckte unsere Kompanie im Juni 1943 ein Haus mit einer Anzahl Menschen drin an... Alle, die aus dem Haus zu entkommen versuchten, schossen wir nieder, nur eine alte Frau wurde verschont, da sie vor unseren Augen um ihren Verstand kam...«

Für alle diese Verbrechen trägt neben diesem Gerd Knittel und Zehntausenden anderer der Angeklagte von Schirach die Verantwortung.

Selbstverständlich hat Schirach selbst nicht geschossen oder Brandstiftung verübt, aber er war es, der die Waffe in die Hände dieser von ihm moralisch verdorbenen und für jede Greueltat vorbereiteten deutschen Jugend legte.

Das waren jedoch nicht die einzigen Verbrechen, die die Hitlerjugend und der Angeklagte Schirach während des Krieges begangen haben.

Die Hitler-Jugend war aktiv an der Vorbereitung der Angriffskriege beteiligt, indem sie Fünfte Kolonnen in Polen und Jugoslawien schuf, worüber die dem Gerichtshof vorgelegten Berichte der Polnischen und der Jugoslawischen Regierung zeugen.

Die Organisation der Hitler-Jugend war ebenfalls aktiv an den Maßnahmen des Ministeriums für die besetzten Ostgebiete beteiligt, wovon der Bericht des Angeklagten Rosenberg zeugt, der dem Gerichtshof als Nummer 1039-PS vorgelegt wurde. Außerdem hat diese Organisation an der Verschleppung und Versklavung von Kindern aus den besetzten Gebieten im Alter von 10 bis 14 Jahren aktiv teilgenommen. Davon zeugt das dem Gerichtshof unter Nummer 031-PS vorgelegte Dokument.

Während seiner Tätigkeit als Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien nahm Schirach persönlich leitenden Anteil an der Aussiedlung von 60000 Juden aus Wien. Diese wurden in den Konzentrationslagern in Polen umgebracht.

Die von der Anklagebehörde vorgelegten Dokumente – die wöchentlichen Berichte, die Schirach zugingen – stellen fest, daß er über die unzähligen Verbrechen, die von den deutschen Truppen und den Besatzungsbehörden im Osten verübt wurden, insbesondere über das tragische Schicksal der aus Wien verschleppten Zehntausenden von Juden unterrichtet war.

Im Jahre 1940 hat Schirach in einem Telegramm an Bormann als Vergeltung für die Ermordung des Henkers von Böhmen und Mähren, Heydrich, die Zerstörung einer Kulturstadt Großbritanniens durch Bombardierung aus der Luft verlangt.

Allein dieses Telegramm zeigt klar und deutlich die Charakterzüge von Schirachs.

Bis zum Schluß der Hitler-Clique treu, über alle ihre verbrecherischen Aktionen, an denen er selbst teilgenommen hat, unterrichtet, ist der Angeklagte von Schirach eine der unheilvollsten Gestalten des Dritten Reiches.

VORSITZENDER: Wir vertagen uns nun.