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[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]

Nun darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf den ersten Absatz lenken, Dr. Best, wo Sie folgendes feststellen:

»Nun, da ich weiß, daß Naujocks ausgesagt hat, was er mit den Terrorakten in Dänemark zu tun hatte, bin ich bereit, darüber weiter auszusagen: Wenn ich früher nichts über diese Sache ausgesagt habe, so deshalb, weil ich nicht wußte, ob Naujocks festgenommen war und über diese Dinge ein Geständnis abgelegt hat. Es ging gegen mein Gefühl, ihn in diese Sache hineinzuziehen, bevor mir die Tatsachen bekannt waren.«

Das haben Sie ausgesagt, und das ist Ihre Unterschrift, nicht wahr, Dr. Best?

BEST: Ja.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, Dr. Best, als Naujocks im Januar 1944 zu Ihnen kam, wußten Sie sehr wohl, daß Terrormaßnahmen der Gestapo gegen das dänische Volk geplant waren, denn Sie wohnten der Sitzung im Hauptquartier Hitlers am 30. Dezember 1943 bei, wo der Plan ausgearbeitet worden war. Stimmt das?

BEST: Ja.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und bei dieser Sitzung waren außer Ihnen anwesend: Pancke, der Höhere SS- und Polizeiführer für Dänemark; General von Hannecken, der Wehrmachtsbefehlshaber von Dänemark; sowie Hitler, Himmler, der Angeklagte Kaltenbrunner, der Angeklagte Keitel, der Angeklagte Jodl und Schmundt. Sie zeichneten diese Namen selbst in Ihrem Tagebuch auf, nicht wahr?

BEST: Ja.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und Sie wußten doch, daß bei dieser Konferenz Übereinkunft über Gegenmaßnahmen gegen Mord und Sabotageakte an deutschen Interessen in Dänemark erzielt worden war und daß die Gestapo nach Dänemark gehen und dort unbarmherzig morden und Wohnstätten und Bauten als Gegenmaßnahmen in die Luft sprengen sollte, nicht wahr?

BEST: Es ist nicht richtig, daß eine Übereinkunft hergestellt worden sei, sondern Hitler hat Befehle erteilt gegen den Widerspruch, den ich und auch Pancke gegen diese Pläne erhoben haben.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja. Hitler gab den Befehl an Himmler, der ihn an Kaltenbrunner weitergab, der ihn wiederum an Müller weitergab, der die Gestapo in Bewegung setzte, und Sie wußten doch, daß daraufhin diese Morde und diese willkürliche Zerstörung von Privateigentum in Dänemark einsetzten, nicht wahr?

BEST: Diese allgemeine Tatsache ist mir bekannt.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, und Sie wußten, daß man diese Taten verübt hat, denn Sie haben ja gegen einige protestiert. Sie erinnern sich zum Beispiel doch, daß diese Gewalttäter in Odense einen Straßenbahnwagen sprengten, wobei Fahrgäste getötet und verletzt wurden. Erinnern Sie sich daran?

BEST: Ich habe in der Folgezeit immer wieder aus verschiedenen Anlässen gegen die Anwendung dieser Methode protestiert, indem ich entsprechende Berichte oder Telegramme...

VORSITZENDER: Sie haben die Frage nicht beantwortet. Die Frage lautete: Wußten Sie, daß der Straßenbahnwagen in die Luft gesprengt worden war?

BEST: Ich erinnere mich an die einzelnen Fälle nicht mehr genau und weiß deshalb nicht mehr, aus welchen einzelnen Anlässen ich meine Proteste erhoben habe. Ich weiß aber, daß ich es in sehr vielen Fällen tat.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, Dr. Best, ich weiß, daß Sie ein sehr kurzes Gedächtnis haben, aber ich hätte doch geglaubt, daß Sie sich an die Dinge erinnern können, die Sie am 10. Juli 1946 erzählt haben. Sehen Sie doch Ihre Erklärung an, die Sie Dr. Kalki gegeben haben. Da sagten Sie:

»Ich benutze bei einer solchen Gelegenheit das Indieluftsprengen einer Straßenbahn in Odense z.B.«

Sehen Sie das dort nicht, Dr. Best? Die Erklärung, die Sie am 10....

BEST: Verzeihen Sie, wo steht das?

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Sie finden das ungefähr in der Mitte des Dokuments.

BEST: Halt, das ist eine falsche Übersetzung. Ich habe gesagt... die Sprengung eines Straßenzuges in Odense, das bedeutet, daß in dieser Straße mehrere Häuser gleichzeitig gesprengt wurden. Es handelt sich nicht um einen Wagen, sondern um einen Zug von Häusern.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, Dr. Best, Sie erinnern sich auch der Ermordung von vier Ärzten in Odense, gegen die Sie protestiert haben, weil diese Ärzte Ihnen von nationalsozialistischen Kreisen als deutschfreundlich bezeichnet worden waren.

BEST: Ja. Im übrigen war das nicht der einzige Grund, ich habe nur auf die verstärkte Sinnlosigkeit dieser Maßnahmen hingewiesen, indem ich einen Teil dieser Ärzte als deutschfreundlich festgestellt hatte.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, das war doch schrecklich, daß die Gestapo Deutschenfreunde in Dänemark umbringen sollte. Es gab doch so wenige. An wen haben Sie denn Ihre Proteste gegen die Mordumtriebe der Gestapo gerichtet?

BEST: Meine Proteste sind regelmäßig an das Auswärtige Amt, das ja das mir vorgesetzte Ministerium war, gerichtet worden.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja. Ihre Proteste gingen doch an den Angeklagten Ribbentrop, nicht wahr?

VORSITZENDER: Haben wir eine Bezugnummer zu einem Dokument, das die Zusammenkunft vom 30. Dezember 1943 festhält, Korvettenkapitän Harris?

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, das liegt im offiziellen Regierungsbericht der Dänischen Delegation vor, RF-901.

VORSITZENDER: Danke.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gestern, Dr. Best, sagten Sie aus, daß das Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD in Dänemark gegen den »Kugel«-Erlaß gewesen sei, nicht wahr?

BEST: Ja.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Wer in Dänemark hat Ihnen gesagt, daß das Einsatzkommando gegen den »Kugel«-Erlaß war?

BEST: Das sagte mir der Leiter der Exekutive, Dr. Hoffmann.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, Dr. Hoffmann. Er war doch Chef der Gestapo in Dänemark, nicht wahr?

BEST: Der Gestapo-Abteilung bei dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und wann ungefähr sagte Ihnen das Dr. Hoffmann?

BEST: Ich kann mich nicht genau daran erinnern, ob ich jetzt erst durch das Zusammensein mit Dr. Hoffmann an diese Tatsache wieder gemahnt worden bin oder ob die einzelnen Maßnahmen, die damals abgelehnt worden sind, mir jemals gemeldet wurden. Es kann sein, daß es eine neue Kenntnis von mir ist, die mir bestätigt hat, daß man den Erlaß niemals angewendet hat. Es ist kein Fall dieser Art vorgekommen.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, Dr. Best, Sie sagten eben in Ihrer letzten Antwort, daß Dr. Hoffmann Ihnen in Dänemark mitgeteilt hätte, die Gestapo sei gegen den »Kugel«-Erlaß in Dänemark gewesen. Ist das wahr nun oder nicht?

BEST: Ich habe nicht gesagt, wann und wo ich das erfahren habe, sondern ich habe nur gesagt, daß der Erlaß nicht angewendet worden ist auf eigene Veranlassung der Polizei. Ich habe nicht gesagt, wann und wo man mir das gesagt hat.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Was war denn der »Kugel«-Erlaß?

BEST: Ich weiß heute dadurch, daß ich einige Akten und Protokolle gelesen habe, daß es sich um Maßnahmen hinsichtlich, ich glaube, entflohener Kriegsgefangener handelte.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, als Sie vor der Kommission über Ihre Kenntnis des »Kugel«-Erlasses befragt wurden, haben Sie doch nichts über eine Unterhaltung mit Dr. Hoffmann gesagt, nicht wahr?

BEST: Ich bin, nach meiner Erinnerung, nur befragt worden, ob ich damals während meiner Amtsführung den »Kugel«-Erlaß schon gekannt hätte. Ich habe ihn damals nicht zu sehen bekommen und habe ihn – ich glaube, daß ich das erwähnt habe – erst jetzt hier gelesen.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Wenn der Gerichtshof gestattet, möchte ich hier zwei Dokumente als Beweisstücke vorlegen. Diese Dokumente kamen erst vor zwei Tagen zu unserer Kenntnis und waren uns daher früher nicht zugänglich. Deswegen war es uns unmöglich, sie irgend jemandem vorzulegen, der vor der Kommission für die Gestapo ausgesagt hat. Ich glaube, dieser Zeuge könnte uns helfen, einige Namen zu identifizieren. Ich möchte den Gerichtshof bitten, diese Dokumente dem Zeugen lediglich zeigen zu dürfen. Sie sind ziemlich lang. Ich werde jedoch versuchen, sie möglichst kurz zusammenzufassen und so rasch wie möglich aus ihnen alles Notwendige zu erfragen, vielleicht in 15 Minuten für beide Dokumente.

VORSITZENDER: Ja, fahren Sie fort, Korvettenkapitän Harris.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Dann lege ich das Dokument R-178 vor, das US-910 wird, und ich bitte, dieses Dokument dem Zeugen vorzulegen. Dieses Dokument wurde von einer kombinierten britisch- amerikanischen Dokumentenauswertungsgruppe erbeutet und wurde der Anklagevertretung vom »Air Documents Research Center« in London zugeleitet. Es enthält einen ins einzelne gehenden Schriftwechsel mit Bezug auf eine Beschwerde eines gewissen Major Meinel über Gestapo-Beamte in München, Regensburg, Nürnberg und Fürth, die die Überprüfung und Ermordung russischer Kriegsgefangener zum Gegenstand hat.

Ich bitte den Zeugen, Dokument »F« anzusehen, Seite 7 der englischen Übersetzung.

Sie werden sehen, daß das ein Bericht der Staatspolizeileitstelle München ist mit der Aufzählung von 18 Lagern, in denen die Gestapo 3088 russische Kriegsgefangene überprüft hatte, von denen 410 als untragbar ausgesondert wurden.

Nach Seite 8 der englischen Übersetzung werden Sie finden, daß die 410 ausgesonderten russischen Kriegsgefangenen zu folgenden Kategorien gehörten: Offiziere und Beamte, Juden, Intelligenzler, fanatische Kommunisten, Hetzer und ähnliche, Flüchtlinge, unheilbare Kranke.

Auf Seite 9 der englischen Übersetzung finden Sie, daß von den 410 auf diese Weise ausgesonderten Russen 301 am Berichtstage im Konzentrationslager Dachau hingerichtet wurden.

Auf Seite 10 der englischen Übersetzung sehen Sie ferner, Zeuge, daß diese 410 in München ausgesonderten Russen einen Prozentsatz von 13 Prozent darstellen, während die Staatspolizeileitstellen in Nürnberg, Regensburg und Fürth durchschnittlich 15 bis 17 Prozent ausgesondert haben. Dieser Bericht, der von Schermer unterzeichnet ist, stellt an derselben Stelle fest:

»Der Vorwurf des OKW, daß die Überprüfung der Russen oberflächlich vorgenommen wurde, muß auf das entschiedenste zurückgewiesen werden.«

Kennen Sie Schermer, Zeuge?

BEST: Nein. Der Name ist mir nicht bekannt.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gut. Dann sehen Sie sich Dokument »G« an, einen Bericht der Staatspolizeileitstelle München, in dem über die Haltung des Majors Meinel Beschwerde geführt wird; und auf Seite 13 der englischen Übersetzung werden Sie eine Aussage sehen, nach der Meinel sich beim Oberkommando der Wehrmacht beschwert haben soll, daß die Russen oberflächlich überprüft würden.

Sie können feststellen, daß in einem Bericht des SD über Major Meinel diesem vorgeworfen wurde, er hätte sich in gewissem Maße ablehnend gegen den Nationalsozialismus verhalten. Er habe zum Beispiel in einem Tagesbefehl Gott, aber nicht den Führer erwähnt.

VORSITZENDER: Wo ist das zu finden?

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Auf Seite 13 der englischen Übersetzung, ungefähr in der Mitte der Seite, Herr Vorsitzender.