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VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich heute um 16.30 Uhr vertagen.

RA. PELCKMANN: Zeuge! Was war Zweck und Aufgabe der sogenannten Verfügungstruppe? Sollte mit ihr neben der Wehrmacht eine neue bewaffnete Macht geschaffen werden?

HAUSER: Zweck und Aufgabe gingen hervor aus dem grundlegenden Befehl von Adolf Hitler vom August 1938. Danach sollte die Verfügungstruppe weder zur Wehrmacht noch zur Polizei gehören. Sie bildete eine stehende Truppe zur Verfügung Adolf Hitlers. Sie wurde besoldet aus staatlichen Mitteln. Die Ausbildung überwachte das OKH. Ersatz erfolgte aus Freiwilligen der jüngsten Dienstpflichtjahrgänge.

RA. PELCKMANN: War damit die Verfügungstruppe als eine politische Kerntruppe gedacht? Die Anklage nämlich wirft ihr vor, insbesondere ein Instrument für Unterdrückung und Beseitigung politischer Gegner gewesen zu sein und mit der Waffe für die Verwirklichung der Nazi-Gedankengänge eingetreten zu sein.

HAUSER: Das trifft nicht zu. Die Verfügungstruppe hatte weder politische noch polizeiliche Aufgaben. Sie entwickelte sich allmählich zu einer Versuchstruppe, die die bewährten alten soldatischen Tugenden vereinigte mit den Forderungen unserer sozialistischen Zeit, im besonderen das Verhältnis zwischen Offizier und Mann, der Aufstieg von unten ohne besondere Examina und die Ablehnung jeder Exklusivität.

RA. PELCKMANN: Wurde von den Mitgliedern der Verfügungstruppe blinder Gehorsam verlangt?

HAUSER: Nein. Wir schworen Treue und Gehorsam Adolf Hitler und den Vorgesetzten. Ein unbedingter Gehorsam, der auch Verbrechen verlangte, wurde nicht verlangt und nicht geschworen.

RA. PELCKMANN: Die Anklage wirft der Verfügungstruppe insbesondere vor, daß Rassenhaß und Kampf gegen das Judentum zu ihren besonderen Aufgaben gehörten. Wurde die Truppe dazu erzogen?

HAUSER: Die Erziehung konnte nur geleitet werden durch die Schulung. Ich habe persönlich sowohl als Leiter der Schule wie als Inspekteur diese Ausbildung und Schulung besonders überwacht, weil ich selbst ein neuer Mann war und mich in die Gedankengänge hineinfinden mußte. Ich kann bezeugen, daß Rassenhaß, Ausrottung des Judentums oder der östlichen Völker niemals gelehrt wurde und niemals verlangt wurde.

RA. PELCKMANN: Nach der Anklage soll die Truppe der Vorbereitung eines Angriffskrieges gedient haben, und das Streben nach einer Vorherrschaft in Deutschland durch Terror und eine Beherrschung Europas, wurde das gelehrt?

HAUSER: Die junge Truppe brauchte für ihre Aufgabe Zeit und Friede. Ihre Kommandeure waren alles Kämpfer aus dem ersten Weltkriege. Sie kannten den Krieg und wußten, was er uns schon einmal für ein Unglück gebracht hatte. Alle Gedanken über Terror im Innern oder Herrschaft in Europa lagen fern, außerhalb dieser kleinen jungen Truppe.

RA. PELCKMANN: Kann aus dem Aufbau dieser Verfügungstruppe schon vor Wiedererlangen der Wehrhoheit im Jahre 1936 der Schluß gezogen werden, daß hier ein Bruch des Versailler Vertrags durch diese Truppe beabsichtigt war?

HAUSER: Die Truppe war vor Einrichtung der Wehrhoheit höchstens 4000 bis 5000 Mann stark. Sie konnte weder für einen Angriffskrieg noch für einen Verteidigungskrieg irgendwie in Frage kommen. Es fehlten ihr auch später für einen Krieg alle Grundlagen. Sie hatte keinen Divisionsstab, sie hatte keinen Generalstab, keinen Ersatz an Offizieren oder Männern. Sie war für einen Krieg oder Angriffskrieg durchaus noch nicht soweit.

RA. PELCKMANN: Welche Aufgaben hatten Sie persönlich als Inspekteur der Verfügungstruppe?

HAUSER: Ich war nicht Kommandeur mit Befehlsgewalt, sondern war Inspekteur, der für Ausbildung und Erziehung der Truppe verantwortlich war. Außerdem war ich ausführendes Organ für die Befehle Heinrich Himmlers in Fragen der Organisation.

RA. PELCKMANN: Bestand der Ersatz aus Freiwilligen, wo kamen sie her, und welche Motive lagen vor?

HAUSER: Bis zum Kriegsbeginn bestand der Ersatz nur aus Freiwilligen. Sie kamen nur in den ersten Jahren 1933 und 1934 aus der Allgemeinen SS.

Die Freiwilligen wurden im Land geworben. Für ihre Meldungen, die zahlreich vorlagen, waren nicht irgendwelche Fragen der Ideologie maßgebend, sondern die Männer wollten in einer anerkannten, möglichst motorisierten Truppe ihrer Wehrpflicht genügen.

RA. PELCKMANN: Welche Beziehungen bestanden zwischen der Verfügungstruppe und den anderen verschiedenen Teilen der Organisationen, die unter Heinrich Himmlers einheitlichem Befehl standen?

HAUSER: Ich habe bereits erwähnt, daß zur Allgemeinen SS nur aus der Gründungszeit örtlich persönliche Beziehungen bestanden zu den Oberabschnitten. Diese Beziehungen wurden immer geringer, besonders nach Schaffung der Inspektion als Zentralinstanz und hörten nachher schon vor dem Kriege völlig auf. Zu den Totenkopfverbänden, die die Aufgabe hatten, die Konzentrationslager zu bewachen, also eine mehr polizeiliche Aufgabe, hatte die Verfügungstruppe keinerlei dienstliche, selbst nicht mal persönliche Berührungen. Auch nicht in der gemeinsamen Garnison Dachau. Ebenso bestanden zum SD keine dienstlichen oder privaten Beziehungen. Die Aufgaben des SD waren unbekannt. Ich darf erwähnen, daß ich mit dem Führer des SD, dem Obergruppenführer Heydrich, im Frieden höchstens ein Dutzend Worte im Vorzimmer Heinrich Himmlers gewechselt habe.

RA. PELCKMANN: Was können Sie über die Aufgaben der Totenkopfverbände sagen?

HAUSER: Die Aufgaben der Totenkopfverbände waren in dem grundlegenden Befehl vom August 1938 festgelegt. Sie stellten abwechselnd das Personal für die äußere Bewachung der Konzentrationslager; zum inneren Betrieb in den Lagern hatten sie keinen Zutritt. Ihren Ersatz erhielten sie aus der deutschen Jugend oder aus Männern, die bereits ihrer Wehrpflicht genügt hatten. Ihre Ausbildung wurde nicht vom Heer überwacht, war aber im Grunde auch soldatisch.

RA. PELCKMANN: Galt der Dienst dieser Totenkopfverbände als Erfüllung der Wehrpflicht?

HAUSER: Nein, der Dienst galt nicht als Erfüllung der Wehrpflicht.

RA. PELCKMANN: Und die jungen Freiwilligen, die dazu geworben wurden, wußten die, daß sie zur Konzentrationslagerbewachung geworben wurden?

HAUSER: Über die Rekrutierung der Totenkopfverbände bin ich nicht im Bilde, aber ich glaube nicht, daß ihnen das Ziel gesagt wurde.

RA. PELCKMANN: Was wissen Sie über die Teilnahme der Verfügungstruppe bei dem Vorgefallenen vom 30. Juni 1934 und vom 9. November 1938?

HAUSER: Über die Teilnahme am 30. Juni 1934 kann ich nichts sagen, denn damals war ich ja nicht in der Verfügungstruppe. Ich weiß aber, daß die Männer der Verfügungstruppe davon überzeugt waren, daß die durchgeführten Exekutionen veranlaßt waren durch Akte der Staatsgewalt. An den Ausschreitungen vom 9. November 1938 war die Verfügungstruppe nirgends beteiligt. Die Masse von ihr, die Leibstandarte, das Regiment in München und sämtliche Rekruten waren wie alljährlich zur Vereidigung in München angetreten.

RA. PELCKMANN: Was ist nun unter der Waffen- SS zu verstehen?

HAUSER: Nach Beginn des Feldzugs im Herbst 1939 wurden aus der Verfügungstruppe, aus den Totenkopfverbänden und aus ausgebildeten Männern der Polizei zunächst drei Divisionen gebildet und einzelne kleinere Verbände, die zusammengefaßt waren unter dem Namen Waffen-SS. Die Bewährung dieser wenigen Divisionen und der allmählich immer größer werdende Bedarf an Truppen im Kriege führte zu einer wesentlichen Vermehrung bis auf über 35 Divisionen. An dieser nicht planmäßigen Vermehrung war auch die Tatsache schuld, daß alle Volksdeutschen, alle Freiwilligen aus dem Norden, aus dem Osten und Südosten Europas in dieser Waffen-SS Dienst taten. Die Gesamtstärke mit allen Verlusten kann wohl auf etwa 900000 Mann geschätzt werden. Die Zahl der Reichsdeutschen wird dabei nur etwa ein Drittel bis die Hälfte sein.

RA. PELCKMANN: Am Schluß des Krieges?

HAUSER: Am Schluß des Krieges.

RA. PELCKMANN: Ist die Anklagebehauptung, daß sich die Waffen-SS bewußt an einem Angriffskrieg beteiligt hat, richtig?

HAUSER: Die Angehörigen der Waffen-SS hatten nicht den Eindruck, daß sie zu einem Angriffskrieg verwendet wurden. Ihnen fehlte jeder Einblick, ob es sich um einen Angriffskrieg oder um einen Verteidigungskrieg handelt. Der Eid band sie an ihre Pflicht. Sie hatten nicht die Möglichkeit, die Teilnahme an einem Krieg zu verweigern.

RA. PELCKMANN: Gab es im Krieg ein einheitliches SS-Oberkommando? Wem unterstand denn die Division im Krieg?

HAUSER: Ein einheitliches SS-Oberkommando hat es während des Krieges nicht gegeben. Das Führungshauptamt in Berlin war zentrale Verwaltungsinstanz. Alle Divisionen der Waffen-SS sind in das Heer einrangiert worden und kämpften unter Befehl und letzten Endes der Verantwortung des Heeres. Ich habe persönlich in den fünfeinhalb Jahren des Krieges nur von Dienststellen des Heeres Befehle bekommen.

RA. PELCKMANN: Hatte Heinrich Himmler auf die Divisionen der Waffen-SS einen Einfluß und welchen?

HAUSER: Die Divisionen, die in das Heer einrangiert waren, unterstanden Heinrich Himmler nur in Fragen der Personalbesetzung und Ergänzung, in Gerichtsfragen und in grundsätzlichen Fragen der Organisation.

RA. PELCKMANN: Die Anklage behauptet, daß die Waffen-SS besondere Kampfmethoden anwandte und daß sie ganz bewußt grausam gefochten hatte, Terror anwandte und Ausrottungsmethoden durchführte.

HAUSER: Ich muß das strikte verneinen. Die Truppe war jung, hatte keine Tradition und keinen Namen, sie mußte sich erst bewähren. Die Kommandeure hatten nur den Ehrgeiz, das Ansehen und den Ruf dieser Truppe durch tapfere, aber faire Kampfweise zu erreichen. Es wäre auch nicht möglich gewesen, da die Divisionen im Heere teilweise gemischt kämpften, daß die Generale des Heeres sich derartig abweichende Kampfmethoden hätten gefallen lassen. Genauso wie sie bei taktischen Entschlüssen eingriffen, würden sie eingegriffen haben, wenn dieser Vorwurf einer terroristischen Kampf weise irgendwie zu Recht bestände. Sie hätten es genau so gemerkt wie ich, denn die Kommandeure sind im Ernstfall ja immer tagelang unterwegs und gewinnen Einblick in den Einsatz und die Kampfmethode der Truppe.

RA. PELCKMANN: Sind die Offiziere und Mannschaften belehrt worden über die Einhaltung von Völkerrechtsbestimmungen?

HAUSER: Schon im Frieden war die Belehrung und Ausbildung über die Bestimmungen der Genfer Konvention und der Haager Landkriegsordnung Ausbildungsfach gewesen. Dieser Unterricht und die Überwachung hat naturgemäß im Kriege dauernd stattgefunden.

RA. PELCKMANN: Ist es richtig, daß Himmler geäußert hat, die Erfolge der Waffen-SS seien dem Terror zuzuschreiben?

HAUSER: Heinrich Himmler hatte diesen Ausdruck einmal in einer Rede erwähnt. Ich habe ihm darauf gemeldet, daß das völlig falsch wäre. Wir hätten nicht durch Terror unsere Erfolge erworben, sondern durch tapferen Einsatz von Offizier und Mann, im Ernstfalle bis zum Letzten.

RA. PELCKMANN: Welche Grundsätze galten bei der Truppe für die Behandlung feindlicher Gefangener?

HAUSER: Die Gefangenen wurden nach den auch im Heere geltenden Bestimmungen behandelt; Unterbringung, Verpflegung, ärztliche Betreuung wie im Heere. Ich habe persönlich auf manchen Verbandsplätzen, auf denen ich selbst gelegen habe, festgestellt, daß Freund und Feind nach den gleichen Grundsätzen behandelt wurden, und dieselbe Art und Weise der Kriegsgefangenenbehandlung wurde hier angewandt.

RA. PELCKMANN: Ist mit der Ernennung Himmlers zum Oberbefehlshaber des Ersatzheeres und damit auch mit der Ernennung zum Chef des Kriegsgefangenenwesens eine Änderung in diesen Grundsätzen eingetreten?

HAUSER: Bezüglich der Waffen-SS nicht; aber es wurde Heinrich Himmler als Oberbefehlshaber des Ersatzheeres auch das Kriegsgefangenenwesen unterstellt, und er beauftragte die Höheren SS- und Polizeiführer in der Heimat mit der Überwachung der Sicherheit der Gefangenenlager. Einzelheiten kenne ich nicht; ich weiß, daß daraufhin auch die Höheren SS- und Polizeiführer zu Generalen der Waffen-SS ernannt wurden.

RA. PELCKMANN: Die Anklagebehörde behauptet, daß die Waffen-SS infolge ihres Vernichtungswillens gegenüber der Bevölkerung der eroberten Gebiete Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Kriegsrecht begangen habe und mutwillig Städte und Dörfer zerstört habe. Hat die Waffen-SS sich daran beteiligt?

HAUSER: Ich habe die Truppe auf vielen Kriegsschauplätzen selber gesehen. Ich habe zusammengelebt mit der Bevölkerung im Osten und Westen. Das Verhältnis war durchweg gut. Es beruhte auf gegenseitiger Hilfeleistung. Wo wir Bewohner zum Arbeiten heranziehen mußten, zum Beispiel beim Straßenbau, wurde dafür Verpflegung geliefert. Eine mutwillige Zerstörung von Ortschaften würde ja nur die eigene Unterbringung erschwert haben. Ich entsinne mich keines Falles, wo von der Fronttruppe meiner Division Geiseln festgenommen worden sind oder Ortschaften als Strafe zerstört worden sind.

RA. PELCKMANN: Ist Ihnen ein Befehl Hitlers vor dem Ostfeldzug bekannt, der nämlich anordnete, daß Übergriffe der Truppe gegen die Zivilbevölkerung nicht zu bestrafen seien?

HAUSER: So hat der Befehl nicht gelautet. Er überließ vielmehr die Entscheidung, ob Übergriffe gegenüber der Bevölkerung gerichtlich verfolgt werden sollten, den Gerichtsherren, während bis dahin ein Zwang vorlag. Ich persönlich habe in meinem Bereich angeordnet, daß mit Rücksicht auf die Manneszucht derartige Übergriffe nach wie vor gerichtlich bestraft würden, und die Gerichtsurteile, die alle dem Reichsführer gemeldet wurden, legen Zeugnis davon ab, daß derartige Übergriffe streng bestraft wurden.

RA. PELCKMANN: Kennen Sie den Kommissarbefehl?

HAUSER: Der Kommissarbefehl ging nur an die Korps. Im Jahre 1941 hatten wir noch keine Korps, also Generalkommandos. Demnach ist der Befehl mir unbekannt geblieben, und wir haben uns infolgedessen auch nicht danach richten können. Ich entsinne mich nur eines späteren Befehls, der die Absonderung der Kommissare verlangte. Die Truppe ging dieser Befehl nur wenig an, weil die Kommissare als solche von der Fronttruppe meist nicht erkannt waren.

RA. PELCKMANN: War der Kampf gegen die Partisanen eine besondere Aufgabe der Waffen-SS, und war dieser Kampf als ein Ausrottungskrieg zu betrachten?

HAUSER: Der Kampf gegen die Partisanen ist eine rein militärische, politische, polizeiliche...