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MAJOR ELWYN JONES: Beim Verlesen einer Anzahl von Auszügen wird ersichtlich, daß der Gesamtbesitz der jüdischen Polen 26 Millionen betrug. Für Spinnstoffe wurden 462 Waggons Lumpen verwendet; für Bettfedern 251 Waggons, 317 Waggons für Bekleidung und Wäsche. Und dann wird eine Gesamtsumme von über hundert Millionen Reichsmark angegeben. Um Seite 18 und 19 brauchen Sie sich nicht zu kümmern.

Auf Seite 20 des deutschen Textes – auf Seite 16a des englischen Textes, Euer Lordschaft – finden wir einen Bericht über Überführung von Sklavenarbeitern aus einem dieser Lager, die für die deutsche Rüstungsindustrie eingerichtet worden waren.

Dort sind Einzelheiten über die geleistete Arbeit bei der Herstellung verschiedener Artikel aufgezählt:

»41 arische Führungskräfte führten 5445 jüdische Arbeitskräfte, die in den ersten 10 Monaten des Jahres 1943 1115000 Tagewerke durchführten mit einem Bank- und Kassenbestand von 31000000 Zloty.«

Die nächste Seite, Seite 21 des deutschen Textes, handelt von den Aufträgen an die Sklavenlager:

»Die Aufträge waren mit 83 % Wehrmachtsleistungen, mit 17 % am zivilen Sektor gelegen.«

Auf Seite 23 des deutschen Textes und Seite 19 des englischen Textes finden wir den vorläufigen Abschlußbericht der Kasse der Aktion »Reinhardt« Lublin per 15. Dezember 1943:

»Dem Großdeutschen Reich wurden im Zuge der Aktion ›Reinhardt‹ Lublin in der Zeit vom 1. April 1942 bis einschließlich 15. Dezember 1943 nachstehende Geld- und Sachwerte zugeführt.«

Der Gerichtshof wird aus diesen Zahlen ersehen, daß in der Zwischenzeit noch zusätzliche Beute gemacht wurde:

»Barbestände RM 17.470.796.66

An Reichsbank Berlin RM-Noten und Hartgeld

RM 3.979.523.50

Reichsbank Berlin Zloty-Noten und Hartgeld

RM 5.000.461.00

SS-Wirtschafter, Krakau RM 50.416.181.37

Darlehen für SS-Wirtschaftsbetriebe

RM 8.218.878.35«

Auf der nächsten Seite finden wir eine Aufstellung über die Devisen, die erbeutet wurden: Hartgeld und Banknoten. Dann folgt wieder eine Aufstellung von erbeutetem polnischem und jüdischem Privateigentum. Es sind dies Ringe, goldene Damenarmbanduhren, Herrentaschenuhren, Damenuhren mit Brillanten, Damenuhren aus Platin, 29391 Brillen, Rasierapparate, Taschenmesser, Wecker, Sonnenbrillen, silberne Zigarettendosen, Fieberthermometer. Alles ist bis ins einzelne aufgeführt, und der Gesamtwert beträgt 43662000 Reichsmark.

Dann sehen Sie, daß sich die Belegschaft der Industrie um neun Millionen Arbeiter erhöhte. Es gab 1901 Waggons mit Bekleidung, Wäsche, Bettfedern, Lumpen im Durchschnittswert von 26 Millionen Reichsmark.

Der Gesamtbetrag der gesamten Beute belief sich Ende Dezember 1943 auf 178745000 Reichsmark.

Dann sehen wir auf Seite 28 des deutschen und Seite 23 des englischen Textes einen Bericht vom persönlichen Stab des Reichsführer-SS über die nationale Umsiedlung, wobei Bauernhöfe und einige Dörfer geräumt wurden, um Platz für die Deutschen zu machen.

Punkt 3:

»... sollen allen Polen, auch jenen, die dem Arbeitspro zeß im Reich zugeführt werden, Scheine ausgestellt werden, worin bestätigt wird, was sie an Besitz zurückgelassen haben. Es wird Ihnen mitgeteilt, daß sie einstens hierfür eine entsprechende Entschädigung in Form von Waren oder Bargeld erhalten.«

Seite 29 des deutschen Textes, Seite 24 des englischen, Punkt 6:

»Durch die Mitteilungen der bis heute ins Reich Verschickten, daß es ihnen dort gut ergeht und durch die Erkenntnis der Bevölkerung, daß bisher niemand wie die Juden behandelt worden ist, wurde dieser Gruppierung bereits ihr abschreckender Nimbus genommen.«

Nun möchte ich mich Seite 31 im deutschen und Seite 26 im englischen Text zuwenden: »Maßnahmen für die weitere Umsiedlung.« Der Kopf des Dokuments lautet: Persönlicher Stab, Reichsführer-SS.

»Da von den verschiedensten Stellen gegen die Umsiedlung mit der Begründung Stellung genommen wird, daß eine zu große Beunruhigung der Fremdvölkischen eintritt und dadurch die Produktion gestört wird, sind folgende Maßnahmen getroffen:

1. Die Umsiedlung wird durch Mundpropaganda als abgestoppt propagiert.

2. Vor dem Termin, zu dem gesiedelt werden soll, wird von keiner Stelle etwas verlautet. Planungen gehen geheim vor sich.

3. Wird der Zeitpunkt der Ansiedlung nach der Frühjahrsbestellung gelegt, damit die Fremdvölkischen noch den Anbau vornehmen und die Neusiedler be reits in den Genuß der Ernte kommen. Dies hat den Vorteil, daß unter vorgenannten Voraussetzungen die Fremdvölkischen in allen Gebieten ihre Felder bestellen, die deutschen Ansiedler jedoch nicht in Gefahr kommen, in Anbetracht der Kürze der Zeit eventuell in ihren Frühjahrsarbeiten gehemmt zu sein.

4. Soll die Umsiedlung der Polen so vorgenommen werden, daß die guten Elemente in von der Sicherheitspolizei geräumten Gebieten möglichst freiwillig angesetzt werden und die Umsiedlung unter dem Titel ›Herstellung der Sicherheit in den Bandengebieten‹ läuft. Die schlechten Elemente werden nach und nach abgezogen, sofern sie nicht als Hilfsarbeiter Verwendung finden.

5. Die Bekanntgabe des Zeitpunktes der Ansiedlung erfolgt erst am Tage der Umsiedlung.

6. Alle Dörfer werden im vorhinein mit Landwacht in allen aus Siedlern gebildeten Organisationsteilen besetzt, die, vorher eingeschult, eigene SS-Kräfte ersparen sollen.«

Auf der nächsten Seite finden wir dann eine Denkschrift von Globocznik, in der ausgeführt wird, wie die Umsiedlung in ihren Einzelheiten vor sich gehen soll. Ich komme zum nächsten Dokument, Seite 34 des deutschen und Seite 29 des englischen Textes. Dieser Bericht enthält gleichzeitig Globoczniks Schlußschreiben über die »Reinhardt-Aktion«. Es ist vom 4. November 1943 datiert, als, wie der Gerichtshof sehen kann, Globocznik Höherer SS- und Polizeiführer in der Operationszone Adriatisches Küstenland war.

Es ist an Himmler adressiert:

»Reichsführer!

Ich habe mit 19. 10. 1943 die Aktion Reinhardt, die ich im Generalgouvernement geführt habe, abgeschlossen und alle Lager aufgelöst.«

Im drittletzten Absatz finden wir:

»Bei einem Besuch haben mir Reichsführer in Aussicht gestellt, daß für die besonderen Leistungen dieser harten Aufgabe einige EK's nach Abschluß der Arbeiten verliehen werden könnten. Ich bitte, Reichsführer, um Mitteilung, ob ich hierfür Vorschläge unterbreiten darf.

Ich darf mir erlauben, darauf hinzuweisen, daß für den Warschauer Einsatz, der einen verhältnismäßig kleinen Teil der Gesamtarbeit ausgemacht hat, an die Kräfte des dortigen SS- und Polizeiführers ebenfalls eine solche Verleihung bewilligt wurde.«

Im Schlußdokument finden wir ein Schreiben Himmlers an Globocznik, das lautet:

»Ich spreche Ihnen für Ihre großen und einmaligen Verdienste, die Sie sich bei der Durchführung der Aktion Reinhardt für das ganze deutsche Volk erworben haben, meinen Dank und meine Anerkennung aus.«

Zeuge! Erklären Sie immer noch, daß Sie nicht wußten, welche Rolle die SS bei der Sammlung von Beute, bei der Umsiedlung und Vertreibung der Menschen aus ihren Heimen und bei der Versklavung von Polen und Juden gespielt hat?

VON EBERSTEIN: Nein, ich hatte von diesen Dingen keine Ahnung.

MAJOR ELWYN JONES: Wann haben Sie zum erstenmal entdeckt, daß Juden und andere Menschen in Konzentrationslagern vernichtet wurden?

VON EBERSTEIN: Ich habe das vorhin schon gesagt: Von diesen Vernichtungsaktionen habe ich erst nach meiner Gefangennahme gehört.

MAJOR ELWYN JONES: Auf Grund Ihrer Beziehungen zu dem Fall Rascher im Frühjahr 1944 muß es Ihnen doch ganz klar geworden sein, daß Vernichtungsaktionen im Gange waren. Ich wiederhole meine Frage: Ist Ihnen nicht durch Ihre Verbindung mit dem Fall Rascher im Frühjahr 1944 ganz klar geworden, daß in den Konzentrationslagern vernichtet und getötet wurde?

VON EBERSTEIN: Ich kann mich nur auf meine Erfahrungen und meine persönlichen Erlebnisse beziehen, die mir zum erstenmal durch den Fall Rascher den Beweis erbracht haben, daß so etwas passiert ist. Ich darf nochmals wiederholen, daß es uns im Reichsgebiet, im Inlandsdeutschland unmöglich war, von derartigen Dingen, wie sie hier aus dem Dokument hervorgehen, etwas zu erfahren.

MAJOR ELWYN JONES: Sie haben Rascher wegen Betrugs verhaftet, nicht wahr?

VON EBERSTEIN: Rascher war, wie ich am Samstag schon ausgeführt habe, im Verdacht, erstens...

MAJOR ELWYN JONES: Einen Augenblick. Wollen Sie meine Frage direkt beantworten? Haben Sie Rascher wegen Betrugs verhaftet?

VON EBERSTEIN: Ich kann nur wiederholen, er war bereits in Haft, und wir haben ihn, nachdem wir von diesen Verbrechen Kenntnis erhielten, weiter in Haft behalten bis zum Schluß. Es war ein Zufall, daß er durch das andere Vergehen, dessen er beschuldigt wurde, oder zweier Vergehen, in unserer Hand war. Er wurde nun selbstverständlich erst recht festgehalten.

MAJOR ELWYN JONES: Sie wußten, daß Rascher Versuche an Menschen vorgenommen hat, und daß er sie im Verlauf dieser Versuche getötet hat, nicht wahr?

VON EBERSTEIN: Das habe ich in den Gesprächen mit dem Lagerkommandanten und dem Arzt erst erfahren.

MAJOR ELWYN JONES: War Rascher wegen Mordes angeklagt?

VON EBERSTEIN: Das habe ich auch am Samstag schon ausgeführt. Er ist bedauerlicherweise von Himmler nicht angeklagt worden. Anklagen konnte ihn nur Himmler, weil er der zuständige Gerichtsherr war bei dem Gericht.

MAJOR ELWYN JONES: Obwohl Sie im Frühjahr 1944 schon wußten, daß Himmlers Organisation nicht nur verbrecherisch, sondern auch eine Mordorganisation war, dienten Sie ihr noch ein weiteres Jahr?

VON EBERSTEIN: Ich habe die zwingenden Gründe hier vorgetragen. Eine Möglichkeit, mich dem Befehl eines Vorgesetzten zu entziehen, bestand nicht.

MAJOR ELWYN JONES: Erinnern Sie sich, vor der Kommission bei Ihrer Aussage über diese Rascher- Angelegenheit erklärt zu haben – es steht im Protokoll vom 6. Juli 1946 –, Sie hätten, als Sie entdeckten, daß Rascher für die Experimente an lebenden Menschen verantwortlich war, für die Einstellung dieser Verbrechen gesorgt. Haben Sie das nicht gesagt?

VON EBERSTEIN: Jawohl. Dadurch nämlich, daß wir ihn gar nicht aus der Haft entlassen haben, was ja sonst wahrscheinlich erfolgt wäre. Denn der andere Fall war ja inzwischen geklärt. Eine Verdunkelungsgefahr bestand nicht mehr. Infolgedessen hätte der Mann entlassen werden müssen. Wir haben ihn aber festgehalten, weil die Kenntnis von diesen neuen Verbrechen hinzukam.

MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie irgendwelche Maßnahmen getroffen, damit Rascher nicht von einem anderen SS-Mörder abgelöst wurde?

VON EBERSTEIN: Ich verstehe nicht, wie diese Frage gemeint ist.

MAJOR ELWYN JONES: Ich werde es deutlich erklären. Raschers Experimente an menschlichen Lebewesen wurden doch in Dachau nach seiner Verhaftung wegen Betrugs fortgesetzt, nicht wahr?

VON EBERSTEIN: Nein. Der Arzt, der der Vertreter war, den ich auch gesprochen habe, und der mir durch den Lagerkommandanten vorgeführt wurde, hat keine weiteren derartigen Versuche gemacht. Er war ja auch derjenige, der das anzeigte, was Rascher tat, und der mir erklärte, daß er sich weigere, weiterzuarbeiten.

MAJOR ELWYN JONES: Wollen Sie dem Gerichtshof erklären, daß die Experimente und biologischen Forschungen an lebenden Menschen in Dachau nach der Entlassung Raschers aufhörten?

VON EBERSTEIN: Jawohl, davon bin ich fest überzeugt.

MAJOR ELWYN JONES: Ich möchte Sie auf das Tagebuch 1944 der Ahnenerbe-Forschungsorganisation verweisen, das von Sievers, dem Reichsgeschäftsführer dieser Organisation, geführt wurde. Es ist 3546-PS und wird GB-551. Ich habe einige Auszüge der erheblichen Stellen dieses Dokuments hier, um sie dem Gerichtshof vorzulegen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf diese Auszüge lenken, die Sie, wenn Sie wollen, mit dem Original vergleichen können. Daraus werden Sie ersehen, daß der Name Haschers im Januar erscheint, daß Besprechungen mit ihm am 28. und 29. Januar stattfanden. Auf der nächsten Seite ist von einer Besprechung im Monat März die Rede; und im April fand wieder eine Konferenz auf der Station Raschers statt. In welchem Monat haben Sie Rascher verhaften lassen?

VON EBERSTEIN: In welchem Monat?

MAJOR ELWYN JONES: Jawohl, in welchem Monat haben Sie Rascher verhaften lassen?

VON EBERSTEIN: Das kann ich nicht sagen. Die Akten werden das zweifellos ausweisen. Ich habe am Samstag bereits ausgesagt, im Frühjahr 1944. Ich kann das genaue Datum nicht sagen. Ich weiß aber zuverlässig, daß ich Anfang Mai Himmler bereits nach Abschluß der Ermittlungsarbeiten mit den Akten aufgesucht habe und daß damit die Sache aufgehört haben muß, weil ja Rascher in Haft war.

MAJOR ELWYN JONES: Wenn Sie sich den Auszug vom Mai ansehen, werden Sie die Besprechungen des Reichsarztes-SS finden, an denen Hauptsturmführer Dr. Plötner teilnahm. Wußten Sie nicht, daß Dr. Plötner der Nachfolger Raschers in Dachau war?

VON EBERSTEIN: Ich kenne die Namen nicht von den einzelnen Ärzten.

MAJOR ELWYN JONES: In der Eintragung vom 27. Juni und im Auszug über den 31. Mai... Sie werden dort als erstes finden, daß Sievers eine Besprechung mit SS-Hauptsturmführer Dr. Plötner hatte, und zwar zuerst über Professor Schilling. Ich nehme an, daß Sie wissen, wer Professor Schilling ist, nicht wahr? Kennen Sie Professor Schilling?

VON EBERSTEIN: Jawohl.

MAJOR ELWYN JONES: Er wurde kürzlich wegen seiner Experimente in Dachau zum Tode verurteilt, nicht wahr?

VON EBERSTEIN: Das habe ich in der Zeitung gelesen.

MAJOR ELWYN JONES: Im Mai hatte er, wie Sie sehen, eine Besprechung mit Dr. Plötner; am 27. Juni fand eine Besprechung über die Einrichtung einer wissenschaftlichen Forschungsstation im Konzentrationslager statt; am 25. Juli eine Besprechung mit SS-Standartenführer Maurer in Oranienburg über die Verwendung von Häftlingen für wissenschaftliche Aufgaben; noch auf derselben Seite – am 26. Juli – sehen Sie, daß Hauptsturmführer Dr. Fischer eine Schnellreise durch alle Konzentrationslager zur endgültigen Feststellung der Personen vornimmt. Am 21. Oktober finden Sie den Eintrag über die Weiterführung der Untersuchungen durch SS-Sturmbannführer Professor Dr. Hirt, und der letzte Eintrag am 23. Oktober 1944 besagt, daß SS-Standartenführer Dr. Poppendiek die biologischen Untersuchungen durch SS-Hauptsturmführer Dr. Plötner in Dachau übernimmt.

Wollen Sie vor dem Gerichtshof immer noch behaupten, daß alle Versuche an lebenden Menschen in Dachau aufgehört hätten, nachdem Rascher fort war?

VON EBERSTEIN: Ich kann nur feststellen; daß der Name Rascher hier nicht mehr erscheint und daß ich doch unter meinem Eid ausgesagt habe, daß er in unserer Haft blieb. Ich kann nicht wissen, was sonst noch für Dinge passiert sind. Jedenfalls habe ich, als ich davon Kenntnis erhielt, alles getan, um die Angelegenheit einer richterlichen Würdigung zuzuführen. Was sonst noch für Versuche in den Lagern gemacht worden sind, wie sie hier in dieser Berichterstattung angedeutet werden, kann ich nicht wissen.

MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Sie haben doch dem Gerichtshof erklärt, daß diese Experimente nach der Entlassung Raschers nicht mehr fortgesetzt worden wären. Das haben Sie vor der Kommission ausgesagt, nicht wahr, und war es nicht so?

VON EBERSTEIN: Ich kann nur wiederholen, daß ich den Rascher in Haft hatte und damit auch annehmen mußte, daß diese Versuche damit beendet waren.

MAJOR ELWYN JONES: Euer Lordschaft! Ich habe nicht die Absicht, diesen Zeugen weiter über die Dinge zu befragen, die schon vor der Kommission behandelt worden sind. Der Gerichtshof ist ja im Besitz der ganzen Dokumente zu den grundlegenden Fragen, die ich im Kreuzverhör behandelt habe.

VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Möchten Sie ein Rückverhör durchführen?

RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Der Anklagevertreter hat Ihnen die Strafbestimmungen, die für das Konzentrationslager Dachau galten, in einer Urkunde vorgelegt. Ich muß Sie grundsätzlich noch einmal fragen: Hatten Sie mit der Verwaltung des Konzentrationslagers Dachau oder mit der Einlieferung und der Entlassung von Häftlingen dieses Konzentrationslagers etwas zu tun?

VON EBERSTEIN: Ich kann nur wiederholen, daß weder ich noch andere Höhere SS- und Polizeiführer mit der Einlieferung, also das heißt der Einweisung und der Entlassung aus den Konzentrationslagern etwas zu tun hatten. Dies war zu jener Zeit bis zum Schluß in der Zuständigkeit des Amtes IV des RSHA, der Geheimen Staatspolizei.

RA. PELCKMANN: Ist Ihnen aufgefallen, Herr Zeuge, daß auf der Abschrift mindestens dieses Dokuments D-922 ein Datum für diese Bestimmungen und für die Gültigkeit dieser Strafordnung überhaupt nicht zu sehen ist?

VON EBERSTEIN: Ich darf fragen, dieser Photokopie?

RA. PELCKMANN: Ja, das erste Dokument, das Sie bekommen haben, D-922.

VON EBERSTEIN: Ja, recht. Ich erlaubte mir zu bemerken, daß es weder einen Kopf noch eine Unterschrift noch ein Datum trägt.

RA. PELCKMANN: Aus meinem Exemplar sehe ich nur, daß ein Brief von einem Herrn Wintersberger vom 29. Mai 1933 beigefügt war. Ich frage Sie, Herr Zeuge, waren Sie am 29. Mai 1933 in München?

VON EBERSTEIN: Nein, zu dieser Zeit war ich in Weimar in Thüringen.

RA. PELCKMANN: Sie sind von dem Herrn Anklagevertreter als Vertrauensmann der SS angesprochen worden und als persönlicher Vertreter Himmlers. Wollen Sie dazu Stellung nehmen oder sagen, ob Sie persönlicher Vertreter Himmlers waren?

VON EBERSTEIN: Ich glaube, daß das eine mißverständliche Auffassung meiner Aussage vom Samstag sein muß. Ich darf noch einmal wiederholen: Nach dem Erlaß des Reichsministers des Innern vom Jahre 1938 waren wir Höhere SS- und Polizeiführer die repräsentativen Vertreter des Reichsführer-SS und Chefs der Deutschen Polizei. In ihrem Werturteil und bezüglich ihrer Befehlsgewalt ist zu sagen, daß nach dem Wortlaut dieses Erlasses die sachlichen Vorgesetzten der Polizei die Chefs der Hauptämter Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei im Reichsministerium des Innern waren. Die Höheren SS- und Polizeiführer hatten nach dem Wortlaut des Erlasses lediglich das Recht, nicht die Pflicht, Inspektionen vorzunehmen, und sie durften Anregungen geben.

RA. PELCKMANN: Konnten sich die Inspektionen auf die Konzentrationslager erstrecken?

VON EBERSTEIN: Nein. Die Konzentrationslager waren einzig und allein unterstellt der Amtsgruppe D des Wirtschaftsverwaltungshauptamtes. Sie waren ein geschlossener eigener Dienstbetrieb mit eigenen Dienstwegen. Die Lager zu betreten war nur möglich mit Genehmigung dieser Dienststelle.

RA. PELCKMANN: Zu der Urkunde 4045-PS, Affidavit Pohl. Haben Sie sich jemals mit Pohl über KZ-Probleme unterhalten?

VON EBERSTEIN: Nicht ein einziges Mal, denn ich habe Pohl nur einmal in seiner Dienststelle aufgesucht in Berlin-Lichterfelde; da drehte sich das Gespräch lediglich um den Erwerb eines Grundstücks in München für eine SS-Dienststelle, die mir unterstand, eine Dienststelle der Allgemeinen SS, und es sollte dieses Haus da gekauft werden. Ich glaube, das ist im Jahre 1940 gewesen. Ich habe sonst weder mit dem Mann über KZ-Sachen gesprochen noch über andere Dinge. Ich war im übrigen auch nicht befreundet mit ihm und hatte keinerlei Berührungspunkte sonst.

RA. PELCKMANN: Sie haben die Berichte des Herrn Globocznik gesehen, Dokument 4024-PS. Sie haben gesagt, daß Ihnen dieser Bericht völlig unbekannt ist. Haben Sie aber ähnliche Befehle – auch nur annähernd ähnliche – jemals an die Ihnen untergeordneten Dienststellen gegeben, oder haben Sie entsprechende Befehle von den Ihnen übergeordneten Dienststellen erhalten?

VON EBERSTEIN: Ich habe niemals von meinen vorgesetzten Dienststellen Befehle bekommen zu derartigen Handlungen und habe auch niemals in meiner ganzen dienstlichen Tätigkeit einen solchen Befehl selber erhalten. Mir ist von diesen eigentümlichen Geschäften nichts bekannt, sondern ich wiederhole, daß wir, das heißt, daß meine Kameraden und ich mit Entsetzen in den Lagern, in denen wir nun verwahrt werden, von diesen Dingen Kenntnis bekommen haben.

RA. PELCKMANN: Haben Sie soeben, wo Sie von Ihren Dienststellungen sprachen, gesprochen sowohl in Ihrer Eigenschaft als Führer der Allgemeinen SS als auch als Polizeipräsident und Höherer SS- und Polizeiführer?

VON EBERSTEIN: Jawohl, unter Einschluß aller meiner Ämter, die ich je in meinem Leben bekleidet habe.

RA. PELCKMANN: Wenn Sie die Dokumente des Herrn Globocznik durchgesehen haben, können Sie uns vielleicht auf Grund Ihrer allgemeinen Kenntnis sagen, ob Globocznik Führer der Allgemeinen SS gewesen ist oder ob er in dieser Eigenschaft diese Dinge hier ausgeführt hat?

VON EBERSTEIN: Globocznik war ein SS-Führer aus Österreich, soweit ich mich erinnern kann. Ich habe ihn, wie gesagt, nur einmal im Leben gesehen und mit ihm gesprochen. Soweit aus diesem Dokument hervorgeht, war er – das Dokument trägt den Kopf: »Höherer SS- und Polizeiführer Küstenland«, das scheint also am Adriatischen Meer zu sein – Höherer SS- und Polizeiführer der besetzten Gebiete.

Ich habe mir erlaubt, schon auszuführen, daß die Tätigkeit der Höheren SS- und Polizeiführer der besetzten Gebiete gänzlich unterschiedlich war von der der Höheren SS- und Polizeiführer im Reich. Soweit ich unterrichtet bin, haben die Höheren SS- und Polizeiführer in den besetzten Gebieten jeweils nach der Lage der dortigen Verhältnisse von Himmler ihre Aufträge bekommen. Dieser Auftrag oder der Bericht über die Ausführung eines Auftrages, wie ihn dieses Dokument darstellt, ist so abwegig und nicht auf dem Gebiet liegend wie die Aufgaben, die wir bekommen haben.

Das sind ja alles Dinge wirtschaftlicher Maßnahmen, mit denen wir in Deutschland in keiner Weise beschäftigt worden sind.

RA. PELCKMANN: Hatten Sie überhaupt in Deutschland als Höherer SS- und Polizeiführer mit wirtschaftlichen Maßnahmen etwas zu tun?

VON EBERSTEIN: Nein, gar nicht.

RA. PELCKMANN: Der Anklagevertreter hat Sie gefragt, ob die Experimente in Dachau fortgesetzt worden sind. Sie haben, wie vor der Kommission auch hier vor dem Gerichtshof erklärt, nach Ihrer Überzeugung nicht. Sie haben es damit begründet, daß Herr Rascher in Haft gewesen sei. Wenn Sie das überreichte Dokument 3546-PS noch einmal vornehmen, so wollen Sie mir bitte sagen, wann nach diesem Dokument der Name Rascher in den Besprechungen mit Sievers nicht mehr auftaucht?

VORSITZENDER: Können wir uns nicht das Dokument selbst ansehen?

Sie verweisen auf ein Dokument, das wir ebensogut lesen können wie er.

RA. PELCKMANN: Ja, ich mache den Zeugen gerade auf den strittigen Moment in diesem Dokument aufmerksam. Ich gehe zur nächsten Frage.