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[Zum Zeugen gewandt:]

Es sind die Bestimmungen für das Lager Dachau, das sozusagen vor Ihrer Türe lag. In Paragraph 3 finden Sie die Strafen, die über die Gefangenen verhängt werden können.

»Der Arrest ist gelinder, mittlerer oder strenger. Der Höchstbetrag der beiden ersteren Arten ist 8 Wochen, der des strengeren Arrestes ist 3 Monate. Der Vollzug der Arreststrafe erfolgt in der Regel in der Einzelhaft. Bei mittlerem Arrest erhält der Bestrafte eine harte Lagerstätte und als Nahrung nur Wasser und Brot. Der strenge Arrest wird in der gleichen Weise, wie in der mittleren, jedoch in vollkommen dunkler Kammer vollzogen.«

Wenn Sie sich Paragraph 8 der Bestimmungen ansehen, so werden Sie feststellen können, daß der Lagerkommandant von Dachau und sein Stab Gewalt über Leben und Tod hatten.

Und Paragraph 18 schreibt das Verfahren für diejenigen Fälle von Ungehorsam vor, bei welchen die Todesstrafe durch ein Lagergericht verhängt wird, das aus dem Lagerkommandanten, einem oder zwei vom Kommandanten dazu ernannten Offizieren und einem SS-Mann von der Wachmannschaft zusammengesetzt ist.

»Die Anklagebehörde wird ebenfalls von einem von dem Lagerkommandeur zu bestimmenden, der Lagerkommandantur angehörenden SS-Mann ausgeübt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden des Lagergerichts. Vorsitzender ist der jeweilige Kommandeur des Lagers.«

Wußten Sie, Zeuge, daß den SS-Leuten, die diese SS-Lager leiteten, auf diese Art Gewalt über Leben und Tod gegeben wurde?

VON EBERSTEIN: Dieses Dokument hat weder einen Kopf noch eine Unterschrift. Ich bitte, das hier bemerken zu dürfen. Im übrigen habe ich die Bestimmungen nicht gesehen, Herr Ankläger.

MAJOR ELWYN JONES: Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie meine Frage beantworten würden. Wußten Sie, daß die SS-Männer, die diese Konzentrationslager leiteten, schon im Jahre 1933 Gewalt über Leben und Tod hatten?

VON EBERSTEIN: Das weiß ich nicht. Das kann ich mir auch nicht vorstellen; denn ich nehme schon an, daß Exekutionen von einer höheren Stelle angeordnet wurden. Ich habe aber darüber kein Sachverständigenurteil....

MAJOR ELWYN JONES: Sie waren aber während vieler Jahre Höherer SS- und Polizeiführer. Sie waren doch der Mann Himmlers, nicht wahr?

VON EBERSTEIN: Ich habe in meiner Aussage zu wiederholten Malen angeführt, daß die Höheren SS- und Polizeiführer, die Oberabschnittsführer der Allgemeinen SS und die Polizeipräsidenten auf die inneren Einrichtungen der Lager keinerlei Einfluß hatten, auch nicht die Vorgesetzten der Lagerkommandanten waren.

MAJOR ELWYN JONES: Ob Sie Einfluß gehabt haben oder nicht, waren Sie doch ein Vertrauter Himmlers, sein persönlicher Vertreter. Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, daß Sie die Einzelheiten der Mordorganisation Himmlers nicht kannten?

VON EBERSTEIN: Ich kann auf die mir vorgehaltene Strafbestimmung, aus der hier eine Gerichtsbarkeit hervorgeht, nur sagen, das sie mir nicht bekannt ist und daß auch Himmler nicht ein einziges Mal mit mir gesprochen hat über diese Dinge oder mir jemals eine Vorschrift über das Konzentrationslagerwesen in die Hand gekommen ist.

MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie jemals von Oswald Pohl gehört?

VON EBERSTEIN: Jawohl.

MAJOR ELWYN JONES: Er war der Leiter des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes der SS, nicht wahr, des WVHA?

VON EBERSTEIN: Jawohl.

MAJOR ELWYN JONES: Wußten Sie, daß seine Organisation mit Hilfe von SS-Leuten sich des Mordes bediente, um Plünderungen von ungeheurem Ausmaß zugunsten der Waffen-SS und anderer SS-Organisationen durchzuführen?

VON EBERSTEIN: Jawohl. Ich habe das gehört in den Berichten über diesen Prozeß im Camp, wo ich gewesen bin. Vorher habe ich nie gehört, daß man Goldzähne und derartiges sammelte.

MAJOR ELWYN JONES: Wußten Sie, daß man mit Toten ein Riesengeschäft machte, welches den Schatzkammern der Reichsbank Millionen von Mark einbrachte? Viele Dienststellen des Dritten Reiches waren ja daran beteiligt.

VON EBERSTEIN: Nein, Herr Ankläger, das wußte ich nicht.

MAJOR ELWYN JONES: Ich möchte Ihnen Oswald Pohls eidesstattliche Erklärung über diese Angelegenheit, die Dr. Klempner gegeben worden ist, vorlesen. Es ist Dokument 4045-PS, das GB-549 wird. Dann können Sie vielleicht Ihr Gedächtnis auffrischen. Die eidesstattliche Versicherung lautet:

»1. Mein Name ist Oswald Pohl, ich bin am 30. Juni 1892 in Duisburg, Deutschland, geboren. Seit 1. Februar 1934 war ich Chef des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes der Schutzstaffel (WVHA). Ich hatte dieses Amt ständig bis zur Übergabe Deutschlands inne.

2. Aus meiner Tätigkeit als Leiter des WVHA sind mir zwei große Geschäftsvorgänge zwischen meinem Amt und dem Reichswirtschaftsministerium und der Reichsbank des Herrn Walter Funk in genauer Erin nerung. Der eine Vorgang betrifft die Textilien von in Konzentrationslagern getöteten Personen. Im Zusammenhang damit versuchte Himmler, durch den Reichswirtschaftsminister Walter Funk ein höheres Kontingent bei der Zuteilung von Uniformstoffen für die SS zu erhalten. Der andere Geschäftsvorgang betrifft die Geschäftsverbindung meines Amtes mit dem Reichsbankpräsidenten Walter Funk und der Reichsbank wegen der Juwelen, Ringe, Goldzähne, Devisen und anderer Wertsachen aus dem Besitz von Personen, besonders Juden, die in Konzentrationslagern getötet worden waren.

3. Die Verbindung meines Amtes mit der Reichsbank wegen der Textilien von Personen, die in Konzentrationslagern getötet wurden, wurde im Jahre 1941 oder 1942 eingeleitet. Zu dieser Zeit erhielt ich von dem Reichsführer-SS und der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, der mein Vorgesetzter war, den Befehl, mich mit dem Reichswirtschaftsminister Walter Funk in Verbindung zu setzen, um eine höhere Zuteilung von Textilien für SS-Uniformen zu erreichen. Himmler instruierte mich dahin, daß wir von Funk eine bevorzugte Behandlung verlangen sollten. Das Wirtschaftsministerium bekam aus den Konzentrationslagern viele Textilien geliefert. Diese Textilien waren in dem Vernichtungslager Auschwitz und anderen Vernichtungslagern gesammelt worden und dann an die zuständigen Stellen für gebrauchte Textilien abgeliefert worden.

4. Auf Grund dieses von meinem Vorgesetzten Himmler erhaltenen Befehls besuchte ich den Reichswirtschaftsminister Funk in seinen Amtsräumen. Ich wartete nur kurz in seinem Vorzimmer und traf ihn dann alleine in seinem Arbeitszimmer. Ich teilte Funk meinen Auftrag mit, daß ich um mehr Textilien für Uniformen der Waffen-SS bitten sollte, da wir von den Judenaktionen so viele alte Textilien hätten abliefern können. Ich sagte ihm, daß wir diese Textilien für die Waffen-SS benötigten. Die Unterredung dauerte ca. 10 Minuten. Es kam offen zum Ausdruck, daß wir vielleicht Vorzugsbehandlung wegen der Ablieferung der alten Kleider der toten Juden verdienen könnten. Es war ein freundliches Gespräch zwischen Funk und mir, und er sagte mir, daß er diese Angelegenheit befürwortend mit den zuständigen Herren regeln würde. Wie sich im einzelnen die späteren Verhandlungen zwischen den Untergebenen von Funk und meinen Untergebenen gestaltet haben, weiß ich nicht.

5. Der zweite Geschäftsvorgang zwischen Walter Funk und der SS betrifft die Ablieferung von Wertgegenständen von toten Juden an die Reichsbank. Es war im Jahre 1941 oder 1942, als größere Mengen von Wertsachen, wie Juwelen, Goldringe, Goldfüllungen, Augengläser, goldene Uhren und anderes sich in den Vernichtungslagern angesammelt hatten. Diese Wertsachen kamen, in Kisten verpackt, in Berlin im WVHA an. Himmler hatte befohlen, daß diese Dinge von uns an die Reichsbank abgeliefert werden sollten. Ich erinnere mich, daß Himmler mir erklärte, daß hierüber mit der Reichsbank, und zwar mit Herrn Funk, verhandelt worden sei. Im Verfolg der Absprache, die mein Chef hatte, verhandelte ich mit dem Reichsbankdirektor Emil Puhl über den Modus der Ablieferung. In diesem Gespräch wurde kein Zweifel gelassen, daß es sich bei den einzuliefernden Gegenständen um die Schmuck- und Wertsachen von Insassen von Konzentrationslagern handelte, besonders Juden, die in den Vernichtungslagern getötet worden waren. Es handelte sich um Ringe, Uhren, Augengläser, Goldbarren, Eheringe, Broschen, Nadeln, Brillengestelle, Devisen und andere Wertsachen. Weitere Besprechungen über die Lieferung dieser Sachen fanden zwischen meinen Untergebenen und Puhl und anderen Herren der Reichsbank statt. Es war eine Riesenmenge von Wertsachen, die in Frage kam, da die Lieferung ständig, über Monate und Jahre hinaus, vor sich ging.

Einen Teil dieser Wertsachen der in den Vernichtungslagern getöteten Menschen habe ich selbst gesehen, als Reichsbankpräsident Funk und Vizepräsident Puhl uns zu einer Besichtigung der Reichsbankgewölbe und zu einem anschließenden Mittagessen einlud. Ich weiß nicht genau, ob dies 1941 oder 1942 war, aber ich erinnere mich, daß ich Funk damals schon persönlich durch das Textilgeschäft kannte, das ich oben beschrieben habe. Vizepräsident Puhl und mehrere Herren meines Stabes gingen zu den Gewölben der Reichsbank. Puhl führte uns damals persönlich durch und zeigte uns Goldbarren und andere wertvolle Sachen der Reichsbank. Ich erinnere mich genau, daß verschiedene Koffer geöffnet wurden, die Sachen aus Konzentrationslagern enthielten. Bei dieser Gelegenheit wies Puhl oder sein Begleiter Waldhecker in Gegenwart von mir und den Herren meines Stabes darauf hin, daß ein Teil dieser Wertsachen von unserem Amt eingeliefert worden sei.

Nachdem wir in den Gewölben der Reichsbank die verschiedenen Wertsachen besichtigt hatten, gingen wir hinauf in ein Zimmer, um mit dem Reichsbankpräsidenten Funk zu Mittag zu essen; es war für die Zeit nach der Besichtigung arrangiert. Es nahmen außer Funk und Puhl die Herren meines Stabes teil; wir waren ungefähr 10 bis 12 Personen. Ich saß nächst zu Funk, und wir unterhielten uns unter anderem über die Wertsachen, die ich in seinen Gewölben gesehen hatte. Bei dieser Gelegenheit kam es klar zum Ausdruck, daß ein Teil der Wertsachen, die wir besichtigt hatten, von Konzentrationslagern stammte.«

Ist Ihnen der Inhalt dieser eidesstattlichen Erklärung neu?

VON EBERSTEIN: Jawohl, absolut Neuigkeit.

MAJOR ELWYN JONES: Sie hatten überhaupt keine Kenntnis des Ganzen?

VON EBERSTEIN: Nein.

MAJOR ELWYN JONES: Wußten Sie, daß die SS für die große Menschenjagd nach der jüdischen Bevölkerung in ganz Europa eingesetzt war?

VON EBERSTEIN: Ich habe hier in diesen Prozeßberichten gesehen, daß ein gewisser Eichmann, ein SS-Angehöriger, diese Aufgabe gehabt hat. Ich habe Herrn Eichmann nie gesehen, nie mit ihm zu tun gehabt. Ich kenne die Materie aus der Berichterstattung dieses Prozesses.

MAJOR ELWYN JONES: Wußten Sie, daß es – abgesehen von Mord – eines der Ziele dieser Menschenjagd gewesen ist, Beuteware für die SS sowie ähnliche Nazi-Organisationen heranzuschaffen?

VON EBERSTEIN: Nein, das wußte ich nicht. Ich darf darauf hinweisen, daß ich ständig im Lande war und mit diesen Sachen in keiner Weise befaßt worden bin.

MAJOR ELWYN JONES: Kannten Sie Ihren Kollegen, den Höheren SS- und Polizeiführer Globocznik?

VON EBERSTEIN: Jawohl, ich habe Globocznik auf einer Führertagung einmal kennengelernt, einmal mit ihm gesprochen.

MAJOR ELWYN JONES: Er war Höherer SS- und Polizeiführer wie Sie selbst, nicht wahr?

VON EBERSTEIN: Nein, so viel ich weiß, nicht. Er war damals Oberführer oder Brigadeführer; als solcher konnte er gar nicht Höherer SS- und Polizeiführer sein. In Deutschland war er es bestimmt nicht, das weiß ich.

MAJOR ELWYN JONES: Vielleicht reden wir aneinander vorbei. Ich spreche vom Jahre 1943. In diesem Jahr war Globocznik Höherer SS- und Polizeiführer in der Operationszone Adriatisches Küstenland. Stimmt das?

VON EBERSTEIN: Das kann sein, das weiß ich nicht. Es ist möglich, aber nicht im Reichsgebiet.

MAJOR ELWYN JONES: Sie haben über Ihre Stellung als Höherer SS- und Polizeiführer ausgesagt, daß Sie keine Befehlsgewalt über die SS gehabt hätten und keine Autorität über die Polizei. Das scheint eine Zusammenfassung Ihrer Tätigkeit als Höherer SS- und Polizeiführer gewesen zu sein, nicht wahr?

VON EBERSTEIN: Jawohl. Ich darf dabei bemerken, daß ich ausdrücklich betonte, nicht nur vor diesem Hohen Gericht, sondern auch vor der Kommission, vor der ich gestanden war, daß über die Befugnisse der Höheren SS- und Polizeiführer außerhalb des Deutschen Reiches ich keine Aussagen machen kann, weil deren Aufgaben andere waren,...

MAJOR ELWYN JONES: Das genügt. Ich kann Ihnen in diesem Falle behilflich sein. Schauen Sie sich einen Bericht Ihres Kollegen Globocznik über die Aktion »Reinhardt« gegen die jüdische Bevölkerung in Polen an.

Das ist Dokument 4024-PS und wird GB-550. Es ist ein sehr langer Bericht. Aber, Euer Lordschaft, er verdient die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs.

Sie sehen, Zeuge, daß es ein Bericht von Globocznik an Himmler vom 5. Januar 1943 ist. Das Schreiben beginnt folgendermaßen:

»Reichsführer! Ich erlaube mir, in der Beilage die Meldung über die wirtschaftliche Abwicklung der Aktion Reinhardt vorzulegen.«

Im nächsten Absatz:

»Denn ein ordentlicher Abschluß und meine Entlastung ist deswegen notwendig, als ich diese Tätigkeit im Rahmen der SS ausgeführt« – ich möchte diese Worte besonders betonen ›im Rahmen der SS‹ – »habe und sie daher vor den zuständigen Reichsstellen einen klaren Abschluß finden muß.«

Im nächsten Absatz heißt es:

»Die ganze Abrechnung enthält 2 Teile:

1.) Wirtschaftlicher Teil der Aktion Reinhardt, mit der Unterteilung

a) Abrechnung und Ablieferung erfaßter Werte, und

b) Abrechnung der aus der Arbeit erzielten Werte.

2.) Die Siedlerwirtschaftsgemeinschaft, deren wirtschaftliche Gebarung ebenfalls auf meiner Arbeit beruhte, die nunmehr in zivile Hände übergeht.«

Zeuge! Erinnern Sie sich, daß diese sogenannte Umsiedlung eine der Funktionen der SS war?