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[Zum Zeugen gewandt:]

War Dierlewanger nicht Kommandeur der Einheiten, die in Warschau kämpften?

HAUSER: Dierlewanger war Kommandeur einer Bewährungstruppe von Männern aus den Konzentrationslagern. Er hatte mit der Waffen-SS nichts zu tun. Ich habe ihn persönlich und seine Truppe nie kennengelernt und kann aus eigenem Wissen weiter nichts sagen.

MAJOR ELWYN JONES: Waren die Offiziere seiner Einheit SS-Offiziere?

HAUSER: Ich kann darüber nichts sagen, weil ich die Einheit nicht kenne.

MAJOR ELWYN JONES: Ich werde weiteren dokumentarischen Beweis zu diesem Punkt später vorlegen, Euer Lordschaft.

Nun möchte ich ein Dokument über die Teilnahme der SS an der Ausrottung der Juden vorlegen und dieses Dokument wird hinreichend beweisen, daß die Waffen-SS daran teilgenommen hat. Das erste ist Beweisstück D-939, GB-563, eine eidesstattliche Versicherung des Israel Eisenberg, der erklärt:

»Ich wohnte in Lublin und wurde von dort Anfang 1942 nach Maidanek verschickt. Als Häftling arbeitete ich jedoch weiter bei den Deutschen, die mich als Fachmann bei elektromechanischen Arbeiten in den verschiedenen SS-Häusern und SS-Büros in Lublin beschäftigten. Ich arbeitete als Elektromechaniker im Palastgebäude des SS- und Polizeiführers Globocznik und im Hauptquartier der SS in Lublin, Warschauerstraße 21. Dort befanden sich auch die ›Waffen-SS‹. Auf der Außenmauer war genau die Anschrift ›Waffen-SS‹ zu sehen, und auf meinem Passierschein, den ich beim Eingang erhielt, war auch ›Waffen-SS‹ aufgeschrieben. Ich kannte alle Offiziere, z.B. Oberscharführer Riedel, Rottenführer Mohrwinkel, Unterscharführer Schramm usw. Ich weiß, daß die Leiter der Waffen-SS sowie das Regiment der Waffen-SS, dessen Sitz sich in demselben Gebäude befand, wo ich arbeitete, an sämtlichen ›Aussiedlungen‹ der Juden vom Distrikt Lublin direkt Anteil ge nommen haben. Bei diesen Aussiedlungen sind gleich an Ort und Stelle tausende Personen getötet worden und der Rest zur Vernichtung verschickt. Ich habe selbst gesehen, wie im Winter 1941 die Waffen-SS von der Warschauerstraße 21 an der Verschickung von einigen hundert Juden nach Maidanek beteiligt war, wobei auf der Stelle mehrere Personen getötet wurden. Mein Vater wurde damals auch wegen seines langen Bartes verschickt, da diese Aktion hauptsächlich Juden mit Bärten betraf. Ich weiß, daß Rottenführer Mohrwinkel diese Aktion leitete und dafür zum Untersturmführer ernannt wurde. Ich arbeitete bei der Waffen-SS bis November 1942, d.h. bis ich nach Radom abtransportiert wurde. Dieselbe hat die ganze Zeit an sämtlichen Verbrechen der SS in Lublin und im Distrikt teilgenommen. Ich bemerke noch, daß diese SS-Männer ihre Pferde in den Ställen auf dem Flugplatz hielten, wo die Anschrift ›Reiter-Regiment Waffen-SS‹ war.«

Dann zu dem nächsten Dokument D-953, das GB-564 wird.

VORSITZENDER: Ich denke, wir sollten dem Zeugen Gelegenheit geben, sich zu diesem Dokument zu äußern, wenn er möchte.

MAJOR ELWYN JONES: Wenn Euer Lordschaft es wünschen.

Zeuge! Sie hörten mich das letzte Affidavit von Israel Eisenberg verlesen. Er sagte darin, wie Sie hörten, daß die Waffen-SS direkt an der Zusammenziehung von Juden zur Ausrottung beteiligt war, und erwähnt das Waffen-SS-Reiterregiment, das in der Lubliner Gegend im Einsatz war. Diese Reiter waren doch Leute der Waffen-SS, nicht wahr?

HAUSER: Die Namen, die vorgelesen wurden, waren keine Offiziersnamen. Es sind ja Rottenführer- und Scharführernamen. Ich kann natürlich nicht die Namen von jedem Mann eines Verbandes kennen. Ich habe keine Beweise, daß das Angehörige der Waffen- SS sind. Im Jahre 1942 stand die Front nicht bei Lublin, sondern wesentlich weiter ostwärts. Es sind vielleicht Ersatzeinheiten gewesen. Es fiel einmal der Name Reitereinheit. Das ist ein Ersatztruppenteil der Reiterbrigade gewesen, über die ich Näheres nicht angeben kann.

MAJOR ELWYN JONES: Suchen Sie nur zu unterscheiden zwischen Waffen-SS im Fronteinsatz und SS-Einheiten mit anderen Aufgaben im rückwärtigen Gebiet. Denken Sie...

HAUSER: Zu Aufgaben hinter der Front können normal nur Truppenteile der Ersatzeinheiten herangezogen werden, denn die anderen Einheiten standen dauernd an der Front.

MAJOR ELWYN JONES: Diese eidesstattliche Erklärung stellt ganz klar fest, daß es sich um SS-Truppen gehandelt hat. Was könnten es denn sonst für Truppen gewesen sein?

HAUSER: Reiter der SS-Waffe konnten auch Männer einer Einsatzgruppe gewesen sein, die im Hinterland ihre Aufgabe hatten.

MAJOR ELWYN JONES: Sie meinen, daß sie sich als Einheiten der Waffen-SS getarnt hätten?

HAUSER: Unwahrscheinlich.

MAJOR ELWYN JONES: Wenden Sie sich nun einem anderen Dokument zu, das Ihnen in diesem Punkt behilflich sein wird. Es ist D-953 und wird GB-564. Das letzte ist GB-565. Ich bitte Euer Lordschaft um Entschuldigung, aber dieses Dokument wird GB-564. Es ist eine eidesstattliche Versicherung von David Wajnapel und besagt:

»Wenige Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Radom trafen Polizei und SS ein. Unmittelbar nach ihrer Ankunft verschlimmerten sich sogleich die Zustände. Das Gebäude in der Zeromskist, das ihren Stab beherbergte, wurde eine Bedrohung für die gesamte Bevölkerung; Leute, die diese Straße passierten, wurden in den Torweg gezerrt und durch grausame Schläge und Inszenierung sadistischer Spiele mißhandelt. Sämtliche SS-Offiziere und Mannschaften nahmen daran teil. In meiner Eigenschaft als Arzt hatte ich oft Gelegenheit, schwerverwundeten Opfern der SS ärztliche Hilfe zu bringen.

Nach kurzer Zeit wurde die SS-Uniform zu einer Gefahr für die Bevölkerung. Ich wurde trotz meiner Rotkreuz-Binde von vier SS-Männern auf der Straße blutig geschlagen. Später wurden in Radom zwei Ghettos errichtet. August 1942 fand die sogenannte ›Deportation‹ statt. Die Ghettos wurden von zahlreichen SS-Einheiten umstellt, die alle Straßenausgänge besetzten. Man trieb die Leute auf die Straße; wer fortrannte, wurde beschossen. Kranke, die zu Hause oder im Krankenhaus lagen, wurden an Ort und Stelle erschossen. Darunter befanden sich auch die Patienten, die in dem Krankenhaus untergebracht waren, in welchem ich als Arzt beschäftigt war. Die Gesamtzahl der getöteten Menschen belief sich auf ungefähr 4000. Etwa 3000 Menschen blieben verschont und der Rest – ungefähr 20000 – wurde nach Treblinka deportiert. Die gesamte Aktion wurde von der SS geleitet und durchgeführt. Ich habe persönlich den SS-Stab Gruppen bilden und Befehle erteilen sehen. In den Straßen und Häusern mißhandelten und töteten SS-Männer Menschen, ohne Befehle abzuwarten. Nach erfolgter Deportation wurden die restlichen Menschen in einigen engen Gassen zusammengedrängt. Wir kamen unter die ausschließliche Befehlsgewalt der SS und wurden ihr privates Eigentum, das sie gegen Bezahlung an verschiedene Firmen zu vermieten pflegten. Ich weiß, daß diese Zahlungen einem SS-Sonderkonto bei der Radomer Bank Emisy jny gutgeschrieben wurden. Wir kamen nur mit SS-Männern in Berührung. Im Ghetto selbst wurden von der SS häufig Hinrichtungen durchgeführt. Am 14. Januar 1943 fand eine zweite De portation nach Treblinka statt. Am 21. März 1943 wurde im gesamten Gebiet die sogenannte Aktion gegen die Intelligenz durchgeführt, die meines Wissens in einer Versammlung von SS- und Polizeiführern in Radom beschlossen worden war. Allein in Radom wurden damals etwa 200 Menschen erschossen; unter ihnen fanden auch meine Eltern, mein Bruder und sein neun Monate altes Kind den Tod. Am 9. November desselben Jahres wurden alle Judenkinder bis zu 12 Jahren sowie alle alten Leute und alle Kranken Radoms in dem in der Nähe Radoms gelegenen Lager zusammengetrieben und in der Biala-Straße in Radom erschossen. Sowohl SS- Offiziere als auch SS-Mannschaften nahmen daran teil. Ab März 1943 verbrachte ich 18 Monate im Lager von Blizyn. Das Lager unterstand ausschließlich der Kontrolle der SS und des Radomer Polizeichefs. Lagerkommandant war Untersturmführer Paul Nell, die Wachen bestanden aus einfachen SS-Männern und SS-Unteroffizieren. Die Aufseher waren Angehörige der Waffen-SS, die kriegsverletzt waren. Sie benahmen sich sämtlich auf unmenschliche Art, indem sie uns schlugen und mißhandelten. Es fanden häufig Erschießungen statt. Ursprünglich wurden die Urteile von den SS- und Polizeiführern ausgesprochen, später vom Lagerkommandanten. Die SS-Mannschaften waren über die Bluttaten der SS in Polen sehr wohl unterrichtet.

Im besonderen berichteten sie mir persönlich über Massenmorde an Juden in Maidanek (November 1943). Dieser Vorfall war ein öffentliches Geheimnis; es war sowohl der Zivilbevölkerung als auch den einfachen SS-Männern allgemein bekannt. Als unser Lager von dem Konzentrationslager Maidanek übernommen wurde, erhielt es neue Wachen; es war jedoch kein Unterschied zwischen ihnen und den früheren. Im Juli 1944 wurde das ganze Lager und damit auch ich in das Lager von Auschwitz überführt, zu dem nur SS-Männer Zutritt hatten. Die Zustände in diesem Lager sind wohlbekannt. Ich entkam während der Evakuierung dieses Lagers nach Deutschland. Während des Marsches tötete die SS-Begleitmannschaft erschöpfte Häftlinge durch Maschinengewehrschüsse und den Rest der marschierenden Kolonne später in der Nähe von Rybnik. Damals wurden mehrere hundert Menschen getötet.«

Nun, Zeuge, in dem ganzen Dokument wird die Beteiligung der SS hervorgehoben. Streiten Sie angesichts solcher eidesstattlicher Erklärungen ab, daß die SS an diesen Judenmorden teilgenommen hat?

HAUSER: Es ist ausdrücklich gesprochen worden im Dokument von der Polizei und SS, dort, wo die Polizei mit dem SD arbeitet, ist die Waffen-SS nicht. Von den Lagern, deren Namen genannt wurden, habe ich mehrfach betont, daß sie mit der Waffen-SS nichts gemeinsam hatten wie leider, leider nur den Namen.

Von allen Beispielen, die der Herr Ankläger hier erwähnt hat, muß ich nur zugeben, daß die Mitteilung über die Division »Prinz Eugen« und auch die Reitereinheiten bei Warschau Angehörige der Waffen-SS sind. Weiter kann ich auf Grund eigener Erfahrung nichts sagen.

VORSITZENDER: Möchten Sie ihm nicht den letzten Absatz vorlesen?

MAJOR ELWYN JONES: [zum Zeugen gewandt] Der letzte Absatz kann Ihnen helfen:

»Ich betone, daß ich während der kurzen Kriegsjahre in meiner Eigenschaft als Jude und Arzt mit einer großen Anzahl von SS-Männern verschiedenen Ranges sowohl der Waffen-SS als auch anderer Formationen in Berührung gekommen bin. Ich muß jedoch feststellen, daß ich, was ihre unmenschliche Haltung gegenüber der Zivilbevölkerung betraf, bei ihnen keine Unterschiede bemerkt habe.«

Die Waffen-SS war immer die Ursache solcher Aktionen gegen die Bevölkerung. Das war doch im großen und ganzen ihre Aufgabe...

HAUSER: Nein, die Waffen-SS war einrangiert in das Heer.

MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie zu diesem besonderen Punkt jemals Hitlers Anordnung über die Zukunft der SS gesehen?

HAUSER: Ich habe die Frage nicht verstanden.

MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie jemals die Anordnung Hitlers gesehen?

HAUSER: Die Anordnung von Hitler über die Zukunft der SS kenne ich nicht.

MAJOR ELWYN JONES: In dieser Anordnung, die, wie ich glaube, der Gerichtshof wohl kennt – Dokument D-665, GB-280 –, betont Hitler, daß es Aufgabe der Waffen-SS sei, die Vorhut des Nationalsozialismus und das Mittel tatkräftiger Handlung gegen Widerstand in Deutschland und gegen Opposition im Ausland zu sein.

Haben Sie diese Anordnung Hitlers über die Aufgaben der Waffen-SS nicht gesehen?

HAUSER: Ist das vielleicht eine Weisung, die von Hitler an die militärischen Dienststellen ging, und die über die Zukunft der Waffen-SS nach dem Kriege sprach?

MAJOR ELWYN JONES: Das war eine Anordnung von 1941, die bis zu den Regimentern verteilt und der Waffen-SS zugestellt worden ist. Ich habe das Dokument im Moment nicht hier.

Behaupten Sie, Sie hätten noch nie davon gehört?

HAUSER: Nein, von diesem Befehl... Ich kenne nur einen Befehl, und zwar mündlich, der Maßnahmen oder Absichten enthielt über die Organisation nach dem Kriege, der nur an die Heereseinheiten gegangen ist.

VORSITZENDER: Vielleicht können wir jetzt unterbrechen?