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[Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

DR. SERVATIUS: Ich rufe dann als nächsten Zeugen mit Erlaubnis des Gerichts den Dr. Hirth, einen Blockleiter.

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte Ihren vollen Namen angeben?

ZEUGE DR. ERNST HIRTH: Dr. Ernst Hirth.

VORSITZENDER: Wollen Sie mir folgenden Eid nachsprechen: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Wann sind Sie geboren?

HIRTH: Am 25. Juni 1896.

DR. SERVATIUS: Sie befinden sich auf freiem Fuß?

HIRTH: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Sie sind Landgerichtsrat und waren während des Krieges, von 1942 bis 1945, Kriegs-Blockleiter hier in Nürnberg?

HIRTH: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Haben Sie über Ihren Block hinaus Kenntnis über die Stellung und die politische Betätigung von Block- und Zellenleitern?

HIRTH: Ja, ich hatte Fühlung mit einer Reihe anderer Block- und Zellenleiter und bekam auch als Richter dazu noch Einsicht in diese Tätigkeit mancher Block- und Zellenleiter.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Wollen Sie auf meine Frage nicht sofort antworten, sondern eine Pause eintreten lassen, damit die Übersetzung erfolgen kann!

Wurden Sie durch die Übernahme des Amtes als Blockleiter im Kriege ein Politischer Leiter?

HIRTH: Das bin ich niemals geworden.

DR. SERVATIUS: Sie müssen warten, solange das rote Licht brennt.

HIRTH: Nein, das bin ich niemals geworden. Wir wurden nur mit den Arbeiten betraut, die mit diesem Amt zusammenhingen.

DR. SERVATIUS: Gab es viele solche Block- und Zellenleiter im Kriege, die keine Politischen Leiter waren?

HIRTH: Die Mehrzahl dieser Block- und Zellenleiter, die während des Krieges beauftragt wurden, waren nicht Politische Leiter, denn sie wurden nicht vom Kreisleiter ernannt oder bestätigt, bekamen keinerlei Ausweis und hatten kein Uniformrecht.

DR. SERVATIUS: Übernahmen die Block- und Zellenleiter ihr Amt freiwillig?

HIRTH: Die überwiegende Mehrzahl der Block- und Zellenleiter übernahm während des Krieges ihr Amt nicht freiwillig.

DR. SERVATIUS: Wie war es im Frieden?

HIRTH: Im Frieden wird wohl der größere Teil der Block- und Zellenleiter diese Tätigkeit freiwillig übernommen haben.

DR. SERVATIUS: War nicht jedes Parteimitglied verpflichtet, ein solches Amt anzunehmen, und verstehen Sie darunter den Ausdruck, daß sie nicht freiwillig kamen?

HIRTH: An sich war jedes Parteimitglied verpflichtet, in der Partei oder für die Partei zu arbeiten; aber im Frieden konnte man es sehr wohl fertig bringen, sich von der Übernahme eines Amtes fernzuhalten. Das war aber im Kriege in den allermeisten Fällen unmöglich. Eine Reihe von Block- und Zellenleitern war zur Wehrmacht eingerückt. Der Ortsgruppenleiter befahl dem einzelnen Parteigenossen, der noch verschont geblieben war, die Übernahme dieses oder jenes Amtes. Man konnte da ohne entsprechende Konsequenzen nicht ausweichen.

DR. SERVATIUS: Warum lehnten die Parteimitglieder die Übernahme solcher Ämter häufig ab?

HIRTH: Ja, eine solche Tätigkeit die verursachte zusätzlich vielfach erhebliche Arbeit, und während des Krieges war jeder arbeits- und einsatzfähige Mann auch hauptberuflich schon zusätzlich sehr stark belastet.

DR. SERVATIUS: Waren es nicht auch politische Gründe, die zur Ablehnung führten?

HIRTH: Ja, ein großer Teil der Leute, welchen die Übernahme eines solchen Amtes zugemutet wurde, die waren eben mit verschiedenen Maßnahmen und Praktiken der Partei, besonders während des Krieges, immer weniger einverstanden.

DR. SERVATIUS: Was war die Aufgabe der Politischen Leiter?

HIRTH: Die Aufgaben der Kriegs-Block- und -Zellenleiter waren in erster Linie und überwiegend rein sozialer Natur. Neben Kassierdiensten, Botengängen war es in erster Linie Aufgabe der Blockleiter, die Bevölkerung in den wachsenden Kriegsnöten zu betreuen, Luftschutzmaßnahmen durchzuführen, zu überwachen, Sammlungen für Bedürfnisse der Wehrmacht durchzuführen und ähnliche der Allgemeinheit dienende Verrichtungen.

DR. SERVATIUS: Entsprach das Ihnen übertragene Amt Ihrer Stellung als Richter?

HIRTH: Keineswegs. Ich habe diese Arbeit als teils entwürdigende Zumutung empfunden, denn diese Botengänge, Kassierdienste, schematische Führung einer Kartei und ähnliches entsprach ja schließlich in keiner Weise meiner Vorbildung und meinem Beruf.

DR. SERVATIUS: Wenn Sie als politischer Führer eingesetzt worden wären, dann hätten Sie wohl einen höheren Posten bekommen müssen?

HIRTH: Das muß ich wohl annehmen, aber ich hatte ja als Kriegs- Blockleiter mit politischer Tätigkeit nichts zu tun.

DR. SERVATIUS: Es handelte sich also nur darum, daß die praktische Arbeit getan wurde?

HIRTH: Wir Kriegs-Block- und -Zellenleiter haben rein praktische Arbeit verrichtet, eben als Helfer in der Ortsgruppe.

DR. SERVATIUS: Aus welchen Bevölkerungskreisen setzten sich die Block- und Zellenleiter zusammen?

HIRTH: Die Block- und Zellenleiter wurden überwiegend...

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Sie müssen pausieren!

HIRTH:... aus einfachen Bevölkerungskreisen, Arbeiterkreisen, Handwerkerberufen und sonstigen kleineren Angestellten und so weiter entnommen.

DR. SERVATIUS: Was war der Gesichtspunkt, nach dem man diese Leute auswählte?

HIRTH: Man suchte schon durchwegs charakterlich anständige und zuverlässige Leute, da ja auch Kassiergeschäfte, Geldgeschäfte dabei zu verrichten waren, und die Ehrlichkeit der betreffenden Personen zweifelsfrei sein mußte.

DR. SERVATIUS: Hatten die Block- und Zellenleiter nicht einen Stab zur Verfügung, der die Bedeutung ihres Amtes als Hoheitsträger unterstrich?

Die gelbe Lampe bedeutet, daß Sie eine Pause machen müssen.

HIRTH: Von einem solchen Stab ist mir nichts bekannt. Ich weiß zwar aus Gesprächen mit anderen Block- und Zellenleitern aus früheren Jahren, daß es für große Blöcke Blockhelfer gegeben hat. Ich selbst hatte in meinem Block keinen solchen, dagegen pro Haus einen sogenannten Hauswart.

DR. SERVATIUS: Wie war es mit dem Titel »Hoheitsträger«? Was hatte das für einen Inhalt?

HIRTH: Ein Block- oder Zellenleiter hat sich jedenfalls nicht als Hoheitsträger gefühlt, denn er hatte ja keinerlei politische Führungs- oder Anweisungsbefugnis. Hoheitsträger begann nach unserer Meinung beim Ortsgruppenleiter.

DR. SERVATIUS: Es fanden Besprechungen bei den Ortsgruppenleitern statt. Erhielten die Blockleiter hier Aufträge, die auf Bekämpfung der politischen Gegner gerichtet waren?

HIRTH: Bei solchen sogenannten Sprechabenden wurde niemals ein derartiger Auftrag zur Bekämpfung oder Aushorchung oder Bespitzelung politischer Gegner an Block- oder Zellenleiter erteilt.

DR. SERVATIUS: Sie haben ja nun als Richter und auch aus Ihrem Unmut, das Amt zu übernehmen, besonders kritisch diese Dinge betrachtet. Ist das richtig?

HIRTH: Das kann ich von mir behaupten.

DR. SERVATIUS: Wie stand es dann um die Bespitzelung der Bevölkerung, damit diese in Konzentrationslager gebracht werden konnte. Haben Sie da Anweisungen bekommen?

HIRTH: Es wurde niemals eine solche Anweisung erteilt. Es konnte meines Erachtens aber auch ein Block- und Zellenleiter gar nicht ernsthaft...

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge, Sie müssen eine größere Pause machen! Die Dolmetscher sind sonst nicht in der Lage zu folgen.

HIRTH: Ja. Ich darf wiederholen. Eine solche Anweisung wurde uns nicht erteilt. Es konnte meines Erachtens ein Block- oder Zellenleiter aber auch von sich aus nicht auf den Gedanken kommen, die Bevölkerung oder einzelne Blockeinwohner zu bespitzeln, etwa zum Zwecke der Denunziation, denn damit wäre seine ganze Stellung im Block oder in der Zelle, die ein Vertrauensverhältnis zur Bevölkerung voraussetzte und bedingte, sofort unmöglich gewesen.

DR. SERVATIUS: In dem Organisationsbuch der NSDAP ist aber gesagt, daß die Verbreiter schädigender Gerüchte von den Blockleitern der Ortsgruppe zu melden seien, damit die zuständigen Stellen benachrichtigt werden könnten. Wurde nicht nach diesem Buch gehandelt.

HIRTH: Das Organisationsbuch der NSDAP war sowohl mir selbst früher unbekannt als auch den übrigen Block- und Zellenleitern.

VORSITZENDER: Dr. Servatius! Sie wissen doch, daß der Gerichtshof eine sehr umfangreiche Zusammenfassung der Aussagen dieses Zeugen vor der Kommission erhalten hat. Außer den tatsächlichen Zeugenaussagen besitzen wir eine Zusammenfassung, die aus sechs Folioseiten besteht. Der Gerichtshof hält es daher für richtig, wenn Sie die Aussagen so kurz wie möglich zusammenfaßten, da wir die Möglichkeit haben, den Zeugen zu sehen und uns selbst eine Meinung darüber bilden können, inwieweit man ihm Glauben schenken kann.

DR. SERVATIUS: Das Verhör wird nicht sehr lang.