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[Pause von 10 Minuten.]

DR. MERKEL: Mit Genehmigung des Gerichts rufe ich den Zeugen Karl Heinz Hoffmann.

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Bitte geben Sie Ihren vollen Namen an.

ZEUGE KARL HEINZ HOFFMANN: Karl Heinz Hoffmann.

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir folgenden Eid nach: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. MERKEL: Wann und wie kamen Sie zur Geheimen Staatspolizei?

HOFFMANN: Nach Ablegung der großen juristischen Staatsprüfung im Jahre 1937 bewarb ich mich bei drei Verwaltungsbehörden um Anstellung. Ich erhielt als erstes eine Anstellung bei der Staatspolizei und nahm diese an. Nach einem Jahr Probezeit bei der Staatspolizeistelle Koblenz wurde ich dort zum Vertreter des Leiters und zum politischen Referenten der Regierung ernannt. Nach einem Jahr wurde ich 1939 in derselben Eigenschaft nach Düsseldorf versetzt. Dort bekam ich dann weiterhin noch die Stellung eines Referenten für Reichsverteidigung beim Inspekteur. Beim Einsatz der Sicherheitspolizei in Holland habe ich diesen Einsatz als leitender Verwaltungsbeamter mitgemacht. Im September 1940 wurde ich zum Reichsinnenministerium, Geheimen Staatspolizeiamt, versetzt und übernahm dort die Leitung des Referates »Besetzte West-Europäische Gebiete«. Im September des Jahres 1943 wurde ich zum BDS Dänemark als Leiter der Abteilung IV versetzt.

DR. MERKEL: Sie waren also bei zwei Staatspolizeistellen, nämlich Koblenz und Düsseldorf tätig, und zwar als stellvertretender Leiter?

HOFFMANN: Jawohl.

DR. MERKEL: In welchem Verhältnis standen diese Gestapo-Stellen zur Inneren Verwaltung?

HOFFMANN: Der Leiter war politischer Dezernent des Regierungspräsidenten, der Leitstellenleiter des Oberpräsidenten. In Städten und Kreisen, wo keine Außenstelle der Stapo war, waren der Unterbau die Kreis- und Ortspolizeibehörden und die Gendarmerie. Schätzungsweise 80 Prozent der Eingänge kamen von diesen Polizeibehörden.

DR. MERKEL: Konnte die NSDAP der Staatspolizei Anweisungen geben?

HOFFMANN: Nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht. Nur dann, wenn der Gauleiter auch gleichzeitig ein Staatsamt als Oberpräsident oder Reichsstatthalter hatte.

DR. MERKEL: Wie war es in der Praxis?

HOFFMANN: In der Praxis wurde zwar teilweise von mittleren und unteren Stellen versucht, in die Arbeit einzugreifen. Dies wurde jedoch von der Polizei abgelehnt und war meistens nur dann der Fall, wenn Parteigenossen in Verfahren verwickelt waren.

DR. MERKEL: Gehörte es zu den Aufgaben der Geheimen Staatspolizei, die ideologischen Ziele der Partei vorwärts zu treiben?

HOFFMANN: Nein. Die Aufgabenstellung der Staatspolizei war eine reine Abwehraufgabe der Angriffe, die gegen den Staat gerichtet waren, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen.

DR. MERKEL: Die Grundtendenz der Arbeit der Gestapo war also eine aggressive oder defensive?

HOFFMANN: War defensiv und nicht aggressiv. Dies ergibt sich vor allen Dingen noch aus folgender Tatsache. Als 1944 die Aufgabestellung der Abwehrstellen auf die Polizei und den SD übertragen wurde, erhielt die Staatspolizei nur die reinen Abwehraufgaben, während aktive Spionage und Sabotage dem Amt Mil. beziehungsweise Amt VI übertragen wurde.

DR. MERKEL: Hatten Gestapo-Beamte im allgemeinen besondere Vergünstigungen, zum Beispiel dadurch, daß sie Gegenstände, die von der Gestapo beschlagnahmt waren, bei Versteigerungen erwerben konnten?

HOFFMANN: Es war durch... – es war durch einen Erlaß verboten, daß Staatspolizeibeamte Gegenstände erwerben durften, die beschlagnahmt waren und öffentlich versteigert wurden. Ebenfalls hatten die Beamten keine Möglichkeit, sich bei Arisierung von Geschäften in irgendeiner Form zu beteiligen, und auch der unmittelbare Erwerb jüdischen Vermögens war ihnen verboten.

DR. MERKEL: Sie haben an dem Einsatz der Sipo in Holland als leitender Verwaltungsbeamter teilgenommen. Hat eine Schulung der Beamten für diesen Einsatz vorher stattgefunden?

HOFFMANN: Nein. Es waren überhaupt keine Mob- Maßnahmen getroffen, wie zum Beispiel die Beschaffung von Dolmetschern oder die Verstärkung des Beamtenkörpers durch irgendwelche zusätzlichen Kräfte. Auch die Bestimmungen über Besoldung und sonstige Wirtschaftsbestimmungen waren unklar und nicht für solche Aufgaben vorbereitet.

DR. MERKEL: Hat die Gestapo an einer Verschwörung teilgenommen, die die Planung, Vorbereitung und Durchführung von Angriffskriegen zum Ziele hatte?

HOFFMANN: Ich muß diese Frage verneinen. Als Referent für Reichsverteidigung beim Inspekteur im Wehrkreis VI, dem sechs Stapo-Stellen unterstanden, ist mir nichts vorher bekanntgeworden, daß ein Angriffskrieg vorbereitet war. Als Norwegen und Dänemark besetzt wurden, habe ich das aus der Zeitung erfahren. Als stellvertretender Leiter der Gestapo-Stelle Düsseldorf ist mir vorher nichts bekanntgeworden, wann der Termin der Westoffensive war. Ich habe ihn am Morgen aus der Zeitung beziehungsweise dem Radio erfahren. Als der Feldzug gegen Rußland eröffnet wurde, war ich Referent im Geheimen Staatspolizeiamt. Einige Tage – es mögen drei oder vier gewesen sein – wurde uns der Beginn der Offensive erst mitgeteilt. Vorher hatten wir keine Ahnung über derartige Planungen, das heißt nicht mehr, als jeder Deutsche aus der politischen Spannung entnehmen konnte.

DR. MERKEL: Wie setzte sich grundsätzlich das Personal einer Stapo-Stelle in Deutschland zusammen?

HOFFMANN: Die Staatspolizeistelle Koblenz, deren Personalbestand ich mir rekonstruiert habe, bestand schätzungsweise aus 45 bis 50 Kriminalbeamten, die überwiegend aus der Schutzpolizei und Kriminalpolizei beziehungsweise aus der alten IA übernommen waren, plus 15 bis 20 Verwaltungs- und technische Beamte, im übrigen Schreibkräfte und Hilfspersonal, schätzungsweise die ganze Dienststelle 100 Personen.

DR. MERKEL: War die Zugehörigkeit für alle diese Angehörigen im allgemeinen eine freiwillige oder nicht?

HOFFMANN: Überwiegend handelte es sich um Beamte, die bereits vor 1933 in die Polizei eingetreten waren und zur Staatspolizei kommandiert oder versetzt waren; nach meiner Rekonstruktion waren höchstens 10 bis 15 Prozent freiwillig nach 1933 in die Behörde eingetreten.

DR. MERKEL: Was waren die Hauptaufgaben einer Stapo-Stelle in Deutschland?

HOFFMANN: Die Hauptsachgebiete, die bearbeitet wurden, waren: Die Bekämpfung des Hoch- und Landesverrates; die Bearbeitung von Kirchenfragen; Fragen, die sich aus Behandlung der Juden ergaben; die sogenannten Verfahren wegen Verstoß gegen das Heimtückegesetz; die Kriminalität innerhalb der NSDAP; und wichtige politische Fragen aus dem Komplex der Presse und der Wirtschaft.

DR. MERKEL: Wie wurde während Ihrer Tätigkeit bei der Stapo die Schutzhaftfrage behandelt?

HOFFMANN: Die überwiegende Zahl der anfallenden Fälle wurde erledigt durch eine staatspolizeiliche Verwarnung beziehungsweise das Ermittlungsergebnis war negativ. Bei der... bei den Verfahren, die eine Haft notwendig machten, wurde darauf gesehen, daß die Täter dem Gericht vorgeführt wurden. Schutzhaft wurde nur kurzfristig in den Fällen verhängt, wo eine Sache noch nicht gerichtsreif war. Schutzhaft mit Einweisung in ein Konzentrationslager wurde nur dann beantragt beim Geheimen Staatspolizeiamt, wenn die Person des Täters auf Grund seines früheren Verhaltens erwarten ließ, daß er weiterhin laufend gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen würde. Meines Wissens gab es bei Beginn des Krieges in den KZs 20000 Häftlinge, von denen schätzungsweise höchstens die Hälfte aus politischen Gründen einsaß.

DR. MERKEL: Aus welchen Gründen saß die andere Hälfte?

HOFFMANN: Bei den anderen handelte es sich überwiegend um kriminelle Verbrecher.

DR. MERKEL: Hat die Stapo Maßnahmen hinsichtlich der Betreuung der Familienmitglieder von politischen Häftlingen durchgeführt?

HOFFMANN: Nach einem Erlaß des Geheimen Staatspolizeiamtes mußte die Staatspolizeistelle, wenn sie Schutzhaft verhängte, nicht nur die Wohlfahrtsorganisationen um die Betreuung der Familie ersuchen, sondern der Sachbearbeiter mußte sich laufend davon überzeugen, daß diese Betreuung durchgeführt wurde.

DR. MERKEL: Waren entlassenen Konzentrationslager-Schutzhäftlingen bestimmte Berufe versagt?

HOFFMANN: Nein, er konnte jeden Beruf ergreifen.

DR. MERKEL: Das gleiche bezieht sich auf die Zeit, während der Sie Leiter der Staatspolizeistelle waren? Das ist also bis zum Jahre...?

HOFFMANN: Während ich stellvertretender Leiter war, bis 1940, im Mai.

DR. MERKEL: Es wird von der Anklage behauptet, die Gestapo hätte einen Kampf gegen die Kirchen geführt. Was wissen Sie hierüber aus der Zeit Ihrer Tätigkeit in Koblenz und Düsseldorf?

HOFFMANN: Die Behandlung der Kirchenfragen wurde zu meiner Zeit im Rahmen einer Trennung von Kirche und Staat durchgeführt, das heißt, es wurde eingeschritten, wenn ein Priester gegen den sogenannten Kanzelparagraphen verstieß, der noch im kaiserlichen Deutschland in das Strafgesetzbuch eingeführt worden war, gegen das Heimtückegesetz, oder wenn sich kirchliche Vereinigungen auf weltlichem Gebiet betätigten, was durch eine Verordnung verboten war.

DR. MERKEL: Was verstand man in der Zeit bis 1938 unter der Judenfrage?

HOFFMANN: Eine Auswanderung der Juden.

DR. MERKEL: Wie groß war die Zahl der Referenten für Judenangelegenheiten bei den beiden Ihnen bekannten Gestapo-Stellen?

HOFFMANN: Bei der Stapo-Stelle Koblenz: ein Kriminaloberassistent, der daneben dann noch Freimaurerfragen bearbeitete.

Bei der Staatspolizeistelle Düsseldorf: ein Oberinspektor mit schätzungsweise noch zwei oder drei Hilfskräften.

DR. MERKEL: Änderte sich hieran etwas durch den Befehl Heydrichs vom 10. November 1938, eine unbeschränkte Anzahl arbeitsfähiger Juden zu verhaften?

HOFFMANN: Diese Anordnung war für uns eine vollkommen überraschende Maßnahme, die sich in keiner Weise aus den bisher angeordneten Maßnahmen schließen ließ. Da meines Wissens später die größte Anzahl dieser Juden freigelassen wurde, konnte man nicht auf eine grundsätzliche Änderung des von der Staatsführung verfolgten Kurses schließen.

DR. MERKEL: Hatten Sie oder die Beamten Ihrer Dienststelle davon Kenntnis, daß mit der etwa 1942 begonnenen Deportation der Juden nach dem Osten deren biologische Vernichtung gemeint war?

HOFFMANN: Nein. Ich war damals Referent im Geheimen Staatspolizeiamt. In den Besprechungen beim Amtschef IV ist hierüber nie die Rede gewesen. Die Behandlung der Judenfrage lag damals in den Händen von Eichmann, der nicht aus der Staatspolizei hervorgegangen ist, sondern vom SD zur Stapo versetzt war. Er wohnte mit seiner Dienststelle in einem besonderen Hause und hatte mit den übrigen Referenten kaum Kontakt. Insbesondere beteiligte er die übrigen Referate nicht durch Mitzeichnung, wenn er beispielsweise Judendeportierungen anordnete. Auf unsere Vorwürfe in dieser Richtung antwortete er immer, daß er Sonderaufträge durchführe, die von höchster Stelle befohlen seien und deshalb die Mitzeichnung der anderen Referate, wodurch ihnen die Möglichkeit gegeben werden sollte, ihre Meinung geltend zu machen, nicht notwendig sei.

DR. MERKEL: Wurden die Geheimhaltungsvorschriften auch innerhalb der einzelnen Behörden der Staatspolizei angewendet?

HOFFMANN: Jawohl. Selbst innerhalb der Behörde als solcher. Dies war ein alter Grundsatz der Polizei schon vor 1933, daß die einzelnen Fälle nicht besprochen wurden. Die Geheimhaltung wurde durch den bekannten Führerbefehl noch verschärft, und die SS- und Polizeigerichte sprachen gegen die Verstöße schärfste Strafen aus, die den Beamten laufend bekanntgegeben wurden.

DR. MERKEL: Seit 1941 leiteten Sie das Amt IV D 4 im Reichssicherheitshauptamt. Was war die Aufgabe dieses Referats?

HOFFMANN: Die Aufgabe des Referats war, die sich aus den besetzten Westgebieten ergebenden politisch-polizeilichen Probleme einheitlich zusammenzufassen und insbesondere in Berichten an höhere und andere Dienststellen durchzuführen. Später ergab sich dann zusätzlich die Betreuung der internierten Politiker und sonstigen Persönlichkeiten aus diesem Gebiet.

DR. MERKEL: Welches war die grundsätzliche Auffassung Ihres Referates und damit des Gestapo- Hauptamtes über die Entstehung der nationalen Widerstandsbewegung in den besetzten Ländern?

HOFFMANN: Nach der Besetzung dieser Gebiete begannen auch die Alliierten durch das Aufziehen militärischer Organisationen das Kräftepotential dieser Gebiete für sich einzusetzen. Dies erfolgte zunächst freiwillig, indem der Betreffende, der sich der Militärorganisation anschließen wollte, aus patriotischen oder politischen Gründen den politischen Willensentschluß faßte, in die Organisation einzutreten.

War er der Organisation beigetreten, unterstand er dem militärischen Befehl mit all seinen Konsequenzen.

Die Maßnahmen, die er dann durchzuführen hatte, erfolgten im Rahmen der alliierten Gesamtstrategie und nicht im Interesse oder nach den Interessen seines eigenen Landes. Hieraus ergab sich, daß alle Handlungen der Widerstandsbewegungen militärische Aktionen waren, die nicht von der Bevölkerung spontan durchgeführt wurden. Aus dieser Auffassung ergab sich, daß alle Maßnahmen allgemeiner Art gegen die Bevölkerung als Reaktion auf Handlungen der militärischen Organisationen nicht nur nutzlos, sondern auch im deutschen Sinne schädlich waren; denn die Angehörigen der Militärorganisationen ließen sich durch derartige Maßnahmen nicht in der Durchführung ihrer Befehle hindern. Hieraus ergab sich die Konsequenz, daß eine Bekämpfung nur in zwei Richtungen möglich war, einmal durch Berichterstattung eine Politik von deutscher Seite herbeizuführen, die Personen von der Fassung der politischen Willensentschlüsse, gegen Deutschland zu kämpfen, abhielt, und zweitens die Gruppen, die sich betätigten, durch Festnahme zu neutralisieren.

DR. MERKEL: Warum wurde nun seitens der Staatsführung nicht nach dieser grundsätzlichen Auffassung der Gestapo gehandelt?

HOFFMANN: Dies lag einmal darin, daß Himmler nicht aus der Polizei hervorgegangen war und seine Entschlüsse nicht laufend nach den Berichten der Polizei faßte, sondern überwiegend aus Einzelangaben, die ihm auf anderem Wege, vor allen Dingen auch über die Höheren SS- und Polizeiführer, zugegangen waren. Es war darüber hinaus der Polizei nicht möglich, laufend die Dinge zu berichten, gleichzeitig mit einer Würdigung der Situation.

Auf der anderen Seite wurde nach unten von den Höheren SS- und Polizeiführern und den örtlichen Stellen, die die höchste deutsche Spitze in dem Gebiet darstellten, immer wieder in die Arbeit der Polizei hineinregiert.

DR. MERKEL: Sie erwähnten eben das Wort »hineinregieren«. Hatte denn die Gestapo keinen straff organisierten Befehlsweg?

HOFFMANN: Nein, die in den besetzten Gebieten eingesetzten Dienststellen unterstanden nicht nur zentral dem Geheimen Staatspolizeiamt, sondern eine Menge anderer Behörden und militärischer Dienststellen hatten Einfluß beziehungsweise Anweisungsmöglichkeit, vor allem die Höheren SS- und Polizeiführer und Reichskommissare und teilweise auch Militärbefehlshaber.

DR. MERKEL: Können Sie dafür zwei besonders markante Beispiele erwähnen?

HOFFMANN: Einmal die Politik des Reichskommissars Terboven, Geiselerschießungen durchzuführen und sonstige allgemeine Maßnahmen gegen die Bevölkerung durchzuführen. Wir haben drei Jahre lang gekämpft, um seine Maßnahmen zu eliminieren. Wir haben durch Berichte an Himmler immer wieder versucht, seine Abberufung zu erreichen.

Wir haben beispielsweise Häftlinge aus Norwegen nach Deutschland überführt, um seine Unzuständigkeit herbeizuführen, und haben sie dann in Deutschland entlassen können. Als die Schiffsabotage in Dänemark im Herbst 1944 ihren Höhepunkt erreichte, kam eine Anweisung des OKW an den Militärbefehlshaber, beim Reichsbevollmächtigten eine Verordnung zu erwirken, daß Werftarbeiter und ihre Angehörigen festgenommen werden könnten, wenn auf der Werft Sabotageakte vorkämen. Wir haben nach harten Kämpfen diese Maßnahmen eliminiert, weil auf Grund unserer Erfahrungen offenkundig war, daß die Werftarbeiter mit den Sabotageakten nicht das geringste zu tun hatten.

DR. MERKEL: Wie war die Organisation der Sipo und des SD in den besetzten Westgebieten?

HOFFMANN: Die Organisation war nicht einheitlich durchgeführt. In Norwegen und später in Belgien gab es Kommandeure unter dem Befehlshaber, in Dänemark und in Holland Außenstellen, in Frankreich Kommandeure unter dem Befehlshaber. In allen Fällen unterstand der BDS nicht nur Berlin, sondern auch dem Höheren SS- und Polizeiführer, der unmittelbar Himmler unterstand und somit Entscheidungen herbeiführen konnte, die nicht durch das Reichssicherheitshauptamt gelaufen waren.

DR. MERKEL: Wie war die personelle Zusammensetzung dieser Dienststellen?

HOFFMANN: Bei dem kolossalen Mangel an ausgebildeten Kriminalbeamten bildeten die Staatspolizeibeamten bei diesen Dienststellen nur ein Gerippe, das ergänzt wurde durch Beamte der Kriminalpolizei, aber überwiegend durch nur Dienstverpflichtete, die insbesondere bei der Überführung von Einheiten der Geheimen Feldpolizei in die Sicherheitspolizei überführt wurden. Dies machte weit über 50 Prozent des Beamtenstandes aus.

DR. MERKEL: War die Zugehörigkeit zur Sipo in den besetzten Westgebieten freiwillig oder nicht?

HOFFMANN: Nein, man wurde versetzt oder kommandiert. Freiwillig waren nur die landeseigenen Dolmetscher zur Staatspolizei gekommen.

DR. MERKEL: Wer hat die Deportation der Juden aus Dänemark angeordnet?

HOFFMANN: Dieser Befehl kam von Adolf Hitler über den Reichsführer-SS. Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei hat vergeblich versucht, sie auszusetzen. Es ist ihm aber nicht gelungen, meines Wissens, da es mit einer der Gründe war für seine Abberufung.

DR. MERKEL: Was wurde seitens der Staatspolizei unternommen, um die Maßnahmen nach Möglichkeit zu mildern?

HOFFMANN: Es wurde den Kräften der Ordnungspolizei, die im wesentlichen die Maßnahme durchführten, die Weisung gegeben, daß Türen nicht mit Gewalt aufgebrochen werden durften. Zweitens wurde zusammen mit dem Reichsbevollmächtigten erreicht, daß keine Beschlagnahme des Vermögens durchgeführt wurde, die Schlüssel der Wohnungen wurden dem dänischen Sozialministerium übergeben.

DR. MERKEL: War diese Deportation der Juden schon vorher bekannt in Dänemark?

HOFFMANN: Es war in der dänischen Öffentlichkeit schon lange vorher bekannt und Tagesgespräch.

DR. MERKEL: Warum wurde die dänische Polizei aufgelöst und teilweise nach Deutschland deportiert?

HOFFMANN: Weil die dänische Polizei in ihrer Gesamtheit im engsten Kontakt mit der Widerstandsbewegung und dem englischen Nachrichtendienst stand. Beispielsweise war der Chef der dänischen Ordnungspolizei auf Jütland und Fünen in die Durchführung der Sabotage beim Invasionsfalle eingespannt, und er hatte die Aufstellung der deutschen Truppen auf Jütland und Fünen dem englischen Nachrichtendienst zugeleitet. Weitere leitende Beamte hatten sich in ähnlichem Sinne beteiligt. Unter diesen Umständen fürchtete vor allen Dingen die Wehrmacht einen Einsatz dänischer Polizei in ihrem Rücken.

DR. MERKEL: Hat die Staatspolizei die Deportation angeregt und durchgeführt?

HOFFMANN: Die Deportation wurde von der Staatspolizei nicht angeregt, sondern der Höhere SS- und Polizeiführer hatte bereits die Genehmigung dieser Maßnahme im Führerhauptquartier bei Himmler angefordert, als er der Staatspolizei seine Absichten eröffnete.

DR. MERKEL: Bestand ein einheitlicher Befehl, körperliche Mißhandlungen oder Folterungen bei Vernehmungen vorzunehmen?

HOFFMANN: Folterungen und Mißhandlungen waren streng verboten und wurden durch die Gerichte abgeurteilt.

DR. MERKEL: Wissen Sie von Fällen, in denen Vernehmungsbeamte durch Gerichte abgeurteilt wurden?

HOFFMANN: Ich entsinne mich an zwei Beamte der Stapo Düsseldorf, die wegen Gefangenenmißhandlungen vom ordentlichen Gericht abgeurteilt wurden.

DR. MERKEL: Wurden verschärfte Vernehmungen in Dänemark während Ihrer Tätigkeit angewendet und warum?

HOFFMANN: Verschärfte Vernehmungen wurden angewandt. Zur Erklärung muß ich darauf hinweisen, daß die Widerstandsorganisationen für sich folgendes in Anspruch nehmen: Erstens: Attentate auf deutsche Soldaten; zweitens: Attentate auf Züge, Verkehrsmittel und Wehrmachtseinrichtungen, bei denen ebenfalls Soldaten ums Leben kamen; drittens: Ausmerzung aller sogenannten Spitzel und Leute, die mit der deutschen Polizei beziehungsweise auch mit anderen deutschen Behörden zusammenarbeiteten.

Zur Abwehr dieser Gefahren und zur Rettung deutscher Menschenleben wurde die verschärfte Vernehmung eingesetzt und durchgerührt, und nur in diesen Fällen. Diese Einschränkung wurde in der Praxis noch gegenüber dem Rahmen des Erlasses durchgeführt.

DR. MERKEL: Was wurde bei einer Sachbearbeiterbesprechung in Brüssel im Jahre 1943 über die Anordnung der verschärften Vernehmung festgelegt?

HOFFMANN: In einer Sachbearbeiterbesprechung wurde auf Grund der vorhandenen Erfahrungsergebnisse damals schon festgestellt, daß aus den eben genannten Gründen eine Einschränkung der verschärften Vernehmung im vorher skizzierten Umfang tunlich sei.

DR. MERKEL: Wer hat die Geiselerschießungen in Frankreich angeregt, und auf wessen Veranlassung wurden Geiseln in Frankreich erschossen?

HOFFMANN: Soweit mir bekannt ist, war es eine Weisung von Adolf Hitler. Wir haben laufend vom Geheimen Staatspolizeiamt durch Berichte gegen diese Maßnahmen Stellung genommen, in gleichem Umfange wie in den übrigen besetzten Gebieten, aus den Gründen, die ich vorhin angeführt habe.

DR. MERKEL: Warum lehnte die Gestapo insbesondere die Erschießung von Geiseln als Sühnemaßnahmen gegenüber der Erschießung deutscher Soldaten in Paris ab?

HOFFMANN: Weil wir der Auffassung waren, daß diese Maßnahmen von einer relativ kleinen Gruppe durchgeführt wurden, und daß allgemeine Maßnahmen deshalb nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich waren mit Rücksicht auf die vorhin dargelegten Erkenntnisse. Die Tatsachen haben dann auch erwiesen, daß diese Maßnahmen gerade in Paris durch eine Gruppe durchgeführt wurden, die sich noch nicht einmal aus 100 Personen zusammensetzte.

DR. MERKEL: Wer hatte die Deportation von Arbeitern aus Frankreich in das Reichsgebiet angeordnet und durchgeführt?

HOFFMANN: Das war eine Maßnahme der Arbeitseinsatz-Verwaltung. Mir ist nicht bekannt, daß die Staatspolizei Arbeiterdeportationen durchgeführt hat. Ich muß nur eine Einschränkung hinsichtlich Frankreichs machen, wo auf Weisung des Reichsführers, meiner Erinnerung nach, die sogenannte Aktion »Meerschaum« lief, in der französische Staatsangehörige, ich glaube, es waren 5000, zwangsweise zum Arbeitseinsatz nach Deutschland überführt wurden, die sich kleinere Verfehlungen in politischem Sinne hatten zuschulden kommen lassen.

DR. MERKEL: Wer war für die Judenevakuierung aus Frankreich zuständig?

HOFFMANN: Die Judenevakuierungen waren vom Referat Eichmann durchgeführt worden und, wie ich bereits vorhin darlegte, ohne die Möglichkeit, daß die alten Referate der Staatspolizei hierzu hatten Stellung nehmen können.

DR. MERKEL: Auf wessen Weisung erfolgte die Schleifung des Hafenviertels in Marseille?

HOFFMANN: Dies war eine Weisung des Reichsführers unmittelbar an den Höheren SS- und Polizeiführer, da speziell gerade in Frankreich sich eine enge Zusammenarbeit unter Umgehung der Gestapo herausgebildet hatte. In Berlin haben wir erst nachträglich von diesem Befehl des Reichsführers Kenntnis bekommen.

DR. MERKEL: Ordnete Himmler öfters derartige Maßnahmen an, ohne die Polizei vorher zu beteiligen?

HOFFMANN: Solange ich in Berlin war, kam dies öfter vor, und zwar auf Grund von Berichten, die er von irgendeiner anderen Stelle bekommen hatte oder als spontane Reaktion auf irgendeinen Sabotage- oder Attentatsfall.

DR. MERKEL: Sind Ihnen aus Ihrer Tätigkeit in Berlin Fälle von Übergriffen bei Vernehmungen in den besetzten Westgebieten bekanntgeworden?

HOFFMANN: Uns ist amtlich nur im wesentlichen seinerzeit das norwegische Weißbuch bekanntgeworden, das Anlaß zu einer Untersuchung in Oslo wurde und dann die Grundlage für unsere Berichterstattung an den Reichsführer war, um eine Abberufung des Reichskommissars Terboven zu erreichen.

DR. MERKEL: Was wissen Sie über die Deportierung französischer Minister und Generale nach Deutschland?

HOFFMANN: Diese Deportierung war vom Reichsführer offenbar nach Abstimmung nur mit dem Höheren SS- und Polizeiführer in Frankreich angeordnet worden. Das Geheime Staatspolizeiamt wußte jedenfalls vorher nichts und fand die Weisung vor, daß Minister Reynaud... Ministerpräsident Reynaud und Minister Mandel in Gefängniszellen unterzubringen waren. Das Geheime Staatspolizeiamt hat dann nach langen Berichten erreicht, daß den französischen Politikern eine andere Unterbringung gewährt wurde und daß dann für die später nach Deutschland Überführten von Anfang an eine andere Unterbringung angeordnet wurde.

DR. MERKEL: Ist Ihnen etwas darüber bekannt, daß einer der in Königstein einsitzenden französischen Generale im November 1944 auf Anordnung Panzingers exekutiert werden sollte?

HOFFMANN: Nein.

DR. MERKEL: Und zwar dadurch, daß der betreffende General während des Abtransportes von Königstein in dem Kraftwagen wegen angeblichen Fluchtversuchs erschossen werden sollte?

Ich lege Ihnen zur Orientierung die eben von der Amerikanischen Anklage neu eingeführten Dokumente 4048-PS bis 4052-PS vor und bitte Sie, sich dazu zu äußern.