[Zum Zeugen gewandt:]
Wollen Sie noch einmal kurz zusammenfassen. Ich werde vielmehr auf die letzte Frage übergehen, die gerade für Ihre Glaubwürdigkeit von Erheblichkeit ist. Haben Sie Ihre Aussage etwa so, wie Sie sie hier gemacht haben, schon einmal gemacht?
MORGEN: Jawohl. Beim Zusammenbruch war ich Chefrichter in Breslau. Als ich nach längerer Zeit nach Deutschland kam, hörte ich, die CIC suchte mich wegen meines Wissens über die Konzentrationslager. Ich meldete mich beim CIC-Hauptquartier Mannheim-Seckenheim, 7. Armee, und erklärte mich bereit, bei der Aufklärung dieser Verbrechen mitzuwirken. Ich habe meine Aussage so gemacht, wie ich es heute versucht habe kundzutun. Ich ging zum CIC- Hauptquartier, Oberursel. Nachdem ich meine Aussagen gemacht hatte, wurde ich in einen Bunker von Dachau gesperrt zusammen mit den Angeklagten, die ich früher selbst verhaftet habe.
RA. PELCKMANN: Ist gut. Ist Ihnen die Schrift bekannt »SS-Dachau«, eine Schrift, die ich gestern dem Hohen Gericht überreicht habe und die ich mit Exhibit SS-4 bezeichnen möchte. Ist Ihnen diese Schrift bekannt? Antworten Sie ja oder nein.
MORGEN: Jawohl.
RA. PELCKMANN: Auf Seite 46 dieser Schrift ist die Aussage einer Frau E. H. Ist diese Aussage vor Ihnen seinerzeit abgegeben worden als Untersuchungsrichter?
MORGEN: Jawohl. Ich habe diesen Häftling, eine Frau Eleonore Hodis aus Auschwitz eidlich vernommen.
RA. PELCKMANN: Und haben Sie diesen Artikel überprüft und festgestellt, daß diese Aussage diejenige war, welche sie vor Ihnen abgegeben hat? Ja oder nein?
MORGEN: Jawohl.
RA. PELCKMANN: Wann war das?
MORGEN: Im Herbst 1944.
RA. PELCKMANN: Die Aussage richtet sich gegen Höß?
MORGEN: Ja.
RA. PELCKMANN: Ist daraufhin ein Verfahren gegen Höß eingeleitet worden?
MORGEN: Ja. Die Aussagen wurden Höß in dem Original unterbreitet.
RA. PELCKMANN: Die Aussage beschäftigt sich mit den Zuständen in Auschwitz. Ist das wahr?
MORGEN: Ja.
RA. PELCKMANN: Es ist also nicht richtig, daß sie die Lage im Lager Dachau kennzeichnet?
MORGEN: Nein.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird eine Pause einschalten.
[Pause von 10 Minuten.]
DR. RUDOLF MERKEL, VERTEIDIGER FÜR DIE GESTAPO: Herr Vorsitzender! Über die Tatsache der Nichtbeteiligung und des Nichtwissens der Gestapo an den Massenvernichtungen, bitte ich, diesem Zeugen drei kurze Fragen stellen zu dürfen.
VORSITZENDER: Ja.
DR. MERKEL: Herr Zeuge! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurden die Verbrechen des Kriminalkommissars Wirth in Lublin auf eine Anzeige der Sicherheitspolizei Lublin hin aufgedeckt?
MORGEN: Jawohl.
DR. MERKEL: War somit die Sicherheitspolizei Lublin an diesen Verbrechen des Wirth in irgendeiner Form beteiligt?
MORGEN: Das war meines Erachtens nicht der Fall.
DR. MERKEL: Der Zeuge Best behauptet, daß die Lager Treblinka und Maidanek der Sicherheitspolizei unterstanden hätten. Ist das richtig?
MORGEN: Darüber weiß ich nichts. Wirth hat das so dargestellt, daß er vier Vernichtungslager hat. Ich glaube, daß dabei der Name Treblinka gefallen ist.
DR. MERKEL: Nach Ihrer Überzeugung stand also auch dieses Lager unter Wirth?
MORGEN: Das habe ich angenommen.
DR. MERKEL: Wollten Sie einen Haftbefehl des SS-Gerichts gegen Eichmann vollstrecken?
MORGEN: Ich habe das SS-Gericht Berlin ersucht, die Untersuchungen gegen Eichmann auf Grund meiner Hinweise durchzuführen. Das SS-Gericht Berlin hat daraufhin dem Chef des RSHA, SS-Obergruppenführer Kaltenbrunner – in seiner Eigenschaft als Gerichtsherr – einen Haftbefehl gegen Eichmann vorgelegt.
Dr. Bachmann berichtete mir, daß es bei dieser Vorlage zu dramatischen Auftritten gekommen ist.
Kaltenbrunner hat Müller sofort zugezogen, und nun wurde dem Richter erklärt, eine Verhaftung käme unter gar keinen Umständen in Frage, denn Eichmann führe einen geheimen Sonderauftrag des Führers von höchster Wichtigkeit aus.
DR. MERKEL: Wann war das?
MORGEN: Das war Mitte 1944.
DR. MERKEL: Danke, ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen.
DR. GAWLIK: Euer Lordschaft! Ich bitte einige Fragen stellen zu dürfen.
VORSITZENDER: Ja.
DR. GAWLIK: Herr Zeuge! Sie sprechen von Befehlen des RSHA. Von welchen Ämtern des RSHA sind die Befehle erteilt worden?
MORGEN: Meinen Sie die Befehle zu den Massenvernichtungen?
DR. GAWLIK: Jawohl.
MORGEN: Ich führte aus, daß die SS-Gerichtsbarkeit...
DR. GAWLIK: Bitte beantworten Sie die Frage kürzer.
Von welchen Ämtern sind diese Befehle erteilt worden?
MORGEN: Ich sagte, daß der Untersuchungsrichter solche Befehle, wie mir bekanntgewesen ist, nicht habe feststellen können.
DR. GAWLIK: Sie sprachen doch von Befehlen des RSHA?
MORGEN: Ich sprach davon, daß sich die Angeklagten Koch und Grabner wegen der von ihnen vorgenommenen Tötungen auf Befehle des RSHA bezogen, von denen sie behaupteten, diese Befehle hätten nach Empfang vernichtet werden müssen. Das war eine reine Behauptung, und deshalb mußte diese Behauptung nachgeprüft werden.
DR. GAWLIK: Haben Sie festgestellt, daß die Ämter III, VI und VII irgendwie an diesen Maßnahmen beteiligt waren?
DR. MORGEN: Ich führte bereits aus, daß das Unternehmen Wirth unmittelbar...
DR. GAWLIK: Können Sie die Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten?
MORGEN: Ich habe das nicht feststellen können.
DR. GAWLIK: Danke, ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.
VORSITZENDER: Wünscht die Anklage ein Kreuzverhör vorzunehmen?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Anklagevertretung überlegt sich sehr sorgfältig, diesen Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen. Wir nehmen seine Ausführungen über Buchenwald und Dachau und über die in den Konzentrationslagern im allgemeinen herrschenden Bedingungen nicht entgegen. Wir glauben jedoch, daß dem Gerichtshof eine so überwältigende Masse von Beweismaterial gezeigt wurde, einschließlich der Filme und der Beweise über die einheitliche Schablone der in den Konzentrationslagern verübten Grausamkeiten, über die übelriechenden Schornsteine der Krematorien und über die Personen, die diese Taten ausgeführt haben, daß wir jede weitere Erörterung dieser Sache, es sei denn in Form von Erläuterungen, als unnötig ansehen; wir halten es nicht für richtig, diesem Zeugen die Einzelheiten dieser Beweise, die dem Gerichtshof ohnedies schon so wohlbekannt sind, vorzuhalten und damit die Zeit des Gerichtshofs in Anspruch zu nehmen.
VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen. Schließt das Ihren Fall ab?
RA. PELCKMANN: Ja.