[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]
RÖSSNER: Das ist derselbe Auszug, den ich bereits bekommen habe.
M. MONNERAY:
»Das Reichssicherheitshauptamt weist die SD-Dienststelle an, den zuständigen Hoheitsträgern laufend über in ihrem Hoheitsbereich auftretende Erscheinungen politischer Art zu berichten.... Andererseits wurde der Hoheitsträger durch ein solches Verfahren ständig durch den SD auf besonders dringliche Angelegenheiten, die sein Eingreifen erfordern, aufmerksam gemacht.« (F-989.)
Stimmt das?
RÖSSNER: Hier fallen leider Theorie und Praxis völlig auseinander. Das Amt III hätte im Gegenteil zur tatsächlichen Praxis in vielen Fällen sehr gewünscht, von den Hoheitsträgern der Partei gehört zu werden, damit das kritische Material angebracht werden könnte. In sehr vielen Fällen war das aber jahrelang nicht der Fall, da der örtliche Vertreter des SD vom Hoheitsträger nicht empfangen wurde.
M. MONNERAY: Sehr gut. Wir werden an Hand einiger Beispiele sehen, ob zwischen Theorie und Praxis tatsächlich ein Unterschied bestanden hat. Man hat Ihnen vor der Kommission bereits das Dokument R-142, US-481, über die Kontrolle der Volksabstimmung im Jahre 1938 durch den SD vorgelegt. Die so ehrenhaften und uneigennützigen Mitarbeiter des SD hatten sogar Wahlpapiere gefälscht. Da es sich hier um einen praktischen Fall handelte, wollen Sie uns wohl sagen, daß es ein Einzelfall war?
RÖSSNER: Ich möchte das vor dem Hohen Gericht noch einmal mit aller Betonung wiederholen, es handelt sich nicht um den SD in diesem Dokument, sondern um eine einzige Außenstelle unter Hunderten von Außenstellen des SD. Aus dem Dokument geht mit keinem Wort hervor, daß das Reichssicherheitshauptamt Amt III...
VORSITZENDER: Erheben Sie nicht Ihre Stimme bitte!
RÖSSNER:... daß das Amt III in Berlin irgendeine Weisung zu dieser Berichterstattung gegeben hat.
M. MONNERAY: Gut, ich werde Ihnen noch ein weiteres Dokument vorlegen, das zweifelsohne einen weiteren Einzelfall darstellt. Diesmal handelt es sich um die Stadt Erfurt. Es ist Dokument D-897, das dem Gerichtshof bei der Beweisaufnahme über die Politischen Leiter von der Britischen Anklagevertretung vorgelegt wurde, und zwar als Beweisstück GB-541. Es ist ein geheimes Rundschreiben vom 4. April 1938, das von der SD-Außenstelle Erfurt stammt und an alle Referenten und Stützpunktleiter gerichtet ist. Darin wird von den Außenstellenleitern verlangt, umgehend die Namen sämtlicher Personen in ihrem Bezirk mitzuteilen, von denen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, daß sie bei der bevorstehenden Wahl mit Nein stimmen werden.
Sie lächeln, Zeuge, wenn Sie das Dokument jedoch etwas tiefer unten ansehen, werden Sie finden, daß es sich hier um eine ernste Sache handelt, denn der Chef des SD, ein gewissenhafter Mann, wie Sie erklärten, sagte folgendes:
»Es wird nochmals besonders darauf hingewiesen, welch riesige Verantwortung die Stützpunktleiter – im besonderen Hinblick auf diese Meldung – besitzen und müssen sich die Stützpunktleiter über die eventuellen Folgen für die Personen, die in ihrer Meldung enthalten sein werden, im klaren sein.«
Nennen Sie das eine objektive Berichterstattung, Zeuge?
RÖSSNER: Es tut mir leid, Herr Ankläger, Sie sprechen soeben vom Chef des SD. Unterschrieben ist das Dokument von einem örtlichen Scharführer. Das entspricht etwa einem Gefreiten in einer Armee. Ich glaube also, daß man nicht vom Chef des SD sprechen kann, und es tut mir weiter leid, feststellen zu müssen, daß es sich ganz bestimmt in diesem Falle wieder um einen extravaganten Einzelfall handelt, da nach meiner allgemeinen Kenntnis es nie zu den Aufgaben des SD Inland gehört hat, Wahlen zu überwachen.
VORSITZENDER: Herr Monneray! Ich glaube, über dieses Dokument ist bereits eine beträchtliche Zahl von Führern verhört worden.
M. MONNERAY: Ja, Herr Präsident! Ich möchte den Gerichtshof ferner auf Dokument D-902 hinweisen, das bereits als Beweisstück GB-542 vorgelegt worden ist und das dasselbe Thema behandelt.
VORSITZENDER: Weiß der Zeuge etwas von diesem Dokument? Denn wenn es bereits als Beweisstück vorliegt, hätte es keinen Zweck, es ihm vorzulegen, es sei denn, er wüßte etwas davon.
M. MONNERAY: Ja. Es ist schon als Beweisstück eingereicht, und ich verstehe, Herr Präsident, daß Sie kein Verhör zu diesem Dokument wünschen.
VORSITZENDER: Nun, wenn irgendwelche besondere Gründe vorhanden sind, den Zeugen über dieses Dokument zu befragen, dann stellen Sie bitte die Fragen. Aber es hat keinen Zweck, dem Zeugen das Dokument vorzulegen, wenn er dieses Dokument noch nicht gesehen hat und wenn es bereits Beweismaterial geworden ist. Ich weiß nicht, was für ein Dokument das ist.
M. MONNERAY: Herr Präsident! Ich wollte diesen Zeugen über beide Dokumente befragen, um zu beweisen, wie wenig Glauben man seinen Aussagen schenken kann, da er vor der Kommission erklärt hat, es handle sich um einen Ausnahmefall. Tatsächlich aber scheint es sich um eine allgemeine Maßnahme des SD, auf die man in den verschiedensten Gegenden Deutschlands stoßen konnte, zu handeln.
VORSITZENDER: Wenn Sie den Zeugen zu dem Dokument ins Kreuzverhör nehmen wollen, können Sie ihm Fragen aus dem Dokument stellen. Aber Sie können nicht... zumindest wünscht der Gerichtshof nicht, daß Sie ihm das Dokument vorlegen.
M. MONNERAY: Zeuge! Sie haben uns hinsichtlich des Rundfunks gesagt, daß der SD ebenfalls sehr objektive Berichte geliefert hat, ohne jegliche politische Absicht. Ist das richtig?
RÖSSNER: Jawohl, wir haben wöchentlich über die Aufnahme des Rundfunkprogramms in der deutschen Öffentlichkeit... der deutschen Bevölkerung, so objektiv wie möglich mit allen kritischen Stimmen berichtet.
M. MONNERAY: Ich habe dem Gericht das Dokument 3566-PS vorgelegt, das bereits als US-658 Beweismaterial geworden ist. Dieses Dokument beweist, daß der SD auch auf diesem Gebiet eine Aufgabe hatte, die nicht nur in objektiver Berichterstattung bestand.
Herr Zeuge! Womit beschäftigte sich die Abteilung III B 3?
RÖSSNER: Das kann ich aus dem Gedächtnis nicht sagen, da ich die einzelnen Abteilungen nicht mehr im Kopf habe. Auf jeden Fall nicht mit Rundfunk, denn damit beschäftigte sich III C 4.
M. MONNERAY: Stimmt es, daß es sich mit Fragen der Rasse und Gesundheit beschäftigt hat?
RÖSSNER: Ich antwortete dem Herrn Ankläger eben, daß ich nicht mehr aus dem Gedächtnis sagen könne, womit sich diese Dienststelle beschäftigt hat.
M. MONNERAY: Haben Sie sich selbst damit beschäftigt, oder haben Sie durch Ihre Kollegen allgemeine Lageberichte über die Fremdarbeiter in Deutschland erhalten?
RÖSSNER: Nein, ich persönlich habe mich nicht damit beschäftigt, da die Frage völlig außerhalb meines Arbeitsbereichs lag.
M. MONNERAY: Ich lege dem Gerichtshof Dokument 1753-PS vor, das RF-1542 wird. Dieses Dokument enthält einen Bericht einer Dienststelle des SD über die vom RSHA den deutschen Ärzten gegebene Möglichkeit, Abtreibungen an Ostarbeiterinnen auf deren Ansuchen vorzunehmen. Dieser Bericht beweist, daß die Erklärungen des SD auf diesem Gebiet keineswegs objektive Erklärungen sind, sondern daß sie entschieden zugunsten der offiziellen Nazi-Politik Stellung nehmen.
Schließlich lege ich ein anderes Dokument vor, 1298-PS, RF-1545, über Sklavenarbeit von Arbeitern in Deutschland. In diesem Dokument befürwortet der Berichtschreiber, ein Agent des SD, nachdem er über die zahlreichen Fluchtversuche der Fremdarbeiter gesprochen hatte, praktische Maßnahmen, wie zum Beispiel Repressalien gegen Familienangehörige durch Entziehung der Lebensmittelkarten und so weiter.
Zeuge! Nennen Sie das objektive Berichte, die nicht von sich aus das Verhalten der Polizei berücksichtigen?
RÖSSNER: Jawohl, denn dies ist ein Bericht einer der vielen nachgeordneten Dienststellen, die im Reichssicherheitshauptamt gesammelt wurden, um einen Querschnitt über die gesamte Meinungsäußerung der Bevölkerung zu geben, worunter selbstverständlich auch Meinungen von Parteigenossen erfaßt wurden.
Im übrigen möchte ich die Behauptung des Herrn Anklägers, es handle sich um einen Agenten des SD, mit Entschiedenheit zurückweisen. Das Amt III hat nie während seiner Existenz auf dem innerpolitischen Nachrichtensektor irgendwelche Agenten gehabt, wie ich heute morgen bereits festgestellt habe. Ich darf nochmals feststellen, daß ich zu den Sachfragen, die in diesen Dokumenten behandelt werden, im einzelnen nur subjektiv Stellung nehmen kann, da sie nicht zu meiner Abteilung gehörten. Ich halte meine grundsätzlichen Ausführungen über die SD-Arbeit aber auch angesichts dieser Dokumente entschieden aufrecht.
M. MONNERAY: Aber Zeuge, dieses Dokument war doch nicht an das RSHA zur zentralen Auswertung gerichtet, sondern an das Amt für Arbeitseinsatz. Es handelt sich demnach um eine Meldung über die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen. Ist das nicht so?
RÖSSNER: Es geht aus dem mir vorgelegten Dokument nicht hervor, von welcher SD-Dienststelle das abgesandt worden ist.
M. MONNERAY: Ich werde Ihnen eine Photokopie des Berichts zeigen.
RÖSSNER: Auch daraus geht leider mit keinem Wort hervor, von welcher SD-Dienststelle dieses Dokument abgesandt worden ist.
M. MONNERAY: Aber Sie geben zu, daß dieser Bericht an das Amt für Arbeitseinsatz gerichtet war?
RÖSSNER: Ja, ich möchte aber gleichzeitig darauf aufmerksam machen, daß hinter der Unterschrift mit »Sekretär« gezeichnet ist. Es hat meines Wissens beim SD niemals Sekretäre gegeben. Es müßte ein SD- beziehungsweise SS-Dienstgrad darunter stehen.
M. MONNERAY: Und in demselben Dokument steht auch »... überreiche ich Ihnen anliegend abschriftlich den SD-Bericht zu Inlandsfragen...«
RÖSSNER: Jawohl.
M. MONNERAY: In den besetzten Gebieten war der SD durch Organisationen vertreten, die dem Amt III und Amt VI unterstanden, nicht wahr?
RÖSSNER: Nein. Das Amt III – ich kann hier wieder nur über das Amt III aussagen – hatte keine Organisationen, die ihm unmittelbar unterstellt waren, sondern nur einzelne SD-Beauftragte dieses Amtes III für die spezifischen SD-Aufgaben des Amtes III in den besetzten Gebieten.
M. MONNERAY: Das Amt VI des RSHA befaßte sich mit dem SD im Ausland, nicht wahr?
RÖSSNER: Jawohl.
M. MONNERAY: Und es hatte seine Vertreter in den deutschen Polizeiorganisationen im Ausland, nicht wahr?
RÖSSNER: Darüber kann ich nichts aussagen, da ich nie in diesem Amt gearbeitet habe.
M. MONNERAY: Ich lege dem Gerichtshof Dokument F-973 und Dokument F-974 vor. Es sind Mitteilungen, die an die Abteilung VI Nummer 2 gerichtet sind. Diese beiden Dokumente erhalten die Nummern RF-1543 und RF-1544. Es sind Mitteilungen und Agentenberichte.
VORSITZENDER: Fahren Sie fort. Sind sie übersetzt worden? Sind den deutschen Anwälten Abschriften gegeben worden?
M. MONNERAY: Sie sind nicht an die Übersetzer gegeben worden, weil ich die Dokumente nicht vollständig verlesen will. Das Original ist in deutscher Sprache. Es handelt sich um einen die Judenfrage betreffenden Bericht auf vorgedruckten Informationsblättern von Agenten des SD an die zuständigen Stellen der Gestapo, mit dessen Hilfe das Bestehen der Beziehungen zwischen den beiden Dienststellen nachgewiesen werden kann, im Widerspruch zu den Aussagen des Zeugen.
VORSITZENDER: Sind die Dokumente in die verschiedenen Sprachen übersetzt worden?
M. MONNERAY: Nur ins Französische, Herr Präsident.
VORSITZENDER: Nun, Sie wissen doch, daß es Bestimmung ist, daß alle Dokumente in die vier Sprachen übersetzt werden müssen. Sie müssen es verlesen, wenn es so ist.
M. MONNERAY: Mit Erlaubnis des Gerichtshofs werde ich nur das eine der beiden Dokumente verlesen, Abteilung Nummer 1.
VORSITZENDER: Herr Monneray! Wir haben bereits viel Zeit gebraucht, und wir sind nun offenbar so weit gekommen, daß wir alle diese Dokumente, die reichlich unerheblich sind, verlesen lassen müssen. Wir müssen sie verlesen lassen, nur weil sie nicht übersetzt worden sind. Das beansprucht viel Zeit und scheint zu keinem großen Ergebnis zu führen.
M. MONNERAY: Herr Präsident! Dann gehe ich sogleich auf den letzten Punkt über, der die Umsiedlung der Bevölkerung betrifft.
Wissen Sie, Zeuge, ob der SD mit der Gestapo an der Einlieferung von Leuten in die Konzentrationslager beteiligt war?
RÖSSNER: Ich kann aus eigener Kenntnis dazu nur allgemein sagen, daß das Amt III überhaupt keine Exekutivaufgabe gehabt hat, also auch nicht befugt war, irgendwelche Leute in Konzentrationslager einzuweisen.
M. MONNERAY: Wissen Sie, Zeuge, ob der SD mit der Gestapo zusammengearbeitet hat, um festzustellen, welche Polen germanisiert werden könnten und welche andererseits in Konzentrationslager eingeliefert werden sollten?
RÖSSNER: Nein, ich habe aus diesem gesamten Fragenbereich keinerlei eigene sachliche Kenntnis.
M. MONNERAY: Ich erlaube mir, einen Auszug aus dem Dokument R-112 zu verlesen.
VORSITZENDER: Ist das neu?
M. MONNERAY: Nein, es ist ein Dokument, das schon als Beweisstück vorgelegt wurde, Dokument US-309.
VORSITZENDER: Dann müssen Sie darauf hinweisen, denn der Zeuge sagt, daß er davon gar nichts weiß.
M. MONNERAY: Ich möchte nur eine Stelle daraus verlesen, die im Gegensatz zu den Aussagen des Zeugen, der diese Tatsachen nicht kennt, beweist, daß der SD tatsächlich mit der Gestapo bei der Auswahl von Polen zur Germanisierung zusammenarbeitete.
VORSITZENDER: Wenn sich in diesem Dokument irgendein Beweis dafür findet, daß der Zeuge nicht die Wahrheit sagt, dann können Sie diese Stellen dem Zeugen vorlegen.
M. MONNERAY: Dieses Dokument bezieht sich auf Amt III B des SD und berührt keinen Punkt, der den Zeugen direkt trifft. Das Dokument bezieht sich nur auf die allgemeine Tätigkeit des SD und berührt den Zeugen persönlich nicht.
VORSITZENDER: Herr Monneray! Der Zeuge hatte gerade gesagt, daß das Amt III nichts mit der Deportation der Bevölkerung zu tun hatte. Wenn dieses Dokument aber beweist, daß es doch damit zu tun hatte, dann weisen Sie ihn auf diese Tatsache hin.
M. MONNERAY: Deshalb wollte ich um die Erlaubnis bitten, eine Stelle des Dokuments verlesen zu dürfen.
VORSITZENDER: Sie können ihm das Dokument vorlegen.
M. MONNERAY: Es ist ein Schreiben vom 1. Juli mit der Unterschrift Streckenbachs. Dieses Schreiben stammt von der Dienststelle III B 1 und ist an die Gestapo und den SD in den eingegliederten Ostgebieten gerichtet.
In diesem Dokument heißt es auf Seite 2 im ersten Punkt:
»Die Staatspolizei(leit)stellen fordern von den Zweigstellen der DVL, den SD-(Leit)Abschnitten und den Kriminalpolizei(leit)stellen umgehend das dort vorliegende Material der Angehörigen der Abteilung 4 an.«
Und der Punkt 3:
»Die Leiter der Staatspolizei(leit)stellen und die Führer der SD-(Leit)Abschnitte, beziehungsweise deren ständige Vertreter (beim SD III B-Referenten) haben zwecks persönlicher Inaugenscheinnahme der betreffenden Personen an den rassischen Überprüfungen teilzunehmen.«
Und auf Seite 3 der vierte Punkt:
»Nach Abschluß der rassischen Auslese überprüfen die Leiter der Staatspolizei(leit)stellen und die Führer der SD-(Leit)Abschnitte, bezw. deren ständige Vertreter (beim SD III B-Referenten) gemeinsam das vorliegende Material und beantragen gegebenenfalls beim Reichssicherheitshauptamt – IV C 2 die Inschutzhaftnahme und Einweisung in ein KZ. In besonders schwierig gelagerten Fällen sind die aktenmäßigen Unterlagen vorher dem Reichssicherheitshauptamt, III-III B vorzulegen.«
Und auf Seite 4 der sechste Punkt dieses Befehls von Streckenbach:
»In Vollzug der laufenden Überprüfung der Wiedereindeutschungsaktion... haben die SD-(Leit)Abschnitte in den Altreichsgebieten...«
VORSITZENDER: Herr Monneray! Soweit ich verstehe, bezieht sich das Dokument klar auf das Amt III C. Warum legen Sie es ihm dann nicht vor?
M. MONNERAY: Ich möchte anschließend den Zeugen fragen, ob er weiterhin behauptet, das Amt III habe mit der Gestapo nichts zu tun gehabt und habe keinerlei Ermächtigung zur Verhaftung und Verschickung in Konzentrationslager besessen. Zuvor hätte ich gerne den letzten Abschnitt zu Ende gelesen.
VORSITZENDER: Gut, fahren Sie fort.
M. MONNERAY:
»In Vollzug der laufenden Überprüfung der Wiedereindeutschungsaktion... haben die SD-(Leit)Abschnitte in den Altreichsgebieten analog der laufenden Überwachung und Berichterstattung über die eindeutschungsfähigen Polen an das Reichssicherheitshauptamt und den Höheren SS- und Polizeiführer sich in gleicher Weise einzuschalten und die bestellten ›Berater‹ in volkstumsmäßiger Hinsicht weitgehend zu unterstützen.«
Dieser Bericht trägt die Unterschrift Streckenbachs.
Zeuge! Dieser Befehl stammt vom Amt III des Reichssicherheitshauptamtes, nicht wahr?
RÖSSNER: Dem Herrn Ankläger ist offenbar ein Irrtum unterlaufen. Nach dem mir vorliegenden Dokument stammt das ganze Schriftstück überhaupt nicht aus dem RSHA, sondern vom Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums. Neben dem Datum vom 1. Juli 1942 steht zwar III B, aber mit dem Briefkopf »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums«, eine völlig vom RSHA getrennte Dienststelle.
M. MONNERAY: Gut, Zeuge, ist es richtig zu sagen, daß gemäß diesem Befehl, der die Unterschrift Streckenbachs trägt, die SD-Dienststellen gemeinsam mit der Gestapo die Akten überprüfen und gegebenenfalls die Verhaftung und Einweisung in Konzentrationslager fordern sollten? Wollen Sie bitte mit Ja oder Nein antworten?
RÖSSNER: Darüber kann ich aus eigener Sachkenntnis leider keinerlei Auskunft geben. Auf jeden Fall ist klar, daß der Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums dem SD, Amt III, keine Befehle geben konnte. Es bleibt infolgedessen nach diesem Dokument völlig offen, was der SD praktisch auf diesem Gebiet getan hat. Darüber müßte der zuständige Sachbearbeiter befragt werden.
M. MONNERAY: Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ist es auf Grund dieses Textes richtig zu sagen, daß der SD mit der Gestapo auf diesem Gebiet aktiv zusammengearbeitet hat?
RÖSSNER: Ich glaube, die Frage...
M. MONNERAY: Ja oder nein?
RÖSSNER: Ich kann diese Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten, sondern glaube, sie soeben beantwortet zu haben damit, daß der Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums dem SD keine Befehle geben konnte. Infolgedessen kann ich nicht beurteilen, was der SD tatsächlich getan hat, da dies zwei völlig getrennte Dienststellen waren. Soviel ich weiß, ist darüber der zuständige Gruppenleiter bereits vor der Kommission gehört worden.
M. MONNERAY: Sie beantworten die Frage immer noch nicht, Zeuge. Arbeitete der SD nach diesem Text mit der Gestapo zusammen – ja oder nein –, um die Leute zu überprüfen und sie gegebenenfalls verhaften und in Konzentrationslager einweisen zu lassen?
RÖSSNER: Es tut mir leid, ich muß noch einmal meine Antwort auf Ihre zweite Frage wiederholen. Da der Reichskommissar dem SD keine unmittelbaren Weisungen geben konnte, kann ich nicht mit Ja oder Nein antworten, ob der SD tatsächlich mit der Gestapo auf Grund dieser Weisung des Reichskommissars zusammengearbeitet hat; und darum geht es ja doch wohl.
VORSITZENDER: Ich glaube, das Dokument spricht für sich selbst, und jetzt werden wir eine Pause einlegen.