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[Der Vorsitzende gibt ein Zeichen.]

DR. GAWLIK: Herr Vorsitzender! Ich komme nunmehr zu meinem letzten Punkt. Soll ich noch beginnen?

VORSITZENDER: Haben Sie noch viele Fragen zu stellen? Es sieht so aus, als ob Sie noch viele Fragen hätten, und wir werden uns daher wohl vertagen.

DR. GAWLIK: Es sind noch 34 Fragen.

[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

[Der Zeuge Rößner im Zeugenstand.]

DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zu meinem letzten Punkt: Kirchenverfolgung, Trial-Brief Abschnitt VII B. Ich bitte, die Aufmerksamkeit des Tribunals hierbei darauf hinlenken zu dürfen, daß dem SD insoweit eine Tätigkeit nur bis zum 12. Mai 1941 vorgeworfen wird, Seite 64 der, englischen Ausgabe des Trial-Briefes.

Meine Beweisführung beschränkt sich auf die Zeit seit Gründung des Reichssicherheitshauptamtes 1939 bis 12. Mai 1941.

Hat die Abteilung...

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte. Soll das heißen Mai 1940 oder Mai 1941?

DR. GAWLIK: 12. Mai 1941, Seite 64, der vorletzte Abschnitt des Trial-Briefes, wo gesagt ist, daß die politische Behandlung der Kirchen zwischen SD und Gestapo geteilt war, zu diesem Zeitpunkt aber von der Gestapo übernommen worden ist.

Hat die Abteilung III C Kirchenfragen bearbeitet?

RÖSSNER: Nein.

DR. GAWLIK: Hat irgendeine andere Stelle im Amt III Kirchenfragen bearbeitet?

RÖSSNER: Nein, seit Gründung des Amtes III sind in diesem Amt überhaupt keine Kirchenfragen bearbeitet worden.

DR. GAWLIK: Was wurde im Amt III bearbeitet?

RÖSSNER: Im Amt III, Gruppe III C wurden lediglich allgemeine religiöse Fragen auf den verschiedenen Lebensgebieten bearbeitet.

DR. GAWLIK: In welcher Weise wurden Fragen des religiösen Lebens bearbeitet?

RÖSSNER: Die Grundsätze der Bearbeitung waren dieselben wie auf den übrigen Lebensgebieten. Es war die Aufgabe des Amtes III, die religiösen Wünsche, Sorgen, Vorschläge und Strömungen in der deutschen Bevölkerung und den Einfluß etwa der deutschen Glaubensbewegungen ebenso wie der christlichen Konfessionen auf die Meinung, Stimmung und Haltung dieser deutschen Bevölkerung im Reich nachrichtendienstlich zu beobachten und darüber zu berichten.

DR. GAWLIK: Von der Anklagebehörde ist vorgetragen worden, die Verfolgung der Kirchen sei eines der grundlegenden Vorhaben der Sicherheitspolizei und des SD gewesen.

Hat der SD einen solchen grundlegenden Vorsatz gemeinsam mit der Sicherheitspolizei gehabt?

RÖSSNER: Nach meiner Kenntnis als verantwortlicher Abteilungsleiter hat nie ein solcher gemeinsamer Grundsatz bestanden.

DR. GAWLIK: Hat der SD von sich aus selbständig einen solchen Vorsatz gehabt und verwirklicht?

RÖSSNER: Nein, das hätte allen Grundsätzen unserer Arbeit widersprochen.

DR. GAWLIK: Hat sich der SD, Amt III, praktisch mit der Verfolgung der Kirchen beschäftigt?

RÖSSNER: Nein.

DR. GAWLIK: Wurde der SD, Amt III, von der Gestapo zu einer angeblichen Verfolgung der Kirchen in irgendeiner Weise herangezogen?

RÖSSNER: Nein; es bestand zwischen Gestapo und Amt III eine vollständig sachliche, personelle und organisatorische Trennung.

DR. GAWLIK: Wurde der SD von anderen Dienststellen der Partei und des Staates zu einer Verfolgung der Kirchen herangezogen?

RÖSSNER: Nein. Der SD arbeitete auch auf diesem Gebiet vollständig selbständig. Dienststellen der Partei oder des Staates waren nicht berechtigt, unmittelbare Aufträge an den SD zu geben.

DR. GAWLIK: Wurden die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter des SD hinsichtlich ihrer kirchlichen Einstellung kontrolliert und durch Drohungen oder sonstige Mittel zum Kirchenaustritt veranlaßt?

RÖSSNER: Nein, darüber ist mir nichts bekannt. Auch dies hätte unserer grundsätzlichen Auffassung widersprochen. Bis zum Schluß sind eine ganze Reihe hauptamtlicher und ehrenamtlicher Mitarbeiter Mitglieder einer der christlichen Konfessionen gewesen und geblieben. Ich darf erwähnen, daß der Amtschef III selbst erst 1942 aus der protestantischen Kirche ausgetreten ist.

DR. GAWLIK: Hatte der SD, Amt III, verdeckte Ziele und Geheimverfahren im Kampf gegen die Kirchen?

Diese Frage bezieht sich auf Seite 58 des Trial- Briefes.

RÖSSNER: Weder auf diesem Gebiet noch auf irgendeinem anderen Gebiet der Tätigkeit des Amtes III haben verdeckte Ziele oder Geheimverfahren bestanden. Ich hätte sie als Abteilungsleiter kennen müssen.

DR. GAWLIK: Ich lege Ihnen nunmehr das Anklagedokument 1815-PS vor. Sehen Sie sich bitte Seite 59 an.

RÖSSNER: Darf ich fragen... das Dokument reicht nicht bis 59. Ist es 29 oder 39?

DR. GAWLIK: 29, entweder 29 oder 39.

RÖSSNER: Ich habe beide Seiten.

DR. GAWLIK: Sehen Sie sich bitte Seite 1 an.

RÖSSNER: Ich habe Seite 1.

DR. GAWLIK: Dort heißt es, daß die bisherigen Mitarbeiter vorläufig zur Gestapo kommandiert werden sollten.

Geschah diese Kommandierung aus dem Grunde, weil Organisation, Aufgaben, Ziel und Tätigkeit auf dem Gebiet der Kirchenbearbeitung im SD, Amt III und Amt IV der Gestapo dieselbe war?

RÖSSNER: Diese Kommandierung geschah aus einem ganz anderen Grunde. Da Amt III und Amt IV völlig getrennte Dienststellen waren, hätte eine Versetzung der ursprünglichen SD-Angehörigen ins Amt IV viel zu lange Zeit in Anspruch genommen. Deswegen wurde die geplante Versetzung, um Zeit für die Arbeit zu sparen, zunächst in der Form der Kommandierung vollzogen.

DR. GAWLIK: Nehmen Sie jetzt zu Blatt 29 des Anklagedokuments Stellung. Es handelt sich um die Niederschrift Nummer 18. Sehen Sie sich die ersten beiden Sätze an. Ergibt sich nicht daraus, daß der SD Kirchenfragen in Zusammenarbeit mit der Staatspolizei und der Kriminalpolizei bearbeitet hat?

RÖSSNER: Die mir vorgelegte Niederschrift zeigt, daß der SD, Amt III, in dieser Beziehung überhaupt nicht beteiligt gewesen ist. Zu dem Zeitpunkt dieser Besprechung 1942 durfte sich das Amt III gemäß dem vorhin erwähnten Trennungserlaß grundsätzlich nicht mit Kirchenfragen beschäftigen.

DR. GAWLIK: Jetzt sehen Sie sich bitte Blatt 1 und 2 an. Auf Grund dieser beiden Blätter hat die Anklagebehörde vorgetragen – ich verweise auf Trial-Brief Seite 58 –, die Kirchenbearbeitung sei bisher zwischen dem SD und der Gestapo aufgeteilt gewesen, die SD-Akten über kirchliche Oppositionen sollten nunmehr der Gestapo übergeben werden, doch sollte der SD Material über den geistlichen Einfluß auf das Volksleben behalten. Nehmen Sie hierzu Stellung.

RÖSSNER: Ich sagte bereits einleitend, daß der SD, Amt III, seit seiner Gründung niemals Kirchenfragen bearbeitet hat. Das ältere Material, das auf Grund dieses Erlasses an das Amt IV übergeben werden sollte, war allgemeines nachrichtendienstliches Material, das nicht geeignet war für die auftragsgemäße polizeiliche Exekutivarbeit des Amtes IV. Im übrigen ist der mir vorgelegte Erlaß vom Amt IV formuliert und berücksichtigt infolgedessen auch die Gesichtspunkte des Amtes IV.

DR. GAWLIK: Jetzt sehen Sie noch einmal Blatt 19 an, wo es zusammenfassend heißt, daß auf dem kirchlichen Gebiet Gegnerbekämpfung und Lebensgebietsarbeit Hand in Hand gehen müssen. Geht daraus eine Zusammenarbeit zwischen Stapo und SD mit einer gemeinsamen Zielsetzung der Bekämpfung der Kirchen hervor?

RÖSSNER: Nein. Denn auch das Amt IV hat meines Wissens niemals die grundsätzliche Aufgabe einer Kirchenbekämpfung gehabt. Was hier formuliert wird auf dieser Seite, ist der persönliche Wunsch eines Inspekteurs, der weder gegenüber der Gestapo noch gegenüber dem SD sachliches Weisungsrecht hatte.

DR. GAWLIK: Sehen Sie jetzt Seite 24 an, insbesondere Absatz 1 und 4, wo es heißt:

»Aus gegebener Veranlassung ersuche ich, den Gegner- Nachrichtendienst auf kirchenpolitischem Gebiet unverzüglich auszubauen und zu intensivieren«

und weiter den halben Satz: »Sobald auf diese Weise Nachrichtenverbindungen gewonnen sind,...«

Ergibt sich daraus etwas für die Frage, ob der SD auf kirchlichem Gebiet einen Gegner-Nachrichtendienst gehabt hat?

RÖSSNER: Nein, es ergibt sich genau das Gegenteil. Der mir vorgelegte Erlaß stammt aus dem August 1941, also nach dem zitierten Trennungserlaß. Hätte der SD auf Grund des Trennungserlasses seinen nachrichtendienstlichen Apparat als Gegner-Nachrichtendienst an Amt IV übergeben, dann brauchte dieser Erlaß vom August 1941 nicht Befehl zu geben, mit dem Aufbau eines Nachrichtendienstes beim Amt IV endlich zu beginnen. Im übrigen richtet sich der Befehl an zahlreiche Staatspolizeistellen. Es kann sich also nicht um einen örtlichen Einzelfall handeln.

DR. GAWLIK: Ich verweise Sie nun auf Blatt 27, auf dem von einer Abgabe der V-Männer an die Gestapo beziehungsweise von einer gemeinsamen Führung dieser V-Männer gesprochen wird.

Was haben Sie zu dieser Anordnung des Inspekteurs Düsseldorf zu sagen?

RÖSSNER: Ich darf zunächst wieder darauf hinweisen, daß dies nur ein persönlicher Wunsch des Inspekteurs sein kann, da er kein sachliches Weisungsrecht hatte. Praktisch wäre ein solcher Wunsch nie zu verwirklichen gewesen, weil es aus den verschiedenen Aufgaben heraus völlig undurchführbar war, zwischen Amt III und Amt IV gemeinsam Vertrauensmänner für bestimmte Fragen mit sachlichen Aufträgen zu versehen. Jeder Vertrauensmann des SD hätte sich darüber hinaus geweigert, nebenbei noch polizeiliche Aufträge zu übernehmen.

DR. GAWLIK: Was können Sie auf Grund Ihrer Tätigkeit über den Umfang der Akten, die auf Grund des Trennungserlasses vom 12. Mai 1941 vom SD an die Gestapo abgegeben worden sind, sagen?

RÖSSNER: Das wird je nach dem Stand der Bearbeitung bei den verschiedenen örtlichen Dienststellen sehr verschieden gewesen sein. Nachrichtendienstlich gut arbeitende Abschnitte werden entsprechend mehr Material gehabt haben, das dann auch an die Staatspolizei gegeben worden ist.

DR. GAWLIK: Waren auf Grund Ihrer Kenntnis die vom SD übergebenen Akten brauchbar für polizeiliche Aufgaben der Staatspolizei gegen Einzelpersonen?

RÖSSNER: Nein, das waren sie bestimmt nicht, da die nachrichtendienstliche Fragestellung zu den Kirchen- und Konfessionsproblemen von selten des SD eine vollständig andere war. Sie war insbesondere nie auf personelle Einzelfälle ausgerichtet.

DR. GAWLIK: Sind nach Ihrer Kenntnis die übergebenen Akten tatsächlich von der Staatspolizei bearbeitet worden?

RÖSSNER: Das kann ich bis in alle Einzelheiten nicht aussagen. Auf Grund meiner eben gemachten Ausführungen ist aber sehr viel Material bestimmt nicht weiter bearbeitet worden, da es für polizeiliche Aufgaben vollständig unbrauchbar war.

DR. GAWLIK: Hatte das Amt III SD die grundsätzliche Aufgabe und Zielsetzung, die Kirchen zu verfolgen, eine allgemeine Kirchenverfolgung vorzubereiten, und hat es für eine Kirchenverfolgung gearbeitet, und zwar in der Zeit von 1939 bis zum Trennungserlaß vom 12. Mai 1941?

RÖSSNER: Nein, das Amt III hat weder jemals eine solche praktische Aufgabe gestellt bekommen, noch sich eine solche Zielsetzung selbst gesetzt.

VORSITZENDER: Dr. Gawlik! Sie erinnern sich daran, daß Sie vor der Pause gesagt haben, Sie kämen jetzt zu Ihrem letzten Punkt.

DR. GAWLIK: Jawohl, ich habe nur noch ungefähr sechs Fragen.

VORSITZENDER: Dann können Sie sie in kurzer Zeit erledigen.

DR. GAWLIK: Hatte das Amt III die Führungsstellen von Partei und Staat laufend über Fragen des religiösen Lebens unterrichtet zum Zweck einer gemeinsamen Kirchenverfolgung?

RÖSSNER: Nein, die Berichterstattung über religiöse Fragen auf den Lebensgebieten ist erst sehr langsam und lückenhaft in der letzten Zeit angelaufen, da das Referat im Amt III Jahre hindurch nur von einem Sachbearbeiter besetzt war und bearbeitet wurde.

DR. GAWLIK: Mit welcher Zielsetzung hat der SD über diese Fragen andere Stellen unterrichtet?

RÖSSNER: Das Amt III hat darüber hinaus – über seine Berichterstattung hinaus – auch in öffentlichen Vorträgen immer wieder darauf hingewiesen, daß es sich nach seiner Auffassung nicht um einen machtpolitischen Kirchenkampf, sondern letzten Endes um religiöse Lebensfragen des deutschen Menschen handelt im Zusammenhang mit den übrigen Kulturfragen.

DR. GAWLIK: Sind durch die Berichterstattung des SD kirchenfeindliche Maßnahmen vorbereitet oder veranlaßt worden?

RÖSSNER: Nein, auf Grund der Berichterstattung des Amtes III sind mehrfach kritische Stimmen gegen einzelne kirchenfeindliche Maßnahmen einzelner Dienststellen oder einzelner Persönlichkeiten laut geworden.

DR. GAWLIK: Ich habe zunächst keine weiteren Fragen mehr.

M. MONNERAY: Zeuge! Sie haben gesagt, daß Sie im Jahre 1940 zum SD einberufen wurden?

RÖSSNER: Ich habe nicht gesagt, daß ich einberufen worden bin, sondern daß ich ins Reichssicherheitshauptamt notdienstverpflichtet worden bin.

M. MONNERAY: Sie haben aber dabei vergessen zu erklären, daß Sie schon vorher Mitglied des SD waren?

RÖSSNER: Ich bin meines Wissens von dem Herrn Verteidiger gefragt worden, seit wann ich im SD bin.

M. MONNERAY: Waren Sie vor 1940 Mitglied des SD?

RÖSSNER: Ich habe die Frage nicht genau verstanden.

M. MONNERAY: Waren Sie vor 1940 Mitglied des SD?

RÖSSNER: Jawohl, ab 1934.

M. MONNERAY: Das hatten Sie vergessen, nicht wahr?

RÖSSNER: Meines Wissens nicht. Im übrigen habe ich das vor der Kommission ausführlich ausgesagt.

M. MONNERAY: Stimmt es, Zeuge, daß der SD vor der Machtübernahme durch die NSDAP eine geheime illegale Organisation war?

RÖSSNER: Darf ich zurückfragen... vor der Machtübernahme?

M. MONNERAY: Ja, vor der Machtübernahme.

RÖSSNER: Darüber kann ich nichts aussagen, weil ich nicht Mitglied des SD war.

M. MONNERAY: Wurde der SD nach der Machtübernahme einerseits von der Partei und andererseits vom Staat mit der Gestapo zusammen verwendet, um Oppositionsgruppen zu bekämpfen?

RÖSSNER: Nach meiner Kenntnis hat der SD immer eine von der Gestapo völlig getrennte nachrichtendienstliche Aufgabe gehabt.

M. MONNERAY: Hat der SD sich während des Krieges in den besetzten Gebieten gleichzeitig mit der Sicherheitspolizei in den Einsatzkommandos betätigt?

RÖSSNER: Über die Organisation und Tätigkeit der Einsatzkommandos kann ich leider nichts aussagen, da ich niemals als SD-Angehöriger in einem besetzten Gebiet gewesen bin.

M. MONNERAY: Kennen Sie Streckenbach?

RÖSSNER: Jawohl.

M. MONNERAY: Was waren seine Funktionen?

RÖSSNER: Er ist meines Wissens einige Jahre Amtschef I gewesen.

M. MONNERAY: Und diese Amtsstelle I war mit Organisationsfragen sowohl für die Sicherheitspolizei wie für den SD beauftragt. Ist das richtig?

RÖSSNER: Jawohl.

M. MONNERAY: Deshalb könnte man annehmen, daß er die Funktionen der Sipo und des SD zur Genüge gekannt hat?

RÖSSNER: Darf ich zurückfragen, daß wer die Funktionen genau kannte?

M. MONNERAY: Herr Zeuge! Die Frage war vollkommen klar; ich sprach von Streckenbach.

RÖSSNER: Nein, das muß man darauf noch nicht annehmen, da unter ihm die Aufgaben und Organisationsfragen auch in seinem Amt I völlig getrennt bearbeitet worden sind. Wie weit Streckenbach im einzelnen die Aufgaben des SD übersah und kannte, kann ich nicht beurteilen.

M. MONNERAY: Ich möchte Ihnen nun das Dokument F-984 vorlegen. Es ist ein Aufruf Streckenbachs, der im Verordnungsblatt des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD veröffentlicht wurde.

VORSITZENDER: Ist dies bereits zum Beweis vorgelegt worden oder nicht?

M. MONNERAY: Herr Vorsitzender! Dieses Dokument wird die Nummer RF-1540 erhalten. Es ist dem Gerichtshof noch nicht vorgelegt worden. Es ist ein Aufruf von Streckenbach an sämtliche Angehörige der Sicherheitspolizei und des SD vom 7. September 1942. Die Auszüge aus diesem Aufruf lauten:

»Schon vor der Machtübernahme hat der SD seinen Teil zum Gelingen der nationalsozialistischen Revolution beigetragen. Nach der Machtübernahme haben Sicherheitspolizei und SD die Verantwortung für die innere Sicherheit unseres Reiches getragen und für eine kraftvolle Durchsetzung des Nationalsozialismus gegen alle Widerstände Bahn gebrochen.... Seit Kriegsausbruch stehen unsere Einsatzkommandos überall da, wohin die deutsche Wehrmacht gezogen ist und führen auf ihrem Sektor den Kampf gegen die Feinde von Reich und Volk.«

In diesem Aufruf werden weiterhin Material und Belege über die Tätigkeit der Sipo und des SD angefordert.

»Im einzelnen wären z.B. Artikel, Berichte oder Aufnahmen zu folgenden Themen zu liefern: aus der Ge schichte des SD, über seine ersten Anfänge, das Ringen um seine Durchsetzung als einzigen Nachrichtendienst der SS und später der Partei, Schwierigkeiten und Erfahrungen bei der ersten Einrichtung von Dienststellen, Erlebnisse aus der illegalen Arbeit der Kampfzeit über die Entwicklung des organisatorischen Aufbaues des SD von den Anfangszeiten an (illegale Tarnbezeichnungen!) bis zum großzügigen Aufbau nach der Machtübernahme, besonders wichtige Ereignisse aus der Nachrichtentätigkeit vor und nach der Machtübernahme, illegale Einsätze usw.;...«

Und weiter:

»... gemeinsame Aktionen der Geheimen Staatspolizei und des SD zur Aufrollung der Gegnergruppen...«

Herr Zeuge! Dieser Aufruf Streckenbachs steht zu Ihren Erklärungen im Widerspruch, nicht wahr?

RÖSSNER: Nein, denn über die tatsächlichen Aufgaben des Amtes III SD Inland steht kein Wort in diesem Aufruf. Im übrigen geht aus dem mir vorgelegten Auszug nicht hervor, wer diesen Aufruf tatsächlich entworfen und formuliert hat. Der Name Streckenbach bedeutet nur, daß er ihn unterschrieben hat.

Das Amt III kann kaum daran beteiligt gewesen sein, denn sonst müßten die Aufgaben dieses Amtes III einigermaßen zutreffend in diesem Aufruf dargestellt worden sein.

M. MONNERAY: Welche Dienststellen hatte der SD außer dem Amt III?

RÖSSNER: Für den SD Inland gab es nur das Amt III.

M. MONNERAY: Zeuge! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie meine Fragen beantworten würden.

RÖSSNER: Ich war eben der Meinung, Ihre Frage, Herr Ankläger, beantwortet zu haben.

M. MONNERAY: Ich habe Sie gefragt, Zeuge, welches die Dienststellen des SD waren und nicht, welches die Dienststellen des SD Inland waren.

RÖSSNER: Unter den Sammelbegriff SD, der nichts mit dem Begriff SD Inland zu tun hatte, gehörte das Amt VI... gehörten die Ämter VI und VII.

M. MONNERAY: Was war die Aufgabe des Amtes VI?

RÖSSNER: Der Auslandsnachrichtendienst.

M. MONNERAY: Wenn man von dem Kampf gegen Oppositionsgruppen in Verbindung mit der Gestapo spricht, dann denkt man wahrscheinlich an einen Kampf im Ausland, nicht wahr?

RÖSSNER: Das geht im einzelnen aus dem mir vorgelegten Dokument nicht hervor.

M. MONNERAY: Wieder haben Sie meine Frage nicht beantwortet, Zeuge. Können Sie sich einen Kampf der Gestapo gegen gegnerische Gruppen außerhalb des Reiches vorstellen?

RÖSSNER: Nein, meines Wissens hatte die Gestapo eine polizeiliche auftragsgemäße Aufgabe innerhalb der Reichsgrenzen.

M. MONNERAY: Gut. Wenn also in diesem Aufruf vom Kampf gegen oppositionelle Gruppen seitens des SD einerseits und der Gestapo andererseits, sowie gemeinsam, die Rede ist, so handelt es sich wohl um den Kampf innerhalb der deutschen Grenzen, nicht wahr?

RÖSSNER: Jawohl. Damit ist aber noch nichts über die Aufgabe des SD Inland gesagt.

M. MONNERAY: Zeuge! Sie haben mehrmals gesagt, daß die Aufgaben des SD Inland und ohne Zweifel noch mehr jene des SD Ausland sehr verschieden waren von den Aufgaben der Gestapo und der Polizei im allgemeinen, nicht wahr?

RÖSSNER: Ich habe über den SD Ausland heute überhaupt nicht gesprochen, bis auf die Erwähnung des Amtes VI.

M. MONNERAY: Bitte, Zeuge, können Sie mir für den SD Inland antworten?

RÖSSNER: Jawohl.

M. MONNERAY: Ihrer Meinung nach war die Polizei von einem »Polizeigeist« beseelt?

RÖSSNER: Darf ich den Herrn Ankläger fragen, was er mit dieser Feststellung meint?

M. MONNERAY: Im Gegensatz zum Geist des SD, der ein objektiver war, ist das richtig?

RÖSSNER: Von welchem Geist die Polizei beseelt gewesen ist, weiß ich nicht, da ich nie der Polizei angehört habe.

M. MONNERAY: Aber Sie haben uns doch gesagt, daß der SD von einem objektiven, unparteiischen, wissenschaftlichen Geist beseelt war. Das stimmt doch?

RÖSSNER: Von einem wissenschaftlichen Geist habe ich nicht gesprochen, sondern von einem objektiv kritischen Geist, und ich möchte diese Formulierung ausdrücklich unterstreichen.

M. MONNERAY: War dies auch der Geist der Polizei?

RÖSSNER: Das kann ich nicht beurteilen, da ich, wie gesagt, nie der Polizei angehört habe.

VORSITZENDER: Wollen Sie die Frage noch einmal stellen, Herr Monneray.

M. MONNERAY: War dieser objektive und unparteiische Geist auch der Geist der Polizei?

RÖSSNER: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nie der Polizei angehört habe, sondern nur dem SD Inland, Amt III.

M. MONNERAY: Nun, wir wollen das klarstellen, Zeuge. Sie haben sich doch sehr eingehend über den Unterschied zwischen Polizei und SD ausgelassen, nicht wahr? Wenn Sie diesen Unterschied darlegen konnten, müssen Sie doch wenigstens wissen, was die Polizei war?

RÖSSNER: Ich habe für einige Sachgebiete den Unterschied zwischen der SD-Aufgabe und der polizeilichen Aufgabe klargestellt. Ich bin aber nicht in der Lage, die Gesamtaufgabe der Polizei klarzustellen, da ich sie nicht kenne. Ich habe auch hier nur von den Arbeitsgrundsätzen des Amtes III gesprochen und von den konkreten Beispielen, die ich aus meinen von mir bearbeiteten Abteilungen kenne.

M. MONNERAY: Ist es richtig, Zeuge, zu sagen, daß die jungen Anwärter, die in den SD eintreten wollten oder sollten, genau dieselbe Ausbildung genossen wie die Anwärter, die in die Gestapo oder Kripo einzutreten wünschten?

RÖSSNER: Der Ausbildungsgang der SD-Anwärter ist mir im einzelnen nicht bekannt. Ich weiß nur, daß der Amtschef III wiederholt von Jahr zu Jahr gegen eine gewisse geplante Gleichförmigkeit der Ausbildung entschieden sachlichen Einspruch erhoben hat. Wie weit dieser Einspruch praktisch noch realisiert worden ist, darüber kann ich aus eigener Kenntnis nichts aussagen.

M. MONNERAY: Nun gut, ich werde Ihrer so unvollkommenen Kenntnis über die Materie, mit der Sie andauernd beschäftigt waren, durch Vorlage eines Papiers nachhelfen. Es ist ein Rundschreiben, das im offiziellen Verordnungsblatt des Chefs der Sipo und des SD am 18. Mai 1940 veröffentlicht wurde und das genau angibt, daß die Jungen Polizeischüler und Anwärter des SD – trotz dessen so objektiven und unparteiischen Charakters – eine viermonatige Ausbildung bei der Kripo, eine dreimonatige Ausbildung bei der Gestapo und eine dreimonatige Ausbildung beim SD durchzumachen hatten. Das wußten Sie nicht, nicht wahr?

RÖSSNER: Nein.

M. MONNERAY: Nun haben Sie uns auch gesagt, daß der SD sehr wenig mit der offiziellen Personalpolitik und der Nazi-Partei zu tun hatte. Stimmt das, Zeuge? Vielleicht erinnern Sie sich aber jetzt der Tatsache, daß die Politischen Leiter der Partei den deutschen Staatsbehörden eine politische Beurteilung der Beamtenanwärter geben mußten? Das wissen Sie doch, nicht wahr?

RÖSSNER: Darf ich den Herrn Ankläger bitten, die Frage zu wiederholen? Ich konnte nicht folgen.

M. MONNERAY: Wenn es sich darum handelte, einen Beamten einer gewissen Rangklasse zu befördern oder zu ernennen, dann mußte der Politische Leiter, zum Beispiel der Gau- oder Kreisleiter, dem Staat eine Art politischer Begutachtung über die Einstellung des Anwärters geben. Ist das richtig?

RÖSSNER: Jawohl, ich habe heute morgen schon gesagt, daß das Aufgabe des Hoheitsträgers der Partei war.

M. MONNERAY: Und es war der SD, der die politische Beurteilung zu liefern hatte?

RÖSSNER: Nein.

M. MONNERAY: Gut. Ich werde dem Zeugen einen Auszug aus dem Dokument F-989 vorlesen, das RF-1541 wird. Seite 2 des Auszuges.

Es handelt sich hier um ein Rundschreiben der Parteikanzlei über politische Berichte, die von Politischen Leitern herrührten. Zunächst werden diese Gutachten wie folgt definiert:

»Die politische Beurteilung ist ein Werturteil über die politische und weltanschauliche Einstellung und die charakterliche Haltung...

Die politische Beurteilung muß wahr und richtig sein, das heißt, sie muß auf einwandfreien Tatsachenfeststellungen beruhen und sich in ihrer Wertung nach den Zielen der Bewegung richten.«

Dann folgt ein kurzer Absatz, der besagt, wer diese Beurteilung abgeben soll:

»Bei der Beschaffung der Unterlagen für diese Beurteilung sind jeweils der zuständige Hoheitsträger, das Fachamt und die Stelle des Sicherheitsdienstes des Reichsführer-SS zu hören.... Politische Auskünfte können von allen Parteidienststellen gegeben werden. Sie werden insbesondere auch von den Dienststellen des Sicherheitsdienstes des Reichsführer-SS (SD) erteilt.«

RÖSSNER: Ich habe heute morgen ausdrücklich ausgesagt, daß der SD Auskünfte erteilen durfte, aber niemals politische Beurteilungen, und daß der SD von sich aus Wert darauf legte, in diesen Auskünften, die neben anderen Auskünften eingeholt wurden, möglichst ein Bild der Gesamtpersönlichkeit zu geben. In dem mir vorgelegten Dokumentenauszug ist im übrigen mit keinem Wort, wenn ich recht sehe, von Personalauskünften die Rede, sondern von allgemeiner Lageberichterstattung, von der ich am Vormittag gesprochen habe.

M. MONNERAY: Wird in diesem Dokument über die politische Beurteilung als von einem Werturteil über die politische und ideologische Einstellung gesprochen?

RÖSSNER: In diesem Dokument? Nein. Da spricht man allgemein über Lageberichterstattung.

M. MONNERAY: Gut, ich werde dem Zeugen das Original etwas später vorlegen lassen.

Ich fahre fort. Es bestand eine enge Zusammenarbeit zwischen SD und Partei, nicht wahr?

RÖSSNER: Von einer engen Zusammenarbeit kann man keinesfalls sprechen. Das Verhältnis zwischen SD und Partei, insbesondere zwischen Amt III und Parteikanzlei, war in den letzten Jahren zu einem beträchtlichen Teil auf das höchste gespannt. Ich bin gern bereit, das mit konkreten Beispielen zu belegen.

M. MONNERAY: Ich möchte Ihnen noch einen anderen Auszug aus demselben Rundschreiben vom 21. August 1943 vorlesen. Es heißt...