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[Pause von 10 Minuten.]

MAJOR ELWYN JONES: Euer Lordschaft! Ich habe für das Verfahren gegen die SS drei kurze Dokumente vorzulegen. Das erste ist das Dokument 4043-PS, GB-606, das ich im Namen der Polnischen Delegation überreiche. Es zählt die Namen der 846 polnischen Priester und Mönche der polnischen Geistlichkeit auf, die im Konzentrationslager Dachau ermordet worden sind.

VORSITZENDER: Ist das ein staatlicher Bericht?

MAJOR ELWYN JONES: Es ist ein Affidavit eines polnischen Priesters, dem die Namen der Priester beigefügt sind. Die Namen sind in einer polnischen Veröffentlichung in einer polnischen Zeitung erschienen.

Ich stelle eben fest, daß die Erklärung von einem römisch-katholischen Priester unterzeichnet ist, der die folgende Erklärung unter Eid abgibt. Ich habe mich geirrt, als ich sagte, es sei eine Erklärung unter Eid; aber jedenfalls ist eine Liste der Priester von der Abteilung »Presse und Kultur« beigefügt, die in der katholischen Wochenschrift »Polska Wierna« veröffentlicht wurde.

Wenn bei dem Gerichtshof Zweifel hinsichtlich des Dokuments auftauchen, werde ich nicht darauf dringen. Ich wurde von der Polnischen Delegation gebeten, es vorzulegen.

Mit Erlaubnis von Euer Lordschaft lege ich an Stelle des letzten Dokuments das Dokument NO-007 vor, das GB-592 wird. Es handelt sich um einen Befehl von Himmler an den Höheren SS- und Polizeiführer Ukraine in Kiew und ist datiert vom 7. September 1943. Es lautet:

»Lieber Prützmann!

Der General der Infanterie Stapf hat bezüglich des Donez-Gebietes besondere Befehle. Nehmen Sie mit ihm sofort Fühlung auf. Ich beauftrage Sie, mit allen Kräften mitzuwirken. Es muß erreicht werden, daß bei der Räumung von Gebietsteilen in der Ukraine kein Mensch, kein Vieh, kein Zentner Getreide, keine Eisenbahnschiene zurückbleiben; daß kein Haus stehen bleibt, kein Bergwerk vorhanden ist, das nicht für Jahre gestört ist, kein Brunnen vorhanden ist, der nicht vergiftet ist. Der Gegner muß wirklich ein total verbranntes und zerstörtes Land vorfinden. Besprechen Sie diese Dinge sofort mit Stapf, und tun Sie Ihr menschenmöglichstes. Heil Hitler! Ihr gez. H. Himmler.«

Beigefügt ist noch folgendes:

»SS-Obergruppenführer Berger hat die Durchschrift mit der Bitte um Unterrichtung des Reichs-Ostministers er halten.«

Abschriften gingen an:

»2.) Chef der Ordnungspolizei,

3.) Chef der Sicherheitspolizei und des SD,

4.) SS-Obergruppenführer Berger,

5.) Chef der Bandenkampfverbände

durchschriftlich mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt.«

Und schließlich das Dokument NO-022 bezieht sich auf Befehle Himmlers.

VORSITZENDER: Wer war zu jener Zeit Reichs- Ostminister?

MAJOR ELWYN JONES: Soweit ich es weiß, Euer Lordschaft, war das der Angeklagte Rosenberg.

Schließlich Dokument NO-022, das GB-593 wird. Es ist eine Weisung Himmlers, datiert vom 10. Juli 1943, gerichtet an den »1) Chef der Bandenkampfverbände, 2) Höheren SS- und Polizeiführer Ukraine, 3; Höheren SS- und Polizeiführer Rußland-Mitte«.

Der erste Absatz:

»1. der Führer hat entschieden, daß die bandenverseuchten Gebiete der Nordukraine und von Rußland- Mitte von jeder Bevölkerung zu räumen sind.

2. Die gesamte arbeitsfähige männliche Bevölkerung wird gemäß noch der abzumachenden Bestimmungen dem Reichskommissar für den Arbeitseinsatz zugewiesen, jedoch unter den Bedingungen von Kriegsgefangenen.

3. Die weibliche Bevölkerung wird dem Reichskommissar für den Arbeitseinsatz zur Arbeit im Reich zugewiesen.

4. Ein Teil der weiblichen Bevölkerung und alle elternlosen Kinder kommen in unsere Auffanglager.

5. Die bevölkerungsmäßig evakuierten Gebiete sind tunlichst nach noch zu treffender Abmachung mit dem Reichsernährungsminister und dem Minister für die besetzten Ostgebiete von den Höheren SS- und Polizei-Führern in Bewirtschaftung zu nehmen und dort zum Teil mit Kok-Sagys zu bebauen und, soweit es möglich ist, landwirtschaftlich auszunutzen. Die Kinderlager sind an den Rand dieser Gebiete zu legen, so daß die Kinder als Arbeitskräfte für den Kok-Sagys- Anbau und für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen.

Die endgültigen Vorschläge sind mir baldigst einzureichen.

gez. H. Himmler.«

Darunter stehen die Namen Berger und Backe.

RA. PELCKMANN: Euer Lordschaft, darf ich mir eine formelle...

VORSITZENDER: Einen Augenblick... Ja, Dr. Pelckmann?

RA. PELCKMANN: Darf ich mir eine formelle Frage erlauben zum Verfahren? Ich sehe, der Zeuge ist noch anwesend. Sollten dem Zeugen diese Dokumente vorgelegt werden?

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat dem Zeugen noch einige Fragen zu stellen.

RA. PELCKMANN: Aber wenn diese Dokumente nicht dem Zeugen vorgelegt werden sollen, dann möchte ich ihrer Verwertung widersprechen aus der alten Begründung, die ich schon früher gegeben habe: der Beweisvortrag der Anklage ist beendet.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat bereits entschieden, daß neue Dokumente auf diesem Weg vorgelegt werden können.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich bitte, eine Frage an den Zeugen richten zu dürfen zur Klarstellung eines von ihm gebrauchten Namens.

Herr Zeuge! Sie erwähnten das Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung. Ist das der gesamte Name dieses Instituts? Geben Sie den vollständigen Namen an!

VORSITZENDER: Wollen Sie Ihre Antwort wiederholen.

SIEVERS: Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung der Waffen-SS und Polizei.

DR. LATERNSER: Danke schön.

MR. BIDDLE: Zeuge! Sie haben gesagt, daß die Luftwaffe sich mit Himmler in Verbindung gesetzt habe, um Konzentrationslagerhäftlinge zu erhalten. Wer von der Luftwaffe nahm Fühlung mit ihm?

SIEVERS: Daß die Luftwaffe auf Himmlers Befehl Konzentrationslager angegriffen hat, habe ich nicht gesagt.

MR. BIDDLE: Warten Sie, Zeuge, hören Sie meine Fragen. Ich habe nicht behauptet, daß Sie das gesagt haben. Ich sagte, daß Sie gesagt haben, irgend jemand von der Luftwaffe hätte sich mit Himmler in Verbindung gesetzt, um Insassen aus den Konzentrationslagern zu erhalten. Haben Sie das gesagt?

SIEVERS: Nein, das habe ich auch nicht gesagt. Ja, Dr. Grawitz, der Reichsarzt-SS teilte mir mit, daß die Luftwaffe – ich weiß nicht, welche Stelle – die Durchführung der Meerwasserversuche beantragt habe und deswegen um Bereitstellung von Häftlingen gebeten habe.

MR. BIDDLE: Sie erwähnten den Namen von General Milch in Ihrer Aussage. In welchem Zusammenhang – wenn überhaupt – stand General Milch mit diesen Experimenten?

SIEVERS: Lediglich mit den hier behandelten Höhenflugversuchen und den Unterkühlungsversuchen, die ja 1941 begannen und von Luftwaffenärzten durchgeführt wurden. Wenn ich... den Professor Holzlöhner, Stabsarzt Dr. Rascher, Stabsarzt Dr. Finke und einem dritten Herrn der Luftfahrtversuchsanstalt Adlershof, dessen Name mir nicht mehr erinnerlich ist...

MR. BIDDLE: Und welche Verbindung hatte General Milch mit diesen Versuchen? Hat er die Vorbereitungen für sie getroffen?

SIEVERS: Nein, die fachlichen Vorbereitungen lagen meines Wissens in den Händen der Sanitätsinspektion der Luftwaffe.

MR. BIDDLE: In welchem Zusammenhang stand Genera! Milch mit dieser Sache? Hat er die Verbindung hergestellt?

SIEVERS: Er hat sich... Das geht aus dem Briefwechsel hervor, der zwischen Generalfeldmarschall Milch und Obergruppenführer Wolff geführt wurde, der mir hier bereits vorgelegt wurde bei früheren Vernehmungen.

MR. BIDDLE: Sie wissen dann also nichts weiter über General Milch, außer was aus dem vorgelegten Briefwechsel hervorgeht?

SIEVERS: Nein, weiter weiß ich nichts.

MR. BIDDLE: In wie vielen Lagern außer Dachau waren Versuchsstationen oder Stationen für biologische Forschungen?

SIEVERS: Das kann ich nicht sagen, weil mir nur die Arbeiten von Rascher und Hirth bekannt sind, nicht andere, also solche Versuche, die im Bereich des Reichsarztes-SS durchgeführt wurden. Darüber war nichts zu erfahren, weil auch diese unter der...

MR. BIDDLE: Also Sie wissen nichts?

SIEVERS: Nein.

MR. BIDDLE: Eine letzte Frage noch: Sie sagten, nach Raschers Verhaftung seien in Verbindung mit dem Institut keine weiteren ungesetzlichen Versuche durchgeführt worden. Wissen Sie von irgendwelchen anderen Versuchen, die nicht mit diesem Institut zusammenhingen?

SIEVERS: Das bezieht sich auf die vorige Frage und steht mit ihr im Zusammenhang. Man hörte davon, zum Beispiel von den Arbeiten von Professor Schilling, die mir aber nie näher bekanntgeworden sind.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.