HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Zum Zeugen gewandt:]

Sagen Sie, Zeuge, beweist der erste Satz dieses Dokuments nicht, daß die Mitglieder der SS, die Sie als Ehrenmitglieder bezeichnen, in Wirklichkeit von Himmler befördert wurden, je nachdem, wie er ihre Tätigkeit beurteilte?

REINECKE: Dieses Dokument beweist nach meiner Auffassung das, was ich gestern darzustellen versuchte. Ich habe gesagt, daß es typisch ist für die Ehrenführer, daß sie nicht aus der SS selbst hervorgegangen sind, also keinen Dienst in der SS getan haben die vielen Jahre wie die anderen Männer alle, sondern daß sie zu irgendeinem Zeitpunkt plötzlich einen hohen Dienstgrad und die SS-Uniform verliehen bekommen, ohne damit...

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Zeuge! Ich habe Sie etwas anderes gefragt. Sie antworten mir nicht auf meine Frage. Ich habe Sie gefragt, ob es nicht tatsächlich so war, daß Himmler die sogenannten Ehrenmitglieder beförderte, je nachdem, wie er ihre Tätigkeit beurteilte – vom SS-Standpunkt aus, natürlich.

REINECKE: Ja, das ist insofern richtig, als es eine typische Politik Himmlers war, Persönlichkeiten, die über bestimmte Machtpositionen verfügten, mit der Uniform der SS zu bedenken; und das sind die Ehrenführer.

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich habe keine Fragen mehr, Herr Vorsitzender.

DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN HESS UND FRANK: Herr Präsident! Die Anklage hat heute vormittag ein Dokument vorgelegt, GB-568, es ist gleich D-926. Gegenstand dieses Dokuments sind Aktenstücke des Bayerischen Justizministeriums, und sie beschäftigen sich mit dem Tod von Kriegsgefangenen in Konzentrationslagern, und zwar im Lager Dachau. Ich stelle den Antrag, mir zu gestatten, daß ich die Ziffer 12 dieses Dokuments, die von der Anklage nicht vorgelesen wurde, jetzt nachträglich noch in das Protokoll verlesen darf.

Zur Begründung dieses Antrags erlaube ich mir auszuführen, daß dieses Dokument das gleiche ist, dessen Beiziehung ich bereits vor einem halben Jahre beantragt habe und das nicht aufgefunden werden konnte.

Die von der Anklage verlesenen Aktenstücke des genannten Dokuments können den Eindruck erwecken, als ob die Angaben, die der Angeklagte Frank im Zeugenstand zu dieser Frage gemacht hat, nicht richtig seien. Aus der Ziffer 12 aber ergibt sich,...

VORSITZENDER: Für wen stellen Sie diesen Antrag, für Frank?

DR. SEIDL: Ich stelle den Antrag für den Angeklagten Frank.

VORSITZENDER: Ich glaube, die beiden oberen Absätze auf Seite 10 der englischen Kopie mit der Bezeichnung 12 wurden bereits heute früh vorgelesen.

DR. SEIDL: Von dem Paragraph 2 wurden die ersten beiden Sätze verlesen, nicht aber die übrigen Sätze; und es wurde auch nicht der Absatz 3 verlesen.

VORSITZENDER: Gut, Dr. Seidl, Sie können verlesen, was Sie vorzulesen wünschen.

DR. SEIDL: Jawohl. Ich zitiere dann unter Ziffer 12 einen Aktenvermerk:

»Betreff: Konzentrationslager Dachau.

I. Vormerkung.

Der Antrag des Herrn Staatsministers des Innern auf Niederschlagung der bei der Staatsanwaltschaft des Landgerichts München II anhängigen Ermittlungsver fahren wegen des Todes der Schutzhaftgefangenen Handschuch, Franz und Katz wurde in der Sitzung des Ministerrates vom 5. Dezember 1933 beraten. Als Ergebnis hat Herr Staatsminister der Justiz dem unterzeichneten Referenten mitgeteilt:

Die Strafverfahren wegen der Vorkommnisse im Konzentrationslager Dachau sind mit aller Entschiedenheit weiterzuführen. Der Sachverhalt ist mit größter Beschleunigung zu klären. Gegebenenfalls ist zur Unterstützung die Landespolizei heranzuziehen. Etwaigen Verdunkelungsversuchen ist mit den gebotenen Mitteln entgegenzutreten.

Der Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht München II wurde angewiesen, entsprechend dem Beschluß des Ministerrates unverzüglich und mit allem Nachdruck die Weiterführung der Verfahren zu betreiben und auf rascheste Klärung der Vorgänge hinzuwirken. Er wird in den Fällen Franz und Katz sofort und im Falle Handschuch nach Eintreffen der von der Politischen Polizei zurückgeforderten Akten gerichtliche Voruntersuchung beantragen und auf ihre beschleunigte Durchführung bedacht sein. Er ist angewiesen, das Staatsministerium der Justiz über den Fortgang der Verfahren auf dem laufenden zu halten und nach Abschluß der Voruntersuchungen die Akten mit einem Bericht über ihr Ergebnis und über die in Aussicht genommene weitere Sachbehandlung vorzulegen. Der GSTA b. d. OLG. München ist verständigt und beauftragt, auch seinerseits dem Verfahren sein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Die Voruntersuchungen werden voraussichtlich von dem für den Bezirk Dachau zuständigen LGRat Kissner geführt werden.

Der Verbindungsmann zur Politischen Polizei, I. StA. Dr. Stepp, wurde weisungsgemäß beauftragt, die Entscheidung des Ministerrates dem Politischen Polizeikommandeur Himmler und dem Leiter der Bayerischen Politischen Polizei mitzuteilen.«

Ich danke Ihnen, Herr Präsident.

RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! Ich nehme noch einmal Bezug auf das Dokument, das eben von dem Herrn Kollegen Seidl verlesen worden ist. Sie haben bei dem Vorhalt dieses Dokuments darauf hingewiesen, daß es sich um eine Anordnung und einen Vorgang ganz früh, aus dem Jahre 1933, handelt. Sie haben bei Ihrer Vernehmung aber selbst gesagt, daß Sie im Zuge Ihrer Ermittlungen in späteren Jahren gerade auf solche Vertuschungen von Morden gekommen sind, indem nämlich falsche Tatberichte eingereicht worden sind, und deshalb möchte ich Sie nochmals fragen: Ist es richtig, daß Sie bei Ihren Untersuchungen in späteren Jahren solche Vertuschungen, sobald sie Ihnen begegnet sind, aufs schärfste bekämpft haben?

REINECKE: Das war ja gerade eine unserer Haupttätigkeiten, daß wir gegen solche Vertuschungen, die allerorts im Laufe der durchgeführten Verfahren auftauchten, vorgehen mußten. Wir haben wiederholt in den verschiedensten Lagern durch die Kommissionen feststellen können, daß solche Vertuschungen vorlagen, und gerade in diesen Fällen alsdann die Schuldigen zur Verantwortung gezogen.

RA. PELCKMANN: Konnten Sie als SS-Gerichtsbarkeit im Jahre 1933 gegen solche Verbrechen schon vorgehen?

REINECKE: Im Jahre 1933 hat es eine SS-Gerichtsbarkeit, das heißt eine Strafgerichtsbarkeit, noch nicht gegeben. Zuständig für Durchführung solcher Strafverfahren waren eben die Strafverfolgungsbehörden der allgemeinen Justiz, wie sich dies aus diesem Dokument auch ergibt. Ihre Aufgabe war es, in solchen Fällen die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen.

RA. PELCKMANN: Es ist Ihnen ein Protokoll... ein Dokument vorgehalten worden, D-924, GB-570. Es handelt sich dabei um die grauenhaften Erschießungen von Transporten durch die Begleitmannschaften. Sie haben dazu Stellung genommen. Sie haben, wie ich bemerkt habe, Ihre Ausführungen aber nicht beenden können, weil ich glaube, daß Sie nach Ihrem persönlichen Eindruck über dieses Verbrechen noch etwas hinzufügen wollten. Wollen Sie das jetzt nachholen?

REINECKE: Jawohl. Ich wollte sagen, daß es sich hier um einen Transport handelte, daß es sich hier um Begleitmannschaften handelte, und daß das, was ich selbst über die Wachmannschaften gesagt hatte, sich ausschließlich auf diese in den Lagern bezog, also diejenigen Posten, die außen herum um das Lager, auf den Türmen und so weiter die Bewachung vornahmen und nach Beendigung des Wachdienstes in ihre Truppenunterkünfte zurückkamen, die also mit dem inneren Betrieb des Konzentrationslagers nichts zu tun hatten. Solche Transporte sind im Zweifelsfalle durchgeführt von den Angehörigen der Kommandanturstäbe.

RA. PELCKMANN: Von dem Dokument, welches die Statistik über die Stärke der SS am 30. Juni 1944 enthält – ich bedauere, daß die Dokumentennummer aus meinem Exemplar nicht ersichtlich ist – möchte ich Ihnen nur vorhalten die Zahl von 794000 Angehörigen der SS im Jahre 1944. Wir haben gestern von dem Zeugen Brill über die Angehörigen der SS höhere Ziffern gehört, etwa 900000 bis eine Million. Da der Zeuge Brill nicht mehr anwesend ist, frage ich Sie, wenn Sie das gehörige Wissen haben, ob sich diese Differenz dadurch erklärt, daß in der Ziffer, die der Zeuge Brill genannt hat, auch die Toten, die Gefallenen, enthalten waren und insofern keine unrichtige Angabe des Zeugen Brill vorliegt?

REINECKE: Ich habe dieses Wissen, um die Frage beantworten zu können, weil ich mich vom Sektor Gerichtswesen aus stets mit der Stärke der SS befassen mußte. Ich weiß, daß die Angaben des Zeugen Brill den tatsächlichen Verhältnissen entsprachen. Es ist so, wie der Herr Verteidiger sagt, daß in den Angaben des Zeugen Brill die Verluste der Waffen-SS enthalten sind, daß also die in diesem Dokument hier angegebene Zahl um das vermehrt werden muß, was im Laufe der Jahre des Krieges an Männern, Unterführern und Führern der Waffen-SS gefallen war, um auf die wirkliche Stärke der Waffen-SS Schlüsse ziehen zu können.

RA. PELCKMANN: Auf Seite 28 desselben Dokuments haben Sie die Aufstellung über die verschiedenen Ämter; sie schließt mit einer Gesamtzahl von 39415 Mitgliedern der SS. Haben Sie das... die Urkunde noch vor sich, Herr Zeuge?

REINECKE: Nein, leider nicht.