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[Die Dokumente werden dem Zeugen überreicht.]

Ich habe nur eine englische Kopie; der Zeuge versteht aber sehr gut englisch.

VORSITZENDER: Ist es in Ihrem Dokumentenbuch?

DR. MERKEL: Nein, es ist nicht im Dokumentenbuch. Ich konnte es auch nicht in das Dokumentenbuch aufnehmen, weil die Urkunden eben von dem Herrn amerikanischen Anklagevertreter erst in die Sitzung eingeführt wurden, Herr Präsident. Es sind die Dokumentennummern 4048-PS bis 4052-PS. Sie wurden eben im Kreuzverhör Dr. Bests eingeführt.

Herr Zeuge! Ich glaube, es ist nicht nötig, daß Sie die ganzen Dokumente durchlesen. Ich bitte Sie nur, sich kurz aus den Dokumenten zu orientieren und meine Frage zu beantworten, das heißt, ob Ihnen über diesen Vorfall irgend etwas bekannt ist.

HOFFMANN: Die Daten der Dokumente tragen Januar 1945 beziehungsweise Dezember 1944. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in Dänemark und war nicht beim Geheimen Staatspolizeiamt.

DR. MERKEL: Wurde allgemein die Deportation von ausländischen Arbeitskräften nach Deutschland durch die Gestapo durchgeführt?

HOFFMANN: Nein. Ich entsinne mich aus meiner Tätigkeit im Amt, daß sogar die Festnahme von flüchtigen Arbeitern in den besetzten Westgebieten nicht durchgeführt wurde. Ich entsinne mich insbesondere, daß 1940 Reichskommissar Seyß-Inquart besonderen Wert darauf legte, daß etwas Derartiges nicht durchgeführt wurde.

DR. MERKEL: Wurde Ihnen der sogenannte »Nacht- und-Nebel«-Erlaß vom OKW zwecks Bekanntgabe an die Stapo-Stellen und Befehlshaber zugeleitet?

HOFFMANN: Jawohl.

DR. MERKEL: Waren Sie mit dem Erlaß einverstanden?

HOFFMANN: Der »Nacht-und-Nebel«-Erlaß war vom OKW gemeinsam mit dem Reichsjustizministerium erlassen worden. Das Geheime Staatspolizeiamt war bei der Abfassung nicht beteiligt gewesen. Es ergaben sich polizeitechnisch zunächst große Schwierigkeiten, weil die Aufklärung eines Tatbestandes, der im Ausland begangen war, in Deutschland durchgeführt werden mußte. Aus diesen Gründen lehnten wir ihn schon als schwer durchführbar ab.

Weiterhin ergab sich seine negative Auswirkung, daß die Angehörigen von den Verhafteten nichts wußten, was, wie dargelegt, unserer grundsätzlichen Tendenz widersprach. Die Schwierigkeiten tauchten dann auch sofort bei den ersten Häftlingen auf, die den Staatspolizeistellen übermittelt wurden, die die Aufklärung der Verfahren durchführen sollten. Es ergab sich, daß auch Unschuldige mit nach Deutschland überführt worden waren. Wir haben damals durchgesetzt, daß trotz der Bestimmungen des Erlasses diese wieder in die Heimat entlassen wurden.

DR. MERKEL: Wurde der sogenannte »Kugel«- Erlaß, der »Kommandobefehl« und der »N.N.«-Erlaß in Dänemark während Ihrer Tätigkeit angewendet?

HOFFMANN: Nein.

DR. MERKEL: Was wissen Sie über die Anwendung dieser Erlasse in den übrigen besetzten Westgebieten?

HOFFMANN: Es sind alles Erlasse, die nach meinem Weggang von Berlin erlassen wurden, und ich kann deshalb nichts darüber aussagen.

DR. MERKEL: Wissen Sie, ob die Gestapo in den besetzten Westgebieten Sonderformationen in den Kriegsgefangenenlagern hatte, um rassisch und politisch Unerwünschte auszusondern und zu exekutieren?

HOFFMANN: Hierüber kann ich nichts sagen, da der Erlaß mir vor der Kapitulation nicht bekannt war.

DR. MERKEL: Waren diese erwähnten Erlasse Anordnungen staatspolizeilicher Art?

HOFFMANN: Diese Erlasse haben sich nicht aus der polizeifachlichen Arbeit ergeben, sondern wurden von oben befohlen. Der normale Staatspolizeibeamte konnte deshalb nicht damit rechnen, daß einmal derartige Bestimmungen kommen würden. Darüber hinaus sind auf Grund der Geheimhaltungsbestimmungen der Inhalt dieser Erlasse auch den großen Massen der Staatspolizeibeamten nicht bekanntgeworden.

DR. MERKEL: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

VORSITZENDER: Wünscht die Anklagevertretung ein Kreuzverhör?

M. HENRI MONNERAY, HILFSANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Dr. Hoffmann! Sie waren doch Mitglied der Nazi-Partei?

HOFFMANN: Jawohl.

M. MONNERAY: Seit wann?

HOFFMANN: Seit 1. Dezember 1932.

M. MONNERAY: Und als Sie Ihr Ansuchen um Aufnahme in den Staatsdienst, und zwar in die Polizei, stellten, haben Sie gleichfalls angegeben, daß Sie Parteimitglied waren?

HOFFMANN: Verzeihung, ich habe die Frage nicht ganz verstanden.

M. MONNERAY: Als Sie Ihr Ansuchen um Aufnahme in den Staatsdienst, und zwar in die Polizei, stellten, haben Sie da angegeben, daß Sie Parteimitglied waren?

HOFFMANN: Ja, selbstverständlich, ja.

M. MONNERAY: Sie haben uns soeben gesagt, daß zwischen der Gestapo und der Nazi-Partei kein Zusammenhang bestanden habe, nicht wahr?

HOFFMANN: Ja, das stimmt.

M. MONNERAY: Stimmt es auch, daß die Polizeibeamten einer politischen Beurteilung unterworfen waren?

HOFFMANN: Ich habe den Sinn der Frage nicht verstanden. Ich habe leider den Sinn der Frage nicht...

M. MONNERAY: Politische Beurteilung ist ein Ausdruck, den Sie zweifellos kennen; auf deutsch heißt er »Politische Beurteilung«.

HOFFMANN: Ja.

M. MONNERAY: Stimmt es nicht, daß hohe Polizeibeamte vor ihrer Ernennung dieser politischen Beurteilung seitens der Partei unterzogen wurden?

HOFFMANN: Ja.

M. MONNERAY: Kennen Sie das Rundschreiben der Parteikanzlei, wonach nationalsozialistische Parteistellen nicht verpflichtet waren, bei Ernennung neuer Polizeibeamter die USC-Karten in Anspruch zu nehmen oder wenn es sich um eine Beförderung handelte?

HOFFMANN: Jeder Beamte, der eintrat, wurde politisch beurteilt, und jeder Beamte, der befördert wurde, wurde wiederum politisch beurteilt.

M. MONNERAY: Sie waren Mitglied der SS?

HOFFMANN: Ich wurde im Rahmen des Angleichungserlasses im November 1939 nach Ausbruch des Krieges Mitglied der SS.

M. MONNERAY: Sie mußten ein Gesuch stellen, nicht wahr?

HOFFMANN: Wir wurden von der Dienststelle angewiesen, einen formellen Antrag zu stellen.

M. MONNERAY: Und dieses Gesuch wurde ebenfalls der politischen Beurteilung unterzogen, nicht wahr?

HOFFMANN: Ich nehme an.

M. MONNERAY: Als Sie Vertreter des Leiters der Gestapo in Düsseldorf waren, hatten Sie doch einige Grenzpolizeistellen unter Ihrer Befehlsgewalt?

HOFFMANN: Jawohl.

M. MONNERAY: Stimmt es, daß diese Polizeistellen dieselben Aufgaben hatten wie die Außenstellen der Gestapo?

HOFFMANN: Nein, zunächst nicht; sie hatten nur die grenzpolizeilichen Aufgaben. Zu meiner Zeit wurden in dem Kreis die politisch-polizeilichen Aufgaben durch den Landrat wahrgenommen.

M. MONNERAY: Von welcher Zeit sprechen Sie?

HOFFMANN: Ich spreche von der Zeit 1939/1940, bis September 1940.

M. MONNERAY: Ich erinnere Sie an einen Runderlaß des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern vom 8. Mai 1937, der auf Seite 754 des Ministerialblattes von 1937 des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern veröffentlicht wurde. Dieser Erlaß bestimmt in Artikel III, daß die Polizeigewalt an der Reichsgrenze von Grenzpolizeikommissariaten und Grenzpolizeiposten wahrzunehmen sei; stimmt das nicht?

HOFFMANN: Ja, das ist richtig. Sie müssen unterscheiden zwischen innerpolitischen Aufgaben und Abwehraufgaben. Die Abwehraufgaben wurden selbstverständlich von der Grenzpolizei wahrgenommen, aber nicht innerpolitische Aufgaben; denn die Beamten, die in der Grenzpolizei waren, hatten gar nicht in ihrer Masse die nötige Vorbildung, um selbständig kriminalistische Ermittlungen zu machen.

M. MONNERAY: Derselbe Absatz fährt fort, daß die Grenzpolizeistellen der Gestapo zur Verfügung ständen und als Dienststellen der Gestapo zu betrachten seien und mit den »Außendienststellen« gleichgeschaltet würden.

HOFFMANN: Auskunftstellen, ich habe das nicht... ach Außendienststellen, jawohl.

Die Grenzpolizei unterstand der Staatspolizeistelle, und zwar der Abteilung III, die die Abwehraufgaben erfüllte. Da die Abwehraufgaben eine Abwehr von Angriffen aus dem Ausland zum Gegenstand hat, ist es selbstverständlich, daß bei jeder Polizei an der Grenze die Grenzpolizei den ersten Abschnitt in dieser Aufgabenstelle durchführt. Ich habe nur vorhin dargelegt, daß die Grenzpolizei im wesentlichen nicht mit innerpolitisch-polizeilichen Aufgaben betraut wurde.

M. MONNERAY: Sie haben uns soeben gesagt, daß Einweisungen in die Konzentrationslager auf Ansuchen der örtlichen Gestapo-Stellen stattfanden; stimmt das?

HOFFMANN: Wenn eine Person in das Konzentrationslager eingewiesen werden sollte, mußte die Staatspolizeistelle in Berlin beim Geheimen Staatspolizeiamt einen entsprechenden Antrag stellen. Erst dann, wenn das Geheime Staatspolizeiamt beziehungsweise später der Chef der Sicherheitspolizei die Schutzhaft verhängte, wurde die... konnte die Einweisung in das Konzentrationslager durchgeführt werden. Der Transport erfolgte auf dem üblichen allgemeinen Transportweg der Polizeiverwaltung.

M. MONNERAY: Es stimmt also, Zeuge, daß die Einweisungen in die Konzentrationslager auf Initiative der örtlichen Gestapo-Stellen stattfanden?

HOFFMANN: Auf Antrag der lokalen Staatspolizeistelle.

M. MONNERAY: Und die lokalen Gestapo-Stellen, die den Antrag stellten, haben zugleich auch die betreffenden Leute verhaftet?

HOFFMANN: Jawohl.

M. MONNERAY: Hatten die Grenzdienststellen ebenfalls das Recht, Anträge auf Einweisung in ein Konzentrationslager zu stellen?

HOFFMANN: Die Grenzpolizei hatte nur die Aufgabe aufzugreifen an der Grenze. Sie führte keine selbständige Sachbearbeitung und Entscheidung durch. Wenn die Grenzpolizei eine Person festnahm, gab sie die mit einem Bericht an die Staatspolizeistelle weiter, die dann den Fall weiterbearbeitete. Bei den Beamten der Grenzpolizei handelte es sich im wesentlichen um Anfänger, die noch nicht in der Lage waren, kriminalistische Ermittlungen durchzuführen. Die Grenzpolizeistelle war noch keine selbständige Dienststelle, die derartige Anträge stellen konnte. Die Aufgaben der Grenzpolizei waren in keiner Weise andere wie vor 1933.

M. MONNERAY: Zeuge! Ich zeige Ihnen ein Dokument, das allerdings aus dem Jahre 1944 stammt, von der Düsseldorfer Gestapo-Stelle. Es ist 1063-PS. Stimmt es, daß dieses Schreiben auch an die Grenzpolizeikommissariate geschickt wurde mit der Mitteilung, es sei nicht statthaft, verhaftete Ostarbeiter m das Konzentrationslager Buchenwald zu schicken?

HOFFMANN: Pardon, ich habe die Frage nicht ganz verstanden, weil ich gelesen habe.

M. MONNERAY: Stimmt es, daß dieses Schreiben, das an die Grenzdienststellen gerichtet ist, sagt...

HOFFMANN: Das ergibt sich aus dem Inhalt. Es ist natürlich klar, daß eine Staatspolizeistelle ihre grundsätzlichen Richtlinien auch an die Grenze gibt, denn der Inhalt dieses Schreibens befaßt sich ja mit der Behandlung von Personen, die aufgegriffen werden, und das erfolgte natürlich auch an der Grenze; und der Inhalt des Schreibens befaßt sich damit, daß eine Dienststelle dann, wenn sie eine solche Person aufgegriffen hat, alle Ermittlungen mitgeben muß, wenn sie den Fall an die Staatspolizeistelle selbst abgibt, also an die Hauptstelle.

M. MONNERAY: Stimmt es, daß dieses Dokument besagt, daß Anträge der Grenzkommissariate auf Einweisung in ein Konzentrationslager über Düsseldorf gehen mußten?

HOFFMANN: Ja, selbstverständlich. Nach meiner Kenntnis konnte das Grenzpolizeikommissariat nicht unmittelbar mit der Geheimen Staatspolizei verkehren.

M. MONNERAY: Es ist also richtig, daß das Grenzkommissariat selbst Anträge auf Einweisung in Konzentrationslager stellen konnte?

HOFFMANN: Höchstens an die Staatspolizeistelle Düsseldorf. Ich muß aber feststellen, daß das Dokument aus 1944 ist, und daß ich seit 1940 nicht mehr im Inland in der Stapo-Arbeit tätig war, und nicht sagen kann, ob sich in meiner Abwesenheit etwas in der Ausgabestelle der Grenzpolizeikommissariate geändert hat. Dieses Dokument bietet meines Erachtens keinen Anlaß, es anzunehmen, denn ich nehme an, daß dieser selbe Erlaß auch an die Landräte gegangen ist.

VORSITZENDER: Ganz allgemein ist der Gerichtshof der Ansicht, daß es keinem Zwecke dient, den Zeugen über Dokumente ins Kreuzverhör zu nehmen, die nicht seine eigenen Dokumente sind und von denen er nichts weiß.

Sie können die Dokumente vorlegen.

M. MONNERAY: Kennen Sie die Einrichtung der Geheimen Feldpolizei?

HOFFMANN: Auf dem Lande gab es nur die Gendarmerie und in kleineren Städten die sogenannte kommunale Kriminalpolizei.

M. MONNERAY: Ich glaube, es liegt hier ein Übersetzungsfehler vor. Es handelt sich um die »Geheime Feldpolizei«.

HOFFMANN: Diese Institution ist mir bekannt. Ich habe die Frage mißverstanden.

M. MONNERAY: Stimmt es, daß die meisten Angehörigen der Feldpolizei aus der Polizei kamen?

HOFFMANN: Die Einheiten der Geheimen Feldpolizei setzten sich aus einigen Polizeibeamten zusammen, aber überwiegend aus Soldaten, die zu diesem Zweck abkommandiert waren. Bei den Gruppen der Geheimen Feldpolizei, die nach Dänemark überführt wurden, kann ich höchstens schätzen, daß bei einer Einheit 10 bis 15 Prozent Polizeibeamte waren und die übrigen Soldaten, die dazu abkommandiert waren und die früher nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt hatten.

M. MONNERAY: Ist es richtig, daß die meisten Offiziere der Feldpolizei aus der Polizei kamen?

HOFFMANN: Die Führer der Kommandos und der Stab setzten sich meist aus Polizeibeamten, soweit ich mich entsinnen kann überwiegend aus Beamten der Kriminalpolizei, zusammen.

M. MONNERAY: Mit Genehmigung des Gerichtshofs möchte ich zwei Dokumente vorlegen, zwei Affidavits, F-964 und F-965, die Beweisstücke RF-1535 und RF-1536 werden. Diese Dokumente nennen zwei Gebiete Frankreichs, wo die große Mehrzahl der Offiziere dieser Militärpolizei aus der Polizei kamen.