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[Zum Zeugen gewandt:]

Glauben Sie auf Grund Ihrer damaligen Erfahrung, daß die Mitgliedschaft so prominenter Persönlichkeiten auf Angehörige aller Schichten in Deutschland gewirkt hat?

VON EBERSTEIN: Auf den bürgerlichen Teil unserer Bevölkerung sicherlich.

RA. PELCKMANN: Ich meine gewirkt in dem Sinne, daß man sagte, wenn so gutes Menschenmaterial der SS angehört und sich für deren Ziele einsetzt, dann scheinen doch wirklich sehr gute und legale Ziele die Organisation zu leiten. Meinen Sie das in diesem Sinne?

VON EBERSTEIN: Jawohl, jedenfalls bin ich der Auffassung und das war auch die Auffassung meiner Kameraden, daß wir zu keinem Zeitpunkt annehmen konnten, daß die Organisation verbrecherische Ziele verfolge.

RA. PELCKMANN: Hat aber die SS nicht gerade vor 1933 viele Gewalttaten begangen und gehörte das nicht zu ihren Zielen?

VON EBERSTEIN: Nein. Wie schon der Name sagt, »Schutz-Staffel«, wurde diese Gliederung der Partei aufgestellt zum Schutze der führenden Persönlichkeiten. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß bereits im Jahre 1930 Hitler in dem Prozeß gegen die Reichswehroffiziere beschwor, daß seine Revolution eine geistige sein werde und daß er plane, auf legalem Wege die Macht in Deutschland zu erringen. Das ist ja auch durch die Wahlen geschehen und so wurde er Kanzler des Deutschen Reiches.

RA. PELCKMANN: Bitte schildern Sie die Tätigkeit der SS zum Beispiel im Jahr 1930, als Sie in Thüringen waren, Anzahl, Mitgliederzuwachs und ähnliches.

VON EBERSTEIN: Wie ich schon sagte, wurde die SS aufgestellt 1928/1929 in Thüringen. Bis etwa zum Reichsparteitag 1929 hatten wir in ganz Thüringen insgesamt 45 bis 50 Mann SS. Am Reichsparteitag war hier die SS aus ganz Deutschland. Das waren zirka 700 Mann. Im Jahr 1929/1930 waren Wahlkämpfe in Thüringen, die den verstärkten Einsatz dieser wenigen Männer als Rednerschutz erforderten. Von einem Dienst außerhalb dieses Rednerschutzes kann gar nicht gesprochen werden. Es waren einige Appelle, bei denen bekanntgegeben wurde, welche Redner die einzelnen SS-Männer zu begleiten hatten. Die Notwendigkeit dieses Schutzes war gegeben durch den außerordentlich scharfen politischen Kampf, und man mußte froh sein, wenn man die Männer abends unverwundet wieder im Quartier hatte.

RA. PELCKMANN: Wie war das Stärkeverhältnis zu den anderen Gliederungen der Partei damals? Bitte, Herr Zeuge, sprechen Sie langsamer. Ich bemerke, daß die Übersetzung Mühe hat mitzukommen.

VON EBERSTEIN: Ich bitte um Entschuldigung. Die SS war bei weitem die kleinste Gliederung der Partei. Nach einer Bestimmung der Obersten SA-Führung durfte sie nie mehr als zehn Prozent der Stärke der SA haben.

RA. PELCKMANN: Wo waren Sie in dem Jahre 1933?

VON EBERSTEIN: 1933 war ich in Weimar in Thüringen.

RA. PELCKMANN: Und in welcher Stellung?

VON EBERSTEIN: Als Führer des SS-Oberabschnitts Mitte, des größten Oberabschnitts der SS.

RA. PELCKMANN: Wie viele SS-Leute waren Ihnen damals unterstellt?

VON EBERSTEIN: Es waren nach der Machtergreifung 10000 bis 15000.

RA. PELCKMANN: Auf welchen Bereich erstreckte sich diese Anzahl?

VON EBERSTEIN: Auf den Freistaat Sachsen, den Freistaat Thüringen und die preußische Provinz Sachsen.

RA. PELCKMANN: Wodurch erklärt sich das Anwachsen der SS in dieser Zeit?

VON EBERSTEIN: Das Anwachsen erklärte sich einmal durch die Tatsache, daß die nationalsozialistische Regierung an die Macht gekommen war und damit eine große Zahl von Leuten ihre Loyalität gegenüber dem neuen Staat kundtun wollte, zum anderen, daß auch, nachdem die Partei ihre Aufnahmesperre im Mai 1933 angeordnet hatte, viele über die Gliederungen, also die SS und SA, versuchen wollten, dann später in die Partei zu kommen. Es gab aber auch wieder andere, die mehr Freude an Sport und in der Kameradschaft im Kreise junger Männer suchten und weniger politisch interessiert waren. Die Gründe waren ganz verschieden.

RA. PELCKMANN: Wurden aber nach dieser Zeit des plötzlichen Anwachsens die Mitglieder streng überprüft und die letzten Aufnahmebedingungen, nämlich völlige Unbescholtenheit, saubere Lebensführung, berufliche Höchstleistung noch obendrein verschärft?

VON EBERSTEIN: Jawohl. Etwa ab Februar-März 1934 wurde von Himmler eine Nachmusterung aller derjenigen SS-Angehörigen angeordnet, die im Jahre 1933 eingetreten waren, eine strenge Nachmusterung, die sich bis in das Jahr 1935 erstreckte, und es wurden damals ungefähr 50000 bis 60000 im gesamten Reichsgebiet wieder ausgeschieden.

RA. PELCKMANN: War es notwendig, Parteimitglied zu sein, um in die Allgemeine SS aufgenommen zu werden?

VON EBERSTEIN: Nein, keineswegs. Ich bemerkte das ja schon vorhin.

RA. PELCKMANN: Wenn die Parteimitgliedschaft aber nicht notwendig war, kann es dann richtig sein, daß die SS, wie die Anklage behauptet, der Kern des Nazi-Regimes war, eine weltanschaulich verschworene Truppe, so daß man daraus schließen kann, daß bei der Aufnahme strengste Nazi-Voraussetzungen, Nazi-Normen angelegt wurden?

VON EBERSTEIN: Der Kern des Regimes war die politische Partei als solche, und zwar in der Hand der Hoheitsträger. Den Hoheitsträgern war die Menschenführung von Hitler übertragen, ein Privileg, das sie hatten und an dem bis zum Schlusse festgehalten wurde. Das war der Kern des Regimes. Bei der SS ist an der Auslese allerdings festgehalten worden.

RA. PELCKMANN: Aber worauf bezog sich die Auslese?

VON EBERSTEIN: Die Auslese erforderte das polizeiliche Leumundszeugnis. Verlangt wurde, daß die Leute eine anständige Lebensführung nachweisen konnten, daß sie im Beruf ihre Pflicht erfüllten, keine Erwerbslosen oder Leute, die nicht arbeiten wollten, wurden aufgenommen. In dieser Beziehung wurde eine Auslese immer gefordert.

RA. PELCKMANN: Und sind dann diese Ausleseprinzipien nicht auch noch erweitert worden nach den sogenannten Rassenvoraussetzungen: Größe, Gesundheit, Abstammung?

VON EBERSTEIN: Dies war auch vorgeschrieben, jawohl.

RA. PELCKMANN: Also, alles zusammengefaßt, Herr Zeuge, Auslese nicht nur nach politischen, sondern auch nach anderen Umständen, die Sie geschildert haben.

VON EBERSTEIN: Jawohl.

RA. PELCKMANN: Sind Ihnen 1933/1934 als SS-Gruppenführer und Führer des großen Oberabschnitts der Allgemeinen SS Ausschreitungen gegen Juden bekanntgeworden?

VON EBERSTEIN: Nein.

RA. PELCKMANN: Wir haben hier bei der Vernehmung einer anderen Organisation von dem sogenannten Judenboykott im Jahre 1933/1934 gehört. Haben Sie mit Ihren Leuten denn daran nicht teilgenommen?

VON EBERSTEIN: Die SS hat an diesem Boykott – Ausschreitung möchte ich sagen – nicht teilgenommen. Ich habe in Dresden, nachdem ich von diesen Dingen Kenntnis bekam, einen Appell abgehalten und meinen Leuten die Teilnahme streng verboten.

RA. PELCKMANN: Glaubten Sie, durch das Bestreben, den Einfluß der jüdischen Bevölkerung im öffentlichen Leben und in der Wirtschaft auf den Prozentsatz zurückzudrängen, der ihrer Bevölkerungszahl entsprach, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen?

VON EBERSTEIN: Nein.

RA. PELCKMANN: Wollten Sie dieses Ziel, das Ihnen doch wohl nach Ihrer Ideologie vorschwebte, mit Gewalt erreichen?

VON EBERSTEIN: Nein, keineswegs. Die SS hatte ja darauf auch gar keinen Einfluß.

RA. PELCKMANN: War nicht gerade die SS in ihrer Auffassung, daß Parteiprogrammpunkte nicht durch Einzelaktionen verwirklicht werden sollten, ganz besonders streng?

VON EBERSTEIN: Es bestanden außerordentlich strenge Vorschriften schon vor 1933. Diese Vorschriften verboten jede Einzelaktion, zum Beispiel hatten wir eine sehr strenge Vorschrift, keine Waffen bei uns zu führen, weil es die politische Tätigkeit der Partei sonst gefährdet hätte, wenn die Polizei damals bei uns Waffen gefunden hätte. Auch späterhin hat Himmler immer wieder streng anbefohlen, keinerlei Aktionen zu unternehmen.

RA. PELCKMANN: Glaubten Sie, durch die Ihnen als Ideologie vorschwebende Zurückdrängung des jüdischen Einflusses nach den nationalsozialistischen Prinzipien, glaubten Sie, dadurch bereits eine Vorbereitung für einen neuen Krieg zu schaffen, und zwar daß durch den geplanten neuen Krieg der Einfluß einer Opposition innerhalb Deutschlands unmöglich gemacht werden sollte?

VON EBERSTEIN: Nach meiner Meinung eine Konstruktion; ich verstehe das nicht. Für die SS war nach der Verkündung der Nürnberger Gesetze vom Jahre 1935, durch die wir im übrigen überrascht wurden, die Judenfrage staatlicherseits geregelt. Ich erinnere mich auch, daß damals Hitler außerordentlich gewarnt hat, über dieses Gesetz hinauszugehen, indem er auf die ungeheure Verantwortung hinwies, die damit in die Hand des deutschen Volkes gelegt wurde, durch dieses Gesetz.

RA. PELCKMANN: Glaubten Sie vielleicht, Sie könnten schon etwas zur Vorbereitung des Angriffskrieges tun, wenn Sie beziehungsweise wenn die Partei oder wenn der Staat Kommunisten und Sozialisten aus dem öffentlichen Leben ausschalteten?

VON EBERSTEIN: Nein.

RA. PELCKMANN: Ja, haben Sie solche Überlegungen überhaupt angestellt?

VON EBERSTEIN: Diese Frage scheint mir eine Konfusion zu sein, denn das Verhältnis war so, daß diese Frage für uns gar nicht diskutabel war.

RA. PELCKMANN: Welche Vorbereitungen für einen Angriffskrieg haben Sie denn in der SS bemerkt?

VON EBERSTEIN: Keine Vorbereitung.

RA. PELCKMANN: Ist die allgemeine SS militärisch ausgebildet worden?

VON EBERSTEIN: Nein, sie war nicht militärisch ausgebildet, denn Sport und Kleinkaliberschießen und Ordnungsübungen stellen keine militärische Ausbildung dar. Im übrigen darf ich bemerken, daß Himmler mir und auch anderen SS-Führern die Ableistung von Reserveoffiziersübungen bei der Wehrmacht nach 1934/1935 verboten hat. Daraus allein ist ja schon ersichtlich, daß keine militärische Ausbildung den SS-Männern gegeben wurde und auch nicht geplant war. Im übrigen mußte jeder SS-Angehörige wie jeder andere deutsche Staatsbürger seine Wehrpflicht innerhalb der Wehrmacht anstatt in der Waffen-SS erfüllen.

RA. PELCKMANN: Ich zitiere aus dem SS-Dokument Nummer 5, das später überreicht werden wird:

»Die Allgemeine SS steht voll und ganz im Beruf.« – Dies ist ein Auszug aus einer Druckschrift »Nationalpolitischer Lehrgang der Wehrmacht: ›Wesen und Aufgaben der SS und der Deutschen Polizei‹«.- »In der Zeit vom 21. bis 35. Lebensjahr wird der Mann dienstlich sehr stark in Anspruch genommen, besonders bis zum 25. Lebensjahr. In diesen ersten vier Jahren heißt es marschieren, Kampfspiele, also Sport jeder Art.... Von jedem SS-Mann bis zum 50. Lebensjahr wird jedes Jahr die Ablegung irgendeiner Leistungsprüfung verlangt. Warum mache ich das? Die Männer stehen sehr viel im Beruf. In der SS sind vielleicht die Hälfte bis drei Fünftel Städter. Der Arbeiter in der Stadt hat sehr oft eine stehende oder der geistige Arbeiter eine sitzende Beschäftigung. Es kommt das Elend der Großstadt hinzu, das meines Erachtens auch eine militärisch schwierige Frage ist. All die Menschen des 20. Jahrhunderts gehen ja nicht mehr, sondern fahren mit der Untergrundbahn...«

Ich zitiere weiter:

»Wenn wir jung bleiben wollen, müssen wir Sport treiben. Das bleibt aber alles auf dem Papier, wenn ich nicht jedes Jahr das überprüfe oder einen gewissen Ehrgeiz unter den Männern wachrufe, damit sie wirklich Sport treiben.«

Gibt dieses Zitat, Herr Zeuge, etwa die Einstellung wieder, die insbesonders nach 1933 für die Beschäftigung der SS typisch ist?

VON EBERSTEIN: Jawohl.

RA. PELCKMANN: Können Sie sich an Äußerungen Hitlers und anderer Parteiführer erinnern, in Versammlungen, auch im Reichstag oder in Zeitschriften, die dauernd Friedensbeteuerungen enthielten, ja sogar einen Abscheu und ein Entsetzen vor den Schrecken des Krieges bekundeten?

VON EBERSTEIN: Jawohl.

RA. PELCKMANN: Waren weitere Aufgaben zum Beispiel die Betreuungen und Ordnungsdienste auf den Reichsparteitagen? Wollen Sie das einmal schildern?

VON EBERSTEIN: Ja, bei den großen Massenaufmärschen der Partei hatte die SS jeweils den Ordnungsdienst zu versehen; außer dem Ordnungsdienst die Begleitung der Ehrengäste und auch deren Betreuung. ES waren immer sehr anstrengende Tage für die Männer, wenn sie außerdem noch an den Vorbeimärschen auch teilnehmen mußten. Es ist dazu sonst nichts weiter zu sagen.

RA. PELCKMANN: Hatten Sie die Betreuung von Ehrengästen?

VON EBERSTEIN: Ja, das habe ich soeben erwähnt. Ich persönlich hatte bei den Parteitagen, wie auch andere hohe SS-Führer, immer die Aufgabe, hohe Gäste zu führen.

Ich persönlich habe noch an einem der letzten Parteitage den Britischen Botschafter geführt.

RA. PELCKMANN: Wo waren Sie, Herr Zeuge, am 30. Juni 1934?

VON EBERSTEIN: In Dresden.

RA. PELCKMANN: Hatten Sie vor diesem Datum schon davon gehört, daß Röhm einen sogenannten Putsch beabsichtige?

VON EBERSTEIN: Jawohl. Ungefähr acht Tage vor dem 30. Juni 1934 wurde ich nach Berlin befohlen zu Himmler, wo dieser mir offiziell mitteilte, daß Röhm einen Staatsstreich plane, und mir Weisung gab, meine SS-Angehörigen in stiller Alarmbereitschaft zu halten und bei Auslösung des Alarms in Kasernen zusammenzuziehen.

Zu diesem Zweck verwies er mich auch an den Wehrkreisbefehlshaber. So hatte ich also vorher diese Mitteilung bekommen.

RA. PELCKMANN: Hat nun die Allgemeine SS am 30. Juni 1934 Tötungen vorgenommen? Was wissen Sie aus Ihrer damaligen Tätigkeit darüber?

VON EBERSTEIN: Die Allgemeine SS hat keine Tötungen vorgenommen in meinem Gebiet. Sie war ja in den Kasernen während der ganzen entscheidenden Tage zusammengehalten.

RA. PELCKMANN: Schildern Sie bitte im einzelnen, wie es aber doch, soweit ich unterrichtet bin, zu Tötungen gekommen ist.

VON EBERSTEIN: Jawohl. Im Laufe des 30. Juni kam zu mir ein SS-Obersturmbannführer Beutel vom SD mit einem Sonderauftrag, den er von Heydrich bekommen hatte. Es war noch ein jüngerer Mann, dieser Beutel, und er wußte nicht, was er nun machen sollte und kam zu mir, um von mir als älterem Mann einen Rat zu holen. Er hatte einen Befehl, in dem waren ungefähr 28 Namen enthalten und ein Zusatz, aus dem hervorging, daß ein Teil dieser Leute verhaftet und ein anderer Teil exekutiert werden sollte. Dieses Schriftstück trug keine Unterschrift, und ich riet daher diesem Obersturmbannführer, doch unbedingt eine Klarheit herbeizuführen, was nun geschehen solle und warnte ihn auch sehr nachdrücklich vor irgendwelchen unbesonnenen Handlungen. Es ist dann, soweit ich mich erinnern kann, ein Kurier nach Berlin geschickt worden und dieser Kurier hat dann acht Exekutionsbefehle mitgebracht, und zwar von Heydrich. Diese Befehle hatten ungefähr folgenden Inhalt: Auf Befehl des Führers und Reichskanzlers wird der und der – und dann folgte der Name des Betreffenden – wegen Hoch- und Landesverrats zum Tode durch Erschießen verurteilt.

Unterschrieben waren diese Urkunden von Heydrich. Die Unterschrift war zweifelsohne echt; und ein beigedruckter Dienststempel der betreffenden Dienststelle, der Heydrich vorstand in Berlin; und auf Grund dieser Urkunde sind acht Angehörige der SA und auch der Partei, insgesamt acht Personen, in Dresden von der politischen Bereitschaft Sachsen erschossen worden. Außerdem ist in Plauen ein HJ-Führer erschossen worden und noch eine weitere Person in Chemnitz.

Das ist das, was ich davon weiß aus meinem Bereich.

RA. PELCKMANN: Hatten Sie mit diesen Erschießungen nun als Führer der Allgemeinen SS etwas zu tun?

VON EBERSTEIN: Nein, keineswegs. Dieser Befehl der Staatsführung wurde vollstreckt von den politischen Bereitschaften. Ich hätte das weder fördern noch verhindern können.

RA. PELCKMANN: Haben Sie denn geglaubt, daß Röhm tatsächlich ein hochverräterisches Unternehmen vorhatte und daß die Gefahr für die Deutsche Regierung und das deutsche Volk so unmittelbar bevorstand, daß nur durch ein sofortiges Handeln, das heißt durch Erschießen der Schuldigen, die Lage gerettet werden konnte?

VON EBERSTEIN: Ich habe absolut an einen Staatsnotstand geglaubt. Ich mußte das ja auch, nachdem der höchste deutsche Polizeibeamte, nämlich Himmler, mir das selber mitgeteilt hat und mich noch ausdrücklich für den Fall des Alarms auf die Zusammenarbeit mit dem Wehrkreisbefehlshaber hinwies, also einer Stelle, die doch sehr maßgeblich war.

RA. PELCKMANN: Erinnern Sie sich, daß unmittelbar nach diesen Vorgängen in der Presse zwei Telegramme des Reichspräsidenten von Hindenburg veröffentlicht worden sind, und zwar das eine an den Führer vom 2. Juli 1934, das andere an Göring am 2. Juli 1934. Ich zitiere das SS-Dokument Nummer 74, das später überreicht werden wird. Telegramm von Hindenburgs an Hitler:

»Aus den mir erstatteten Berichten ersehe ich, daß Sie durch Ihr entschlossenes Zugreifen und die tapfere Einsetzung Ihrer eigenen Person alle hochverräterischen Umtriebe im Keime erstickt haben. Sie haben das deutsche Volk aus einer schweren Gefahr errettet. Hierfür spreche ich Ihnen meinen tiefempfundenen Dank und meine aufrichtige Anerkennung aus.

Mit besten Grüßen

von Hindenburg.«

Telegramm von Hindenburgs an Göring:

»Für Ihr energisches und erfolgreiches Vorgehen bei der Niederschlagung des Hochverratversuchs spreche ich Ihnen meinen Dank und, meine Anerkennung aus.«

Haben Sie diese Telegramme in der Presse damals gelesen?

VON EBERSTEIN: Jawohl.

RA. PELCKMANN: Erinnern Sie sich an die Rede Hitlers vor dem deutschen Reichstag am 13. Juli 1934, in der er auch schildert, wie angeblich eine unmittelbare Gefahr über Deutschland geschwebt habe?

VON EBERSTEIN: Jawohl.

RA. PELCKMANN: Erinnern Sie sich – ich zitiere nur ganz wenige kurze Punkte aus dem Dokument SS-105...

VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Glauben Sie nicht, daß Sie dies mehr zusammenfassen können. Dieser Zeuge hat gesagt, daß die SS mit dem Röhm- Putsch nichts zu tun hatte, soweit es seinen eigenen Abschnitt betrifft. Es scheint unnötig, ihm alle Einzelheiten vorzuhalten.

RA. PELCKMANN: Ich glaube zu dem Röhm- Putsch lediglich noch vortragen zu müssen – aber vielleicht ist das schon erschöpft –, daß tatsächlich auch nachher kein Verdacht einer unrechtmäßigen Handlung auftauchen konnte. Das wollte ich mit diesen Beweismitteln, auf die ich mich beziehe, tun.

VORSITZENDER: Sie wissen doch, daß wir immer und immer wieder erklärt haben, wir wünschen keine Aussagen zu hören, die bereits vor der Kommission gegeben wurden. Wir wünschen eine Zusammenfassung, und zwar nur der wichtigsten und etwa auftauchender neuer Punkte; und natürlich wollen wir auch die Zeugen sehen, um festzustellen, ob sie glaubwürdig sind.

RA. PELCKMANN: Ja, ich beachte das Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Ich glaube, es wäre gut, jetzt eine Pause einzulegen.