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[Das Gericht vertagt sich bis

5. August 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertfünfundneunzigster Tag.

Montag, 5. August 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Zeuge Eberstein im Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Ja, Dr. Pelckmann.

RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Sie hatten am Samstag gesagt, der beschuldigte Zeuge Rascher wäre zum Schluß im Konzentrationslager gewesen. Waren Sie eigentlich mit dieser Erledigung der Angelegenheit einverstanden?

VON EBERSTEIN: Nein, ich war der Auffassung, daß diese verbrecherischen Taten ihre gerichtliche Ahndung finden müssen.

RA. PELCKMANN: Wenn Sie diese Erledigung ohne formelles gerichtliches Verfahren nicht gebilligt haben, was konnten Sie noch dagegen tun, welche Konsequenzen hätten Sie ziehen können?

VON EBERSTEIN: Ich darf wiederholen, daß ich ununterbrochen reklamiert habe sowohl bei der Kommandostelle Himmler als auch durch Rückfragen beim Obersten SS- und Polizeigericht. Ich darf hinweisen auf die bindenden Bestimmungen der Kriegsstrafverfahrensordnung, nach der allein Himmler zuständig war. Es wäre mir nur mehr eine Beschwerde über Himmler bei Hitler übriggeblieben. Dies war bei den bestehenden Verhältnissen praktisch eine Unmöglichkeit. Weder eine mündliche noch eine schriftliche Beschwerde oder Berichterstattung meinerseits hätte Hitler je erreicht.

Dazu darf ich erklären, daß beispielsweise ich in meiner hohen sowohl staatlichen als auch parteipolitischen Stellung in neun Jahren meiner Amtstätigkeit in München nur ein einziges Mal zirka zehn Minuten zu Hitler gelassen wurde, weil er damals von mir einen Bericht über Absperrungsmaßnahmen gelegentlich einer großen Veranstaltung haben wollte; das war das einzigste Mal. Es wäre mir nur noch übriggeblieben, den Abschied zu nehmen. Dies wäre zweifelsohne auf Grund der bestehenden Bestimmungen nicht genehmigt worden. Die letzte Möglichkeit, die blieb, war, entweder einen schimpflichen Selbstmord zu begehen oder Gehorsamsverweigerung als Soldat – denn ich war General der Waffen-SS und durch meinen Fahneneid gebunden –, um dann vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden und schon damals in ein Konzentrationslager zu kommen.

RA. PELCKMANN: Sie sagten soeben, Herr Zeuge, Sie waren General der Waffen-SS gewesen. Bisher haben Sie dem Hohen Gericht nur gesagt, daß Sie Mitglied der Allgemeinen SS waren. Wann und aus welchem Grunde sind Sie General der Waffen-SS geworden, obwohl Sie doch bis dahin mit der Waffen- SS überhaupt nichts zu tun hatten?

VON EBERSTEIN: Im Herbst 1944 wurde Himmler Oberbefehlshaber des Ersatzheeres. Mit der Übernahme dieser Dienstgeschäfte kam auch das Kriegsgefangenenwesen unter seine Befehlsgewalt. Himmler übertrug nunmehr an die Höheren SS- und Polizeiführer im Herbst 1944 die Verantwortung für die größere Sicherung der Kriegsgefangenenlager gegen Massenfluchten und Befreiungsversuche von außen. Zu diesem Zwecke wurden die Höheren SS- und Polizeiführer zu Höheren Kommandeuren der Kriegsgefangenen in den Wehrkreisen ernannt. Da nach den internationalen Bestimmungen über das Kriegsgefangenenwesen nicht Polizeikräfte zur Verwaltung eingesetzt werden dürfen, hat man die Höheren SS- und Polizeiführer in die Waffen-SS übernommen und zu Generalen der Waffen-SS ernannt.

VORSITZENDER: Ich glaube, es wäre dem Gerichtshof angenehm, wenn der Zeuge etwas schneller sprechen würde.

RA. PELCKMANN: [zum Zeugen gewandt] Die Anklagebehörde wertet die Tatsache, daß Himmler im September 1944 als Oberbefehlshaber des Ersatzheeres auch Chef des Kriegsgefangenenwesens geworden ist dahin, das Kriegsgefangenenwesen sei nun eine Aufgabe der SS geworden. Ist das richtig?

VON EBERSTEIN: Das trifft nicht zu. Außer dem Höheren Kommandeur der Kriegsgefangenen, also der Person als solcher, hatte kein anderer SS-Angehöriger mit den Kriegsgefangenen etwas zu tun.

RA. PELCKMANN: Die Anklagebehörde behauptet weiter, daß durch die Übertragung dieser Kriegsgefangenenaufgaben an Himmler beziehungsweise an die Höheren Kommandeure der Kriegsgefangenen im Herbst 1944 die unmenschliche Behandlung und die Vernichtung alliierter Kriegsgefangener durch die SS systematisch gefördert wurde. Ist das richtig?

VON EBERSTEIN: Nein, denn es blieben für den inneren Dienst in den Lagern und die innere Verwaltung weiterhin zuständig die Lagerkommandanten der Wehrmacht. Die Aufgabe, die uns gestellt war, war eine Sicherungsaufgabe, die erst am Lagerrand begann. Im übrigen habe ich bei den Besuchen, die ich in den einzelnen Lagern gemacht habe, während des halben Jahres meiner Zuständigkeit, immer die Vertrauensmänner der Kriegsgefangenen persönlich gefragt, ob sie irgendwelche Klagen hätten. Es ist nicht eine einzige Klage dieser Art an mich gekommen von diesen Vertrauensleuten.

RA. PELCKMANN: Hatten Sie als Höherer Kommandeur der Kriegsgefangenen ab Herbst 1944 irgend etwas mit dem Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen zu tun?

VON EBERSTEIN: Nein. Der Arbeitseinsatz wurde geregelt von einem Arbeitseinsatzstab der Wehrmacht im Zusammenwirken mit den Landesarbeitsämtern beziehungsweise den Bedarfsträgern, die Kriegsgefangene zum Arbeitseinsatz benötigten. Der Höhere Kommandeur der Kriegsgefangenen war nicht damit befaßt.

RA. PELCKMANN: Hat sich ab Herbst 1944 etwas an Ihrer Zuständigkeit für die Konzentrationslager oder an Ihrer Unzuständigkeit für die Konzentrationslager geändert, wie Sie es am Samstag geschildert haben?

VON EBERSTEIN: Im Herbst 1944 wurde ebenso wie bei den Kriegsgefangenenlagern auch bei den Konzentrationslagern dem Höheren SS- und Polizeiführer die Verantwortung für die Sicherung der Lager nach außen übertragen aus den vorhin bereits erwähnten gleichen Gründen, im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Staatssicherheit.

RA. PELCKMANN: Ist also für die Einlieferung der Häftlinge weiterhin zuständig geblieben das Reichssicherheitshauptamt und für die Verwaltung der Lager die Amtsgruppe D des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes?

VON EBERSTEIN: Jawohl. Für Einweisung und Entlassung das Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes und für die interne Lagerverwaltung die Inspektion der Konzentrationslager, die Amtsgruppe D des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes.

RA. PELCKMANN: Können Sie aus der letzten Phase des Krieges ein Beispiel dafür geben, wie schwer es für Sie infolge Ihrer beschränkten Zuständigkeit war, den Tod von Tausenden von KZ-Häftlingen zu verhindern?

VON EBERSTEIN: Jawohl. Anfang März 1945 hat der Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Giesler in München mich zu sich befohlen und an mich das ungeheuerliche Ansinnen gestellt, ich möge auf den Kommandanten von Dachau dahingehend Einfluß nehmen, daß beim Herannahen der amerikanischen Truppen die Häftlinge – es handelte sich damals um 25000 Menschen – zu erschießen seien.

Ich habe diese Forderung entsetzt zurückgewiesen, vor allen Dingen zurückgewiesen mit dem Hinweis darauf, daß ich ja dem Kommandanten gar keine Befehle erteilen könne, worauf Giesler zu mir sagte, er würde dann als Reichsverteidigungskommissar dafür sorgen, daß das Lager von eigenen Luftstreitkräften zusammengeschossen würde. Ich habe ihm entgegengehalten, daß ich es für ausgeschlossen halte, daß irgendein deutscher Fliegerkommandant sich dafür bereitfinden würde, worauf Giesler sagte, er würde dann Sorge tragen, daß den Gefangenen etwas in die Suppe getan würde, also die Androhung einer Vergiftung. Es erschien mir Gefahr im Verzuge, und ich habe aus eigenem Entschluß eine Anfrage gerichtet an die Inspektion der KZ-Lager, fernschriftlich, und um beschleunigte Herbeiführung einer Entscheidung Himmlers gebeten, was mit den Häftlingen im Falle des Herannahens der amerikanischen Truppen geschehen solle. Es kam kurz darauf der Bescheid, daß die Lager geschlossen an den Gegner zu übergeben seien. Das habe ich Giesler gezeigt, worauf er sehr derb war, weil ich seinen Plan durchkreuzt hatte und mich auf einen anderen Standpunkt stellte. Ich hatte noch einen weiteren Zusammenstoß bezüglich der Verteidigung Münchens, die völlig aussichtslos war. Acht Tage vor meiner Entlassung wurde der Wehrmachtsbefehlshaber hinausgeworfen, und am 20. April bin ich auch entlassen worden, das heißt meiner sämtlichen Ämter enthoben, und war damit ohne Kommandogewalt.

VORSITZENDER: Der Mann, von dem Sie sprechen, war der Gauleiter von welchem Gebiet, von welchem Gau?

VON EBERSTEIN: Von München-Oberbayern. Zugleich war der Gauleiter bayerischer Ministerpräsident und bayerischer Innenminister und Reichsverteidigungskommissar.

RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Sie haben eben schon die verschiedenen Eigenschaften des Gauleiters Giesler geschildert. Hatte er nach der damaligen Struktur der inneren Verwaltung formell das Recht zu den Handlungen, die er beabsichtigte?

VON EBERSTEIN: Jawohl. Der Reichsverteidigungskommissar konnte in allen Fragen der Landesverteidigung seinen Willen durchsetzen auf Grund der bestehenden reichsgesetzlichen Verordnungen für die Reichsverteidigungskommissare. Außerdem war der Mann, wie ich schon sagte, bayerischer Ministerpräsident und hatte auch als solcher die landesherrlichen Hoheitsrechte in seiner Person vereinigt.

RA. PELCKMANN: Da in einigen Plädoyers meiner Herren Mitverteidiger der Hauptangeklagten angedeutet worden ist, daß im Laufe des Krieges die SS – unter diesem Schlagwort ist es gesagt worden – die Regierung in Deutschland gestellt habe, wollen Sie bitte entwickeln, in wessen Händen nach Ihrer Meinung, nach Ihrer damaligen Erfahrung, in einer so hohen Position die Staatsgewalt von 1933 bis 1945 gelegen hat?

VON EBERSTEIN: Jedenfalls nicht in den Händen der SS. Im Kriege waren wesentliche Funktionen der Reichsgewalt in den Händen der Reichsverteidigungskommissare, die ja in alle Dinge sich einschalten konnten mit Ausnahme der Reichssonderverwaltung. Ich darf hinweisen auf die reichsgesetzliche Verordnung vom, ich glaube, 16. November 1942. Im übrigen wurden durch die Einflußnahme des Martin Bormann ja die Dinge im Inneren des Reiches über die Gauleiter und Reichsverteidigungskommissare ziemlich einheitlich gesteuert. Die SS jedenfalls war zu keiner Zeit ein bestimmender Faktor. Die Allgemeine SS bestand ja, wie ich schon am Samstag ausgesagt habe, bereits gar nicht mehr im Lande. Und die Truppenteile der Waffen-SS standen am Feind.

RA. PELCKMANN: Noch eine Einzelfrage, Herr Zeuge: Wann und auf welche Weise haben Sie etwas davon erfahren, daß Angehörige der jüdischen Bevölkerung in Ihrem Bezirk nach dem Osten deportiert wurden?

VON EBERSTEIN: Ich glaube, im Jahre 1941 erfuhr ich durch einen Zufall, nämlich aus dem Bericht der Kriminalpolizei in München – aus dem Morgenbericht –, daß in einer Nacht, in der vorhergehenden Nacht, eine ganze Anzahl von Selbstmorden in München passiert waren. Mir fiel das auf als etwas ganz Ungewöhnliches. Ich habe daraufhin mir Klarheit zu schaffen versucht, indem ich den Leiter der Kriminalpolizei befragte, wieso es zu diesen – ich glaube, es waren sechs oder acht – Selbstmorden in einer Nacht gekommen sei. Er verwies mich an die Geheime Staatspolizei. Über den Leiter der Staatspolizei erfuhr ich, daß für den Tag der Abtransport von, ich glaube, einigen hundert jüdischer Einwohner aus München oder der Umgebung – ich weiß nicht, ob sie alle aus München waren – vorgesehen sei. Auf meine Frage, wohin dieser Transport ginge, wurde mir mitgeteilt, daß es eine Umsiedlung zum Zwecke des Arbeitseinsatzes im Osten sei, und zwar wurde mir glaubhaft geschildert, daß diese Züge bereits mit der Reichsbahndirektion festgelegt seien, daß die Auswahl der betreffenden Personen infolge einer Weisung des Reichssicherheitshauptamtes an die Geheime Staatspolizei im Einvernehmen mit der Israelitischen Kultusgemeinde vorher durchgesprochen worden sei. Die betreffenden Personen waren im Besitze von Geldbeträgen, von Lebensmittelkarten, von einem gewissen Umfang von Gepäck. Es waren bei den Zügen Waggons mit Schanzgeräten, also Spaten und Hacken und dergleichen. Das war das, was ich damals feststellen konnte.

RA. PELCKMANN: Wie kommt es, daß Sie auf diese Art und Weise von diesen Dingen erfahren haben? Hätten Sie nicht in irgendeiner Ihrer amtlichen Eigenschaften vorher davon unterrichtet werden müssen?

VON EBERSTEIN: Ich hätte benachrichtigt werden können, aber ich kann hier nur schildern, wie es tatsächlich gewesen ist.

RA. PELCKMANN: Bestand also, wenn ich Sie richtig verstanden habe, eine Pflicht dieser Geheimen Staatspolizeistellen, Sie zu benachrichtigen, nicht?

VON EBERSTEIN: Für die Geheime Staatspolizei zweifelsohne nicht; wohl für den Inspekteur der Sicherheitspolizei.

RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Sie haben versucht, in Beantwortung meiner Fragen darzulegen, daß Sie als Führer der Allgemeinen SS keine Verbrechen, wie sie die Anklagebehörde behauptet – ich habe einige Beispiele aufgezählt –, begangen haben, und daß auch die Mitglieder der Allgemeinen SS solche Verbrechen nicht begangen haben, so daß man also nach Ihrer Meinung nicht sagen könnte, die Allgemeine SS sei verbrecherisch gewesen.

Ich muß Ihnen aber nun vorhalten, daß in einer ausgedehnten Beweisaufnahme bewiesen wurde, daß verbrecherische Taten geliefert worden sind. Ich erinnere Sie an die Tausende von Toten in den Konzentrationslagern, an Tausende von Einsatzgruppen und Einsatzkommandos erschossener Juden im Osten, und ich erinnere Sie an die Massenvergasungen in Auschwitz.

Ich frage zunächst Sie, was haben Sie von diesen Dingen bis 1945 gewußt?

VON EBERSTEIN: Ich habe nichts gewußt. Ich war während des ganzen Krieges ununterbrochen in München, ohne Einsatz in den besetzten Gebieten. Von den grauenhaften Massenmorden und den Vergasungen habe ich in der Gefangenschaft gehört. Heute weiß ich, daß es einem Unberufenen und Nichteingeweihten unmöglich war, in die Geheimsphäre dieser Vernichtungslager einzudringen. Hinweise waren wohl hie und da vorhanden. In meiner amtlichen Eigenschaft habe ich ausländische Zeitungen, die beschlagnahmt waren, hie und da gelesen; aber da standen auch Dinge drin, die nach meiner Ansicht und nach unseren Erfahrungen nicht zutrafen. Infolgedessen hielt ich die Berichte über solche Greueltaten für einen Ausfluß der gegnerischen Propaganda. Feindsender habe ich nicht gehört, denn es war ja – wie dem Hohen Gericht bekannt ist – jedem Deutschen verboten, und da wir ja berufen waren, die Leute, die dieses Gesetz übertraten, zu bestrafen, so glaubte ich, das selber auch nicht tun zu dürfen. Was die Männer der Allgemeinen SS, also die große Masse der Leute anbetrifft, so waren sie nach meiner festen Überzeugung weder beteiligt an diesen grauenhaften Dingen, noch haben sie davon gewußt. Ich bin der festen Überzeugung, daß auf Grund des guten Vertrauensverhältnisses, das zwischen meinen Männern und mir bestand, diese sicherlich Fragen an mich gerichtet hätten; denn sie kamen ja, wenn sie von den Fronten auf Urlaub kamen, und besuchten mich. Sie hätten mich gefragt: Obergruppenführer, wissen Sie etwas von diesen Sachen, oder stimmt denn das? Nicht einmal hat mich einer dieser Männer in dieser Beziehung gefragt.

RA. PELCKMANN: Wollen Sie auf Grund Ihrer Kenntnis der Organisation und der Tatsachen, die Sie nun nach dem Beginn des Prozesses gehört und nach dem Zusammenbruch erfahren haben, behaupten, daß die Masse der Mitglieder der Allgemeinen SS, für die Sie Zeuge sind, an diesen Verbrechen nicht beteiligt ist?

VON EBERSTEIN: Jawohl.

RA. PELCKMANN: Ich habe auf Wunsch des Gerichts die Zeugenzahl hier auf ein Mindestmaß beschränkt, auf fünf Zeugen. Ich habe nur solche Zeugen hergerufen, die durch ihre hohe Stellung in der Organisation dem Gericht eine umfangreiche Auskunft über organisatorische, also Grundfragen geben können; aber ich muß Sie trotz Ihres hohen Ranges danach fragen, was eben die Masse dieser vielen unbekannten Tausenden von Mitgliedern der SS nach Ihrer Überzeugung gewußt hat, vorbehaltlich der Affidavits, Urkunden und sonstigen Beweise, die ich noch vorbringen werde.

VON EBERSTEIN: Wenn schon ich nichts trotz meiner Stellung und meines Überblickes in der Heimat – soweit es möglich war – wußte, so kann ich nur wiederholen, woher sollten die Männer das wissen, die an den Fronten standen, oder die paar Leute im Heimatgebiet. Das Grauenhafte, was dann nach der Katastrophe des Zusammenbruchs und der Kapitulation zum Vorschein kam in den Konzentrationslagern, kann ich mir persönlich nur erklären auf Grund der ganzen Umstände der letzen Monate in Deutschland, die völlige Kopflosigkeit, daß man Hunderttausende von Menschen in Bewegung gesetzt hatte, daß Tausende von Häftlingen aus den Randgebieten des Reiches zusammengedrückt wurden in den, wenigen Lagern, die noch vorhanden waren. Bei uns in Süddeutschland, in Dachau, war ein ununterbrochener Zustrom schon in den ganzen Wintermonaten. Es war eine Typhusepidemie entstanden, die erhebliche Todesopfer gefordert hat. Ich erfuhr das auch nur zufällig, und zwar deswegen, weil der Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Kräfte anforderte für Aufräumungsarbeiten nach Luftangriffen, und durch ein Telephonat mit dem Lagerkommandanten erfuhr ich, daß sie nicht gestellt werden könnten, weil Typhus sei. Dann später hörte ich in einer Unterredung, daß diese Epidemie erhebliche Opfer gefordert hatte. Es kam hinzu, daß die Eisenbahnverbindungen in den letzten Wochen unterbrochen waren, der Nachschub war völlig unterbunden. Hunger machte sich bereits sehr bemerkbar.

Der Kommandant hat mir auch gesagt auf meinen Vorhalt, es müsse doch möglich sein, die Epidemie zum Stehen zu bringen, daß keine Medikamente mehr vorhanden seien, da die Fabriken, die pharmazeutischen Fabriken, auch kaputt wären. So erkläre ich mir die furchtbaren Bilder, die dann... die wir ja nun alle kennen, die auch uns hier gezeigt worden sind.

Jedenfalls hat die Masse der Leute der SS und auch andere Angehörige des deutschen Volkes gar nichts davon wissen können, weil ja keiner in die Lager hineinschauen konnte, und die SS, die Allgemeine SS, für die ich hier spreche, und auch die Waffen-SS hätte das ja gar nicht verhindern können.

RA. PELCKMANN: Zu dem Punkt, den der Zeuge erwähnt hat, die Geheimsphäre in den Konzentrationslagern und die Schwierigkeit, in diese Geheimsphäre einzudringen, verweise ich besonders auf den Inhalt der Affidavits Nummer 64 bis 67 und 69. Das sind Affidavits der SS-Richter, die sich mit diesen Dingen beschäftigt haben.

Ich habe keine Fragen mehr, Herr Präsident. Danke sehr.

MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Sie haben am Samstag abgestritten, daß die SS das Herz des Nationalsozialismus gewesen sei. Würden Sie mit mir übereinstimmen, daß sie die Faust gewesen ist?

VON EBERSTEIN: Ich bitte um Entschuldigung, ich habe es im Moment nicht genau verstanden.

MAJOR ELWYN JONES: Ich werde die Frage noch einmal wiederholen: Sie haben am Samstag abgestritten, daß die SS das Herz des Nationalsozialismus gewesen sei. Stimmen Sie mit mir überein, daß sie seine Faust war?

VON EBERSTEIN: Ich habe das Wort vor SS nicht verstanden, Herr Ankläger. Daß...

MAJOR ELWYN JONES: Es überrascht mich, daß Sie die Frage nicht verstehen können. Ich werde es nochmals versuchen und sie wiederholen.

Sie haben am Samstag abgestritten, daß die SS das Herz des Nationalsozialismus gewesen sei. Stimmen Sie mit mir überein, daß sie die Faust gewesen ist? Das: Die Faust.