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[Zum Zeugen gewandt:]

Und können Sie beurteilen, wie Sie behauptet haben, ob in diesem Buch D-956, das Sie gehabt haben, hinsichtlich der Waffen-SS etwas enthalten ist?

HAUSER: Ich habe während der kurzen Durchsicht noch keine Beziehungen feststellen können.

RA. PELCKMANN: Danke sehr. Sie sind erinnert worden, Herr Zeuge, an die Rede Himmlers in Charkow. Sie haben gesagt, diese Auffassung Himmlers war falsch, daß der Terror der Truppe genützt habe. Haben Sie diese Auffassung Himmler gegenüber geäußert und in welcher Form?

HAUSER: Ich habe noch am selben Tage meine Ansicht dem Reichsführer Himmler gemeldet, und zwar, wie das bei militärischen Untergebenen üblich ist, unter vier Augen.

RA. PELCKMANN: Es ist gesprochen worden von der SS-Division »Prinz Eugen«. Wie viele Divisionen der Waffen-SS gab es?

HAUSER: Es hat meines Wissens über 35, sogar noch mehr gegeben, die aber nicht alle zur gleichen Zeit bestanden haben. Eine von diesen Divisionen war auch »Prinz Eugen«, von der ich schon sagte, daß sie viele Volksdeutsche in ihren Reihen hatte.

RA. PELCKMANN: Trifft es auch zu, daß in dieser Division auch Serben und Kroaten gewesen sind?

HAUSER: Ich kann Einzelheiten darüber nicht sagen. Wir hatten mehrere Divisionen auf dem Balkan, die auch Kroaten, Montenegriner und Muselmanen hatten.

RA. PELCKMANN: Wissen Sie, daß der Kampf auf dem Balkan von beiden Seiten besonders scharf geführt worden ist, und sind Ihnen auch Greueltaten von der anderen Seite gemeldet worden? Ich frage das nicht, um festzustellen, daß Greueltaten von der anderen Seite begangen worden sind, sondern ich frage es nur, um festzustellen, daß man aus einzelnen Greueltaten nicht auf ein System der Gegenseite schließen kann.

HAUSER: Ich habe keinen eigenen Einblick in die Kampfverhältnisse auf dem Balkan gehabt, aber aus der Geschichte weiß ich, daß sogar auch vor dem ersten Weltkrieg solche Exzesse auf dem Balkan stattgefunden haben.

RA. PELCKMANN: Wissen Sie von der Ostfront aus Berichten, die Sie erhalten haben, und ich mache wieder dieselbe Einschränkung, daß die Absicht meiner Frage ganz klar wird...

VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Der Zeuge sagte doch, daß er keine Einzelheiten über den Krieg auf dem Balkan wisse. Deshalb sind alle Fragen, die Sie an ihn stellen, bedeutungslos.

RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Verstehen Sie, daß ich nun die östliche Front in meine Frage einbeziehe?

HAUSER: Jawohl. Derartige Vorkommnisse haben stattgefunden. Sie sind zentral gesammelt worden, sie sind alle vorgelegt worden durch das OKH, auch, glaube ich, vom Roten Kreuz in Genf. Einzelheiten kann ich nicht angeben.

RA. PELCKMANN: Ist Ihnen bekannt, daß Berichte dieser Art gesammelt wurden?

HAUSER: Ja.

RA. PELCKMANN: Können Sie aus diesen Tatsachen den Schluß ziehen, daß die Rote Armee das systematisch getan hat?

HAUSER: Sie werden von mir darüber wohl eine Erklärung nicht verlangen können, ob sie systematisch gewesen sind.

GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Ich möchte nur folgende kurze Erklärungen abgeben:

Die Verteidigung hat im Laufe des Verfahrens des öfteren versucht, auf Grund der Erfindungen, die im faschistischen Weißbuch veröffentlicht wurden, von irgendwelchen Greueltaten der Gegenseite zu sprechen. Das wurde vom Gerichtshof entschieden abgewiesen, und ich glaube, daß die Frage, die der Verteidiger jetzt gestellt hat, ebenfalls abzulehnen ist.

VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Sie nicht das Recht haben, den Zeugen über seine Meinung darüber zu befragen, Sie müssen sich darauf beschränken, ihn über Tatsachen und über das, was er über sie weiß, zu befragen. Sie können dann später über diese Tatsachen argumentieren, wenn die Zeit für Ihre Argumentation gekommen ist.

RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Um den Sinn meiner vorhergehenden Frage klarzustellen, frage ich Sie nun folgendes: Wenn Sie jetzt die Taten sehen, die hier angeblich von der SS auf Grund dieser Dokumente begangen sein sollen – wie es die Dokumente zunächst ausweisen –, würden Sie trotzdem immer noch sagen, dies war kein System, sondern dies waren Einzelerscheinungen, wie sie bei der Härte des Kampfes und teilweise wegen der mangelnden Disziplin bestimmter fremdvölkischer Elemente überall vorkommen konnten?

VORSITZENDER: Sie sollten nicht damit beginnen, den Zeugen nach seiner Meinung zu fragen. Er hat uns seine Ansicht bereits mitgeteilt, und im Kreuzverhör über diese Vorfälle, in die die SS verwickelt war, erklärt, daß es sich um Einzelfälle gehandelt habe. Er hat es bereits gesagt.

RA. PELCKMANN: [zum Zeugen gewandt] Sie haben ein Dokument gelesen, in dem Geiselerschießungen vorgenommen worden sind und ein Jugoslawe aufgehängt worden ist. Wenn Sie von einem solchen Fall bei Ihrer Truppe erfahren hätten, wären Sie eingeschritten?

HAUSER: Dafür war zuständig in erster Linie der Gerichtsherr, das ist der Divisionskommandeur. Wenn zu mir, einem Kommandierenden General, darüber Nachricht gekommen wäre, dann wäre ich eingeschritten, hätte ein gerichtliches Verfahren angeordnet, und so ist es auch öfters gewesen.

RA. PELCKMANN: Es ist Ihnen der Fall Oradour vorgehalten worden in Frankreich. Wissen Sie, ob Ihre Einheiten, als sie Ihnen unterstellt waren, an diesem Verbrechen teilgenommen haben?

HAUSER: Ich kenne den Vorgang nur aus der Anklageschrift und habe weiter darüber nichts erfahren. Es soll sich hierbei um das Vergehen eines einzelnen Kompanieführers gehandelt haben. Der Zeitpunkt ist früher gewesen. Wäre das zu meiner Kenntnis gekommen, hätte ich auch dem Divisionskommandeur, wenn er nur unterstanden hätte, den Befehl gegeben, darüber ein Gerichtsverfahren zu eröffnen.

RA. PELCKMANN: Ihre Einheit war in der Normandie eingesetzt, stimmt das?

HAUSER: Jawohl, Oradour liegt aber nicht in der Normandie.

RA. PELCKMANN: Liegt in Südfrankreich? Ist Ihre Einheit dafür verantwortlich gewesen während Ihrer Kommandozeit?

HAUSER: Nein. Weder die Einheit noch... oder ich.

RA. PELCKMANN: Die Anklagebehörde hat Ihnen aus einem Dokument US-170 zitiert.

Ich wäre sehr dankbar, wenn mir dieses Dokument zur Verfügung gestellt werden könnte, damit ich es dem Zeugen vorhalten kann, denn das bloße Zitat, ohne das Dokument zu sehen, kann den Zeugen, glaube ich, nicht zu einer erschöpfenden Antwort veranlassen. Es ist der Befehl Himmlers oder Hitlers über die zukünftigen Aufgaben der SS. Ich kann es Ihnen nicht zur Verfügung stellen, weil es in englisch ist. Ich werde Ihnen nur einiges daraus vorhalten.

Ich zitiere:

»Das Großdeutsche Reich in seiner endgültigen Gestalt wird innerhalb seiner Grenzen nicht ausschließlich Volkskörper umspannen, die von vornherein dem Reich wohlwollend gegenüberstehen...

In unserem zukünftigen Reich wird aber auch eine Polizeitruppe nur dann... die notwendige Autorität besitzen, wenn...«

Schildern Sie bitte nach dem, was Sie von diesem Erlaß kennen, worauf und auf welche Zeit sich diese Ausführungen beziehen.

HAUSER: Ich kenne den Befehl nur von mündlicher Überlieferung. Er war an die Heeresdienststellen gegangen, um anscheinend deren Bedenken über das Wachstum der Waffen-SS zu beschwichtigen. Er bezieht sich nur auf die Zukunft. Er spricht von einem Großdeutschen Reich als Reich der Zukunft. Was Hitler damals im einzelnen gedacht hat, entzieht sich naturgemäß meiner Kenntnis.

RA. PELCKMANN: Nach diesem Erlaß sieht es so aus, als ob die Waffen-SS polizeiliche Aufgaben erhalten sollte in Zukunft. War das der Grundsatz der Waffen-SS während des Krieges?

HAUSER: Nein. Diese Frage muß verneint werden. Vielleicht dachte damals Hitler an ähnliche Einrichtungen, wie es im österreichischen eine Militärgrenze gegeben hat, wo die Männer arbeiteten und zur Notzeit an der Grenze antraten.

RA. PELCKMANN: In der Befragung durch den Herrn russischen Anklagevertreter ist aus der Liste von angeblichen Verbrechen von Waffen-SS-Einheiten auch eine Einheit genannt worden, und der Zeuge ist gefragt worden, ob er den Kommandeur General Steiner kennt. Sie haben es bejaht, Herr Zeuge?

HAUSER: Jawohl.

RA. PELCKMANN: Ich verlese ein Affidavit, es ist eines der Affidavits, die ich später überreichen werde, SS-Affidavit Nummer 1, aus dem sich ergibt, wie streng gerade dieser Generalleutnant Steiner hinsichtlich der Disziplin seiner Truppen dachte.

Ich zitiere aus der Mitte dieses Affidavits:

»Wir waren auf einen angeblichen Spion aufmerksam gemacht worden« – sagt der Aussteller des Affidavits, Walter Kalweit – »... Wir versuchten dabei die Tür des Nachbarhauses zu öffnen, was mißlang. Daraufhin brachen wir ein Fenster auf, stiegen in das Innere des Hauses ein und durchsuchten es gründlich, ohne jedoch einen sowjetischen Spion zu finden. Da wir erkennen mußten, uns geirrt zu haben, verließen wir das Haus auf dem Wege, auf dem wir eingestiegen waren und bedauerten die zerbrochene Fensterscheibe. Zwei Stunden später wurden wir von zwei Oberscharführern der Feldgendarmerietruppe beim Divisionsstab ›Wiking‹ verhaftet. Auf dem Wege zum Divisionsgericht fragten wir die Polizisten nach dem Grund unserer Verhaftung. Sie antworteten, daß sich die ukrainische Besitzerin des Hauses, das wir durchsucht hatten, beim Divisionsstab wegen der zerbrochenen Fensterscheibe beschwert hätte und daß der Kommandeur der Division, General Steiner, eine sofortige strenge Untersuchung dieses Falles angeordnet habe.

Vor dem Divisionsgericht wurden Ernst Gugl und ich einzeln durch einen Richter im Range eines Hauptsturmführers verhört. Der Richter erklärte mir dabei, daß durch einen Tagesbefehl General Steiners der SS-Division ›Wiking‹ ein anständiges und sauberes Verhalten gegenüber der ukrainischen Zivilbevölkerung zur Pflicht gemacht worden sei. Ich hätte mit meinem Kameraden Gugl gegen diesen Befehl verstoßen, da wir ohne Erlaubnis und Befehl unter Zertrümmerung einer Fensterscheibe in ein ukrainisches Haus eingedrungen seien.«

Ich überspringe einige Sätze:

»Nachdem so der Fall aufgeklärt war, fertigte der Gerichtsoffizier ein Vernehmungsprotokoll an und beauftragte mich, dieses dem Ordonnanzoffizier General Steiners, Hauptsturmführer von Schalburg, zu überbringen. Dieser bemerkte bei meiner Meldung wörtlich:

Es ist gut, daß Ihr Vorgehen sauber war, sonst hätten Sie mit strenger Bestrafung rechnen können. General Steiner hat mich beauftragt, ihm persönlich Vortrag über das Ergebnis der Untersuchung zu halten. Ich freue mich, daß ich ihm nichts Schlechtes über seine Wikinger zu melden brauche... Im übrigen sagen Sie es all Ihren Kameraden: Die ›Wiking‹ kämpft sauber und ritterlich.«

Können Sie, nachdem Sie dieses Beispiel gehört haben, Herr Zeuge, bestätigen, daß das erstens die Grundhaltung des Generals Steiner und seiner Truppe war und zweitens, daß das die Grundhaltung der an den Fronten stehenden Waffen-SS war und auch der Waffen-SS, die im rückwärtigen Gebiet lag?

HAUSER: Steiner war einer der ersten Kommandeure, der unter mir die Verfügungstruppe mit aufbaute. Ich kenne seine strenge Auffassung gegenüber den anderen. Ob nun gleich bei einer Fensterscheibe ein gerichtliches Verfahren notwendig ist, darf ich in Zweifel stellen; aber trotzdem ist diese Auffassung von den alten Führern der Verfügungstruppe von den Anfängen der Waffen-SS an angewendet worden.

RA. PELCKMANN: Ich bitte um Verzeihung, es sind so viele Dokumente, ich suche nur das eine Dokument, das ich zum Schluß noch zum Gegenstand der Vernehmung machen möchte.

Von den zahlreichen eidesstattlichen Versicherungen, die die Britische Anklagebehörde vorgelegt hat, ist eine von Dr. Stanislaus Piotrowski ausgestellt worden, und zwar in Nürnberg am 29. Juli 1946. Ich bitte, anordnen zu wollen, daß dieser Zeuge zum Kreuzverhör vor das Gericht zu stellen ist, da er ja offenbar anwesend ist und keine Veranlassung besteht, sich mit einem Affidavit zu begnügen.

VORSITZENDER: Welches ist die Nummer des Dokuments?

RA. PELCKMANN: Die Nummer ist D-939, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Wäre es nicht das beste, wenn Sie die Befragung dieses Zeugen zuerst abschließen und dann den Antrag auf ein Kreuzverhör stellen würden?

RA. PELCKMANN: Ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.