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Fritzsche.

Die Rolle des Angeklagten Hans Fritzsche in der gemeinsamen Verschwörung, bei den Kriegsverbrechen und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist zweifellos bedeutender, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag.

Fritzsche war Goebbels' engster Mitarbeiter und hat systematisch, Tag für Tag, eine Tätigkeit ausgeübt, die ein wichtiges Glied in dem allgemeinen verbrecherischen Plan der Verschwörung ist und in wirksamster Weise dazu beigetragen hat, die Verhältnisse zu schaffen, unter denen die zahlreichen Verbrechen der Hitleristen keimen und ausreifen konnten.

Alle Bemühungen des Angeklagten Fritzsche und seiner Verteidigung, seine Bedeutung und Rolle in diesen Verbrechen zu bagatellisieren, sind völlig fehlgeschlagen.

Welche ganz besondere Rolle die Lügenpropaganda im Hitler-Deutschland zu spielen hatte, beschreibt Hitler in seinem Buch »Mein Kampf«.

Er schrieb:

»Damit aber lautet die Frage einer Wiedergewinnung deutscher Macht nicht etwa: ›Wie fabrizieren wir Waffen?‹ sondern: ›Wie erzeugen wir den Geist, der ein Volk befähigt, Waffen zu tragen?‹ Wenn dieser Geist ein Volk beherrscht, findet der Wille tausend Wege, von denen jeder bei einer Waffe endet.«

Ich zitierte von Seite 365 bis 366, 64. Auflage, 1933.

Es war auch kein Zufall, daß auf dem Nürnberger Parteitag im Jahre 1936 folgende Schlagworte verkündet wurden:

»Die Propaganda hat uns zur Macht verholfen. Die Propaganda hilft uns, die Macht zu behalten. Die Propaganda wird uns helfen, die ganze Welt zu erobern.«

Der Angeklagte Fritzsche war zweifelsohne seiner Stellung nach einer der hervorragendsten Propagandisten und einer der bestinformierten Leute in Hitler- Deutschland, da er das besondere Vertrauen von Goebbels besaß.

Wie bekannt, war Fritzsche von 1938 bis 1942 Chef der wichtigsten Abteilung im Propagandaministerium, nämlich der Abteilung »Deutsche Presse«; und von 1942 bis zum Zerfall Hitler-Deutschlands Leiter des deutschen Rundfunknachrichtendienstes.

Als Journalist der reaktionären Presse Hugenbergs erzogen und der faschistischen Partei seit 1933 angehörend, hat Fritzsche als Rundfunkkommentator der Regierung durch seine persönliche Propaganda bei der Verbreitung des Faschismus' in Deutschland und der politischen und moralischen Zersetzung des deutschen Volkes eine bedeutende Rolle gespielt. Darüber haben Zeugen, der frühere Generalfeldmarschall des deutschen Heeres Ferdinand Schörner und der frühere Vizeadmiral der deutschen Marine Hans Voß in ihren schriftlichen Aussagen berichtet.

Die dem Gerichtshof unter Nummer 3064-PS und USSR-496 vorgelegten Texte der Rundfunkansprachen des Angeklagten Fritzsche, die von der britischen Radioabhörstation aufgefangen wurden, bestätigen vollauf diese von der Anklagebehörde gezogenen Schlußfolgerungen.

Die deutsche Propaganda und der Angeklagte Fritzsche persönlich haben von der Provokation, der Lüge und der Verleumdung weitgehenden Gebrauch gemacht. Dabei wurden diese Methoden besonders oft zur Rechtfertigung von Angriffshandlungen seitens Hitler-Deutschlands angewandt.

Bereits in »Mein Kampf« schrieb Hitler auf Seite 302:

»... daß durch kluge und dauernde Anwendung von Propaganda einem Volke selbst der Himmel als Hölle vorgemacht werden kann und umgekehrt das elendste Leben als Paradies....«

Fritzsche erwies sich als der geeignetste Mann, diese schmutzige Rolle zu spielen.

In seiner dem Gerichtshof übergebenen Erklärung vom 7. Januar 1946 hat Fritzsche ausführlich die von der deutschen Propaganda und von ihm selbst weitgehend bei den Angriffen auf Österreich, das Sudetenland, Böhmen und Mähren, Polen und Jugoslawien angewandten Provokationsmethoden beschrieben.

Am 9. April und am 2. Mai 1940 hat Fritzsche über den Rundfunk lügenhafte Erklärungen über die Gründe der deutschen Besetzung Norwegens abgegeben. Er hat erklärt, daß

»... kein Mensch verwundet worden ist, kein Haus zerstört wurde, daß das Leben und die Arbeit normal fortlaufen.«

Demgegenüber heißt es in dem vorgelegten offiziellen Bericht der Norwegischen Regierung:

»Der deutsche Angriff auf Norwegen am 9. April 1940 hat das Land zum erstenmal seit 126 Jahren in einen Krieg gestürzt. Zwei Monate lang wurde im ganzen Land gekämpft, was Zerstörungen mit sich brachte. Mehr als vierzigtausend Häuser wurden beschädigt oder völlig zerstört und zirka tausend Zivilpersonen wurden getötet.«

Eine unverschämte Lüge wurde von der deutschen Propaganda, und zwar durch Fritzsche persönlich, über die Versenkung des britischen Dampfers »Athenia« in die Welt verbreitet.

Aber eine besondere Aktivität hat die deutsche Propaganda bezüglich des verräterischen Angriffs Hitler- Deutschlands gegen die Sowjetunion entwickelt.

Der Angeklagte Fritzsche hat zu behaupten versucht, daß er von dem Angriff auf die Sowjetunion angeblich erst um 5.00 Uhr früh am 22. Juni 1941 erfahren habe, als er zu einer Pressekonferenz zum Reichsaußenminister Ribbentrop zitiert wurde. Über die Angriffsziele dieses Überfalls habe er sogar erst im Jahre 1942 durch seine eigenen Beobachtungen etwas erfahren.

Derartige Behauptungen werden durch Urkundenmaterial, wie zum Beispiel den Bericht des Angeklagten Rosenberg, widerlegt. Dieses Dokument stellt fest, daß Fritzsche bereits lange im voraus über die Vorbereitungen zum Angriff auf die USSR auf dem laufenden war, da er als Vertreter des Propagandaministeriums im Ministerium für die besetzten Ostgebiete an der Ausarbeitung der Propagandamaßnahmen im Osten mitgearbeitet hat.

In seinen Antworten auf die Fragen der Sowjetischen Anklagebehörde im Kreuzverhör hat Fritzsche erklärt, daß, wenn ihm die verbrecherischen Befehle der Hitler-Regierung, von welchen er erst hier vor dem Gerichtshof erfahren habe, bekanntgewesen wären, er Hitler nicht gefolgt wäre. Auch in diesem Falle hat Fritzsche dem Internationalen Militärgerichtshof die Unwahrheit gesagt.

Er mußte zugeben, daß ihm die verbrecherischen Befehle Hitlers zur Vernichtung der Juden und zur Erschießung der Sowjetkommissare bereits im Jahre 1942 bekannt waren. Dennoch ist er auf seinem Posten geblieben und hat seine Lügenpropaganda fortgesetzt.

In seinen Rundfunkreden vom 16. Juni und 1. Juli 1944 hat Fritzsche die Anwendung neuer Waffen durch Deutschland propagiert und mit allen Mitteln versucht, die Wehrmacht und das Volk zum weiteren aussichtslosen Widerstand aufzupeitschen.

Noch kurz vor dem Zusammenbruch Hitler- Deutschlands, und zwar am 7. April 1945, hat Fritzsche über den Rundfunk das deutsche Volk zum weiteren Kampf gegen die alliierten Armeen und zum Eintritt in die »Werwolf«-Organisation aufgerufen.

Somit ist Fritzsche bis zum Schluß dem verbrecherischen Regime Hitlers treu geblieben.

Mit ganzer Seele hat er sich für die Verwirklichung der Faschisten-Verschwörung und all ihrer geplanten und ausgeführten Verbrechen eingesetzt.

Er ist ein aktiver Teilnehmer an allen Hitlerschen Verbrechen und muß für diese die schwerste Verantwortung tragen.

Meine Herren Richter! So stehen diese Angeklagten vor Ihnen als Männer ohne Ehre und ohne Gewissen. Männer, die die Welt in einen Abgrund von Unglück und Leiden gestürzt und über ihr eigenes Volk unermeßliche Not gebracht haben. Politische Abenteurer, die vor keiner Greueltat zurückgeschreckt sind, wenn es galt, ihre verbrecherischen Ziele zu erreichen; erbärmliche Demagogen, die ihre räuberischen Pläne in gleisnerische Lügen kleideten; Henker, die Millionen Unschuldiger ermordeten. Sie haben sich zu einer Verschwörerbande zusammengeschlossen, die Macht ergriffen und die deutsche Staatsmaschinerie zu einem Werkzeug für ihre Verbrechen gemacht.

Nun ist die Stunde der Abrechnung gekommen!

Neun Monate lang haben wir die früheren Herren des faschistischen Deutschlands beobachtet. Im Angesicht des Gerichtshofes ist ihnen auf der Anklagebank ihre laute Arroganz vergangen. Einige von ihnen haben sogar über Hitler den Stab gebrochen. Aber sie werfen Hitler jetzt nicht vor, daß er den Krieg entfesselt hat, nicht den Völkermord und die Ausplünderung anderer Länder; Das einzige, was sie ihm nicht verzeihen können, ist die Niederlage. Zusammen mit Hitler waren sie bereit, Millionen von Menschen zu vernichten, die Elite der ganzen Menschheit zu versklaven, um ihr verbrecherisches Ziel zu erreichen: die Weltherrschaft.

Aber die Geschichte hat anders entschieden: Greueltaten brachten keine Siege. Die freiheitsliebenden Völker haben gesiegt, die Wahrheit hat triumphiert, und wir sind stolz darauf, daß der Internationale Militärgerichtshof das Gericht der siegreichen, gerechten Sache der friedliebenden Völker ist.

Die Verteidiger der Angeklagten sprachen von Humanität. Wir wissen, daß Zivilisation und Humanität, Demokratie und Humanität, Friede und Humanität unzertrennlich sind. Aber als Vorkämpfer der Zivilisation, der Demokratie und des Friedens verwerfen wir eine Humanität, die Rücksicht auf die Menschenschlächter nimmt, aber den Opfern gleichgültig gegenübersteht. Sogar der Verteidiger Kaltenbrunners sprach hier von Nächstenliebe. In Verbindung mit dem Namen und den Taten Kaltenbrunners klingen Worte von Liebe zum Menschen wie eine Lästerung.

Herr Vorsitzender und meine Herren Richter! Mit meiner Rede beschließe ich den Vortrag der Anklage.

Als Vertreter der Völker der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken vor diesem Gerichtshof halte ich alle gegen die Angeklagten erhobenen Vorwürfe für vollauf erwiesen.

Und im Namen der wahren Liebe zur Menschheit, die die Völker erfüllt, welche für die Rettung der Welt, der Freiheit und Kultur die größten Opfer gebracht haben – in Erinnerung an Millionen unschuldiger Menschen, die von dieser Verbrecherbande zugrunde gerichtet worden sind, einer Bande, die heute vor den Richtern der fortschrittlichen Menschheit steht; im Namen des Glücks und der friedfertigen Arbeit kommender Geschlechter beantrage ich, der Gerichtshof möge über alle Angeklagten ohne Ausnahme die Höchststrafe verhängen, die Todesstrafe.

Solch einem Urteilsspruch sieht die ganze fortschrittliche Menschheit mit Genugtuung entgegen.

DER VORSITZENDE, LORD JUSTICE SIR GEOFFREY LAWRENCE: Wir werden uns jetzt mit den Anträgen auf Zeugen und Dokumente des Verteidigers für die SA beschäftigen.

MAJOR J. HARCOURT BARRINGTON, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Hoher Gerichtshof! Anfänglich waren sieben Zeugen für die SA beantragt, vier für die allgemeine SA, zwei für den »Stahlhelm« und einer für das SA- Reiterkorps. Seither ist ein achter Antrag gestellt worden auf einen Zeugen für den »Stahlhelm«, der, wie ich es verstehe, die beiden anderen für den »Stahlhelm« ersetzen soll. Dies würde die Gesamtzahl der Zeugen, die für die SA beantragt sind, auf sechs vermindern.

Alle diejenigen, für die anfänglich Anträge gestellt wurden, sind bereits von der Kommission verhört worden; der zuletzt beantragte Zeuge mit dem Namen Gruß ist noch nicht vor der Kommission vernommen worden. Wenn der Gerichtshof diesen Zeugen genehmigt, müßte er jetzt vor der Kommission vernommen werden.

Ich weiß, daß der Gerichtshof die Empfehlung der Kommission vor sich liegen haben wird, wenn er dies entscheidet. Unter diesen Umständen wünscht die Anklagevertretung nur zu sagen, daß sie gegen diesen Antrag keinen Einwand hat.

VORSITZENDER: Sie meinen, keinen Einwand gegen alle diese Zeugen?

MAJOR BARRINGTON: Keinen Einwand; dieser letzte Zeuge Gruß ist als Ersatz für die beiden anderen »Stahlhelm«-Zeugen Waldenfels und Hauffe gedacht.

VORSITZENDER: Ja, Herr Böhm.

RECHTSANWALT GEORG BÖHM, VERTEIDIGER FÜR DIE SA: Ich habe beantragt zu vernehmen für die SA den Zeugen Jüttner, den Zeugen Bock, die Zeugen Klähn, Schäfer, von der Borch und primär die Zeugen Waldenfels und Hauffe. Der Zeuge Hauffe war beantragt, weil es nicht möglich war, einen an sich vorgesehenen Zeugen nach Nürnberg zu bekommen, und zwar den Zeugen Gruß. Bezüglich des Zeugen Gruß möchte ich beantragen, ihn vor der Kommission zu vernehmen, damit er auch hier vor dem Tribunal vernommen werden kann. Gruß konnte erst vor einigen Tagen geladen werden, obwohl mein Antrag, ihn zu vernehmen, bereits im Mai gestellt worden ist und er zwei Monate lang gesucht werden mußte. Er ist ein wichtiger Zeuge für den »Stahlhelm« in der SA, kennt als Bundeskämmerer im »Stahlhelm« die Verhältnisse in ganz Deutschland, besonders auch für die Zeit nach 1935. Nachdem ich aber den Antrag, den Zeugen hier zu vernehmen, erst stellen kann, wenn der Zeuge vor der Kommission vernommen ist, bitte ich zu gestatten, daß dieser Zeuge vor der Kommission vernommen wird. Es soll deshalb auf den Zeugen Waldenfels nicht verzichtet werden, so daß sich die Situation so gestaltet, daß für die SA nicht sechs sondern sieben Zeugen vernommen werden sollen, wie das ursprünglich auch vorgesehen war.

VORSITZENDER: Gut, wie lauten die Namen? Wie heißen sie?

RA. BÖHM: Jüttner, Bock, Klähn, Schäfer, von der Borch, Waldenfels und Gruß. Ich möchte aber bitten, Herr Vorsitzender, nachdem ich den Umfang der Aussagen des Zeugen Gruß noch nicht kenne, mir die Wahl zu lassen zwischen den beiden Zeugen Gruß und Hauffe. Ich möchte also nach Vernehmung des Zeugen Gruß vor der Kommission mich entschließen können, ob ich neben dem Zeugen Waldenfels den Zeugen Hauffe oder den Zeugen Gruß hier vor Gericht zu vernehmen beantragen werde.

VORSITZENDER: Ist das alles, was Sie sagen wollen, Herr Böhm?

RA. BÖHM: Im Zusammenhang mit den Zeugen schon. Ich möchte aber weitersprechen im Zusammenhang mit dem Dokumentenbuch für die SA, wenn Sie gestatten.

VORSITZENDER: Herr Barrington! Wünschen Sie noch etwas über den Antrag zu sagen, den Herr Böhm jetzt für sieben, nicht für sechs, stellt?

MAJOR BARRINGTON: Die Anklagebehörde glaubt, daß ein Zeuge für den »Stahlhelm« genügen würde, aber Euer Lordschaft wird natürlich die Empfehlung der Kommission erhalten. Sie werden gehört worden sein. Zu der Frage der Wahl zwischen den beiden Zeugen, nachdem Gruß verhört worden ist, würde natürlich kein Einwand erhoben werden.

RA. BÖHM: Herr Präsident! Darf ich dazu erwähnen, daß der »Stahlhelm« in der SA ungefähr der vierte Teil der SA-Angehörigen war. Es waren rund eine Million Menschen, die aus dem »Stahlhelm« in die SA gekommen sind, und ich glaube, der Beweis müßte angesichts der hohen Zahl der Mitglieder durch zwei Zeugen vor Gericht erhärtet werden.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird diese Angelegenheit erwägen. Wollen Sie jetzt zu Ihren Dokumenten gehen?

MAJOR BARRINGTON: Euer Lordschaft! Würde es jetzt passen, wenn ich mit den Dokumenten beginne?

VORSITZENDER: Ja.

MAJOR BARRINGTON: Ein Einverständnis über die Dokumentenbücher ist erreicht worden mit Ausnahme einer Gruppe von fünf Dokumenten, gegen die die Anklagebehörde Einspruch erhebt.

Bevor ich zu dieser Gruppe übergehe, sollte ich erwähnen, daß sich unter den Dokumenten, die auf Grund unserer Übereinkunft ausgeschlossen wurden, eine größere Anzahl Photographien von Mitgliedern der Reiter-SA in Zivil befindet. Die große Mehrzahl dieser Photographien ist ausgeschlossen worden. Einige wurden eingeschlossen. Ich möchte sagen, daß die Photographien zeigen sollten, daß das Ziel des Reiterkorps ausschließlich sportlicher Art ist. Die Anklage gibt natürlich zu, daß das Ziel des Reiterkorps auch ein sportliches war, aber natürlich behauptet die Anklage, es war nicht das einzige Ziel.

Was diese Gruppe von fünf Dokumenten anbetrifft, glaube ich, daß ich mich da kurz fassen kann. Ich habe eine kurze Zusammenfassung vorbereitet, die der Gerichtshof auf der Rückseite dieses Aktenstückes finden wird.

VORSITZENDER: Ja.

MAJOR BARRINGTON: Diese fünf Dokumente sind alle Auszüge aus Schriften englischer Schriftsteller und Publizisten aus der Zeit 1936 bis 1939, und ich glaube, sie stellen die nichtamtlichen Meinungen und Argumente der Autoren dar. Euer Lordschaft, Sie können ungefähr sehen, worüber sie handeln.

Das erste Dokument, SA-236, von Herrn Dawson, »Das 19. Jahrhundert« soll zeigen, daß Hitlers Politik gegenüber den Staatsmännern Europas friedlich und nicht kriegerisch war und daß Hitler Deutschland vor dem Chaos und Zusammenbruch gerettet hat und daß er dasselbe mit seinen Friedensvorschlägen für ganz Europa im Sinne hatte.

Und dann Dokument SA-237 von Dr. A. J. McDonald, das Buch »Warum ich an Hitler-Deutschland und das Dritte Reich glaube«. Er sagt: »Vielleicht ist die beste Garantie für die Stabilität des Hitler-Regimes seine eigene moralische Reinheit und das, was er Deutschland auferlegt hat. Er hat das Problem der Jugend aufgegriffen« und so weiter.

SA-242 ist ein Auszug aus dem »Archiv«. Es zitiert Professor Conwell Evans und wieder Professor Dawson: »Hitlers Zurückziehen von Locarno und die Besetzung des Rheinlandes waren gut.« »Hitlers Friedensvorschläge sind sehr wertvoll.« »Der Versailler Vertrag war ungerecht« und so fort.

SA-246 ist ein anderer Auszug aus dem Buch »Das 19. Jahrhundert« und betont, daß »die Deutschen in Teile ihres eigenen Landes marschieren« und erklärt dies für gerechtfertigt.

SA-247, ein Auszug aus dem Buch von A. P. Lorry »Der Fall für Deutschland«, wo es heißt: »Die Beschwerde, daß Deutschland Gewalt anwendet, ist falsch, und der Angriff auf Österreich kann nicht als Angriff bezeichnet werden.«

Nun, Euer Lordschaft, soweit diese Auszüge Tatsachen beweisen sollen, geben sie ganz klar keinen direkten Beweis von Tatsachen, sondern sie sind nur Folgerungen von Tatsachen, und somit präjudizieren sie die Fragen, die der Gerichtshof selbst entscheiden soll.

Wenn sie andererseits, wie wohl möglich ist, zeigen sollen, daß diese Schriften die SA dazu brachten, das Nazi-Regime als bewunderungswürdig anzusehen oder zu glauben, daß es im Ausland gut angesehen sei, dann möchte ich nur zwei Dinge dazu bemerken: erstens waren dies nichtamtliche Schriftstücke, zweitens ist kein Beweis dafür vorhanden, daß sie überhaupt die SA beeinflußt haben, falls sie gelesen worden sind. Das ist alles, was ich zu sagen habe.

VORSITZENDER: Herr Böhm.

RA. BÖHM: Ich habe ursprünglich nicht vorgehabt, den Inhalt so umfangreich hier vorzutragen, wie es der Vertreter der Anklage gemacht hat. Ich möchte mir nicht zum Vorwurf machen lassen, daß ich möglicherweise nationalsozialistische Propaganda treibe. Aber es handelt sich hier um kurze Zitate aus der englischen und amerikanischen Literatur, die keine Übersetzungsschwierigkeiten bedeuten und aus denen ich auch nicht vorhatte, hier zu verlesen. Ich habe auch nicht vor, im Rahmen der Beweisaufnahme den Inhalt dieser Schriftstücke vorzulegen. Aber ich wollte wenigstens Gelegenheit haben, in meinem Plädoyer darauf zurückkommen zu dürfen. Diese Zitate sind in deutschen Zeitungen erschienen. Sie sind in Sammelwerken, wie zum Beispiel im »Archiv« erschienen und waren auf diese Weise der deutschen Öffentlichkeit zugänglich und auch bekannt. Es ist nicht so, daß diese Ausschnitte jetzt übersetzt und vorher keinem Menschen in Deutschland bekanntwerden konnten. Sie sind im »Völkischen Beobachter« und im »Archiv« erschienen, und es konnte jeder Deutsche sie dort lesen und sie kennenlernen. Sie haben nun einmal ohne Rücksicht auf die Bedeutung der Schriftsteller selbst oder der Leute, die die Ausführungen gemacht haben, in ihrem eigenen Lande für den Deutschen insofern eine Bedeutung, weil es doch Männer sind, die aus führenden Staaten der Welt zu Themen, die in Deutschland akut waren, ihre Stellung dargelegt haben. Und ich würde es bedauern, wenn das Gericht sich nicht entschließen könnte, diese Dokumente mit in mein Dokumentenbuch zu bringen. Denn sie machen wenig Arbeit in der Übersetzung, sind nicht umfangreich und stellen in dieser Richtung kein Hindernis dar.

VORSITZENDER: Sind alle Dokumente übersetzt?

RA. BÖHM: Ich glaube nicht, daß sie bereits übersetzt sind. Eine beträchtliche Anzahl wurde beantragt.

VORSITZENDER: Sind sie sehr lang?

RA. BÖHM: Diese fünf sind nicht sehr lang. Der größte Teil sind kurze Auszüge.

VORSITZENDER: Ich meine nicht die fünf, ich meine die anderen.

MAJOR BARRINGTON: Sie sind verschieden, aber meistens sind es kurze Auszüge.

RA. BÖHM: Von meinem Dokumentenbuch sind die allerwenigsten Dokumente ganz übersetzt worden, sondern nur Auszüge, auf die ich mich im Rahmen der Beweisaufnahme und in meinem Plädoyer besonders stützen werde. Also die gesamte Übersetzung meines Dokumentenbuches wird wenig Arbeit machen, und durch die Dokumente, die ich heute mitübersetzen lasse, entstehen ganz bestimmt keine besonderen Schwierigkeiten.

VORSITZENDER: Wünschen Sie noch etwas zu bemerken, Herr Böhm?

RA. BÖHM: Herr Präsident! Ich habe bedauerlicherweise noch einen Antrag zu stellen, den ich mir lieber erspart hätte. Aber die Verhältnisse liegen so, daß er gestellt werden muß. Ich bitte nämlich, die Zeugen Fust, Lucke, Waldenfels, von Alvensleben, Dr. Geyer und Dr. Meder noch vor der Kommission vernehmen zu dürfen. Diese Zeugen wurden von mir beantragt, der Zeuge Fuß am 25. April, der Zeuge Lucke am 7. Mai, der Zeuge Waldenfels am 21. Mai, der Zeuge von Alvensleben am 20. Mai, der Zeuge Dr. Geyer am 25. April und der Zeuge Dr. Meder am 25. April dieses Jahres. Diese Zeugen sind wichtige Zeugen, und wenn ich nur ein Beispiel sagen darf, die Einvernahme der Zeugen Fuß und Lucke würde eine Widerlegung eines der bedeutendsten Dokumente in diesem Prozeß bedeuten, des Dokuments 1721-PS, in dem der Brigade 50 der Vorwurf gemacht wird, daß von dem Brigadeführer an den Gruppenführer Vollzugsmeldung erstattet wurde über ungefähr 38 Synagogen, die niedergebrannt worden sind. Auch die anderen Zeugen, über deren Beweisthemen ich mir jetzt zur Abkürzung des Verfahrens weitere Ausführungen erspare und die zu vernehmen mir auch Oberst Neave zugesagt hat, sind noch nicht gekommen. Ich glaube, gestern gehört zu haben, daß Dr. Geyer vor einigen Tagen gekommen sein soll. Die Beweisthemen für die Zeugen sind wichtig, und die Zeit für die Einvernahme vor der Kommission wird ganz kurz sein. Ich kann auf diese Zeugen, die ich im übrigen seit dem Tage der Antragstellung auf ihre Einvernahme in jeder Woche gemahnt habe, unmöglich verzichten; die Zeugen müssen gehört werden, und ich glaube auch, daß sie beigebracht werden können, noch so, daß sie innerhalb der Beweisaufnahme dieses Prozesses vernommen werden können.

VORSITZENDER: Wieviel Zeugen verlangen Sie?

RA. BÖHM: Sieben Zeugen, die vor der Kommission vernommen werden sollen, nein sechs Zeugen.

VORSITZENDER: Wie viele haben Sie schon vor der Kommission verhört? Man sagt mir 16, stimmt das?

RA. BÖHM: 16. Ich kann die genaue Zahl aber noch nicht angeben, bin aber bereit, sie alsbald festzustellen.

VORSITZENDER: Wie viele sind nach Nürnberg gebracht worden, um von Ihnen verhört zu werden?

RA. BÖHM: Die Zeugen, die nach Nürnberg gekommen sind, um von mir verhört zu werden, waren zum größten Teil falsche Zeugen. Eine Reihe von Zeugen mußten zwei- oder dreimal hierherkommen, um dann endlich den richtigen zu bekommen, wie zum Beispiel der Zeuge Wolff.

VORSITZENDER: Ich fragte wie viele.

RA. BÖHM: Insgesamt, alle Zeugen, die gekommen sind, nur um eine eidesstattliche Versicherung abzugeben oder nur die Zeugen, die vor der Kommission vernommen worden sind?

VORSITZENDER: Wie viele Zeugen sind hierhergebracht worden? Wie viele Personen sind nach Nürnberg gebracht worden, um vernommen zu werden?

RA. BÖHM: Herr Präsident! Ich glaube, da liegt eine Sache dazwischen, die erst einer Erklärung bedarf. Hierher sind Zeugen gekommen, um vor der Kommission beziehungsweise vor dem Gericht vernommen zu werden. Es sind aber auch Zeugen hierhergekommen, nur zu dem Zweck, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben über irgendein Thema, über einen Beweis, der wichtig erschien. Also Zeugen, die nicht eigentlich vor der Kommission oder vor dem Tribunal gehört zu werden brauchten. Diese Zeugen sind wieder weggeschickt worden, nachdem sie eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatten.

VORSITZENDER: Ich frage Sie, wie viele? Wie viele? Können Sie nicht antworten?

RA. BÖHM: Insgesamt? Mich würde interessieren, ob die Frage abgestellt ist auf die Leute, die vor der Kommission vernommen worden sind, oder auf alle Zeugen, die hierhergekommen sind.

VORSITZENDER: Gut, von den Leuten, die hierhergekommen sind, sind einige vor der Kommission vernommen worden, andere haben Affidavits abgegeben, andere wieder haben vielleicht weder das eine noch das andere gemacht. Ich möchte wissen, wie viele insgesamt?

RA. BÖHM: Ich glaube 16. Alle kann ich sie nicht genau angeben, weil ich sie nicht alle vernommen habe. Ich bitte, mir die Möglichkeit zu geben, dies nach der Pause feststellen zu können.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird jetzt eine Pause einschalten.