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MAJOR ELWYN JONES: Wenn es Euer Lordschaft genehm ist, werde ich eine kleine Verbesserung der genauen Nummern dieser Dokumente vornehmen: Das Dokument D-953 wurde zweimal vorgelegt, als GB-564 und GB-565. D-953 wird 564 und das nächste Dokument, D-955, wird GB-565.

VORSITZENDER: Welche Nummer wird das letzte Dokument haben, das Sie erwähnten? Wird es 564 oder 565? Sie erwähnten noch irgendein anderes Dokument danach.

MAJOR ELWYN JONES: Das nächste Dokument, D-955, das ich gerade vorlegen will, wird GB-565 werden. Dies ist ein letztes Affidavit eines jüdischen Kaufmanns, Mojzesz Goldberg, und es besagt folgendes:

»Am 23. Juni 1941 wurde ich in Lemberg in die Sowjet-Armee einberufen. Mitte Juli geriet ich in deutsche Gefangenschaft. In einer Ortschaft, 5 km von Podwoloczysk entfernt, suchten die SS-Kompanien von der ganzen Masse der Kriegsgefangenen die Juden heraus und schossen sie an Ort und Stelle nieder. Ich blieb am Leben, da sie in mir keinen Juden erkannten. Ich betone, daß dies die Waffen-SS machte.

Nachdem ich von der Gefangenschaft herauskam, wohnte ich in Radom und arbeitete in der Zeit von Juni 1942 bis Juli 1944 bei der Waffen-SS an drei Stellen: SS-Veterinär-Ersatzabteilung, Koscinskistr., Standortverwaltung der Waffen-SS, Planty 11 und Bauleitung der Waffen-SS, Slowackistr. 27. Da ich solange bei der SS arbeitete, kenne ich sehr gut dem Namen und Gesicht nach alle Offiziere und Unteroffiziere der obenerwähnten Abteilungen der Waffen-SS. An der Spitze der SS-Veterinär-Ersatzabteilung stand der Sturmbannführer Dr. Held und Hauptsturmführer Schreiner; an der Spitze der Standortverwaltung stand Obersturmführer Grabau (z. Zt. im Lager Dachau), und an der Spitze der Bauleitung stand Oberscharführer Seiler. Alle Erwähnten, zusammen mit ihren Kompanien, nahmen einen direkten Anteil an der Durchführung der Aussiedlungen in Radom am 5., 16. und 17. August 1942, wobei gleich an Ort und Stelle einige tausend Personen erschossen wurden. Ich weiß, daß SS-Veterinär-Ersatzkompanien sich in die Provinzstädte zwecks Durchführung der ›Aussiedlungen‹ der Juden begaben. Ich hörte, wie die einzelnen Soldaten sich mit der Zahl der durch sie getöteten Juden rühmten. Ich weiß von ihren eigenen Erzählungen, daß dieselben Kompanien an den Aktionen gegen polnische Partisanen teilnahmen, sowie die umliegenden polnischen Dörfer in Brand setzten.«

Zeuge, behaupten Sie immer noch, daß die Waffen- SS keinen Anteil an den Grausamkeiten in Polen habe?

HAUSER: Ich habe den Eindruck, daß dieses Dokument unglaubwürdig ist. Wie konnten sich die Einheiten von Veterinärkompanien an derartigen Maßnahmen beteiligen? Weiteres kann ich nicht sagen, weil ich die Verbände nicht kenne.

MAJOR ELWYN JONES: Es ist dies ein Dokument eines Mannes, der zwei Jahre lang für die Waffen-SS arbeitete, der diese persönlich kannte und mit den Leuten gesprochen hat. Er ist ein Mann von 36 Jahren, der durch deren Hände Leid erduldet hat, und er hat auch alle Einheiten der Waffen-SS im einzelnen erwähnt, die daran beteiligt waren. Behaupten Sie immer noch, daß sich die Waffen-SS an diesen Dingen nicht beteiligt hätte?

HAUSER: Es sind rückwärtige Einheiten, die anscheinend zur Waffen-SS nicht gehörten. Weiter kann ich nichts sagen.

VORSITZENDER: Kennen Sie den Namen von irgendeinem der Offiziere, die in diesem Schreiben erwähnt sind?

HAUSER: Nein.

VORSITZENDER: Sind Sie jemals in Radom gewesen?

HAUSER: Nein.

VORSITZENDER: Wissen Sie, ob Waffen-SS an irgendeinem in diesem Affidavit erwähnten Orte war?

HAUSER: Ich habe Euer Lordschaft nicht verstanden.

VORSITZENDER: Wissen Sie, ob an irgendeinem der in dem Affidavit erwähnten Orte sich Hauptquartiere von Waffen-SS-Einheiten befanden?

HAUSER: Einheiten der angegebenen Division können dort meines Wissens nicht gelegen haben, auch kein Hauptquartier.

VORSITZENDER: Nun, die Person, die dieses Affidavit abgegeben hat, erwähnt die Einheiten, die an verschiedenen Stellen in Radom einquartiert waren, und ich frage Sie, ob Sie wissen, welche Einheiten an diesen Stellen lagen?

HAUSER: Nein, das kann ich nicht sagen.

MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Sie haben ausgesagt, daß die Waffen-SS-Einheiten das Völkerrecht respektiert und im Felde keine Grausamkeiten verübt hätten.

Mit Euer Lordschaft Erlaubnis möchte ich nun eine Zusammenfassung der Anklagepunkte einreichen, die der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen von den Nationalen Kommissionen der verschiedenen Länder vorgelegt worden sind, die durch die Waffen-SS zu leiden hatten. Dieser Zusammenfassung kann ich beglaubigte Abschriften hinzufügen, die Einzelheiten über die zur Last gelegten Vorfälle aufzählen. Ich unterstelle, daß solche Anklagen und Zusammenfassungen Beweiswert haben. Es ist wahr, daß diese Anklagepunkte bisher noch nicht zu Gerichtsverfahren geführt haben, und daß die namhaft gemachten Schuldigen bis jetzt selbst noch nicht abgeurteilt worden sind. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig, aber ich unterstelle dennoch, daß diese Anklagepunkte Beweiswert haben und ich bitte, daß der Gerichtshof dementsprechend verfügen möge.

VORSITZENDER: Vielleicht können Sie uns etwas mehr über den Charakter der Dokumente sagen, die Sie vorlegen möchten.

MAJOR ELWYN JONES: Die Dokumente, die ich als Beweismaterial vorlegen möchte, erwähnen die Namen der verschiedenen Waffen-SS-Divisionen, die beteiligte Einheit, das Datum der Begehung des Verbrechens, Art und Ort des Vorfalls selbst und die Informationsquelle. Sie sind aus den Akten der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen oder von dem Untersuchungsausschuß des SHAEF, der die Angelegenheit der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen vorgelegt hat.

VORSITZENDER: Als Beweismittel ist es nur ein Hinweis. Es enthält nicht den Beweis oder eine Zusammenfassung des Beweises, nicht wahr?

MAJOR ELWYN JONES: Es enthält die Zusammenfassung des Beweismaterials. Die beglaubigten Beschuldigungen, die ich dem Gerichtshof vorlegen werde, enthalten viel umfangreichere Einzelheiten als die Zusammenfassung selbst, die ich dem Zeugen gegenüber zu verwenden beabsichtige. Ich habe nichts dagegen, wenn Euer Lordschaft eine solche einsehen wollen.

VORSITZENDER: Herr Elwyn Jones! Sie wollen die Berichte jedenfalls gemäß Artikel 21 vorlegen?

MAJOR ELWYN JONES: Das ist meine Absicht, Euer Lordschaft. Es sind offizielle Berichte, die von den betreffenden nationalen Behörden der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen vorgelegt worden sind, und sie stellen Beweisaussagen von Zeugen dar und sind zu zusammengefaßten Berichten gekürzt worden in der Form von Anklagepunkten.

Es dürfte von Wert sein, wenn Euer Lordschaft sich zur Veranschaulichung eine dieser Beschuldigungen – ohne Verbindlichkeit, das Dokument zuzulassen oder nicht – anschauen wollen. Wenn es Euer Lordschaft recht ist, wäre Sir David Maxwell-Fyfe in der Lage, das Vorgehen der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen bezüglich dieser Anklagepunkte zu erklären, und es wäre vielleicht nützlich, wenn Sir David dieses Vorgehen dem Gerichtshof schildern würde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Man kann mit Artikel 21 beginnen, der besagt, das Tribunal solle amtliche Kenntnis nehmen von offiziellen Regierungsdokumenten und Berichten der Vereinten Nationen, einschließlich der Akten und Dokumente der in den verschiedenen alliierten Ländern zur Untersuchung der Kriegs verbrechen eingesetzten Kommissionen.

Euer Lordschaft! Es wurde so vorgegangen, daß die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen unter der Leitung zuerst von Lord Findlay und später von Lord Wright das Material sammelte, prüfte und an die einzelnen anklagenden Nationen zurücksandte. Das Nationalbüro sandte einen Bericht an die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen, die ihn dann prüfte und wieder der Behörde in den verschiedenen Ländern zurücksandte, die sich mit der Strafverfolgung der Verbrechen befaßte.

Euer Lordschaft! Was jetzt vorgebracht wird, ist eine Zusammenfassung der von verschiedenen Ländern an die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen gesandten Berichte in Form von Entwürfen der Anklagen mit einer Zusammenfassung des sie unterstützenden Beweismaterials. Diese sind verfügbar und beglaubigt, und das Dokument, das wir zur Bequemlichkeit des Gerichtshofs gern verwenden möchten, ist eine Zusammenfassung dieser Anklagepunkte, das die Einheit, das Datum, die Ortschaft und den Vorfall, sowie die Quelle einschließlich der Dokumente der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen anführt.

VORSITZENDER: Sir David! Wenn ich richtig verstehe, was Sie gesagt haben, wurden diese Dokumente, von denen dies eine Zusammenfassung ist, der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen zum Zwecke irgendeiner Stellungnahme oder zum Zwecke einer Art Zustimmung vorgelegt, wonach sie diese dem betreffenden Land zurückschickten. Dann wurden sie einem Gericht zum Prozeß gegen diese Personen übergeben, deren Aburteilung die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen gebilligt hatte. Dies ist also eine Zusammenfassung von Anklagepunkten, die bis jetzt noch nicht von der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen gebilligt worden ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mag sein oder nicht. Es ist das ein Bericht der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen in einem früheren Stadium. Jede der Vereinten Nationen hatte ihr Nationalbüro zur Nachforschung und Berichterstattung über Kriegsverbrechen. Dabei war ein wichtiger Schritt, daß das Nationalbüro vorerst Beweise zu sammeln, die Anklagepunkte zu unterbreiten und diesen Bericht der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen zu übermitteln hatte. Dann kam er mit einer Genehmigung oder mit einem Kommentar der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen an die Anklagebehörde der verschiedenen Länder zurück. Um die Sache ganz klar zu machen, Euer Lordschaft, möchte ich mein eigenes Beispiel anführen, als ich damit betraut war:

Das Britische Nationalbüro war Sir Thomas Barnes anvertraut, dem Rechtsberater des Schatzamtes, der diese Berichte von den verschiedenen Untersuchungskomitees sammelte. Er übersandte diese an die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen, die ihren Kommentar dazu abgab. Dann kam es zurück zu mir, und ich entschied, ob eine Strafverfolgung stattfinden sollte oder nicht.

Euer Lordschaft! Ich unterbreite dies als einen authentischen Bericht der Vereinten Nationen. Es handelt sich um das Komitee, welches jedes Land eingesetzt hat, um das Beweismaterial zusammenzusuchen und dies dem Komitee der Vereinten Nationen zu übermitteln. Wir unterstellen nun die Tatsache, Euer Lordschaft, daß jede der Vereinten Nationen durch einen autoritativen Ausschuß das Beweismaterial gesammelt, zusammengefaßt und vorgelegt hat, was in dieser Form ihm schon ipso facto seinen Beweiswert verleiht.

VORSITZENDER: Sie sagen also damit, daß das genau dem Wortlaut in der drittletzten Zeile des Artikels 21 entspricht, wo es in folgenden Worten steht: »...Urkunden der in den verschiedenen alliierten Ländern für die Untersuchung von Kriegsverbrechen eingesetzten Komitees.«

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, so ist es.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte sich dieses Dokument näher ansehen, um genau zu sehen, wie es abgefaßt ist. Haben Sie ein Originaldokument da?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Dies ist ein Dokument, das von Oberst Leningham, dem Generalsekretär der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen, beglaubigt ist. Euer Lordschaft! Das hier ist ein Dokument, das von der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen genehmigt worden ist, genau so wie viele andere.

VORSITZENDER: Wir haben uns das Dokument angesehen. Nun, bevor sich der Gerichtshof zur Beratung dieser Sache zurückzieht, will er wissen, was Sie noch zu sagen haben, Sir David.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf die Anzahl der bereits von der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen genehmigten Dokumente. Das wäre noch zu meiner Argumentation nötig.

VORSITZENDER: Alles in allem wünschen Sie, von der Zusammenfassung, die Sie da haben, Gebrauch zu machen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Diese Erklärung wünsche ich abzugeben.

VORSITZENDER: Die Zustimmung zu der Entscheidung liegt also bei der jeweiligen nationalen Behörde?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Als ich Generalstaatsanwalt war, oblag dies mir. Soviel ich weiß, ist dieselbe Prozedur auch in anderen Ländern üblich, wo es den nationalen Behörden obliegt.

VORSITZENDER: Ja, Dr. Pelckmann.

RA. PELCKMANN: Ob das Material, das der Anklagebehörde jetzt vorliegt, in der gehörigen Form vorliegt, und ob es als Bericht alliierter Regierungen oder der Kriegsverbrechen-Untersuchungskommission gewertet werden kann nach Artikel 21, vermag ich nicht von mir aus zu beurteilen. Das lege ich vertrauensvoll in die Hände des Gerichts, diese Entscheidung. Mir scheint aber wichtig zu sein eine andere Frage. Nach Artikel 21 kann das Hohe Gericht von diesen Dingen amtlich Kenntnis nehmen, meines Erachtens aber nur, solange die Anklagebehörde ihren Beweisvortrag vorbringt. Wir befinden uns jetzt im Beweisvortrag der Verteidigung. Wenn die Anklagebehörde diese Berichte zum Gegenstand des Kreuzverhörs macht, so ist auch dagegen verfahrensmäßig, glaube ich, nichts einzuwenden. Nur eine amtliche Kenntnisnahme des Gerichts, ohne diese Berichte auch zum Gegenstand des Kreuzverhörs zu machen, halte ich nicht für zulässig, das heißt, nur wenn jetzt die Zeugen der SS, die gerufen werden, zu diesen Dokumenten Stellung nehmen.

VORSITZENDER: Ist das nicht wirklich eine Angelegenheit, die der Gerichtshof entscheiden muß? Es handelt sich darum, ob die Dokumente jetzt vorgelegt werden sollen, wo der Zeuge dazu seine Erklärung abgeben kann. Ob es unter Artikel 21 fällt oder nicht, das ist eine Angelegenheit, über die noch zu entscheiden ist, das ist eine Rechtsfrage. Ob es jetzt oder später vorgelegt werden soll, steht vollkommen dem Gerichtshof anheim.

RA. PELCKMANN: Ich hielt es für wichtig zu sagen, daß, wenn das Hohe Gericht diese Berichte annimmt als Beweismaterial im Sinne des Artikels 21, dann kann es nach meiner Überzeugung sie nur annehmen – da der Beweisvortrag der Anklage geschlossen ist –, um es dem Zeugen vorzuhalten, und wenn diese Dokumente dem Zeugen vorgehalten werden, dann würde ich es für gerecht halten, wenn der Verteidigung bei dem außerordentlich ungeheuren Umfang dieser Dokumente ausreichend Gelegenheit gegeben wird, sich auf die Examination für diese Dokumente einzurichten. Das würde mindestens zwei Tage in Anspruch nehmen. Eine Verwendung, auch nur zur amtlichen Kenntnisnahme dieser Dokumente seitens des Gerichts ohne Befragung von Zeugen darüber, halte ich für unzulässig, weil der Beweisvortrag der Anklage geschlossen ist und es eine unzulässige Erweiterung des Prozeßstoffes einerseits und eine Beschränkung der Verteidigung andererseits bedeuten würde.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird über Ihre Worte beraten und sich jetzt zurückziehen.