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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

Ich rufe nun Dr. Pelckmann.

MAJOR F. ELWYN JONES, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Wenn Euer Lordschaft gestatten, möchte ich, bevor Dr. Pelckmann die SS-Zeugen verhört, dem Gerichtshof einen Antrag über den Zeugen Sievers vorlegen, der bereits vor der Kommission ausgesagt hat.

Gestern, Euer Lordschaft, trafen ungefähr 16 Dokumente von großer Wichtigkeit in Nürnberg ein. Sie stammen aus den Akten Himmlers. Einige dieser Dokumente sind Schreiben von Sievers selbst. Sie alle nehmen Bezug auf die Arbeit einer wichtigen Einrichtung der SS, nämlich des »Ahnenerbes«, der SS-Ahnenerbe-Forschungsorganisation, deren Chef Sievers war.

Diese Dokumente beziehen sich auch auf das Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung. Der Zweck meines Antrags ist, mir zu gestatten, Sievers vor dem Gerichtshof mit Bezug auf die Dokumente ins Kreuzverhör zu nehmen. Ich beantrage dies wegen der besonderen Wichtigkeit der Dokumente. Ich glaube, ihr Inhalt sollte ein Teil der Akten des Prozesses werden und ich schlage vor, diese Dokumente Sievers persönlich vorzuhalten. Nach meiner Meinung widerlegen sie die Aussagen von Sievers vor der Kommission vollständig, und ich glaube, auch der Gerichtshof wird wohl den Zeugen verhören wollen. Jedenfalls ist es meine Absicht, diese Dokumente vorzulegen, falls man es mir gestattet. Ich glaube nicht, daß es längere Zeit in Anspruch nehmen würde, wenn ich sie dem Zeugen selbst vorlege.

VORSITZENDER: Sie sprechen doch von einem Zeugen, der bereits vor der Kommission war?

MAJOR ELWYN JONES: Ja, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Er ist aber noch nicht vor dem Gerichtshof verhört worden und es ist dies auch nicht beantragt worden?

MAJOR ELWYN JONES: Nein.

VORSITZENDER: Ist er noch in Nürnberg?

MAJOR ELWYN JONES: Ja, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Ist er nicht einer der Zeugen, der bereits Dr. Pelckmann genehmigt wurde?

MAJOR ELWYN JONES: Nein, er ist ein zusätzlicher Zeuge.

VORSITZENDER: Ja.

MAJOR ELWYN JONES: Dr. Pelckmann ist gegen meinen Antrag.

VORSITZENDER: Sehr gut. Wir werden Sie jetzt darüber hören, Doktor.

RECHTSANWALT HORST PELCKMANN, VERTEIDIGER FÜR DIE SS: Euer Lordschaft! Ich bedaure, dem Antrag der Anklagebehörde auf Zulassung des Kreuzverhörs des Zeugen Sievers widersprechen zu müssen. Ich möchte vorausschicken, daß ich damit nicht die weitere Aufklärung des Falles der SS und die weitere Aufklärung der Vorwürfe gegen Sievers verhindern will. Meine Gründe sind grundsätzlicher Art und folgende: Auf keinen Fall kann jetzt das Kreuzverhör vor dem Gericht erfolgen. Sievers ist nicht einer von den Zeugen, die ich vor das Tribunal gerufen habe. Wenn überhaupt, dann kann das Kreuzverhör nur vor der Kommission erfolgen. Ich muß mich aber aus rein prozessualen Gründen auch dagegen wenden. Die Anklagebehörde, die seit Monaten, wenn nicht seit Jahren, im Besitz eines umfangreichen Urkundenmaterials ist – alles Material ist beschlagnahmt – und die durch ihre ausgedehnten Hilfsorganisationen, zum Beispiel den CIC, den Nachrichtendienst, die Zeugen, die sich ja alle in Lagern befinden, seit über einem Jahr vernommen hat, hatte also alle Möglichkeiten, das Kreuzverhör vor der Kommission vorzubereiten. Es ist nach meiner Meinung nicht zulässig, wenn die Anklagebehörde trotz dieser Vorteile, die sie gegenüber der Verteidigung hat, jetzt die Beweisaufnahme vor der Kommission fortsetzen kann.

Ich ziehe meinen Widerspruch ausdrücklich zurück, falls meinem vor Monaten gestellten Antrag entsprochen werden würde, die Dokumentenzentralen der Alliierten auf entlastendes Material eingehend durchprüfen zu können. Das würde ich für fair halten, falls das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft entspricht. Ich wäre dann nämlich endlich in der Lage, entlastendes Urkundenmaterial vorzulegen. Ich nehme meinen Widerspruch ausdrücklich zurück, wenn mir ferner gestattet wird, auf Grund des so gefundenen urkundlichen Entlastungsmaterials die Vernehmung der Zeugen vor der Kommission genau so fortzusetzen, wie dies jetzt die Anklagebehörde für den Zeugen Sievers beantragt hat. Man sieht, daß es der Staatsanwaltschaft nur durch eingehende Durchforschung des Urkundenmaterials in den Dokumentenzentralen möglich war, weitere Belastungen herbeizuschaffen. Sollte es angesichts dessen nicht billig sein, wenn auch der Verteidigung einmal diese Chance der Einsichtnahme gewährt wird, um entlastendes Material zu finden?

MR. DODD: Herr Vorsitzender! Bevor der Gerichtshof über diesen Antrag eine Entscheidung trifft, möchte ich noch eine Erklärung abgeben. Mindestens zum zweitenmal schließt Dr. Pelckmann aus dem ihm nicht gestatteten Zutritt zum Dokumentenzimmer auf eine Beeinträchtigung der Verteidigung.

Ich will hier ganz klarstellen, daß wir wissen, was in diesem Dokumentenzimmer ist und daß wir genau wissen, es liegt dort kein Dokument, das den hier vorgebrachten Beweis irgendwie widerlegt und daß, wenn dies der Fall wäre, diese Dokumente dem Gerichtshof und dem Angeklagten zugänglich gemacht worden wären. Ich halte es für richtig, festzustellen, daß wir eine derartige Unterstellung seitens der Verteidiger zu diesem Zeitpunkt unangenehm empfinden.

RA. PELCKMANN: Darf ich dazu etwas sagen. In meinem Dokumentenbuch, wenn der Herr Anklagevertreter das gemeint hat, befinden sich Dokumente, die ich gefunden habe entweder im Schriftenmaterial, was heute noch nicht erfaßt ist, oder in Dokumenten, die ich nach genauer Bezeichnung durch Vermittlung des Herrn Generalsekretärs und nach Beschlußfassung durch das Gericht bekommen habe. Ich sage aber, ich bin gar nicht in der Lage genaue Dokumente zu bezeichnen, wie es das Hohe Gericht in solchen Fällen verlangt, wenn ich nicht vorher, genau so wie die Anklagebehörde, in die Lage versetzt werde, das besagte Material daraufhin durchzuprüfen. Und dies ist der springende Punkt. Wir sehen an diesem Fall, wie es der Anklagebehörde, im Gegensatz zu der Verteidigung, insbesondere bezüglich der Organisationen möglich ist, Material...

VORSITZENDER: Sie haben uns das bereits gesagt und wir verstehen Ihren Standpunkt völlig.

Der Gerichtshof gibt dem Gesuch statt, den Zeugen hier zum Kreuzverhör vorzuführen. Dieser Zeuge hat bereits vor der Kommission ausgesagt und nach der Meinung des Gerichtshofs ist es wichtig, daß seine Aussage vollständig ist und vor dem Gerichtshof völlig ans Tageslicht gebracht wird. Da diese Dokumente erst jetzt in die Hände der Anklagevertretung gekommen sind, hält es der Gerichtshof für richtig, diese Dokumente dem Zeugen vorzulegen. Es ist äußerst zweckdienlich und zeitsparend, diese Dokumente dem Zeugen vor dem Gerichtshof vorzuhalten.

Wenn nun Dr. Pelckmann einwendet, die Verteidigung sei in Bezug auf das Einsehen von Dokumenten nicht fair behandelt worden, so kann der Gerichtshof keinen Grund für diese Beschwerde erkennen. Es wäre nicht angemessen, der Verteidigung etwas zu erlauben, was man wohl am besten einen »Fischzug« in Tausenden von Dokumenten, die die Anklage in Händen hat, nennen würde. Wenn die Verteidigung irgendein besonderes Dokument einsehen will, so wird ihr das zur Verfügung gestellt werden.

Ich habe bereits festgestellt, daß ein Dokument, das der Verteidigung behilflich sein kann, ihr zur Verfügung gestellt werden sollte. So ist jedenfalls die Handhabung im englischen Gerichtswesen und Herr Dodd hat jetzt dem Gerichtshof mitgeteilt, daß, wenn es im Dokumentenzimmer der Anklagevertretung irgendwelche Dokumente geben würde, die der Verteidigung irgendwie nützlich sein könnten, sie der Verteidigung zur Verfügung gestellt würden.

RA. PELCKMANN: Ich möchte nur sagen, daß ich nicht gesagt habe, die Verteidigung wäre nicht fair behandelt worden, ich habe nur gesagt...

VORSITZENDER: Ich erkläre Ihnen nur, warum der Gerichtshof es nicht für möglich hält, die Verteidigung im Dokumentenraum der Anklagevertretung nach Belieben Nachschau halten zu lassen.

Bitte rufen Sie Ihren Zeugen.

RA. PELCKMANN: Ich rufe den Zeugen Freiherr von Eberstein.