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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

Wollen Sie Ihren nächsten Zeugen rufen, Dr. Servatius?

DR. SERVATIUS: Ich rufe dann mit Erlaubnis des Gerichts den nächsten Zeugen, Wegscheider, einen Ortsgruppenleiter.

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte Ihren vollen Namen angeben?

ZEUGE HANS WEGSCHEIDER: Hans Wegscheider.

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte den folgenden Eid wiederholen: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Wann sind Sie geboren?

WEGSCHEIDER: Am 30. Oktober 1885.

DR. SERVATIUS: Sie waren zwölf Jahre Ortsgruppenleiter auf dem Lande, und zwar von 1933 bis 1945 in Hirschdorf bei St. Lorenz?

WEGSCHEIDER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Das ist im Kreise Kempten-Allgäu?

WEGSCHEIDER: Nein, das ist im Kreise Kempten- Land.

DR. SERVATIUS: Und Sie waren dort auch Bürgermeister seit 1933?

WEGSCHEIDER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Sie waren zugleich Schmiedemeister und Tierheilkundiger?

WEGSCHEIDER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Und sind als solcher viel im Allgäu herumgekommen?

WEGSCHEIDER: Ja.

DR. SERVATIUS: Haben Sie dadurch einen großen Überblick über die Verhältnisse bei den anderen Ortsgruppen im Allgäu?

Bitte eine Pause zu machen, damit übersetzt werden kann, und dann erst zu antworten.

WEGSCHEIDER: Ja, ich kannte die 36 Ortsgruppen in unserem Kreis Kempten-Land so ziemlich genau.

DR. SERVATIUS: Wieviel Menschen waren das etwa?

WEGSCHEIDER: Es waren ungefähr 40000 Einwohner.

DR. SERVATIUS: Wann sind Sie in die Partei eingetreten?

WEGSCHEIDER: Am 28. März 1933.

DR. SERVATIUS: Wie wurden Sie Ortsgruppenleiter?

WEGSCHEIDER: Anläßlich der Gründungsversammlung der Ortsgruppe wurde ich am 28. März 1933 zum Ortsgruppenleiter bestimmt.

DR. SERVATIUS: Wurden Sie vereidigt?

WEGSCHEIDER: Ja, ich wurde als Ortsgruppenleiter einmal vereidigt.

DR. SERVATIUS: Sie haben vor der Kommission gesagt, daß Sie in den zwölf Jahren zwölfmal vereidigt worden seien. Ist das ein Irrtum?

WEGSCHEIDER: Das ist ein Irrtum.

DR. SERVATIUS: Wie wurden Sie Ortsbürgermeister?

WEGSCHEIDER: Im Monat April 1933 wurde der neue Gemeinderat aufgestellt, und ungefähr Ende dieses Monats erfolgten innerhalb des Gemeinderats die Bürgermeisterwahlen, und damals hatte ich nicht nur die Stimmen der NSDAP, sondern auch vier Stimmen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und eine Stimme der Bayerischen Volkspartei auf meine Person vereinigt, und somit wurde ich Bürgermeister.

DR. SERVATIUS: Bekamen Sie als Ortsgruppenleiter ein Gehalt?

WEGSCHEIDER: Nein.

DR. SERVATIUS: Wie war das bei den anderen Ortsgruppenleitern, die nicht nebenbei Bürgermeister waren?

WEGSCHEIDER: Die bekamen auch kein Gehalt.

DR. SERVATIUS: Aus welchem Grund wurde das Amt des Ortsgruppenleiters und des Bürgermeisters in einer Hand vereinigt?

WEGSCHEIDER: Im Kreis Kempten-Land waren es eben nur Bauerngemeinden, Landgemeinden, und da fehlte wohl die geeignete Persönlichkeit, und so war es eben, daß in zehn Gemeinden unseres Kreises Bürgermeister und Ortsgruppenleiter in einer Person vereinigt waren, und es war letzten Endes zweckmäßiger.

DR. SERVATIUS: Wie setzte sich Ihre Ortsgruppenleitung zusammen?

WEGSCHEIDER: Erstens der Ortsgruppenleiter, dann Propaganda und Organisation, dann Kassenleiter, ein Presseamtsleiter, später ein Hilfsstellenleiter, dann zwei Zellen- und ungefähr acht Blockleiter.

DR. SERVATIUS: Was war die Tätigkeit der Block- und Zellenleiter?

WEGSCHEIDER: Die Tätigkeit unserer Zellenleiter aus den kleinen Landgemeinden hatte sich als ein Leerlauf erwiesen, so daß sie wohl in den meisten Ortsgruppen wieder abgeschafft worden sind, während die Tätigkeit der Blockleiter als rein technisch betrachtet werden kann. Sie hatten tatsächlich nur Mithilfearbeit geleistet.

DR. SERVATIUS: Haben Sie die Block- und Zellenleiter als Politische Leiter angesehen und als Hoheitsträger?

WEGSCHEIDER: Nein. Nachdem doch die Arbeit der Blockleiter auf den kleinen Landgemeinden draußen politisch bedeutungslos war, konnten sie doch nicht als Hoheitsträger bezeichnet werden.

DR. SERVATIUS: Warum sind Sie in die Partei eingetreten, und wann haben Sie das Amt als Ortsgruppenleiter übernommen?

WEGSCHEIDER: Wohl seit dem Jahre 1929 und in den folgenden Jahren 1930/1931/1932 habe ich, nachdem ich von Beruf Schmiedemeister bin und mit den Bauern doch aufs engste verbunden war, mit eigenen Augen gesehen, wie der Niedergang der deutschen Landwirtschaft von Jahr zu Jahr schlimmer wurde. Bei uns auf dem Lande im Allgäu waren wir wohl zum größten Teil dem Bayerischen Bauernbund angeschlossen. Ein anderer Teil, die wenigeren, waren bei der Bayerischen Volkspartei und die wenigen Arbeiter, die eben vorhanden waren, in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und ein kleinerer Teil in der Kommunistischen Partei.

DR. SERVATIUS: Wir wollen Ihre persönlichen Gründe für Ihren Eintritt hören.

WEGSCHEIDER: Ich habe den Niedergang, wie ich schon betont habe, in meiner eigenen Gemeinde am eigenen Leibe verspürt.

DR. SERVATIUS: Es waren also soziale Gründe?

WEGSCHEIDER: Rein soziale Gründe.

DR. SERVATIUS: Wie war die Einstellung der anderen Politischen Leiter im Allgäu? Hatten diese andere Gründe für den Beitritt, etwa Kampf gegen die Juden oder Gewinnung von Lebensraum?

WEGSCHEIDER: Die Not war in allen Landgemeinden gleich groß, und so dürfte wohl die Einstellung die gleiche gewesen sein.

DR. SERVATIUS: Wie war die Einstellung des Kreisleiters und des Gauleiters?

WEGSCHEIDER: Gauleiter und Kreisleiter waren beide Patrioten und sahen wohl ihre Tätigkeit und ihre Arbeit in der Partei zugunsten und zum Wohle unseres Volkes und unseres Vaterlandes.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Im Parteiprogramm waren aber doch auch andere Ziele aufgestellt als rein soziale, so die Lösung der Judenfrage. Wie standen die Politischen Leiter dazu?

WEGSCHEIDER: Nachdem in unserem Kreis Kempten-Land keine jüdischen Geschäfte waren und somit auch keine jüdischen Personen wohnten, war die Frage bei uns nicht brennend und ist kaum in Erwägung gekommen.

DR. SERVATIUS: Gab es nicht jüdischen Viehhandel?

WEGSCHEIDER: Auf dem Lande nicht. Es war nur in der Stadt Kempten eine Großviehhandlung, die Viehhandlung Gebrüder Loew, und dort betätigten sich unsere Bauern hauptsächlich mit Viehkauf und Viehtausch.

DR. SERVATIUS: Wurde dagegen nicht vorgegangen und Stimmung gemacht?

WEGSCHEIDER: Nein, noch lange Zeit nach der Machtübernahme tätigten unsere Bauern dort bei diesem Großviehhandelsgeschäft ihre Einkäufe.

DR. SERVATIUS: Im Parteiprogramm wurde doch auch Siedlungsraum gefordert. Konnte das nur durch Eroberung geschehen? Bekamen Sie Anweisungen, die auf eine Kriegsvorbereitung hingingen?

WEGSCHEIDER: Solche Anweisungen habe ich keine erhalten, und wir auf dem Lande sahen wohl in der Siedlungs- und Raumfrage die Rückgewinnung unserer Kolonien und waren der felsenfesten Meinung und Überzeugung, daß dies wohl auf gütlichem Wege vor sich gehen könnte.

DR. SERVATIUS: Sahen die Politischen Leiter nicht auch, daß große Aufrüstung betrieben wurde?

WEGSCHEIDER: Von einer Aufrüstung konnten wir auf dem Lande wenig bemerken. Lediglich beim Besuch unserer Reichsparteitage...ich weiß das Jahr nicht mehr genau... haben wir gesehen, daß etwas mehr Flugzeuge und etwas mehr Tanks vorhanden waren. Wir kamen da zu der Überzeugung, daß ein Land wie Deutschland und ein Volk wie das deutsche zum inneren Aufbau wohl seine Grenzen beschützen muß und sahen diese Aufrüstung als ein notwendiges Übel.

DR. SERVATIUS: Gab es nicht Ziele, die nur durch Angriffskriege zu erreichen waren, wie die Parole »Los von Versailles« und »Zusammenschluß aller Deutschen«?

WEGSCHEIDER: Auch dieser Punkt des Programms wurde bei uns besprochen, und wir sahen diesen Zusammenschluß aller deutschsprechenden Völker auf dem Gebiete der Volksabstimmung und des Selbstbestimmungsrechts der deutschsprechenden Völker.

DR. SERVATIUS: Gab es nicht bald Mißstimmung und Differenzen mit der Kirche wegen der Haltung der Partei in der Kirchenfrage? Es kam ja zu Angriffen auf die Kirche.

WEGSCHEIDER: Nein, bei uns auf dem Lande nicht, schon ganz besonders deshalb nicht, weil wir keinen Unterschied bei den Parteigenossen, Ortsgruppenleitern und Blockleitern kannten, ob diese katholisch seien oder nicht. Wir sind in die Kirche gegangen, und ganz besonders in meiner Ortsgruppe war ich selbst mit meinen acht Politischen Leitern in dem Kirchenchor tätig. Auch die übrigen Kirchenmusiker und Sänger – es dürften wohl im ganzen ungefähr 30 gewesen sein – waren zum Teil Parteigenossen und Parteigenossinnen oder gehörten einer Gliederung, NS-Frauenschaft, BDM und Hitler-Jugend an, und so wie es in meiner Gemeinde war, so dürfte es auch mehr oder weniger in den anderen Gemeinden gewesen sein.

DR. SERVATIUS: Protestierten nicht die Geistlichen wegen des Vorgehens der Partei in der Judenfrage? Und führte dies nicht zu Streitigkeiten?

WEGSCHEIDER: Wie ich schon erwähnt habe, waren keine Juden bei uns auf dem Lande ansässig. Also folglich wurde diese Angelegenheit bei uns kaum behandelt.

DR. SERVATIUS: Gab es keine Unruhe wegen der Festnahme politischer Gegner und deren Verbringung ins Konzentrationslager?

WEGSCHEIDER: In unserem Kreis Kempten-Land ist mir nicht bekannt, daß irgend jemand ins Konzentrationslager gekommen wäre. Lediglich in meiner Gemeinde, es mag wohl sofort nach der Machtübernahme gewesen sein, wurden zwei Personen nach Dachau eingeliefert. Auf welche Veranlassung und aus welchem Grunde wußte ich nicht, weil ich ja damals nicht Ortsgruppenleiter und auch nicht Bürgermeister war. Ich bin lediglich auf diese Angelegenheit aufmerksam gemacht worden, als im Jahre 1933 eine Frau, die Frau Bär von Rottach bei Kempten, zu mir gekommen ist und mich gebeten hat, ich möchte doch für ihren Mann, der schon einige Monate in Dachau sitzt, ein Gesuch machen, nachdem sie selbst ihren großen Gemüsegarten...

DR. SERVATIUS: Sie brauchen das nicht in Einzelheiten zu erzählen. Sagen Sie, was Sie unternommen haben, was für Auskünfte Sie gegeben haben.

WEGSCHEIDER: Ich habe eine Eingabe gemacht und hörte dann verschiedene Monate nichts mehr.

DR. SERVATIUS: Ist der Mann herausgekommen?

WEGSCHEIDER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Haben Sie mit ihm gesprochen?

WEGSCHEIDER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Und was hat er gesagt?

WEGSCHEIDER: Er hat gesagt: »Es ist mir ganz ordentlich gegangen, die Verpflegung war gut und die Behandlung auch.«

DR. SERVATIUS: War der Kreisleiter und der Gauleiter mit dieser wenig aktiven Einstellung einverstanden, oder verlangte er scharfe Maßnahmen gegen alle, die nicht Parteimitglieder waren oder andere Interessen hatten als die Partei?

WEGSCHEIDER: Gauleiter und Kreisleiter waren beide so eingestellt. Beide haben scharfe Maßnahmen abgelehnt und beide, Gauleiter und Kreisleiter, haben immer bei Tagungen wiederholt uns klargemacht, daß wir durch gutes Beispiel die Liebe und das Vertrauen der Bevölkerung erlangen müßten.

DR. SERVATIUS: Wurden bei Ihnen nicht SA- und SS-Verbände gebildet, damit diese die politischen Gegner terrorisieren könnten?

WEGSCHEIDER: Nein, es gab nur wenige Gruppen von SA-Leuten, die in den Gemeinden draußen vorhanden waren. Sie waren in Stürmen in der Stadt Kempten verankert, soweit sie in der Nähe lagen, und die weit abgelegenen Gemeinden wurden irgendwie, zum Beispiel in Obergünzburg, zu kleinen Stürmen zusammengezogen. Ihre Tätigkeit war rein propagandistisch.

DR. SERVATIUS: Gab es einen Verband der SS?

WEGSCHEIDER: In Kempten existierte ein kleiner SS-Reitersturm. Man kann eigentlich nicht Sturm sagen. Diese Truppe hatte nur ungefähr acht bis zehn Pferde und diente ebenfalls propagandistischen Zwecken.

DR. SERVATIUS: Wurden Sie nicht durch die Parteipresse über weitgehende Forderungen der Partei unterrichtet, so in der Judenfrage durch den »Stürmer« oder in anderen Fragen durch das »Schwarze Korps«? Sie kennen diese beiden Zeitungen?

WEGSCHEIDER: Diese beiden Zeitungen sind in diesem Punkt des Parteiprogramms weit über die Ziele hinausgestoßen. Im Parteiprogramm war nur einzig und allein verlangt, die Juden aus den maßgebenden Stellen herauszuholen und herauszunehmen. Im übrigen wurden diese Blätter auf dem flachen Lande kaum gelesen.

DR. SERVATIUS: Mußten Sie sich nicht sagen, daß eine solche Tätigkeit zum Angriffskriege führen würde und zu Kriegsverbrechen, wie sie heute hier Gegenstand der Anklage sind?

WEGSCHEIDER: Nein. Diese Tätigkeit, die man als Ortsgruppenleiter oder als Blockleiter auf den Landgemeinden, draußen auf dem Lande hatte, war doch so, daß sie kaum zu irgendeiner solchen Vermutung Anlaß geben konnte. Unsere Arbeit war doch rein sozialistisch.

DR. SERVATIUS: Im Kriege sind bezüglich des Lynchens von notgelandeten Fliegern Weisungen gegeben worden. Durch ein Schreiben Bormanns und Goebbels' sind Weisungen gegeben worden über Rundfunk und Presse. Sind Ihnen entsprechende Weisungen von den Kreisleitern bekanntgegeben worden?

WEGSCHEIDER: Solche Weisungen habe ich nie in die Hände bekommen.

DR. SERVATIUS: Sind in Ihrem Bereich Flieger notgelandet und gelyncht worden?

WEGSCHEIDER: Nein.

DR. SERVATIUS: Was ist dann mit ihnen geschehen?

WEGSCHEIDER: Ich hatte selbst Gelegenheit, einen abgesprungenen amerikanischen Flieger, der ungefähr 100 Meter hinter meinem Haus niederging, hereinzuholen. Ich habe denselben hereingeholt, habe ihn verpflegt und schon nach einer kurzen Zeit, ungefähr nach einer Viertelstunde, ist er von der Gendarmerie Kempten per Auto abgeholt worden. Ferner wurden im Monat März 1945 – ich weiß den Tag nicht mehr genau – vier amerikanische Kriegsgefangene, die im Lager Eidrunk bei Kaufbeuren entwichen sind, von einem Landwachtposten, der auf der Brücke, auf der Illerbrücke in Hirschdorf stand, nach 12.00 Uhr aufgefangen und bei mir abgeliefert.

DR. SERVATIUS: War das die allgemeine Auffassung dieser Frage und das praktische Vorgehen in Ihrem Bereich Allgäu?

WEGSCHEIDER: Das war allgemein; denn die Bevölkerung des Allgäus ist doch gut katholisch, und wir alle waren doch der Ansicht, daß solche Kriegsgefangene tatsächlich als Kriegsgefangene behandelt werden müßten.

DR. SERVATIUS: In Ihrer Ortsgruppe und in Ihrem Kreis waren ausländische Arbeiter beschäftigt. Haben Sie Anweisungen über die Behandlung dieser Arbeiter erhalten, die menschenunwürdig waren?

WEGSCHEIDER: Solche Anweisungen habe ich eigentlich nicht erhalten, denn die ganze Einweisung dieser ausländischen Arbeiter – es waren dies ungefähr 60 polnische und ukrainische Zivilarbeiter –, diese Arbeit hatte der Ortsbauernführer durchzuführen, und bei uns war es so, daß in solchen Fragen und solchen Angelegenheiten immer der Bauernführer diese Sachen mit nur durchgesprochen hat.

DR. SERVATIUS: Hatten Sie nicht davon gehört, daß diese Arbeiter im Stall schlafen sollten und dort auch ihr Essen bekommen sollten?

WEGSCHEIDER: Von einer Anweisung, daß diese Arbeiter im Stall schlafen sollten und dort ihr Essen bekommen sollten, ist mir nichts bekannt. Lediglich ist vom Arbeitsamt jedem einzelenen polnischen Arbeiter ein Zettel mitgegeben worden, der dem Bauern auszuhändigen war und auf dem stand, daß diese polnischen Arbeiter nicht am Tisch des Bauern essen sollten und daß sie zu einer gewissen Zeit zu Hause sein müssen. Bei der Rücksprache damals mit dem Bauernführer habe ich zu ihm gesagt, diese Sache ist bei uns im Allgäu bei den Bauern nicht durchzuführen. Wenn der betreffende ausländische Arbeiter sich anständig aufführt und die Arbeit bei den Bauern wie ein deutscher Arbeiter ausführt, so soll er auch die gleichen Rechte eines deutschen Arbeiters genießen.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! War denn nicht das, was man sonst bei den Bauern über die Partei im Reich erfuhr, so, daß man gern von vielen Punkten abgerückt wäre, insbesondere im Kriege?

WEGSCHEIDER: Nein, das habe ich tatsächlich nicht gemerkt, denn wir glaubten doch auf dem Lande draußen alle an die Friedensliebe des Führers, nachdem wir doch selbst wußten, daß Hitler den ganzen Weltkrieg in all seinen Schrecken selbst mitgemacht hat und waren von dem Friedenswillen, wie es uns immer gesagt worden ist, überzeugt.

DR. SERVATIUS: Sie bestreiten also, daß die Politischen Leiter in Ihrem Bereich sich bewußt an einer Verschwörung zur Terrorisierung der Bevölkerung zwecks Führung eines Angriffskrieges und zur Begehung von Kriegsverbrechen beteiligt haben?

WEGSCHEIDER: Nein, das war nicht der Fall.

DR. SERVATIUS: Wenn heute hier eine Anklage erhoben ist, daß diese Politischen Leiter in Ihrem Bereich verbrecherisch sein sollen, geben Sie das zu?

WEGSCHEIDER: Nein, also das war nicht der Fall.

DR. SERVATIUS: Ich habe keine Frage mehr an diesen Zeugen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich habe zwei Dokumente, über die ich mit Erlaubnis des Gerichtshofs vielleicht einige kurze Fragen stellen möchte. Das erste ist EC-68, US-205, das der Gerichtshof auf Seite 21 seines Dokumentenbuches finden wird.

Zeuge! Ich möchte Sie etwas über die Bauernführer in Ihrem Stabe fragen. Der Bauernführer war doch einer der sogenannten unpolitischen Politischen Leiter. Nicht wahr? Können Sie mich hören?

WEGSCHEIDER: Ich verstehe Sie nicht.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Können Sie mich jetzt hören?

WEGSCHEIDER: Ein wenig besser.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich frage Sie nochmals: War der Bauernführer im Stabe des Gauleiters, Kreisleiters und Ortsgruppenleiters einer der sogenannten unpolitischen Politischen Leiter, die angeblich nur sachverständige Berater waren?

WEGSCHEIDER: Ja, der Ortsbauernführer war nur indirekt im Ortsgruppenstab tätig.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich möchte Sie bitten, dieses Dokument anzusehen und mir zu erklären, welche Rolle der sogenannte Sachverständige in Verbindung mit der Sklavenarbeit gespielt hat. Sehen Sie das Dokument? Es ist ein Rundschreiben an alle Kreisbauernschaften. Sehen Sie das?

WEGSCHEIDER: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Und es war doch die Pflicht des Kreisbauernführers, alle Anweisungen, die er hinsichtlich der Fremdarbeiter erhielt, dem Kreisleiter mitzuteilen, nicht wahr?

Zeuge! Seien Sie so freundlich, meine Frage zu beantworten! War es nicht Pflicht des Kreisbauernführers, Anweisungen und Befehle, die sich auf die Fremdarbeiter bezogen, seinem Kreisleiter mitzuteilen?

WEGSCHEIDER: Das glaube ich nicht. Ich glaube, daß es im eigenen Ermessen des Kreisleiters oder beziehungsweise des Kreisbauernführers gelegen war und daß man Dinge, die irgendwie nicht durchführbar waren, nicht bekanntgegeben hat.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wollen Sie dem Gerichtshof wirklich sagen, daß der Sachverständige, dessen Pflicht es war, den Kreisleiter zu beraten, ihn auf dem laufenden zu halten und ständig alles mit ihm zu besprechen, seinen Kreisleiter niemals auf die Weisungen, die er hinsichtlich der ausländischen Arbeiter erhielt, aufmerksam gemacht habe?

WEGSCHEIDER: Ich muß erwähnen, daß ich immer schlecht höre.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich bin aber überzeugt, daß Sie mich deutlich genug hören, um mir zu antworten.

WEGSCHEIDER: Ja, jetzt höre ich besser.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Lassen wir diese Angelegenheit beiseite; wir wollen nur sehen, welche Rolle dieser sogenannte unpolitische Sachverständige selbst spielen sollte. Sehen Sie sich zuerst einmal an:

»Mit Genugtuung haben die Dienststellen des Reichsnährstandes – Landesbauernschaft Baden – das Ergebnis der Verhandlungen beim Höheren SS- und Polizeiführer am 14. 2. 1941 in Stuttgart aufgenommen.«

Haben Sie die Stelle gefunden?

WEGSCHEIDER: Hier?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Haben Sie nun die Stelle, aus der hervorgeht, daß die Dienststellen des Reichsnährstandes, Landesbauernschaft Baden, mit Genugtuung das Ergebnis der Verhandlung beim Höheren SS- und Polizeiführer am 14. Februar 1941 in Stuttgart aufgenommen haben, gefunden?

WEGSCHEIDER: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Sehen wir uns einmal an, welches Ergebnis die Dienststellen des Reichsnährstandes mit so großer Genugtuung aufgenommen haben. Aus dem Dokument geht hervor, daß die polnischen Arbeiter keine Erlaubnis hatten, sich zu beschweren, sie hatten also nicht das Recht dazu. Die Punkte Nummer 2, 3 und 4 sind weniger wichtig, Punkt Nummer 5: keine wie auch immer geartete Unterhaltung; Nummer 6: kein Besuch von Gaststätten, kein Geschlechtsverkehr, keine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, keine Erlaubnis, die Arbeitsstelle zu wechseln. In keinem Falle wird die Erlaubnis zum Verlassen des Dorfes erteilt, keinesfalls wird ihnen erlaubt, eine Dienststelle eigenmächtig zu besuchen, sei es ein Arbeitsamt oder die Kreisbauernschaft. Warum wurde ihnen der Besuch der Kreisbauernschaft verboten?

WEGSCHEIDER: Ich stelle fest, daß dieses Schreiben aus Karlsruhe ist, also aus einem ganz anderen Gau. Diese Maßnahmen waren bei uns alle nicht befohlen oder nicht in so großem und so starkem Ausmaß. Tatsächlich, jawohl, die ausländischen Arbeiter mußten im Sommer um 9.00 Uhr zu Hause sein, im Winter um 8.00 Uhr...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das interessiert uns nicht. Wollen Sie behaupten, die Behandlung der Fremdarbeiter sei in Ihrem Gau anders als die Behandlung der Fremdarbeiter in Baden oder Karlsruhe gewesen und die Bauernführer dieser beiden Gaue hätten verschiedenartige Aufgaben durchgeführt?

WEGSCHEIDER: Ja.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Nun gut, wir wollen jetzt einmal genau sehen, was die Bauernführer in Karlsruhe durchgeführt haben.

VORSITZENDER: Oberstleutnant Griffith-Jones! Ist das bereits als Beweismittel vorgelegt worden?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ja.